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Um die Wette stinken
Um die Wette Stinken
„Er sollte schon recht kräftig sein!“, sagte die Kundin, die an der Käsetheke stand und den Kopf schüttelte, als die Verkäuferin Frau Mischke ihr ein Stück Butterkäse zum Probieren reichte.
„Aha!“, murmelte der Tilsiter und fühlte sich bestätigt.
„Ein Käse ist eben nur ein richtiger Käse, wenn er schrecklich schön stinkt!“, posaunte er in der Auslage herum und plusterte sich auf.
Die anderen stinkenden Käsesorten nickten einvernehmlich, während die milderen Sorten etwas verblassten. Butterkäse, Chester und Gouda zogen sich verunsichert zurück, als die ohnehin kräftig riechenden Käselaiber begannen, um die Wette zu prahlen.
„Schatz, Du bist ja schon nicht schlecht, aber gegen meinen Gestank kommst Du bei weitem nicht an!“, gab der Harzerroller an und kugelte sich elegant über die Theke, damit auch jeder etwas von seinen Duft wahrnehmen konnte.
„Ha, von wegen!“, rief der Alte Schwede, und warf dem kleinen Angeberkäse eine seiner Scheiben entgegen.
Der Harzerroller rümpfte seine Nase und kullerte beleidigt von dannen. Beeindruckt schauten die anderen Käsesorten dem Alten Schweden hinterher und schmiedeten heimlich Gestanksteigerungsspläne. Auf jeden Fall wollten sie auch schön stinken. Erst dann wären sie doch ein richtiger Käse, der von den Leuten geliebt würde. So hatte es jedenfalls der Tilsiter erzählt.
Der Ziegenkäse bemühte sich durch zickiges Gemecker einen schlimmen Tiergestank zu erzeugen, der Butterkäse, der keinesfalls mehr mild und duftlos wirken wollte, wickelte sich in ein benutztes Bodenputztuch und der Maigouda positionierte sich neben die Fischtheke und fächerte sich die von dort kommenden Düfte zu. Der Leerdammer rollte immer wieder die Auslage rauf und runter, um mächtig ins würzige Schwitzen zu geraten und der Frischkäse hatte keine bessere Idee als in die abgestellten Schlappen von Frau Mischke zu hüpfen.
Alle Käsesorten arbeiteten an ihrem Gestank, nur der Edamer nicht. Kopfschüttelnd beobachtete er das verrückte Treiben hinter der Theke und legte sich gemütlich zurück.
„Warum soll ich Stinken?“, erwiderte er auf die Frage des Tilsiters, weshalb er nichts für seine Geruchsumwandlung tat. „Ich bin kein stinkender Käse und das will ich auch gar nicht sein. Wenn mich die Leute kaufen, dann, weil ich rieche wie ein Edamer und nicht wie irgendetwas anderes!“
Die anderen Sorten machten sich über ihn lustig, denn sie fanden es schick zu stinken. Und sie waren erfolgreich, zumindest beim Geruch! Denn als Frau Mischke am nächsten Morgen den Käseladen betrat, strömte ihr der schlimmste Gestank entgegen, den je ein Mensch gerochen hat.
„Hilfe!“, schrie sie und räumte mit gerümpfter Nase die Käselaiber und Scheiben in den Vorratsraum zurück. Diese blickten entsetzt und sahen, dass nur der Edamer liegen bleiben durfte.
„Dann gibt es eben nur Edamer, bis die neue Käselieferung kommt“, sagte Frau Mischke, „So ein furchtbarer Geruch vertreibt mir sonst die Kunden!“
Sabine 04/2004