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War es nur ein Junge
Ich fuhr mit meinem Motorrad heute vormittag an den Rhein, holte mir 'ne Dose Cola an der Tanke und setzte mich dann vor Rüdesheim ans Ufer. Das mache ich öfter, wenn ich mal 'ne Auszeit brauche. Ich schaue dann gerne den Schiffen zu, wie sie den Strom auf oder abwärts fahren. Manchmal wünschte ich mir, sie würden mich mitnehmen in eine andere Welt, weit weg von dieser hier. Hier ist alles voller Probleme. Jeder gegen jeden und nur wenige, die versuchen, Farbe in diese Welt zu bringen. Jeder denkt nur noch an sich und seinen Vorteil.
Wie schön könnte diese Welt sein, wenn man sie miteinander gestalten würde und nicht gegeneinander. Warum immer dieser Neid. Ich gebe zu, manchmal bin auch ich neidisch. Nicht auf die schönen Häuser, die schönen Autos und Motorräder, nein, nicht darauf. Sondern darauf, dass es Menschen gibt, die keine Probleme mit ihrem Leben haben, die es gestalten können wie sie wollen. Diese Chance hatte ich selten, um nicht zu sagen, nie. Immer lebte ich nur in Reaktion auf ein Ereignis oder durch Zwänge, die mir die Gesellschaft auferlegte. Ich wollte etwas anderes lernen, beruflich, ging aus Kostengründen nicht. Meine Eltern hatten nicht das Geld dafür. Also lernte ich einen Beruf, den ich später nie ausübte. Und so ging es immer weiter…
Doch plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ein kleiner Junge stand da und rief: "He, Großer, mein Flieger ist da im Baum hängen geblieben, kannst du mir helfen?"
Ich schaute mich um, meinte der mich?
"Bitte" rief er, "ich kann das nicht, ich bin zu klein. Aber pass auf, dass du nicht in den Rhein fällst!"
Ich stand auf, befreite das kleine Flugzeug vom Baum und gab es ihm.
"Danke, Großer", quäkte er, "willste mitspielen?"
"Gerne", hörte ich mich sagen, "wenn deine Eltern nichts dagegen haben."
"Ich bin alleine hier, meine Eltern hatten keine Zeit."
Die haben Nerven, dachte ich bei mir und spielte eine Weile mit dem Kleinen und seinem Flugzeug.
"Es macht Spaß, mit dir zu spielen, aber ich muss jetzt gehen. Übrigens, mach dir keine Gedanken, dein Leben kommt wieder in Ordnung, Ihr schafft das, du und Marina. Sie ruft gleich an. Tschüss denn!"
Ich starrte ihm fassungslos nach. Was hatte er da eben gesagt? Woher wusste er das? Ich hatte doch gar nichts gesagt von Marina und mir.
Kopfschüttelnd setzte ich mich wieder ans Ufer und dachte bei mir, das kannste gar nicht gehört haben, jetzt beginnst du schon zu spinnen.
Als ich gehen wollte, fiel mein Blick auf eine alte Zeitung, und obenauf war ein Artikel über einen kleinen Jungen, der hier am Rhein ertrunken war, als er mit seine Flieger alleine spielte und niemand auf ihn aufgepasst hatte. Ich blätterte interessiert weiter und sah dann auch ein Bild von dem Jungen. Das war doch der Junge, mit dem ich eben gespielt hatte?
Ich glaube ich spinne wirklich, dachte ich, musste mich aber doch wieder setzen.
Ich grübelte ein kurze Weile nach. Da klingelte plötzlich mein Handy und Marina war dran
"Hi Schatz, ich bin es, und ich vermisse dich. Ich will mit dir zusammenleben und bei dir bleiben. Wir schaffen das."
Wir telefonierten noch lange. Ich sagte ihr nichts von dem Jungen, ich wollte nicht, dass sie dachte, das ich nicht mehr richtig tickte. Doch es war genau wie der Junge angedeutet hatte, sie wollte mit mir leben, und ich war mit einem Schlage wieder froh. Jetzt suche ich ein Zuhause für uns und dann werden wir leben, nicht mit viel Reichtum, aber mit viel Liebe.
Ich schwang mich aufs Motorrad und fuhr heim. Als ich losfuhr, war mir, als würde ein kleiner Junge am Ufer stehen und mir lachend zuwinken.
"Danke", murmelte ich in meinen Bart und fuhr heim. Ich weis immer noch nicht was ich davon halten soll.
Hat mir meine Phantasie einen Streich gespielt, oder wollte dieser Junge nur verhindern, dass ich auf mein Mopped stieg und losfuhr? Denn dann hätte ich Marinas Anruf wohl verpasst.
Es gibt Geschichten, die glaubt man nicht. Ist das auch so eine?