Tanz der Träume
Schimmernde Lichtreflexe.
Seidener Goldglanz.
Spiegelglatte Wasseroberfläche.
Dunkle Schattenfetzen.
Und ein unglaublich helles Licht...
Eine schlanke Gestalt erhebt sich aus den Tiefen des Wassers. Der Körper biegt sich graziös, schwankt hin und her, teilt die ebene Stille. Kräuselnde Wellen laufen um die Wette. Ein bedächtiges Rauschen begleitet die gleißende Figur auf ihrem Weg aus dem Wasser. Sie schwebt eine Sekunde ein paar Zentimeter über dem kühlem Nass, bevor ihre elfenbeinfarbenen Zehen wieder zur Hälfte eintauchen. So verbleibt sie und streckt sich zu ihrer vollen Größe. Der Lichtschein, der sie umgibt, zentriert sich langsam um ihr Gesicht, konzentriert sich auf ihre Augen. Diese scheinen einen Moment zu zittern und öffnen sich dann in Zeitlupe.
Sie starrt ihn mit unendlich grell glitzernden Diamantaugen an.
Er läuft. Schneller als er mit seinen Gedanken folgen kann. Er keucht. Er bekommt keine Luft mehr. Er hat seine Augen geschlossen. Er weiß, wenn er sie öffnet, wird er blind werden. Er stoppt plötzlich. Er fängt an zu lachen. Sein gellendes Lachen schallt durch den Wald.
Ein Blitz zuckt vor seinen geschlossenen Augen und schlägt keine hundert Meter vor ihm ein. Der Donner läßt ihn verstummen. Er öffnet die Augen. Funken sprühen vor ihm durch die Luft. Er dreht sich um und läuft weiter. Sein Verstand folgt ihm wie noch nie. Er kann das erste Mal in seinem Leben klar denken. Trotzdem verwirrt ihn die ganze Situation total. Aber sie schockiert ihn nicht. Es scheint, als seien sein Verstand und seine Gedanken bis in den letzten Winkel mit hellem Licht durchflutet worden. Als habe man eine Sekunde lang sein ganzes Denken offen dargelegt. Er fühlt sich erleuchtet.
Er starrt die Wand an.
Weiß. Alles weiß. Grell. Sehr schlimm. So grell. Wenn er doch nur die Augen schließen könnte...
Diesmal ist es erst Sonnenuntergang. Der Himmel leuchtet rot. Die Luft atmet Frieden. Sonnenstrahlen lugen durch die Baumwipfel und zaubern hingehauchte Glitzereffekte. Er seufzt und setzte sich ins mit einem kupfernen Schimmer überzogenem Gras. Er atmet die Luft in sich ein und lässt sich in die Atmosphäre fallen. Auf einmal bekommt alles einen Dämpfer. Und als seien alle Augen nur auf diesen Fleck gerichtet, hebt sich die Wasseroberfläche an und explodiert dann wie eine Bombe in der Luft. Die kleinen Teilchen verrauchen noch, bevor sie irgendwo auftreffen. Durch den entstandenen Leerraum im Wasser gleitet sie empor. In all ihrem purpurnen Glanz. Ihre langen blonden Haare gebärden sich wie wild um ihren Kopf. Ihre Augen sind wieder geschlossen. Sie dreht ihm den Rücken zu. Sie schwebt. Sie faltet ihre Hände hinter ihrem Rücken. Dann senkt sie ihren Kopf. Und er fühlt sie weinen. Als die erste Träne auf die tosende Wassermenge des Sees tropft, sind seine Grenzen durchbrochen. Er will zu ihr, koste es was wolle. Er stürzt sich in die Fluten, kämpft gegen die mächtige Kraft an und versucht, vorwärts zu kommen. Doch statt Wasser kommt ihm eine Feuerhölle entgegen und greift nach ihm. Er springt aus dem See. Er ist unversehrt, doch jeder einzelne Zentimeter seiner Haut brennt. Durch seine Adern pumpt flüssige Lava. Sein Verstand ist versengt. Und in seiner Seele lodert ein unauslöschbares Feuer. Für immer.
Doch sie ist verschwunden.
Er hat das Feuer in ihren Augen gespürt. Das unvergessliche Feuer. Wenn man sich nur einmal verbrannt hat...
Er wünschte, er könnte einfach nur vergessen. Irgendwie.
Doch er kann gar nichts mehr denken. Denn sie ist in ihm und er ist besessen. Von allem was er hat.
Die Nacht schläft. Die Dunkelheit lauert. Die Stille schweigt sich aus. Alles wirkt starr. Er tritt ans Ufer. Er atmet kaum. Er zittert. Es wird auf einmal kalt. Aber er friert nicht. Das Wasser teilt sich, scheint sich jedoch gar nicht zu bewegen. Sie taucht auf, ihre Haut glänzt jedoch nicht nass. Kein Lichtschein umgibt sie. Es geschieht lautlos. Ihre Augen sind offen. Alles ist so anders. Mit einem leisen Klicken erstarrt das Wasser um sie herum. Lange Eiszapfen hängen neben ihm von den Bäumen. Doch er friert nicht. Sie dreht sich halb um, wendet sich ihm zu. Und schließt ihre blauen Augen. Er fühlt, wie unendlich viele eisige Stiche seine Gedanken abtöten und die plötzlich auftretende Kälte sein Herz erfriert.
Es ist vorbei. Sie wird nicht wiederkehren. Alles was er wollte war, sich selbst, sein Leben, wiederzuholen. Aber sie war sein Leben.
Er wollte doch nichts anderes, als sie zu retten.