tinnitus
Der Besinnungslosigkeit nahe ließ Karin die Augenlider flattern und schickte flüsternd ein Dankesgebet gen Himmel.
„Danke, Mutter, dass Du deinen Segen zu dieser Heirat gegeben hast. Danke, Melanie, meine beste Freundin, dafür, dass Du mich ermuntert hast, mit Daniel auszugehen. Dank auch an Euch, Daniels Eltern, einfach dafür, dass Ihr ihn so gut hingekriegt habt.“
Es waren nun zwei Wochen. Die ganzen Flitterwochen hatten sie im Bett verbracht, wobei sie nur einen Bruchteil davon aufs Schlafen verschwendet hatten. Und nach all den sensationellen, schweißtreibenden Nächten voller Weltklasse-Sex hatte er am letzten Tag noch immer nicht genug von ihr. Sie flüsterte wieder und bezog nun den Schöpfer mit in ihr Gebet ein.
Sie lag auf dem Bauch und wartete mit geschlossenen Augen auf seine Berührung. Zuerst tippte ein muskulöser Finger an ihren Großen Zeh, wobei sie vor Schreck fast losgekichert hätte. Dann bewegte sich ein Fußgänger, der aus Zeige- und Mittelfinger samt dazugehöriger Hand bestand, schwankend ihr linkes Bein hoch, mit jedem Schritt vorübergehend weiße Flecken in ihrer sonnengebräunten Haut hinterlassend. Sie hielt sich die Hände vor den Mund, um nicht loszuprusten. Als das Handmännchen am Po vorbeikam, verwandelte es sich für einen Augenblick in eine geile Greifhand, zwang Karin doch noch zu einem entschiedenen „Nein!“ und wurde schließlich zum Eiskunstläufer, der mit seinen Fingerkuppen-Kufen so zärtlich ihren Rücken hinaufgeglitten kam, dass er sich gleich darauf am Hals durch ein Dickicht von aufgestellten Nackenhärchen hindurchkämpfen musste.
Der Fußgänger verschwand und verwandelte sich in eine klebrige Zungenschnecke, die nun unten am Zeh eine neue Kriechrunde begann.
Minuten später spürte Karin, wie Etwas an ihrem Ohrläppchen zu knabbern begann.
„Schatz, nicht doch!“, rief sie, eigentlich mehr wollend.
Seine Lippen schürzten sich, wurden fast zu einem Rüssel. Er kam ihrem Ohr immer näher und sah dabei fast wie eine Biene aus, die Nektar aus einer Blüte trinken wollte. Bevor seine Haut auf ihrer Ohrmuschel aufkam, hatte er bereits begonnen, die Luft einzusaugen. Ein Kuss, mitten ins Ohr ...
„Schmaaaatz!“, hörte Daniel wie erwartet von seiner Mundregion kommen. Karin hingegen vernahm eher ein Weltuntergangsdonnern, das sich mit der Lautstärke einer vorbeifliegenden Marsrakete in ihr Hirn rammte. Es war Daniels erste Heirat, und trotz all seiner Erfahrung im Bett wusste er nicht, dass man jemanden nie aufs Ohr küssen durfte.