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Was bleibt ist Wut.

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26.07.2004
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Was bleibt ist Wut.

Was für ein beschissenes Arschloch.

Toni war pleite. Komplett pleite. Sein Schuldenberg belief sich mittlerweile auf mehrere Tausend Euro. Er hatte zwar Arbeit, gut bezahlt zwar, aber lebte auf einem viel zu hohem Niveau. Das lag nicht nur daran, dass sein Lebensstil einiges bieten mußte, sondern auch daran, dass sein Konsum immer heftiger wurde. Und da begannen seine wirklichen Probleme. Er fuhr alle Läden ab, die er kannte. Das Café Himmel: geschlossen. Die Wunderbar: klebte immer noch das Polizeisigel an der Tür.
Er rief ein paar Leute an. Keine Freunde, sondern Leute, die immer wissen, wo etwas Gras zu bekommen war. Ein letzer Tipp: die Marktstrasse. Da sei ein Laden, eine richtige Kneipe, in der hinter dem Tresen für Bekannte der Bar immer etwas lag. Aber die Besitzerin wähle vorsichtig aus. Man hätte zu erklären, wer einen hingeschickt hatte.
In Toni machten sich Zweifel breit, als er die Marktstrasse entlang ging. Er unterschied sich von den Menschen auf der Strasse, hatte er doch die Kleidung der spießigen Besserverdienenden an. Und einen blöden Hut, der weder zu ihm, zu seinen Klamotten und überhaupt nicht in diese Gegend passte. Er ging geduckt, möglichst unauffällig, versuchte sich beim Gehen zu verstecken und passte nun um so weniger in dieses Viertel. Wenn er sich Gras kaufen ging, hatte er jedoch noch nie in das Bild des Kiffers gepasst. Vereinzelt waren Menschen auf der Strasse.
Ein junger Mann stand auf den Stufen eines Hauseinganges. Links und rechts die Läden mit der Mode des übernächsten Sommers. Er passte auf den ersten Blick ebensowenig in dieses Strassenbild, fühlte sich aber augenscheinlich weniger fehl am Platze, als Toni.
Er sagte etwas, als Toni an ihm vorbeiging. Nur im Kontext ließ sich verstehen, was er mit einem Wort meinte. Es hätte eine Frage sein können oder die Antwort auf eine Frage, die schon längst gestellt war. Es hätte auch ein unbeabsichtig fallen gelassenes Wort sein können, das sich in der Akustik der Strasse verirrte hatte. Aber im Kontext mit Toni ergab sich das klare Angebot. Er sagte: „Gras.“
Toni lächelte ungläubig und verwirrt und ging weiter. Ihm war es unangenehm auf offener Strasse auf diese Art angesprochen zu werden. Aber er wußte nicht, wo genau der Laden sein sollte. Man hatte es ihm erklärt, jedoch hatte er es wieder vergessen. Hinzu kam, dass er unsicher war, wie sehr er sich dieses Mal in dem Laden blamieren würde. In solchen Läden musste man offen nach Gras fragen. Man bekam dumme Antworten oder wortloses Kopfnicken. Die dumme Antwort befördert einen nach draussen, das Kopfnicken meistens nach hinten zu den Toiletten. Als ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, hatte er schon das Ende der Strasse erreicht, also drehte er um, um ans andere Ende der Marktstrasse zu gehen. Er fragte sich, ob er auf dem Rückweg wieder an dem Dealer vorbeigehen müsse, aber die Antwort hatte er, als sein Blick den Jungen erfasste. Er war ihm gefolgt, hatte aber auf die andere Strassenseite gewechselt. Nun fragte der Verticker lauthals über die Strasse hinweg, ob sein Angebot mit dem Gras noch stünde. Toni nickte. Toni war von Natur aus faul und hatte keine Lust ganz bis an das andere Ende der Strasse zu gehen, um dennoch mit höchster Wahrscheinlichkeit erfolglos nach Hause zu gehen. Die Leute wurden immer vorsichtiger, hatte die Polizei doch in letzter Zeit zunehmend Läden geschlossen. Das Gesicht des Käufers muss den Leuten zumindestens bekannt vorkommen. Nur auf der Strasse war das egal. Die hatten keine Konzession zu verlieren. Von selbst würde Toni niemals Leute auf der Strasse ansprechen.
Das hatte der Dealer Toni bereits abgenommen, also nickte Toni ihm zu. Sie gingen ein paar Meter hintereinander her. Toni suchte irgendeinen Hauseingang, damit der Deal nicht von allen Seiten zu beobachten sei. Er kam sich bescheuert vor, stellte sich dann aber dilitantisch unter einen Baum. Der Dealer schloss zu ihm auf. Wenigstens würde man ihn nicht von oben sehen, sagte Toni zu sich selbst. Der Dealer fragte, wieviel er haben wolle. Für fünfundzwanzig sein er zufrieden. Fünzig sei besser, größere Menge und so, erwiderte der Dealer. Also ließ sich Toni das in Staniolfolie eingewickelte Gras zeigen. Es dämmerte zwar, aber die Menge schien ok. Das Gras sei sehr gut, fügte der Dealer hinzu. Toni solle das Bündel schnell verschwinden lassen, also umschloss Toni die silberne Kugel fest mit seiner Hand, zückte einen Fünfziger aus dem Portmonai und drückte es dem Dealer in die Hand. Der ging lockeren Schrittes davon und rief über die Schulter hinweg, dass Toni stolz sein könne, so gutes Gras von ihm bekommen zu haben.
Um zu seinem Wagen zu gelangen, mußte Toni dem Dealer einige Meter folgen und hielt noch immer das Portmonai in der Hand, als der Dealer sich abermals umdrehte. Dieser schaute Toni herausfordernd in die Augen. Toni formte aus seinem Zeigefinger und Daumen ein „O“. Er wollte nicht das Gefühl vermitteln, er könne Polizist sein, hielt er doch das Portemonai wie eine Polizeimarke in seiner Hand.
Toni stieg in seinen Wagen und fuhr ein paar Meter. Er kam bis zur nächsten roten Ampel, freute sich in Gedanken auf den ersten Joint des Tages und pulte die Staniolkugel auf. Im Inneren schimmerte es grün und sah stachelig und trocken aus. Schade, etwas zu trocken, aber egal, man bekam nicht immer das beste, dachte er bei sich. Dann nahm er ein wenig mit seinen Fingern auf und rieb es zwischen Daumen und Zeigefinger. Es war zu stachelig. Seine Finger führten das Gras an die Nase. Es roch nach Gras und nach etwas anderem. Es roch wie...Toni kann nicht drauf. Es roch wie... es roch nach Herbst. Es roch nach Gras und Kräutern. Trockenem Rasen und Oregano. Es war kein Gras. Es war Beschiss. Toni hatte sich bescheißen lassen. Er hatte in der Dämmerung nicht richtig hingeguckt. Hatte seinen Fuffi in der Eile und unter Drängen seines Gewissens dem Dealern den Schein in die Hand gedrückt. Er hatte billig abspeisen lassen, wie einen besserverdienenden Idioten. Jetzt leuchtete ihm alles ein. Der Dealer wußte genau, was den Käufer treibt, wann ihm was unangenehm wird und, dass konspiratives Verhalten den Käufer dazu treibt, nicht nachzufragen, sondern schnell auf das Angebot einzugehen, das Gesagte und somit Versprochene anzunehmen und zu glauben. Sich also voll lenken zu lassen. Er war der Idiot, der Bestohlene, auf offener Strasse und vor allen Augen Blossgestellte. Die Menschen in der Marktstrasse kannten die Geschichten der Besserverdienenden, die hierherkamen und sich etwas zu rauchen holten. Und sie amüsierten sich, denn alle Nase lang kam so eine Nase und liess sich verkackeiern und sie lachten mit dem Dealern darüber. Aber diese Geschichte endete etwas anders, denn Toni kam kaum eine halbe Stunde später zurück, hatte seinen Hut abgelegt und seine Besserverdienerklamotten. Er ging unerkannt die Strasse entlang. Die Menschen nahmen ihn nicht wahr.
Der Dealer stand immer noch auf der anderen Strassenseite. Toni ging in die Bar, zu der er ursprünglich gehen wollte, bestellte sein Bier aus der Flasche, wurde zur Toilette gebeten, erhielt einen Beutel echtes Gras; alles so, wie er es gewohnt war und betrat zufrieden wieder die Strasse. Nun hatte er noch etwas zu erledigen. Die Schwierigkeit war nur, dass er keinerlei Erfahrungen mit seinem Vorhaben hatte. Also hatte er sich jeden Schritt genau überlegt, wie der Dealer.
Dieser stand mittlerweile wieder auf seinem angestammten Platz und wartete. Toni schaute ihm aus ein paar Metern in die Augen. Kein Zeichen des Wiedererkennens. Der Dealer sprach Toni wieder auffordernd an. Toni nickte abermals, stieg zu dem Dealern die Treppe hinauf. Da holte holte aus. Mit ganzer Kraft schlug er dem Dealer seine Faust in den Magen. Der haspelte, versuchte Luft zu schnappen, keuchte. Etwas zu hastig zog Toni das längste Messer, das er hatte finden können und trieb es ein einziges Mal in den oberen Bauch des Dealerns. Es liess sich butterweich durch das Fleisch treiben. Der Dealer war tonlos, holte einmal flach Luft, und stemmte sich mit ungläubigem Blick gegen den Hauseingang. Toni zog sein Taschentuch und wischte über den Griff und zog, liess das Messer fallen, stieg langsam die Treppe wieder hinab und liess an dessem Fuß das Taschentuch fallen.
Es war dunkel und Toni ging ungesehen die Strasse entlang, vorbei an seinem Wagen, zog den Beutel Gras heraus, die Papers, den Tabak und rollte seinen Joint, genoß die Luft. Er ging und dachte sich nach Hause. Dort würde er sich die Hände waschen. Sie waren noch blutverschmiert. Sie waren so fleckig, dass der Joint fleckig war. Er rauchte das Gras, um runterzukommen und rauchte das Blut des Dealers. Die Wut war nicht mehr schneidend scharf. Sie war dumpf und weit weg, aber er hatte sie aufkommen lassen. Jetzt würde sie keimen und Wurzeln schlagen, bis an die kleinsten Kapilaren seiner Venen.

Sie waren auf einander hereingefallen, jeder für sich. Jeder hatte dem anderen vertraut. Jeder für seinen eigenen Zweck.
Vertrauen war Auslöser und Verlust.
Was für zwei beschissene Arschlöcher.

 

Hallo Kirstin,

vielen Dank für Deine Anmerkungen. Ich bin fast im Erdboden versunken, als ich sie las. Naja.
Da Du die Moderatorin bist, kann ich Dich gleich bitten, mir diesen Stumpen zu ziehen und ihn wegzuwerfen. Weg mit dem Thread! :) Ich habe eine Kopie auf meinem Computer. Wenn ich mal die Lust habe, werde ich daran arbeiten.

Vielen Dank. Ich werde arbeiten und Dir etwas kleines schicken :)


duck.face

 

Ein Herbstabend glitzerte so, wie Herbstabende schon immer glitzerten. Dunkel und bedrohlich kündigte er den Winter an. Aber erst einmal hatte er seine Zeit, kalt und nass, um sich dann hinüber zum Sommer zu beugen, sodass Sonnenstrahlen durch blattlose Bäume die Pfützen in dampfende Schwaden verwandelte. Und dann wieder lehnte er sich zum Winter und gefror den Regen zu dicken Hagelkörnern. Aber am liebsten war es ihm, wenn die Regentropfen glitzernd an ihm herabfielen und rhythmisch auf braunes, gelbes und dunkelgrünes Laub trommelten.
Aber, wie es immer so war, so war es ihm nicht gegeben die Zeit anzuhalten und so fiel ein Tropfen, gefror am herbstlichen Kleid und schwebte pünktlich um 21.12.als Schneeflocke vor die Füsse von Lisa-Marie, deren Geschichte ich Euch nun erzählen möchte. Sie liebte Schnee und freute sich unsäglich auf das bevorstehende...

 

Hallo duck.face

Also, mir hat Deine Geschichte gefallen.
Vielleicht nicht das Thema an sich, darüber weiss ich zu wenig, aber die Ausarbeitung fand ich gut. Ich glaube auch, verstanden zu haben ,was du damit sagen willst, daher finde ich sie auch nicht beschissen.
Manches Mal ist es keine schlechte Idee, sich die Mühe zu machen mehr zu lesen, als dasteht. :D
Stilistisch ist sie ungewöhnlich, was nicht zwangsläufig schlecht ist. Nur die Rechtschreibfehler solltest Du noch korrigieren. Der Ablauf Deiner Geschichte ist gut nachvollziehbar. ;)
Es gibt aber einen Teil, den ich nicht recht verstehe: :confused:

Nun fragte der Verticker lauthals über die Strasse hinweg, ob sein Angebot mit dem Gras noch stünde. Toni nickte. Toni war von Natur aus faul und hatte keine Lust ganz bis an das andere Ende der Strasse zu gehen, um dennoch mit höchster Wahrscheinlichkeit erfolglos nach Hause zu gehen
Is hier ein Wurm drin oder kapier ich es einfach nicht. mMn fragt Toni den Dealer quer über die Straße, ob das Angebot noch stünde. Und er schreit deshalb über die Straße, weil er zu faul ist, vielleicht sinnloser Weise dort hin zu gehen. So stehts aber nicht da. Bitte klär mich doch mal auf, ja?
Ansonsten hab ich nichts zum meckern. :)
Hat mir gut gefallen.

Liebe Grüße, Susie

Ps: Weihnachtsfest? :D

 

Hallo Kürbiselfe (mir gefällt Dein User),

Hallo Susi,

Vielen Dank für Deine Fragen zu der Geschichte. Zu Deiner Frage, wer die Frage stellt: Der dealer stellt Toni die Frage nach dem Angebot. Und da Toni faul ist, geht er auf die rhetorische Frage ein und läuft nicht bis an das Ende der Strasse, sondern willigt sofort ein.
Ich möchte gestehen, dass ich die Geschichte kurz nach einem eigenen Erlebnis geschrieben habe und dem eigentlichen Ablauf noch einen drauf setzten wollte. Das hat sie ins unrealistische gezogen. Ich habe am Sinn der Veröffentlichung gezweifelt, wollte aber unbedingt die Eindrücke von Euch bekommen. Vielleicht hätte diese ungefilterte, unkorrigierte Geschichte gezündet. Wer weiß?

Auf Kirstins ansinnen hin habe ich dann das Motiv des Regens und Laubs aufgenommen. Deshalb passt Deine Vermutung mit Weihnachten genau.

duck.face

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo duck.face

Danke für Deine schnelle Antwort. Jetzt versteh ich das Ganze natürlich.
Und so unrealistisch finde ich Deine Geschichte gar nicht.
Sie passiert möglicherweise nicht ständig, aber vorstellbar ist es für mich schon. :)

Ich wünsch Dir eine gute Nacht.
Bis denn und liebe Grüße von Susie

PS:

Hallo Kürbiselfe (mir gefällt Dein User),
Dankeschön :)

 

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