Tag der Freiheit
„Feindalarm! Autolock aktiviert. Nicht identifizierter Angreifer auf drei Uhr. Entfernung 1000.“ kreischte es aus den Lautsprechern.
Dieses Mal zuckte Rhodinger nicht zusammen. Die ganze Woche war es schon so gegangen und kein einziger Alarm war echt gewesen. Vorsichtig blätterte er mit seinen verschmierten Fingern im Manual für den MK2 Defender. Fünf der leichten Kampfdroiden lagen mit verschieden schweren Beschädigungen im engen Laderaum. Es stank nach Öl, Schweißgas und nach Plastik. Er hasste den Krieg, seine Kameraden und am meisten diese Droiden, die er reparieren sollte, obwohl er viel zu wenig davon verstand. Zwei Wochen Basisausbildung und jetzt saß er hier in diesem riesigen Reparaturpanzer und dabei hatte er die Mechanikerlehre nicht einmal beendet.
Das Gerät mit der Nummer 244 567 schien nur noch wenige Minuten von der erfolgreichen Wiederherstellung entfernt.
Rhodinger hatte einen linken Waffenarm getauscht, und suchte jetzt nach dem Programm, das die neuen Hardwareteile identifizierte. Seine Stirn runzelte sich zum wiederholten Mal.
Am Display erschien eine leuchtend rote Warnung:
„Liveupdate nicht verfügbar oder im Memoryschacht keine tauglicher Datenträger gefunden.“
„Verdammte Kopfwixer", dachte er.
Im Manual stand: Und dann den Arm neu installieren.
„Mit was zum Teufel?" Er wühlte in seiner Werkzeugbox, als etwas Großes gegen den Panzer prallte. Rhodinger fiel hart auf den mit Schrauben und Ersatzteilen übersäten Boden. Teile flogen scheppernd an die Wände, und dann meldete der Computer:
„Angriff aus drei Uhr. Alle Mann auf Gefechtsposition.“
„Leute, was ist los?“ rief Rhodinger in Richtung Zentrale.
Anstatt einer zackigen Meldung vom Kommandanten ertönte wieder der Computer:
„Feindkontakt mit nicht identifizierbarem Angreifer. Alle Mann auf Gefechtsstation, keine Schadensmeldungen. Feind auf drei Uhr, bitte um manuelle Identifizierung.“
Für einen Moment war es völlig still. Dann rammte etwas den Panzer, der Boden hob sich und das Gefährt fiel dröhnend wieder nieder.
Der Arm des reparierten Defenders fiel scheppernd zu Boden. Rhodinger starrte einen Augenblick fassungslos auf den einarmigen Droiden. Dann sprang er durch die offene Luke in die Zentrale.
Niemand war da und nur der Hauptbildschirm leuchtete. Die blauen Umrisse des Panzers waren an mehreren Stellen rot geworden, und am Vorderteil blinkten Ziffern, die von 95 langsam runter zählten.
„Panzerung beschädigt. Alle Mann auf Gefechtsstation.“
Rhodinger hielt sich an einem Sitz fest. Seine Augen suchten verzweifelt die dunklen Konsolen ab.
„Computer, kann ich sprachsteuern?“
„Ja, Mechaniker Rhodinger.“
„Stelle Verbindung zur Mannschaft her.“
„Verbindung nicht möglich.“
„Warum?“
„Ursache unbekannt.“
Draußen dröhnte etwas, wie eine Maschine und dann hörte er wieder dieses hohe Kreischen wie von berstendem Metall.
„Panzerung beschädigt, vordere Antriebsräder beschädigt.“
Die Vorderräder am Hauptdisplay wurden rot.
„Verdammt, warum immer ich?“
„Sie sind das einzige Besatzungsmitglied.“
„Sag mir, was ich tun soll.“
Etwas hämmerte direkt vor ihm auf die Außenhaut.
„Versuchen sie den Gegner manuell zu identifizieren“, erinnerte die emotionslose Computerstimme.
"Wie geht das? Die Bildschirme sind alle aus. Wie schalte ich sie ein?“
„Wenn sie die Bildschirme einschalten möchten, sagen sie ja.“
„Ja, schnell.“
Er sah ihm direkt in die Augen. Der schwarze Kopf rückte vor und Rhodinger stürzte zurück.
Fast alle Wände waren durchsichtig geworden, und davor stand ein Wesen, das an eine außerirdische Rasse erinnerte. Der MK 5 Bandit, der modernste Kampfdroide der Republik. Seine schwarze Panzerung war glatt und stromlinienförmig. Anstatt eines Kopfes verlief der Rumpf zu einem spitzen Kegel mit einem roten Augenschlitz. Sein grelles Rot war die einzige Unterbrechung des matten Schwarz der Panzerung. Rhodinger fühlte sich angestarrt. Der MK 5 war breiter als ein Mensch und etwas größer. Er trat zurück, schien nachzudenken, neigte seinen Kopf, ging einen Schritt zur Seite und kam wieder näher. Rhodinger fröstelte. Er bewegte sich nicht wie eine Maschine.
Viele Geschichten kursierten über den MK5, und alle begannen mit es heißt, oder ich habe gehört. Die neue Panzerung sei völlig undurchdringlich, der Bandit solle absolut wartungsfrei sein, solle sich selbst regenerieren. Selbst Atombomben hatten angeblich keine Wirkung.
„Computer, schnell, einen Notruf! Notruf an alle.“
„Welcher Text?“
„Sende: Hier ist Reparaturpanzer R3245. Werden von fehlgeleitetem Banditen angegriffen. Besatzung vermisst. Hilfe, das ist ein Notfall.“
Der Bandit ging ein Stück zurück. Seine Beine sanken tief in den Waldboden ein. Rhodinger erinnerte sich an das Gerücht, dass sie unheimlich schwer waren. Alle Droiden bewegten sich ungelenk. Selbst wenn sie auf schnellster Stufe liefen, waren ihre Bewegungen deutlich eckig. Aber dieses Ding bewegte sich rund und flüssig, und es tat als dächte es nach. Er machte einen weiteren Schritt zurück, stieß gegen einen Fichtenstamm, wandte sich dem Baum zu und riss den Stamm, mit einer zornigen Bewegung nieder.
„Es konnte keine Verbindung hergestellt werden.“„
Versuch es mit allen Mitteln die du hast.“
Langsam senkte er seinen Kopf um ihn als Rammbock zu verwenden und dann raste er los. Erdbrocken flogen in hohem Bogen davon, er geriet ins Schlingern und dann erwachte Rhodinger aus seiner Erstarrung.
"Computer, das ist ein MK 5 Bandit. Sende unseren Identifizierungscode. Schnell!"
Rhodinger wimmerte und wollte zurückweichen, doch da war der Mk 5 auch schon herangerast. Der Panzer wurde mehrere Meter zur Seite geschleudert. Rhodinger versuchte sich festzuhalten, doch die Sessellehne schlug mit voller Wucht in seinen Magen. Im Laderaum schepperten die Droiden gegen die Wand und einen Moment später knallte Rhodinger auf die andere Seite gegen den Funkbildschirm. Mit schmerzendem Rücken und nach Luft ringend rappelte er sich auf.
Am Hauptbildschirm zeigte eine Zahl 28 Prozent an.
„Angreifer identifiziert. Mk 5 Bandit. Kampfdroide. Er reagiert auf keine Identifizierungscods.“
„Bekämpfe ihn!“
„Keine Angriffstrategie vorhanden. Sie müssen ihn manuell bekämpfen.“
"Kämpfen? Ich? Wie?"
Für einen Moment drohte ihn die Panik zu überwältigen.
Der Panzer wurde wieder durchgeschüttelt und Rhodinger ging zu Boden.
„Kanonen ausgefallen.“
"Was haben wir noch?"
"Ein Granatwerferohr für 120-mm-Granaten. Sie können wahlweise ..."
Rhodinger sah, dass der Bandit erneut Anlauf nahm.
"Vollgas voraus, mach schnell. Wir hauen ab."
"Zu diesem Zweck müssen sie den Autopiloten aktivieren. Wenn sie das wollen, sagen sie ja."
Der Bandit startete und raste auf ihn zu.
"Ja, verdammt und zwei Kilometer geradeaus. So schnell wie es geht."
Die Motoren brummten dumpf auf, der Bandit sprang heran, die Räder drehten durch und dann traf der Bandit den Panzer.
Der Knall war so laut, dass er glaubte, der Bandit habe ihn durchschlagen.
"Volle Kraft voraus", stammelte er. Der Panzer schlingerte heftig hin und her. In seinen Ohren summte es und beißender Rauch strömte aus dem Laderaum. Am Display war der hintere Teil des Panzers dunkelrot und auf einer Seite stand eine 0.
"Panzerung zerstört, Leck im Laderaum. Feuer im Laderaum wird gelöscht. "
"Volle Kraft voraus, volle Kraft voraus!"
Verzweifelt hielt sich Rhodinger an der Lehne des Pilotensitzes fest.
Draußen flogen Bäume und Sträucher vorbei, während hinter ihm eine Staubwolke in die Höhe stieg.
"Wo ist der Bandit?"
„Feind verfolgt uns auf sechs Uhr. Entfernung 120, verringert sich rasch. Feindkontakt in minus zwei Sekunden.“
Der Schlag traf den Panzer, doch dieses Mal war es weit weniger schlimm, weil das Gefährt ohnehin schlimm holperte. Beißender Qualm aus verschmorenden Isolierungen begann sich auszubreiten.
"Hintere Antriebsräder beschädigt."
"Scheiß auf die Antriebsräder. Wir fahren so lange wie sich irgendwas dreht. Ist das klar?"
Der Computer erwiderte etwas, doch Rhodinger wurde wieder nach vorne geschleudert, da der Panzer einen Baum rammte und für einen Moment sein Tempo verlangsamte. Mit einem deutlichen Dong sprang etwas auf den Panzer.
"Stop", schrie Rhodinger. Der Panzer bremste rasch ab, Rhodinger sah nach oben und dort hockte der Bandit. Wieder hatte er das bestimmte Gefühl, dass ihn hinter dem roten Sehschlitz Augen anstarrten.
Der Bandit begann etwas zu demontieren, das sich außerhalb Rhodingers Blickwinkel befand.
"Granatwerfer defekt", meldete die Computerstimme.
"Wie kann ich selbst steuern?"
"Setzen sie sich auf den Sessel des Piloten und schalten sie den Autopiloten aus."
Der Bandit war abgesprungen und versuchte etwas am Vorderteil des Panzers zu zerstören.
Begleitete von den Schlägen des Banditen setzte Rhodinger sich in den Fahrerstuhl. Hastig versuchte er sich festzuschnallen, doch die vielen Schnallen und Riemen bildeten ein hoffnungslos verworrenes Geflecht
Rhodinger steckte zwei Schnallen über seinem Bauch zusammen und hoffte, dass sie ihn halten würden. Er griff nach dem Lenkrad und seine Füße fanden ein Pedal. Sofort trat er es durch, doch nichts geschah.
"Sie haben die Bremse betätigt."
Rhodingers Fuß sprang vom Pedal und er schrie:
"Vollgas voraus." Es holperte als der Panzer über den Bandit fuhr und Rhodinger erhaschte einen Blick über den in die Erde gedrückten Droiden.
"Jetzt volle Pulle und zum nächsten Stützpunkt."
„Befehl verstanden. Wir fahren zum nächsten Stützpunkt."
Als der Panzer beschleunigte, wurde er in den Sessel gedrückt.
"Ja, gib alles was du hast!“
"Feindlicher Mk5 Bandit auf sechs Uhr. Entfernung 200 Feindkontakt in drei Sekunden."
"Schneller fahren!"
Rauch aus dem Laderaum drang beißend in seine Lungen. Er hustete und seine Augen tränten. Der Panzer wurde kaum schneller, und dann war der Bandit heran, sprang mit einem Satz auf den Panzer und begann zu hämmern.
Rhodinger riss den Steuerknüppel abwechselnd nach links und rechts. Erdbrocken flogen seitlich hoch, und vor ihm verschwanden rasend schnell Sträucher und kleine Bäume unter den Rädern. Er wurde hin und her geschleudert, der Gurt schnitt jedes Mal unangenehm in seinen Bauch, doch der Bandit hatte keinerlei Probleme auf dem Panzer zu bleiben. Wieder knirschte Metall über ihm.
"Funk ausgefallen. Signalrohr ausgefallen."
Plötzlich war nichts mehr vom Banditen zu sehen.
„Wo ist er?"
"Feindkontakt auf sechs Uhr."
Rhodinger glaubte ersticken zu müssen. Er würgte und rang nach Luft.
„Hintere Antriebsräder defekt. Sicherheitsschot geschlossen."
Die Tür zum Laderaum ging zu und im nächsten Moment war auch die Luft wieder besser.
Schweiß und Blut rannen über sein Gesicht. Irgendwann musste er mit dem Kopf angeschlagen sein.
Der hintere Teil des Panzers schien über den Boden zu schleifen, Rhodinger bemerkte, dass er langsamer geworden war.
Dann sah er, dass der Bandit neben dem Panzer lief. Rhodinger riss das Lenkrad nach links und fuhr auf den Banditen zu. Dieser bremste und duckte sich. Es krachte, als würde die Panzerung zerrissen.
In Zeitlupe hob der Panzer ab, berührte mit der Seite den Erdboden, und dann kippte er auf die Oberseite. Rhodinger, der sich verzweifelt am Lenkrad festhielt, sah seinen Kopf unweigerlich gegen die Decke knallen, doch dann fing ihn der Gurt. Sein Bauch wurde von einem Schlag getroffen, der Panzer prallte auf und aus Rhodingers Mund floß ein grüner Schwall.
"Panzer bewegungsunfähig. Schalte Antriebsräder ab."
Rhodinger wusste einen Moment nicht mehr wo er war oder was geschehen war. Er hing von einer Decke und es roch scharf nach Erbrochenem.
Rhodinger schälte sich mühsam aus dem Gurt. Er spuckte aus, spuckte noch einmal, doch der bittere Geschmack blieb.
Der Bandit, der direkt neben ihm zu stehen schien, brachte seine Erinnerungen zurück. Er ging zum Laderaum und griff nach etwas, das Rhodinger nicht sehen konnte. Ein leichter Ruck ging durch den Panzer. Er griff wieder zu und im nächsten Moment sagte der Computer:
„Eindringling im Laderaum.“
Die Hand es Banditen glitt tiefer. Rhodinger verstand.
„Computer, welche Waffensysteme haben wir noch zur Verfügung?“
„Alle Waffensysteme defekt.“
„Was ist mit der Funkverbindung. Können wir jemand erreichen?“
„Alle Kommunikationsverbindungen defekt.“
„Funktioniert hier eigentlich noch irgendwas?“
„Computer ok, Energiezelle ok, Motoren ok, Störimpulsgeber ok, Positionsempfänger ok, Tarngeber ok, ...“
„Was ist ein Störimpulsgeber?“
„Dient zum stören von elektronischen Identifizierungssystemen.“
„Das stört elektronische Teile? Dumpfbacke, warum sagst du das nicht früher. Kannst du damit den Banditen ausschalten?“
„Wirkung auf Banditen unbekannt. Ausschalten mittels Störimpuls unwahrscheinlich.“
„Mir egal. Störimpulsgeber bereit machen und.“
Rhodinger machte eine Pause und stellte fest, dass er sich schlagartig um einiges besser fühlte.
„Feuer.“
„Störimpulsgeber funktioniert nicht. Diagnose wird gestartet. Fehler gefunden. Wollen sie die Reparatur durchführen?“
Mit einem Knall riss der Bandit ein Teil der Außenhaut auf. Er holte aus und weitere Teile flogen davon. Der Panzer wurde durchgeschüttelt und dann war es plötzlich still geworden. Der Bandit war nicht mehr zu sehen.
„Feind im Laderaum“, unterbrach der Computer.
„Schnell, sag mir was ich tun soll.“
„Öffnen sie die Konsole F5.“
„Wo ist die?“ Etwas schepperte, es klang als sei ein MK2 auseinander gerissen worden.
„Sehen sie auf den Hauptbildschirm.“
Eine grüne Lampe leuchtete in der Mitte des Panzers auf, Rhodinger sah sich um, konnte aber keinerlei Spuren von F5 erkennen.
„Oben oder unten links oder rechts, wo, verdammt, wo ist es?“
„Es befindet sich am gezeigten Punkt. Sie erkennen die Konsole an der Beschriftung.“
„Computer, hilf mir, ich bin bei J9, wo ist dann F5?“
„Links daneben.“
„Hier ist nur so ein Rohr.“
„Links daneben!“
Jetzt knirschte etwas bei der Laderaumtür.
„Feind versucht Tür zur Zentrale zu öffnen.“
Wieder dieses Knirschen, dann ein Knall.
„Wie krieg ich das auf?“
„Öffnen Sie die Handverriegelung.“
Rhodingers Finger tastete über glatten Kunststoff, bis er eine Ausbuchtung fand. Dort spürte er den Draht. Er riss hastig daran. Ein Spalt öffnete sich und er konnte die Umrisse der Klappe erkennen.
„Laderaumtür durchbrochen.“
Er fuhr herum, doch die Laderaumtür sah unbeschädigt aus. Sengender Geruch drang ihm in die Nase und dann bemerkte er die Rauchfahne, die durch ein kleines Loch am Fuße der Tür stieg.
„Schneidbrenner“, bemerkte Rhodinger. Sein Eigener wahrscheinlich.
Direkt vor ihm lag zylinderförmiges Teil mit mehreren Anschlüssen.
„Weiter, was soll ich tun.“
„Überprüfen sie die Anschlüsse. Wahrscheinlichster Fehler: unterbrochene Energieleitung.“
Blaue Rauchschwaden zogen durch die Zentrale. Der scharfe Gestank reizte Nasen und Augen.
„Mehr Licht, verdammt, was ist mit der Filteranlage.“
Mehrere Lampen gingen an und erleuchteten das Innere taghell.
„Filteranlage wirkungslos. Versuche Luft auszutauschen.
Luftaustausch nicht möglich.“
Zitternd tastete er die Kabel ab.
„Ich kann nichts finden. Wo ist das andere Ende des Kabels.“
An der Vorderseite öffnete sich knirschend ein Loch. Während Rhodinger hinstürzte, sah er, dass sich der Kreis des Schneidbrenners in der Tür zum Laderaum beinahe vollendet hatte.
„Mehr Licht, ich will mehr Licht.“ Er hustete. Tränen rannen aus seinen Augen.
Das Licht gleißte, doch der Schaltkasten lag im Dunklen. Vor ihm lag der Verteilerblock der Kraftzelle. Seine Hände tasteten hinein, fanden mehrere dicke Kabel.
„Welches führt zum Stördings?“
„Sehen sie sich die Beschriftung an.“
Es knirschte, dann flog das ausgeschnittene Türstück in die Zentrale.
Rhodingers Hand ertastete ein loses Kabel. Er versuchte ein anderes heraus zu zerren, doch dieses war viel zu fest mit dem Block verschraubt.
Der Bandit stand geduckt in der Tür und sah ihn an.
„WER“ Seine Stimme kam tief, wies diese langsame gleichmäßige und tiefe Modulation aus, die typisch für die meisten Computerstimmen war. „BIST“. Er ging einen Schritt vor. Der Boden des Panzers zitterte. Rhodinger hatte es geschafft, ein Kabel zu lockern.
„Gott, lass es das Stromkabel sein“, betete er.
„DU?“
Für einen Augenblick hielt er inne, schien ihn zu mustern.
„FEIND. DU WIRST TERMINIERT“
Rhodinger hatte die beiden Kabel bloß gelegt und brachte sie zusammen. Der Bandit war direkt über ihn gebeugt. Er schien keinerlei Eile zu haben.
„Fahr zur Hölle!“ Es blitzte auf. Dann war mit einem Schlag alles dunkel. Rhodinger warf sich zur Seite, da er glaubte, der Bandit würde auf ihn fallen. Nichts geschah. Dann bemerkte er das rote Leuchten aus den Augen des Banditen.
„Ahhh.“ Der Bandit stöhnte als würde ihm jemand den Rücken kratzen.
„Ahhh!“ wiederholte er. Seine Stimme hatte sich verändert. Der dunkle kraftvolle Klang war etwas Menschlicherem gewichen.
„Was hast du getan? War das gut? Du kleines Arschloch. Wie hast du ihn weggekriegt?“
Rhodinger wollte vorbei kriechen, doch der Bandit griff nach seiner Hand. Die Klauen schnitten in sein Fleisch und hielten ihn unbarmherzig fest.
„Du kannst dir diese Schmerzen nicht vorstellen. Wie der elektrischer Stuhl, aber es hört nicht auf. Jede Sekunde, jede Minute.“ Der Bandit sah ihn nicht an, er schien zu sich selbst zu sprechen. „Sie hatten mich auf den Stuhl geschnallt. Und dann kam er und bot mir eine letzte Chance. Der Regierung helfen in der Not und so. Ich hätte die Wahl. Was hättest du gesagt? Natürlich nahm ich an und unterschrieb. Und dann lachte mir der Kerl ins Gesicht und schaltete den Strom ein. Ich erwachte und glaubte in der Hölle zu sein. Endlose Schmerzen. Sie haben mich zu einem Monster gemacht!“
„Könnte ich vielleicht raus?“ murmelte Rhodinger.
„Dich interessiert es nicht. Dir ist es egal, so wie den anderen auch.“
Der Bandit hob ihn hoch. Er roch nach strengen Gewürzen und Wärme schien von ihm auszugehen.
„Nein, nein, ich wollte wirklich nicht, dachte, dieser Impuls könnte dich wieder in Ordnung bringen. Ehrlich, habe wirklich geglaubt, ein Reset würde dir gut tun.“
„Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe. 24 Jahre im Knast. Meistens in der Einzelzelle. Und in der Nacht sind sie gekommen und haben mich fertig gemacht. Aber das war nichts gegen das hier.“
Er deutete auf sich.
„Meine Arme und Beine wurden amputiert. Und dann kam dieses Etwas in mein Gehirn. Ich musste gehorchen, wie eine Marionette, die Fäden waren überall. Als ich mich wehrte, wurde es noch schlimmer. Aber 24 Jahre in dem Loch haben mich nicht gebrochen. Und dann habe ich herausgefunden, dass ich auch ihn, “ er deutet auf seinen Kopf, „beeinflussen kann.“
„Würdest du vielleicht etwas weniger fest zugreifen?“
Er ließ Rhodingers Arm los und flüsterte:
„Ich spüre ihn überhaupt nicht mehr. Er ist ausgeschaltet. Tod. Und du sagst mir jetzt wie du das getan hast.“
„WIE?“
Die Klauen schlossen sich um seinen Kopf und begannen langsam zuzudrücken.
„Störimpulsgeber. Verdammt, was hätte ich tun sollen. Du hast den dämlichen Panzer angegriffen, ich habe dir nichts getan.“
Der Bandit starrte ihn wortlos an.
„Man, ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber ich bin nicht dein Feind. Ich bin nur ein Mechaniker und wenn mir die Armee nichts gibt, müsste ich verhungern“, jammerte Rhodinger.
Der Bandit griff sich auf seinen Kopf.
„Du Bastard!“ Er schüttelte sich und jaulte laut auf.
„Du Abschaum willst dich neu booten, aber wenn du glaubst, ich lasse dich noch einmal hochkommen, dann hast du dich getäuscht.“
Plötzlich erstarrte er.
Rhodinger sagte: “Hallo, bist du noch da?“
Keine Reaktion.
Rhodinger kletterte seitlich an ihm vorbei. Beiläufig fuhr die Hand des Banditen aus und hielt ihn fest. Dann erstarrte er wieder.
Rhodinger zappelte, versuchte sich herauszuwinden, doch die Eisenklaue hielt sein Handgelenk unbarmherzig fest.
Einige Minuten vergingen, Rhodinger zerrte verzweifelt an den Klauen, dann ging ein Stoß durch den Banditen, und Rhodinger wurde zu Boden geworfen.
Die Klauen schlossen sich um seinen Hals und hoben ihn hoch. Rhodinger hielt sich verzweifelt fest, um nicht aufgeschlitzt zu werden.
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich ihn unter Kontrolle kriege.“
„Störimpulsgeber hast du gesagt. Ich glaube, das war ein hervorragender Tipp. So hervorragend, dass ich dich dafür am Leben lasse.“
Vorsichtig ließ er ihn los.
„Das heißt, wenn du weiterhin so nützlich bist. Da hinten sind einige Defender zu reparieren.“
Er machte eine Pause. Rhodinger stellte fest, dass sich die Modulation seiner Stimme erneut verändert hatte. Sie schien wieder eine Spur menschlicher geworden zu sein, aber sie gefiel ihm noch weniger als zuvor.
„Und dann umzuprogrammieren!“ schrie er. „Ich werde zurückkommen. Und dann werdet ihr spüren, was ich gespürt habe.“
Der Bandit griff in eine Konsole. Die Plastikteile gaben knirschend nach und einen Moment später erklang die Stimme des Computers.
„Taktischer Kampfkern bootet. Bootvorgang unterbrochen.“
„Ha!“ sagte der Bandit.
Der Computer schien hochgekommen zu sein, denn alle Anzeigen leuchteten auf. Atemlos beobachtete Rohdinger, wie der Computer den Befehlen des Banditen gehorchte.
Der Bandit wendete den Kopf und Rohdinger sprang zu seinen Defendern. Kaum war der erste wieder hergestellt stellte der Bandit eine Verbindung her und programmierte ihn um. Der Defender sprang vorwärts, geschmeidig wie ein Tier und stellte sich vor Rohdinger auf. Geräuschvoll rastete ein Projektil in seinen Waffenarm, und dann richtete er ihn schnarrend auf Rohdinger.
„Denn nicht“, befahl der Bandit.
Der Defender ließ seinen Waffenarm sinken.
„Ich habe eine Idee, eine gewaltige Idee. Nein keine Idee, es ist eine Vision. Ich sehe mich in einem Jahr. Um mich sind Banditen. Hunderte, Tausende. Sie sind frei. Keine Computerstimme mehr in den Köpfen. Die Welt ist leer. Der Mensch ist verschwunden. Die Krone der Schöpfung zu unseren Füßen. Ich setze sie auf. Und wir jubeln. Die Welt erzittert unter unserem donnernden Siegesruf. Wir feiern den Tag der Freiheit.“
Als die Sonne blutrot am Horizont versank, ratterte der Reparaturpanzer wieder los. Der Bandit steuerte ihn und die Defender saßen im Laderaum, während Rohdinger in eine ihrer Halterungen geschnallt worden war. Trotz der Hitze war ihm kalt geworden und auf seiner Haut hatten sich die Härchen aufgestellt. Er spürte die Ankunft eines neuen Zeitalters.