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Steinsee
Ich sitze in Gedanken versunken am See und stiere vor mich hin.
Es musste ja so kommen. Du mit deinem sturen Dickkopf und ich mit einem Kopf der mindestens genau so stur ist wie deiner. War doch klar, dass es da zu Stress kommt. Als wir uns dann in den Haaren lagen wollten wir natürlich beide mit dem Kopf durch die Wand anstatt auf diplomatischem Weg über die Mauer zu klettern. Schei...
Ach zum Teufel mit der guten Kinderstube.
Scheiße! Die ganze Sache kotzt mich an. Ich weiß, dass ich nicht ganz fair zu dir war aber du warst auch nicht fair. Wir würden wohl beide vom Schiri eine rote Karte kassieren.
Ich stehe auf und betrachte einen faustgroßen Feuerstein, der am Ufer liegt.
Soll ich dich anrufen? Versuchen mit dir zu klären, was war? Aber dann überschütten wir uns beide wieder gegenseitig mit Entschuldigungen und Beteuerungen, dass diese nicht nötig wären, mit der Folge, dass wir uns beide richtig mies fühlen.
Ich nehme den Stein in die Hand und betrachte die scharfen Kanten, wo Teile des Gesteins weggesplittert sind.
Und wenn ich dich nicht anrufe?
Der Arm schnellt hoch und der Stein fliegt durch die Luft.
„Pflump, ptsch“, landet er im Wasser und versinkt.
Ach Käse, ich ruf dich an! Und zwar jetzt gleich!
Kreisrunde Wellen bilden sich an der Stelle, wo der Stein versank.
Habe wohl mal wieder umsonst Alarm geschlagen. Alles scheint nur halb so schlimm.
Du hast gesagt, dass ich mir zu viele Gedanken mache, wahrscheinlich hast du Recht. Egal, jetzt stehe ich hier am See
mit dir!
Ich halte dich in den Armen und beobachte, wie der Wind die Wasseroberfläche kräuselt. Vorsichtig löse ich mich aus deiner Umarmung, bücke mich und hebe einen kleinen Stein vom Boden auf. Es ist ein flacher, weißer Kiesel und er funkelt im Sonnenlicht, als wenn tausend helle Sterne in ihm blitzen.
Mit einer schnellen, kraftvollen Bewegung aus dem Handgelenk schicke ich ihn auf die Reise. In lustigen kleinen Sprüngen hüpft der Kiesel übers Wasser – und versinkt.
„Wie viele Steine wohl auf dem Grund liegen?“, fragst du.
„Bestimmt jede Menge“, antworte ich.
„Es ist schön hier. Keine Müllkippe wie sonst überall.“
Wenn du wüsstest, wie viel Müll ich schon in diesen See geworfen habe. Laut sage ich:
„Ja, es ist schön!“
„Wie eine Schatztruhe, für so kleine glitzernde Träume wie den, den du eben springen lassen hast.“
„Ja, wie eine Schatztruhe“, und wie eine Müllkippe. Eine Müllkippe voller Schätze oder eine Schatztruhe voller Müll?
Kleine Träume, die vor einem her springen und untergehen, wenn man nicht genügend Kraft in sie steckt.
Bei diesem Gedanken fröstelt es mich und ich nehme dich fester in die Arme.