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Vollmond

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24.08.2003
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Vollmond

Als sie die Augen wieder öffnet, liegt sie nicht mehr unter ihrer Decke. Stattdessen ist sie in einem abgedunkelten Raum, wie eine Requisite steht ein Bett in einer Ecke, riesig, aber im Dunkeln scheint es kaum vorhanden zu sein. Sie ist hier nie gewesen, aber das macht ihr nichts aus, denn sie nimmt einen Geruch wahr, den sie kennt wie den Duft ihres Roibush-Tees.
Suchend wandert ihr Blick durch das Dunkel, doch erst, als sie sich umdreht, findet sie Licht. Das Fenster ist weit offen. Der Vollmond lässt das Zimmer im Dunklen und taucht die Gestalt, die davorsteht, in Silber.
Sie tritt hinter ihn.
„Das ist ein Traum“, sagt er zu ihr.
„Ist…“ Sie will nicht wissen, ob das hier alles echt ist oder nicht. So kann sie ihm vielleicht endlich die Wahrheit sagen, diese Wahrheit, die sie erst begriffen hat, als sie die Augen wieder aufgeschlagen und ihn dort am Fenster gesehen hat.
Die Sterne funkeln kitschig, als sie zu ihm ans Fenster tritt. Sie zwinkern uns zu.
„Ich muss dir etwas sagen“, beginnt sie. „Etwas, das ich normalerweise nie…“, sie stockt, die Angst, etwas falsch zu machen, ihn zu verlieren, versiegelt ihre Lippen.
Er lächelt ihr zu. „Nur ein Traum“, sagt er, „jedenfalls glaube ich das. Wenn nichts davon real ist, dann sind nur wir beide hier.“
Niemand sonst.
Scheu finden ihre Hände sich.
Nur ein Traum. Alle schlafen.
Was wäre geschehen, wenn sie heute Morgen beim Klingeln des Weckers aufgestanden und losgefahren wäre?
Winternächte sind lang. Der Oktober neigt sich dem Ende zu, der Vollmond hat gelächelt, als sie zum Telefon gegriffen, sich mit belegter Stimme krank gemeldet und dann das Kissen über ihren Kopf gezogen hat. Und jetzt ist sie hier.
Sie birgt ihre Stirn an seinem Hals. Nur sie beide und eine Unzahl von Möglichkeiten. Ihre Lippen streifen seine Wange wie ein Hauch, der Puls an seinem Hals klopft heftig, und auf einmal ist ihr kalt.
Er nimmt sie in die Arme. Und sie klammert sich an ihn, als müsste sie ertrinken, wenn sie ihn losließe. Oder schlimmer noch: erwachen.
„Nur ein Traum." Nicht real, denkt sie, als sie sich zuerst zaghaft, dann immer heftiger küssen. Wenn es real wäre, ihr Herz würde zerbersten.
Seine Berührung bricht eine Barriere in ihr, von der sie nichts gewusst hat.

„Ich liebe dich“, flüstert sie. Sie liegen nebeneinander, berühren sich nur federleicht. Es ist so ein schönes Gefühl. Es ist so ein guter Traum.
„Es ist ein Traum“, wispert er zurück und berührt mit den Lippen ihre Wange. Sie würde gern weinen, weil sie am nächsten Morgen wieder erwachen und neben dem falschen Mann liegen wird.

Ihr Herz macht einen Sprung, als sie ihn sieht, einen albernen kleinen Hüpfer, und ihr Bauch kribbelt wieder. Sie ist in der Stadt, hat gerade eingekauft und jetzt winkt er ihr zu und sie kann nicht anders, geht zu ihm, schafft ein Lächeln, von dem sie nicht weiß, woher es kommt. Ihr Mund ist trocken vor Nervosität.
Zur Begrüßung umarmen sie sich. „Hallo, Süße“ sagt er, und plötzlich sind ihre Hände eiskalt, ihr Gesicht glüht und ihre Schüchternheit versiegelt ihr die Lippen. So hat er sie noch nie genannt.

 

Hallo Vita,

Traum oder Realität, das ist hier die Frage? Und wenn Traum, dann können Gedanken wandern und beeinflussen, so dass der Angebetete sie plötzlich Süße nennt.
Jedenfalls hast du den Traum deiner Protagonistin schon eingefangen und sprachlich stimmig erzählt.

Lieben Gruß, sim

 

Hey sim,

bist du aber faul - so eine kurze Kritik nur ;) Aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, von daher vielen Dank dafür!
Freut mich, dass du die Geschichte gelesen hast und sie dir gefallen hat.
Ich würde mich über weiteres Lob/furchtbare Verrisse natürlich freuen ;)

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo vita,

vorweg zwei Dinge, die mir als nicht so glückliche stilistische Formulierungen auffielen:
im ersten Teil deiner Geschichte benutzt du das Wort "aber" recht häufig und grundsätzlich verwendest du die Satzbauweise mit "als" oft. Ist bestimmt auch anders darstellbar, so dass es sich nicht so häuft.

Und diese Passage habe ich leider inhaltlich nicht verstanden:

Kein Freund, dem sie wehtun wird. Keine Stiche in ihrem Magen, keine Sehnsucht, die sie immer verleugnet.
Keine Freundin, an die sie immer denken muss, wenn sie ihn sieht.

Welchem Freund tut die Protagonistin denn weh?
Gut, die Stiche im Magen und die Sehnsucht ist nach ihm, nicht wahr? Und der nächste Satz? Meinst du damit, dass sie immer an ihre Freundin denken muss, wenn sie ihn sieht? Wenn ja, wieso?

Dann musste ich die Stelle mit dem Krankenhaus zweimal lesen, weil ich sie nicht beim ersten Mal verstand. Mir fehlt nämlich die Info, dass die Protagonistin im Krankenhaus zu arbeiten hat. Ich dachte, ER liegt da vielleicht oder wer, den sie besuchen sollte.

Insgesamt ist der Text nicht schlecht, aber er reißt mich auch nicht vom Hocker, denn eigentlich schilderst du schlichte Szenen zweier, die entweder ineinander verliebt sind oder sich gar lieben. Insoweit ist das Thema der Geschichte nicht so, dass ich atemlos gebannt lesen musste.
Ich glaube auch, dass die spannendsten und interessantesten Geschichten im Bereich R/E diejenigen sind, in denen es fast nur um Sehnsucht geht, um das ewige Versuchen, sein heftiges Verlangen zu stillen von mir aus mit nem Happy-End.

Ok genug gemeckert.
Was mir an deiner Geschichte gefällt ist, dass du zwischen Traum und Wirklichkeit verwischst und keinen Bruch innerhalb der Darstellung hast.

Man weiß nicht, ob sich die beiden wirklich getroffen haben oder ob es nur ihre Vorstellung war, erst wenn man eine Weile drüber nachdenkt, ist klar, dass sie zusammen waren und genau das macht für meine Begriffe den gewissen Reiz aus, den deine Geschichte dadurch bekommen hat.

Lieben Gruß
lakita

 

Liebe vita!

Ein wenig nach Rätsel liest sich die Geschichte schon, besonders der Anfang. Also, wenn der Anfang nicht so wäre, wie er ist, würde ich ja sagen, hier treffen sich zwei offenbar heimlich, und sagen dazu »Traum«, weshalb es anfangs auch so inszeniert wirkt, und deshalb natürlich auch bei Vollmond.

Kein Freund, dem sie wehtun wird. Keine Stiche in ihrem Magen, keine Sehnsucht, die sie immer verleugnet.
Keine Freundin, an die sie immer denken muss, wenn sie ihn sieht.
Das verstehe ich so, daß er noch eine Freundin hat, sie noch einen Freund, die aber in ihrem »Traum« nicht vorhanden sind. Und damit ihr Freund es nicht mitbekommt, hat sie sich krank gemeldet…

Was ich am Anfang dann allerdings nicht verstehe: Wie kommt sie dort hin, wo sie sich treffen? :confused:

Den Schluß verstehe ich dann so, daß sie nun beide frei sind – sie können sich unter Menschen, mitten in der Stadt treffen, ohne sich, wie anfangs, verstecken zu müssen –, und finden nun richtig zueinander. Schön. :)

Ein paar Anmerkungen noch, die »aber« und »als« hat ja Elvira schon erwähnt, die laß ich gleich aus. ;)

»Der Vollmond lässt das Zimmer im Dunklen und taucht die Gestalt, die davorsteht, in Silber.«
– daß es im Zimmer dunkel ist, sagtest Du bereits, würd ich streichen, außerdem hieße es »im Dunkel

»„Ist…“, aber sie unterbricht sich, sie will nicht wissen, ob das hier alles echt ist oder nicht.«
– würde das »aber« streichen, ebenso das zweite »sie« und mit dem ersten »sie« einen neuen Satz beginnen:
„Ist…“ Sie unterbricht sich, will (gar) nicht wissen …

»Denn wenn es echt wäre, dann würde sie niemals das über die Lippen bringen, was sie ihm so vielleicht sagen könnte.«
– würde sowohl »Denn« als auch »dann« streichen (ersatzlos) und statt »so« »in diesem Traum« schreiben

»Sie zwinkern uns zu, denkt sie.
„Ich muss dir etwas sagen“, beginnt sie.«
– »denkt sie« und »beginnt sie« so hintereinander liest sich nicht gut

»„Etwas, das ich normalerweise nie…“, sie stockt, die Angst, etwas falsch zu machen, ihn zu verlieren, versiegelt ihre Lippen.«
– mit »sie stockt« würde ich einen neuen Satz beginnen, danach einen Punkt: »…normalerweise nie…“ Sie stockt. Die Angst, etwas falsch zu machen, …«

»Scheu finden ihre Hände sich, seine warm, ihre eiskalt.«
»… sie sieht den Puls an seinem Hals, wie er heftig klopft, und auf einmal ist ihr kalt.«
»„Hallo, Süße“ sagt er, und plötzlich sind ihre Hände eiskalt,«
– hat es damit irgendwas auf sich, daß Du die Kälte dreimal erwähnst? :susp:

»Und sie klammert sich an ihn, als müsste sie ertrinken, wenn sie ihn losließe, oder schlimmer noch: erwachen.«
– »Und« würd ich streichen, nach »losließe« würd ich einen Punkt machen

»„Nur ein Traum“, flüstert sie, bevor sich ihre Lippen finden. Nicht real, denkt sie,«
– »flüstert sie« und »denkt sie« würd ich vermeiden. Vorschlag: flüstern ihre Lippen, bevor sie die seinen finden.

»Seine Hände sind auf ihrer Haut, in ihrem Haar, die Berührung bricht eine Barriere in ihr,«
– Vorschlag: Die (zärtliche) Berührung seiner Hände auf ihrer Haut, in ihrem Haar, bricht eine Barriere in ihr, …

»Es ist so ein gutes Gefühl. Es ist so ein guter Traum.«
– vielleicht ein »schöner«, »wunderbarer« oder »märchenhafter« Traum, damit sich »guter« nicht wiederholt?

»Sie sind in der Stadt,«
– die Formulierung würde ich vermeiden, das klingt es so, als wären sie schon gemeinsam hingegangen

»lächelt ein Lächeln,«
– öhm, vielleicht »strahlt ein Lächeln«?


Alles Liebe,
Susi :)

 

Hey lakita und Häferl,

danke fürs Kritisieren und meckern, und für den Textkram natürlich. Ich bin über den ersten Absatz noch einmal drüber, habe ein paar "abers" herausgekürzt. Vielleicht liest es sich jetzt besser.

Geplant war das so, dass die beiden, die sich da treffen, im realen Leben beide einen anderen Partner haben. Die Prot träumt von diesem Treffen (das war jedenfalls der Grundgedanke), aber sie ist hinterher, als sie ihn in der Stadt trifft, nicht mehr sicher, ob sie wirklich "nur" geträumt hat, weil etwas anders ist als sonst.

Hoffe, ich konnte alle Klarheiten beseitigen ;)

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo vita!

[/i]Sie zwinkern uns zu.[/i]
Der Schrägstrich beim ersten Tag muss weg, dann steht das Sätzchen auch in kursiv.

Nur sie beide und eine Unzahl von Möglichkeiten
dieser Satz könnte auch über dem Ende stehen. Ich weiß gar nicht in welche Richtung ich weiterdenken möchte/sollte. Vielleicht hat er ja auch geträumt - und als sie sich traut (auf ihn zuzugehen), traut er sich auch (ihr zu sagen, was er nur zu denken wagte). Aber was geschieht dann? Akzeptiert sie die Anrede, schrckt sie zurück, aus Angst vor dem, was vielleicht real geschehen ist oder .. Ich weiß nicht, vielleicht fehlt mir was, um die Geschichte im Kopf weiter laufen zu lassen.

Lieben Gruss

Jo

 

Hallo vita,

also mir hat deine Geschichte wirklich gut gefallen :thumbsup:

Allerdings ließ sie ließ mich weniger mit der Frage zurück, ob das nun Traum oder Realität war, sondern vielmehr, ob zwei Menschen sich in ihren Träumen wohl begegnen können ... Bin wohl etwas Fantasy-geschädigt :D

Gruß,

Red Unicorn

 

Hello vita,
sehr stimmungsvolle Geschichte! Fast ein wenig zu viel Stimmung und etwas zu wenig Geschichte. Aber ein netter Gedanke, dass er vielleicht den gleichen Traum hatte wie sie. Als Pointe für die ganze Sache scheint mir aber die 'Süsse' zu karg - ist aber Geschmackssache.

Apropos Geschmack: Duft einer Tasse?

'Und jetzt ist sie hier.Sie birgt ihre Stirn an seinem Hals. Nur sie beide und eine Unzahl von Möglichkeiten. Ihre Lippen streifen seine Wange wie ein Hauch, sie sieht den Puls an seinem Hals, wie er heftig klopft, und auf einmal ist ihr kalt. Er nimmt sie in die Arme. Und sie klammert sich an ihn, als müsste sie ertrinken, wenn sie ihn losließe. Oder schlimmer noch: erwachen.
„Nur ein Traum." Nicht real, denkt sie, als sie sich zuerst zaghaft, dann immer heftiger küssen. Wäre sie wach...'

- 11x 'sie' finde ich arg reichlich.

Viele Grüsse vom gox

 

Hallo ihr drei,

vielen lieben Dank fürs Kritisieren, tut mir Leid, dass das so lange gedauert hat, aber eigentlich bin ich gar nicht mal online, von daher...

@Jo: Das mit den Tags habe ich editiert, das kommt dabei raus, wenn die Finger wieder mal schneller sind als das Gehirn. Passiert mir irgendwie öfter.
@Red Unicorn: Danke fürs Lob! Ich habe so etwas tatsächlich mal geträumt und mir dieselbe Frage gestellt - irgendwann habe ich dann beschlossen, es aufzuschreiben ;)
@gox: Zu viel Stimmung und zu wenig Geschichte - das passiert mir irgendwie dauernd :heul: Ich muss das mal üben!
Ich habe mir die Prot als schüchterne und introvertierte Person vorgestellt, die ihre Umwelt und die Reaktion ihrer Mitmenschen sehr genau analysiert. Von daher, hatte ich gedacht, reicht ihr dieses winzige Zeichen ver Veränderung bereits aus, um sich die wildesten Hoffnungen zu machen.
Die vielen "sie"s habe ich ein wenig reduziert ;)

gruß
vita
:bounce:

 

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