Was ist neu

Spiderman und der verlorene Sohn meines Bruders

Mitglied
Beitritt
13.11.2002
Beiträge
666
Zuletzt bearbeitet:

Spiderman und der verlorene Sohn meines Bruders

Sagen wir mal so: Vorzeigeonkel ist kein Prädikat, keine Position wie »Chairman of the Board«, was wörtlich übersetzt »Stuhlmann des Regals« heißt, in New York aber ein formidabler Posten für die Schergen des Bürgermeisters ist. Sie tragen BOSS- Anzüge mit engen Hosen, Uhren von Glashütte und Blaubeer-Muffins durch die Gegend, während sich leise klirrend ihr Gehalt summiert. Ich hab's selbst erlebt.
Vorzeigeonkel zu sein bedeutet, die Qualitäten von Indiana Jones und diesem Butler aus »Das Haus am Eaton Place« zu vereinen, wenn’s geht mit Bill Gates Einkünften.
Aber es reicht nicht, starr in seiner Rolle als DER ONKEL zu verharren: Flexibilität ist angesagt, geistig wie körperlich.
Wer jemals wie NEO aus Matrix frei schwebend in eine sich anbahnende Kollision aus Nachbars Nobelfahrrad und Neffens Bobbycar grätschte, mag wissen, wovon ich spreche.
Man bekommt ein Gefühl dafür, wenn man schon mal Kontakt mit der Chromgabel des Kohlefaserhackbratenkarbid-Nobel-Bikes hatte, infolge dessen einem die primären Geschlechtsorgane auf Null gesetzt werden. Ein Wochenende auf der Couch- mit einem Papierhut auf dem Schädel, auf dem ELEFANTENKLÖTEN:BITTE NICHT ANSPRECHEN steht- kann wahre Wunder wirken, wenn auch nicht beim Gang zur Toilette oder dem betrachten der eigenen Schuhe.

Spiderman würde das vermutlich besser hin kriegen.
»Ich will Spiderman 2 sehen, bitte bitte bittttteeeeee!«, meinte Gideon, mein fünfjähriger Neffe, dessen origineller Name nur von seinen noch originelleren Ideen übertroffen wird.
»Der ist ab zwölf, du«, gab ich den Pädagogen.
»Der ist ab sechs«, entgegnete Gideon.
»Du bist keine sechs«, erwiderte ich.
»Werd ich aber.«
»Wenn du weiter so mit deinem Bobbycar...«
»Ich will aber so gerne!«
»Was soll ich tun? Dir nen Schnurrbart anmalen und hoffen, dass die Kassenfrau den grauen Star hat?«
»Was ist ein grauer Star?«
»Frank Sinatra zum Beispiel«, brüllte mein Bruder aus der Küche.
Ich beugte mich über Gideon und meinte, in seinen Augen die Reflexion eines subtilen Strahlens zu sehen, das mich umgab, als ich sprach: »Ich schaue, was ich machen kann.«

»Hören Sie, guter Mann«, sagte der studentische Kassierer mit einer Betonung, wie sie der Sheriff von Nottingham gern benutzt, um die Verbrennung unnützer Bettler in Auftrag zu geben, »der Junge ist zu klein.«
»Unfug«, entgegnete ich mit der Betonung eines genervten John Grisham-Anwalts mit einem Auge auf die warmlaufenden Todeskammer, »Mein Mandant...Quark, mein Neffe hier ist acht!«
Der Kassierer der UCI-Kinowelt zu Bochum schüttelte den Kopf.
»Sieben?«, sagte ich.
Kopfschütteln.
»Dann nehmen wir...Shrek 2.«
»Ach Menno, den haben wir doch schon auf DV...«
Während meine linke Hand die Ausführungen Gideons erstickte, fummelte die Rechte nach der Geldbörse.
»Der Kleine redet wirr«, lächelte ich, »den Film gibt’s ja gar nicht, wiesollichetsagen, auf...äh..DVD...sozusagen. Nicht wahr?«
»Doch schon«, knurrte der Kassenmensch, »als illegale Raubkopie.«
»Holla die Waldfee. Sachen gibt’s. Na, da sei der Heiland vor. Gideon, sag jetzt nichts. Nick einfach: Popcorn?«
Ich zerrte meinen Neffen zur Rolltreppe, den Kinos entgegen.

»Onkääääl! Ich will Spiderman sehen! Nicht den doofen Shrek.«
»Mein Neffe«, sagte ich feierlich, »habe ich dich jemals enttäuscht?«
»Ja. Du wolltest mir ein Piratenkostüm basteln.«
Ich hatte gehofft, er hätte es vergessen. Was will ein Fünfjähriger mit einer Augenklappe und Pluderhosen? Wohin führt das?
»Und sonst? Hm?«
»Ja. Du wolltest nicht mit mir auf die Todeswal-Rutsche im Hallenbad.«
Kein zweites Mal zumindest. Beim ersten Mal war ich der aktive Teil eines erstaunlichen Experiments geworden, der meine Fallkurve und die Dehnbarkeit langsam dümpelnder, aber anwaltsversessener Renterleiber in eine ungesunde Relation gebracht hatte. Vom stundenlangen Märschen durch Toys Are Us verhärtete Fersen treffen auf das welke Fleisch am Austrittloch vorbeitreibender Ex-Staatsanwälte: Das ist der Indiana Jones-Teil des Onkelseins. Der Rest war dann wieder ganz Butler.
»Ist ja gut. Pass auf: Shrek läuft im selben Flur wie Spiderman. Alles klar?«
Das Großraumkino reihte die Säle nacheinander auf wie an einer Perlenschnur. Es war theoretisch möglich, 14 Filme zu sehen, wenn man eine Karte hatte, da man nicht mehr kontrolliert wurde.
Wir schlichen uns ins Kino, gerade rechtzeitig zur bluttriefenden Vorschau von »Hellboy«.
Das ist nicht mein Sohn, hörte ich im Geiste meinen Bruder brüllen. Das hier ist nur das fahle Gespenst meines Sohnes! Wo ist mein Sohn? Wer ist dieser traumatisierte Lappen?!?
»Mach mal kurz die Augen zu, Gideon.«
Gideon machte sie zu, öffnete sie allerdings rechtzeitig zur Vorschau von »King Arthur«, der wohl doch nicht so der väterliche Freund an der Tafelrunde gewesen zu sein schien, denn er schlug soeben irgend einem dahergelaufenen Wilden den Kopf ab.
Ich hatte allerdings noch mehr Sorge wegen des Langnese-Spots: Halbnackten Modells in zerfetzten Plünnen beim herunterschlingen fragwürdiger Chemieerzeugnisse zu beobachten, erschien mir nicht ganz koscher für den guten Gideon.
»Was machen die Leute da?«, flüsterte Gideon.
»Sie...essen...Eis...«, versuchte ich den Brustwarzen- und Leck-Schlamassel auf der Leinwand mit dem Bild von Kindern, die Hörnchenwaffeln hielten zu verbinden.
»Warum hat die Frau da fast nichts an? Geht die schlafen?«
»Wenns nach mir ginge, schon. Der Film fängt gleich an. Pscht jetzt.«

Das UCI verfügt über eine Soundanlage, die es mit jeder guten Disco-Installation aufnehmen kann.
Dummerweise kann diese Anlage es auch mit einbrechenden Staudämmen aufnehmen, und so barst ein gigantisches Konzert aus den Boxen, als der Film begann.
Gideon verlieh seinem Unmut über die Geräuschkulisse Ausdruck, indem er mit typisch kindlicher Methodik folgendes entgegensetzte:
»LEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIISSSSSSSSSSERRRRRR!«
Ein interessanter Schrei: In den oberen Tönen ein klarer Fall von Mistgabel auf Schiefertafel, untenrum ausklingend wie »Helfen Sie mir, mein Onkel zwingt mich, diesen Scheiß zu sehen«.
Mein geistiger Buchhalter schrieb in einer halben Sekunde 14 Euro für den Helden im Strampelanzug, weitere 6 für bis zur Weißglut gerösteten Mais ab.

Flucht.

Auf dem Weg zurück plauschten wir in Gebärdensprache, während ich mich heimlich beglückwünschte.
Immerhin hatte der Junge keinen Film sehen müssen, in denen ein abgebrochener Student aus den Handgelenken an Häuserwände ejakuliert.

 

Hi Jack!

»Was ist ein grauer Star?«
»Frank Sinatra zum Beispiel«, brüllte mein Bruder aus der Küche.
:thumbsup:

»Der Kleine redet wirr«, lächelte ich, »den Film gibt’s ja gar nicht, wiesollichetsagen, auf...äh..DVD...sozusagen. Nicht wahr?«
:thumbsup:

»LEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIISSSSSSSSSSERRRRRR!«
Es gibt da einen ganz ähnlichen Gag. Nämlich; LLLLLAAAAAAUUUUUUUUTTTTERRRRRR" schreien. Ist lustiger, finde ich...

mmerhin hatte der Junge keinen Film sehen müssen, in denen ein abgebrochener Student aus den Handgelenken an Häuserwände ejakuliert.
Ach, ich LIEBE Spiderman. Das gefällt mir nicht, nein, nein...

Also: um es kurz zu machen: du hast es zu kurz gemacht.
Super Stil, ohne Frage, tolle Gags, ohne Frage, nur gegen Ende verliert das Ding an Kraft. Und irgendwie steht man dann etwas unfertig da.

In diesem Sinne
c

 

Hi Jack!

Das mag womöglich wieder eine halbautobiografische Humorstory sein (immerhin besser als eine halbautobiografische Horrorstory), aber die erste von dir, die mir nicht gefallen hat. Die Story zündet bei mir nicht. Ich finde sie einfach nicht lustig. Sicher, sie ist amüsant, aber mit der operettenhaften Silvestergeschichte, den beiden Roadmovie´esken "Absolut wahren und verdammt langen"- Geschichten, der eklig- zotigen "Kurzen und verdammt widerwärtigen"- Geschichte oder gar dem auf parodistisch- satirische Weise tragischen "Movie Park Warner" und der lustig- flach geschrieben "Cranger Kirmes- Bedienungsanleitung" kommt diese hier bei weitem nicht mit. Sie hat einfach nicht den Charme deiner vorangegangenen Geschichten.
Kleines Detail am Rande: Man schreibt "Spider-Man", nicht "Spiderman", anders als bei Batsy zum Beispiel ;P .
Außerdem versuche ich, so wenig wie möglich über die Spidey- Witze zu lachen, denn so wie du mit dem Flattermann großgeworden bist, war in meiner Kindheit Wandkrabbeln mit Spider-Man- Figuren angesagt, und sogar wenn ich als Kind nicht versucht hätte, aus meiner FC-Bayern-München- Zipfelmütze eine Spidey- Maske zu basteln, würde ich finden, dass die Filme großartig sind- einfach weil sie es eben sind. Natürlich mochte ich damals auch die Batman- Serie, aber Spidey hat sich eben an mein Herz geklebt.

Grüße,

Lestat

 

Na gut, Ihr Spidey-Fans!

Ich habe die Filme auch geliebt-und sie natürlich im Kino gesehen! Gerade der 2. Teil ist ein verdammter Geniestreich, entführte mich aber neulich nach Toys R Us, wo ich Gideon tatsächlich mit Maske und Handschuhen eindecken musste, die Digital "ZOSCH!" machen. Ich liebe Spidey, ihr liebt ihn. Gut so!

Der Schlusssatz bezieht sich nur auf einen Erklärungsnotstand, der hätte kommen können.


Naja- eigentlich wollte ich mich nur als cooler Onkel darstellen.


Danke fürs lesen!

 

Ich erinnere mich wehmütig an deine BW-Erzählungen. Okay, die eine Werwolf-Geschichte von dir, die kam auch gut. Naja...

Natürlich gibt es auch hier wieder typische JT-Sätze. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Dennoch ist das mE ein Produkt einer plötzlichen Idee, die unbedingt das Licht der Welt erblicken wollte, was nicht unbedingt gut sein mag. Das Ende kommt plötzlich, es fehlt was. Den neuen Langnese-Spot finde ich ebenfalls so ziemlich alles, außer verkaufsfördernd.

Übrigens dürfen Kinder ab 6 Jahren in Begleitung der Erziehungsberechtigten sich Filme der FSK-Stufe 12 ansehen. Onkel hin, Onkel her... :D

Anfang gut, dann flacht es ab <- ein besseres Fazit hab ich leider nicht. Aber auch ein Herr Torrance hat mal einen schlechten Tag erwischt, nicht wahr?

Gruß,
Poncher

 

Hallo!

Es heißt natürlich: »SPIDER-MAN«
Mea Culpa.


Jo-oder-so:

Ja...kam mit der Geschichte nicht so aus dem Quark, und war mir unschlüssig (und zwar völlig) ob das was geworden ist, und da nützt nur eines was: Posten, den Rotz.
Damit sind solche Kritiken natürlich wirklich gut und sinnvoll- und ich schnapp kein bisschen ein oder so was (wäre ja auch noch schöner!). Vielen Dank!


Poncher: Hätte nie gedacht, dass du ab und an einen Blick in mein Humorzeugs wirfst!
Besten Dank.
Jou- die Sache mit FSK 12, 6, Papa, Onkel u.s.w.... gute Recherche ist durch nichts zu ersetzen. Fuck.
Also schreiben wir diese Geschichte mal als unausgegorenen, aber ambitionierten Versuch ab. Ich kann die Langnese-Spots trotzdem nicht leiden. Was ich vom Hau-Ruck- Teaser zu »Hellboy« nicht behaupten kann.
Die Beobachtung, ich hätte zügig eine spontane Idee umgesetzt, ist ungemein scharfsichtig- und spricht leider nur für einen von uns beiden. Und das bin dummerweise nicht ich.
Vielen Dank, aufrichtig.

J

 

Tach Jack,

Nachdem ich mich durch den Prolog durchgebissen habe, immer in Begleitung des typischen "da steht Jack drüber, also wirds bestimmt noch lustig" - Gefühls, wurde es dann auch tatsächlich wieder mal ziemlich lustig.
Der Anfang, die Einleitung, also quasi der Prolog hat mir aber nicht wirklich gefallen. Plätschert irgendwie träge dahin und wirkt auf mich nur gequält komisch. Da würde ich eiskalt die Schere ansetzen und die Geschichte beim Dialog mit Gideon ansetzen lassen.
Den nämlich fand ich grandios - ebenso wie den Gag mit Sinatra. Auch die Szene an der Kinokasse fand ich echt lustig. Da war es ein echter Torrance.
Danach schließe ich mich aber meinen Vorrednern an: das Ding flacht irgendwie ab.

Übrigens finde ich Spidermann doof aber das tut nichts zur Sache.

 

Beim zweite Durchlesen hab ich noch was gefunden:

"Grauer Star": Franky Blue Eyes. Dieser Typ muss schon eine richtig beknatterte Aussprache haben, wenn er wirklich "Star" sagt. Denn es heißt ja "Grauer Schtar". Zumindest in Bayern.
Wenn der Typ es nun wirklich falsch ausspricht, oder warum er auch immer "Star" sagt, solltest du aber in der Geschichte kenntlich machen.

@gnoebel:

gnoebel schrieb:
Übrigens finde ich Spidermann doof aber das tut nichts zur Sache.

"Spidermann" mag ich auch nicht, denn hierbei handelt es sich tatsächlich um eine Parodie. Da du aber selbstredend "Spider-Man" meinst, sei dir zwar einerseits der Rechtsschreibfehler verziehen, dass du Spidey "doof" findest, aber nicht. Bau du erstmal Netzdüsen, dann sehen wir weiter, außerdem gibt es... *Box Office auscheck* 40 Millionen Menschen die anderer Meinung sind als du.

Grüße,

Lestat

 

Nur weil 40 Millionen Menschen anderer Meinung sind, muss man sich dem ja nicht anschließen, oder? ;) Jedem die eigene Meinung. Wobei ich eher zu den 40 Millionen gehöre... :shy:

Damit ich hier nicht nur Off-topic produziere, noch was zur Geschichte:

Ich fand sie gut, ich fand sie unterhaltsam, ich fand sie lustig. Basta. Sicher nichts Preisverdächtiges, aber als Unterhaltungslektüre zwischendurch wirklich mehr als geeignet. Da ich selbst so gut wie keinen Kontakt zu so kleinen Monstern habe, die alle Kinder nennen, konnte ich sogar noch was bei der Geschichte lernen: Es sind tatsächlich Monster. :D

 

Ich möchte mich Katzano anschließen. Kurzweilige Unterhaltung, man hat eine perfekte Verbindung zum Protagonisten.

Wir schlichen uns ins Kino, gerade rechtzeitig zur bluttriefenden Vorschau von »Hellboy«.
Das ist nicht mein Sohn, hörte ich im Geiste meinen Bruder brüllen. Das hier ist nur das fahle Gespenst meines Sohnes! Wo ist mein Sohn? Wer ist dieser traumatisierte Lappen?!?
.
zum brüllen!! :D

Ach man, und ich dachte das wäre eine zu 100% autobiographische Story. Gibt scheinbar doch keine perfekten Onkelz mehr :)
Ich wollte nämlich eigentlich von dir wissen, was du mit Gideon gemacht hast, als Dok Ock im OP-Saal aufräumt :messer:

Ich glaube, die Vision des traumatisierten Lappens wäre wahr geworden *g*

Hat mich sehr gut unterhalten!

*Christian*

PS: Spider-Man ist toll!!

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom