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Unschuld

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16.05.2004
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Unschuld

Die Marmorstufe auf der sie steht, ist kalt und glatt. Das Mädchen ist nackt.
Um ihre Hüfte schlängelt sich eine feine Silberkette. Ihre Haut erleuchtet, hell schimmernd, die Wände links und rechts. Sie hält ein muffiges Buch unter ihrem Arm. Wie Seide im Wind, gleitet sie die Treppe hinunter. Zuunterst angekommen, schleicht sie in das finstere Gewölbe. Ihr kleines Herz öffnet sich und dünne, rote Fäden schlängeln durch die Luft. Bei jedem Hindernis zucken diese kurz zusammen und bahnen sich erneut einen Weg.
Plötzlich dringt ein Gurgeln und Lechzen an ihr Ohr. In der Dunkelheit sieht sie ein Licht näher wippen. Dieses flackernde Feuerchen sitzt zwischen zwei Ohren, die zu einer muskulösen Gestalt aus Stahl und Öl gehören. Er sieht sie aus zwei flimmernden Gesichtern, die gegeneinander verschoben sind, hypnotisierend an. Wellenartig lässt er die Muskeln auf seinen vier übergrossen Armen spielen.
Das Mädchen ignoriert dieses Spiel und bewegt sich fliessend und langsam durch ihn hindurch. Er sackt zusammen.
Mit vorsichtigen Fingern nimmt sie das Feuer aus seiner Stirn und hält es bei sich. Er sieht ihr gebannt zu. Sie kichert schüchtern, dabei wechselt das Licht in ihren Händen die Farbe von einem kräftigen Gelb zu einem immer schwächer werdenden Rot. Gleichzeitig schwinden auch die Muskeln von ihm, als würden diesen die Luft ausgehen. Nervös, versucht er seine Blösse zu verbergen. Das Feuer glimmt ein letztes mal kurz auf und fällt dann als glatt gelutschter Kieselstein in ihre Hände. Mit einem Lächeln auf den Lippen nimmt sie das Buch mit dem Ledereinband unter ihrem Arm hervor. Die Seiten sind alle leer. Sie legt das Steinchen auf das Papier und knallt das Buch zu. Ein Knirschen ist zu vernehmen, so als würden zehntausend Federn gleichzeitig schreiben. Schmunzelnd hält sie ihm das Buch hin. Er schreckt zurück und weist es mit flehendem Blick ab. Sie runzelt die Stirn und nimmt das Buch zurück, um es zu öffnen. Sie beginnt das blutrote Gekritzel zu entziffern. Am Anfang noch unmerklich, dann immer offensichtlicher schwindet der weisse Glanz auf ihrer Haut und die dünnen roten Fäden verwelken.

 

Hallo dany,

mir hat deine Geschichte ganz gut gefallen. Sie hat was mysteriöses, fantasy-haftes. Ich denke allerdings nicht, dass ich sie verstanden habe. Einen kleinen Tipp hast Du uns ja zum Glück durch den Titel der Geschichte gegeben.
Das Mädchen verkörpert demzufolge denke ich die Unschuld, fragt sich wer ihr Gegenspieler ist - die Sünde, die Schuld? Über die einzelnen Symbole grübel ich noch, auch über das Buch. Werden in diesem die Geschichte, die Ereignisse in der Welt fixiert? Ich verstehe deine Geschichte übrigens so, dass die Unschuld nicht überlebt sondern besiegt wird. Ist das so?

Ein paar Fehler sind mir noch aufgefallen:

Ihre Haut erleuchtet, hell schimmernd, die Wände links und rechts.
Wie Seide im Wind, gleitet sie die Treppe hinunter.
Wellenartig lässt er die Muskeln auf seinen vier übergroßen Armen spielen.
Nervös, versucht er seine Blöße zu verbergen.
Ein
nirschen ist zu vernehmen

Liebe Grüße,
Juschi

 

Hallo Juschi

Danke für deinen Input! Ich habe die Fehler gleich Korrigiert. Leider ist meine Rechtschreibung nicht gerade so gut.
Das Doppel "s" machen wir hier in der Schweiz allerdings nicht und ich dachte, in den neuen Rechtschreibregeln habt ihr das auch abgeschafft(?).

Zum Inhalt der Geschichte. Ich finde es spannend zu lesen, was du darin siehst. Es deckt sich allerdings nicht ganz mit meiner Interpretation. Allerdings, hab ich die Geschichte ohne irgendwelche "Hintergedanken" geschrieben, also ist meine Interpretation genau so wenig richtig oder falsch wie deine.
Ich liess irgendwie meine Gedanken gleiten und schrieb stichwortig auf, was ich gerade vor mir sah. Dann schrieb ich die geschichte ins reine. Ich hoffe, du fühlst dich dadurch nicht verarscht, die Geschichte bedeutet mir durchaus sehr viel.
Ich denke, dass eine Geschichte normalerweise etwas Intuition und etwas Reflektion hat. Und diese Geschichte, ist ein versuch mal etwas nur mit 100% Intuition zu schreiben, aus dem Bauch quasi.

Einen lieben Gruss
Dany

 

Anmerkung

Jemand setzt sich an ein Klavier und lässt für rund drei Minuten all ihre Finger beliebig über die Reihe der vielen Tasten der Klaviatur vor ihr entlang gleiten. Mal legt sie dabei an Tempo zu, das andere Mal geht sie dagegen wieder ganz vorsichtig und behutsam mit den Tasten um. Zugleich hat sie während dieser ganzen Zeit eine Tonaufnahme dieser Klangzusammenstellung vorgenommen. Anschließend schickt sie diese Aufnahme an eine Webseite für Kurzgeschichten: kg.de.

Einer der Leser ihrer eingeschickten Textzusammenstellung empfängt, er kann einfach nicht anders, nur sinnliches Geklimper in seinem Verstand (ebenso 100% intuitiv, also quasi aus dem Bauch heraus!).
Daraufhin versucht dieser seine innere Sinn-Frequenz neu zu justieren. Wenn man Radio hört kann es ja schließlich auch mal passieren, dass der Ton irgendwie voller Rauschen oder verzerrt ist. Aber es ist eigenartig: Er dreht und dreht am Sinn-Knopf und es kommt einfach immer nur Rauschen dabei heraus!
Daraufhin lässt er es eben mit dem Verständnis bleiben.


Das Problem ist halt einfach: Am Klavier ist ein völlig intuitives Geklimper sofort für jeden als solches erkennbar, also auch für den Laien. Bei der bildenden Kunst dagegen wird es zum Teil schon ein wenig schwieriger. Vor den Tasten eines Computers aber kann erstmal jeder unter den Verdacht fallen, eine irgendwie bedeutsame Geschichte, dh. ein Kunstprodukt, geschrieben zu haben (man erkennt es nur vielleicht nicht gleich als solches, weil man zu doof oder sonstwas dafür ist). Nur: Wer möchte eine Geschichte lesen, ohne dieser schon während der Rezeption ganz natürlich einen irgendwie und irgendwann einmal sich offenbarenden Sinn zu unterstellen?

Ist dieser aber nicht schon vom Text aus gegeben, so, wie das hier ja wohl offensichtlich der Fall ist, fühlt man sich als Leser zunächst erstmal verschaukelt (so geht es mir jedenfalls gerade). Hier hat sich jemand einfach nicht an allgemein anerkannte Spielregeln gehalten (aber leider nicht nur hier).

Das heißt natürlich nicht, dass ich als Leser dem Text keinen Sinn einverleiben könnte! Wie der Arzt am Operationstisch, Textkörper sezierend und Organe austauschend. Aber wenn wir schon soweit gehen, dass Geschichten, ob hier eingestellt oder nicht, keine Aussage mehr brauchen, um irgendwie wertvoll zu sein, dann können wir auch sinnloses (jedoch immerhin sinnliches ), aber dafür 100% intuitives Geklimper am Klavier für hörenswert und melodisch halten. Warum tun wir das aber nicht?

 

Hallo philosophische Ratte

Ich möchte auf deine Antwort eigentlich gar nicht weiter eingehen. Mein Verstand gibt dir sogar recht, doch hat meine Erfahrung mich eines besseren belehrt.

Darum möchte ich dir eine kleine Übung ans Herz legen. Es würde mich irrsinnig freuen (ganz ehrlich!) wenn du sie mal ganz unvoreingenommen ausführst. Versuch deine Skepsis in der untersten Schublade zu versorgen und freu dich wie ein kleines Kind auf ein Experiment.

Zur Auflockerung, öffne eine leere Seite in deinem lieblings Textprogramm und fange an zu schreiben. Überlege dir nichts dabei, sondern schreib einfach drauf los. Das könnte dann etwa so aussehen:
"Ich schreibe hier jetzt einfach mal so rein, um dir ein beispiel zu geben wie das aussehen könnte. die punktuirung und reichtschreibung ist auch föllig egal, sei einfach locker uns schreib ohne unterbruch immer weiter.. und bla und ich schreib noch mehr.."

Das machst du dann eine Weile (so 5 bis 10 minuten), wichtig ist, das du dich dabei nie zensurierst. Du wirst das nachher eh löschen.

Dann öffnest du ein neues leeres Dokument. Wende deine Augen etwas vom bildschirm ab, schaue ins leere. Versuche dir nichts auszudenken. Versuche mit deinem "inneren Auge" zu sehen, was geschieht.
Wenn ich das gerade so ausprobiere, sehe ich übrigens eine Art Tiger, auf Händen und Füssen, der durch ein Loch in der Decke auf den Boden springt. Er schnaubt und kommt auf mich zu.
Wichtig ist irgendwie, das du überhaupt keine Erwartungshaltung hast. Lass es einfach passieren. Sei nur BEOBACHTER.
Dann schreibst du stichwortartig auf, was du siehst.

Danach, machst du daraus eine Kurzgeschichte. Versuche dabei allerdings nichts hineinzuinterpretieren, sondern "stelle einfach das Bild scharf".

Nun, fragst du dich sicher, "was soll der scheiss?" Also jetzt brauchst du etwas Geduld. Meistens dauerts ein paar Tage, vielleicht auch Wochen, aber irgendwann wird die Geschichte immer klarer. Du solltest sie zwischendurch immer wieder mal durchlesen. Du wirst Anfangen zu verstehen, was die Symbole bedeuteten. Du meinst jetzt vielleicht, "klar, irgendwann hat man etwas hineininterpretiert". So einfach ists allerdings nicht, denn die Geschichte zeigt die dinge anders, sie wird dir auch dinge sagen, die dir so nicht bewusst waren.. und wenn du ganz viel glück hast, wird sie sogar prophetisch sein.
Naja.. so ergehts mir zumindest.

Allerdings hab ich bei dieser Geschichte schiss davor, sie wirklich zu begreifen. Darum hab ich auch lange gezögert sie hier zu posten.

Übrigens fällt mir grade ein, der Tiger, der durch die decke fällt, könntest du sein. Du bist hier in meine Welt hineingestürtzt und fingst an zu schnauben ;)

Btw.. versuch mal wirklich einfach ans Klavier zu sitzen und "nur so rumzuklimpern", grad nach lust und laune. Als Kind hab ich das oft gemacht, es macht viel Spass und hat schon fast etwas von ZEN. Aber natürlich ist das was rauskommt nur schrott.

 

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