Mitglied
- Beitritt
- 25.06.2004
- Beiträge
- 6
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Versprichst du mir, dass wir die Nacht überleben?
"Versprichst du`s mir?"
Deine Augen schauen mich so unendlich müde an und der Druck auf meiner Brust nimmt mir den Atem. Ich muss mich abwenden, versuche zu schlucken, doch nichts als ein Ziehen unter meiner Bauchdecke erinnert mich noch an Menschlichkeit.
"Klar. Klar versprech ich`s dir." Ich lächle dich an, mehr eine Grimasse. Du bemerkst schon lange nichts mehr von all dem.
Ich lege meinen Arm um deine dünnen Schultern und wir machen uns wortlos auf den Weg. "Mein Auto steht da vorne." Ich nehme dich an der Hand als wärst du ein Kleinkind.
"Du lässt es doch nachher stehen?" In deiner Frage schwingt unmerklich Panik mit.
"Ja, steig jetzt ein."
Ich drehe die Musik auf. Wir haben erst vor ein paar Tagen die Boxen eingebaut, das heißt, ich habe es getan, während du auf dem Hintersitz lagst und versucht hast mit zittrigen Fingern eine Tüte zu bauen.
Irgendwann riss ich sie dir aus den Händen, drehte sie selbst und warf sie auf den Rücksitz. Du sagtest später, ich hätte dir wehgetan.
I should have treated you a little bit warmer. I should have tried a littele bit harder. I should. I could.
Die Musik erfüllt das Auto und lässt uns keinen Raum zum Sprechen. Du hast deine Beine auf das Handschuhfach gestellt, bist tief in den Sitz versunken.
Deine Haltung irritiert mich. Besonders lässig warst du nie. Eher ein Spiesser-Psycho, ein arroganter Intellektueller. Du hattest ständig Angst, man könnte dich auslachen.
Ich fand das damals noch normal. Genauso normal wie die Kratzspuren an deinen Armen von deiner Katze, die dich anscheinend tagtäglich mit Küchenmessern drangsalierte.
I should.I could.
"Lass uns reingehen." Ich stelle den Motor aus und klappe den Spiegel nach unten um mein Make-up zu prüfen. Ich mache das nur, um dich zu provozieren. Ich trage kein Make-up.
Meine Augen sind dunkel und liegen tief ihren Höhlen. Ich kann schon die ersten Fältchen erkennen.Ich bin blass und eine blonde Strähne liegt nass auf meinem Gesicht."Ach Scheiße!"
Ich knalle den Spiegel nach oben und kletter aus dem Auto.Du hältst mir die Flasche Bourbon vors Gesicht und grinst mich schief an. Du hast rote Schuhe an, die unter deinem dünnen Körper völlig deplaziert wirken.Du trägst ein weißes T-Shirt, auf dem ein neongrüner Aufdruck "Paris" prangt. Deine Jeans hängen dir unter deinen hervorstehenden Hüftknochen.
Ich nehme einen großen Schluck und muss lachen. " I have a passion." Ich spiele Dramaturgie "It`s called fashion"
Du fängst an zu kichern,wir sind plötzlich wieder ganz klein und fangen an wie verrückt zu lachen, rennen wie besessen und schreien, als wären wir die Einzigen auf der Welt.
Wir liegen nebeneinander in der Pisse. Die Flasche ist leer und du streichelst mechanisch meinen Handrücken.Das Summen des Abzugs drängt sich in meinen Kopf, das Klopfen der Heizung und die Stimmen der Leute verzerren sich zu einem dicken, wohligen Teppich, der mich völlig umschließt und dich von mir trennt, wie das Kind von der Mutter, der Schmerz lässt nach und ich lasse dich los.
Als ich aufwache, bist du nicht da. Mein Herz hämmert in meinem Kopf. Du bist nicht da. Du bist nicht da.
Ich schließe die Augen, schlucke und atme tief ein. Riskiere einen erneuten Blick durch einen schmalen Spalt zwischen meinen Lidern. Ich bin wirklich einen Moment überrascht, als sich mir das gleiche Bild bietet wie vorher. Nichts.
"Hallo?" Meine dünne Stimme verhallt ungehört in den gekachelten Räumen. Ich muss aufstehen um dich zu finden. Ich muss endlich aufstehen.Was kann man schon am Boden liegend ändern?
In dieser Nacht fand ich dich nicht mehr.
In jener Zeit betranken wir uns jeden Tag.Es war der Sommer auf den wir gewartet hatten. Wir wussten nicht, wer wir sind, dafür aber umso besser wer wir nicht sein wollten. Wir waren uns so nahe, wie ich mich weder davor noch danach jemals einem Menschen fühlen konnte.
Du fragtest mich nach der Liebe, nach dem Sinn, nach Erklärungen. Ich zehrte von deiner Phantasie, deiner Andersartigkeit.
Wir lagen glücklich im Gras, liessen keine Party aus, kein Tag war uns zu unpassend, keine Konsequenz bedeutend. Dass wir viel zu viel tranken, war unübersehbar, machte uns aber exklusiv und unersätzlich für sonst langweilige Partys. Uns war nichts mehr heilig.
Dass wir es nüchtern nicht mehr nebeneinander aushielten, konnten wir zu dieserm Zeitpunkt noch nicht wissen.
Ich weiß bis heute nicht, was in dieser Nacht passierte. Ich wiill es nicht erzählt bekommen.Nicht von den Anderen. Sag du es mir. Irgendwann, wenn du dich entschließt aufzuwachen um wieder mit mir zu sprechen.
Ich stehe an diesem furchtbarem Bett und die Lüge tropft aus meinen Augen.
Ganz kurz nur und ich wische sie mit dem Zipfel meiner Jacke weg.
Ich hätte dir nie etwas versprechen dürfen, was ich nicht halten kann.