Was ist richtig auf dieser Welt?
Manchmal denke ich, alles ist so schrecklich gewöhnlich. Ich bin 17 Jahre alt. Ich wohne in einem normalen Haus, in einem normalen Dorf, mit normalen Eltern und einer normalen Schwester. Meine Schwester ist 11, und sie ist sehr gescheit. Sie ist gerade so gescheit, dass sie nicht auffällt, sie geht aufs Gymnasium, genau wie ich.
Viele Leute finden es schrecklich, gewöhnlich zu sein, das weiß ich. Das komische ist nur, das ich es bisher toll fand, normal zu sein.
Ich bin ein gewöhnliches Mädchen, meine Nase ist weder zu lang noch zu kurz, und wenn ich mich in der Öffentlichkeit zeige, dann schaut mich keiner entsetzt an oder zuckt zurück oder tut sonst irgendetwas. Es ist normal, normal zu sein.
Natürlich weiß ich, dass ich dankbar sein sollte. Ihr wisst schon, wegen der ganzen sterbenden Menschen im nahen Osten und überhaupt überall sonst auf der Welt.
Ok, sagt ihr euch, da meldet sich mal wieder ein frustrierter internetbesessener Teenager, der orientierungslos durch die Gegend läuft, keine Freunde hat und in der Schule versagt.
Ich kann nicht sagen, dass ich unbeliebt bin, eigentlich bin ich sogar ziemlich beliebt. Ich habe die zweitbesten Noten in meiner Klasse und das, obwohl ich schon mal eine Klasse übersprungen habe und viele in meiner Klasse 2 oder 3 Jahre älter sind als ich.
Ich bin aber auch keines dieser Wunderkinder, die vom Bürgermeister gelobt werden, die nachher ein Stipendium bekommen oder irgendwie ausgezeichnet werden. Eigentlich bin ich ein ganz gewöhnliches Mädchen, da wo ich herkomme. Und immer noch wohne.
Eigentlich ist es so, dass ich Menschen, die mit Ziehen und Brechen versuchen, ANDERS und GEGEN JEDE REGEL zu sein, verachte. Ich verachte sie, weil sie sich das Recht herausnehmen, gegen eine funktionierende Gesellschaft zu verstoßen. Sie sind GEGEN eine Gesellschaftsordnung, der ich mich sosehr versuche anzupassen, um anerkannt zu sein.
Leute, die sich die Haare grün färben sind mir suspekt. Sie machen mir Angst, weil sie gegen etwas Rebellieren was ich ok finde, weil sie gegen meine Ordnung verstoßen.
Das schlimme ist nur, dass ich immer versuche, anerkannt zu werden, und wenn ich es dann werde, dann ist es nicht schön. Dann reicht es mir nicht, dann GIBT es mir nichts.
Es ist wie wenn es einen irgendwo juckt. Man kratzt sich, weil man will das es aufhört, aber wenn man fertig ist, hat man etwas getan ohne dass es einem danach in irgendeiner weise besser geht als vorher.
Ja, ich finde es ok mit dem Strom zu schwimmen. Es ist nicht toll, aber ok.
Es ist ja nicht so, dass ich nun sage: „Hey, viel für die Schule lernen und abends früh ins Bett gehen ist toll!“. Es ist nur so dass ich eigentlich viel zu faul und wahrscheinlich auch zu feige bin, etwas anderes zu tun als mit dem Strom zu schwimmen.
Ich weiß nicht ob man versteht was ich meine, aber manchmal denke ich einfach, ich bin es so satt. Ich bin es so satt, jeden Tag in die Schule zu marschieren, meine Hausaufgaben zu machen, mein Essen zu essen, wann und wie ich es soll, jeden Samstag zum Reitunterricht zu gehen und die meisten Abende vor dem Fernseher zu verbringen.
Fakt ist aber, das das Leben kein Film ist. Wäre ich nämlich die Heldin eines Filmes, würde ich jetzt rebellisch werden und versuchen mich aus meinem langweiligen Leben zu befreien, würde versuche, was Verrücktes und Außergewöhnliches zu tun.
Am Ende würde ich mit einem ebenso rebellischen wie gutaussehenden jungen Mann zusammen kommen, welcher der Einzige ist, der nicht spießig und langweilig ist.
Der Film wäre zuende.
Was aber passiert eigentlich NACH den happy ends? Was kommt dann? Man stelle sich vor, 2 Teenys, frisch verliebt und triumphierend, weil gerade in einer ihrer pubertären Launen bestätigt worden, sich siegessicher küssend, während alle anderen entsetzt zurückweichen, aus welchem Grund auch immer. Der Film wäre hier zu Ende, die Moral: Wenn du etwas willst, bekommst du es auch, wenn du einen Verbündeten hast, kann es dir egal sein, was die Welt von dir denkt.
Fakt ist aber, dass es das NICHT ist. Den allerliebsten Freund kann ich nicht essen. Ich kann von ihm nicht leben, und wenn er ein ebenso dummer Rebell ist wie ich, dann wird er ebenso wenig Geld verdienen wie ich es tue.
Was bleibt also übrig? Das Mädchen entschuldigt sich bei allen, zu denen sie pampig und frech was (also bei den vermeintlich BÖSEN) und kehrt zurück in ihr langweiliges, sich tagtäglich wiederholendes Leben. Sie schreibt brav ihre Klausuren, macht ihr Abi mit einem schnitt von 1,3 und wird Ärztin. Sie vergisst schnell, dass sie mal versucht hatte, anders zu sein, denn anders zu sein ist so unglaublich anstrengend. Sie vergisst auch den Freund, der auch versuchte, anders zu sein. Sie fängt an zu funktionieren, zu funktionieren für diese Gesellschaft. Sie beginnt ein Glied der Kette zu sein, die tagtäglich gezogen wird.
Zu dieser Kette gehören alle- außer den paar Menschen, die die Kraft noch haben, sich zu wehren. Die noch rebellisch sein können.
Und ich weiß nicht ob ich diese Kraft jemals aufbringen werde.
Ich will jetzt nicht den bekannten Aufruf starten: „Los, Leute, schwimmt gegen den Strom. Wehrt euch! Zieht euer Ding durch, koste es was es wolle!“
Das kann ich nicht tun, denn ich war nie rebellisch. Ich habe nicht das Recht, jemandem zu sagen was er tun soll oder was nicht, denn ich weiß nicht, was aus seinem Handeln resultiert. Ich weiß nicht was es einem BRINGT; wenn man rebellisch ist.
Vielleicht wird es mir mal jemand sagen. Irgendwann.
Ja, vielleicht bin nur ich ein verwirrter Teenager, der hier einfach nur ein paar Zeilen hinschreibt weil ihm langweilig ist, und vielleicht habe ich Null Talent zum Schreiben. Aber alles was ich will, ist das jemand mir endlich sagt was richtig und was falsch ist auf dieser Welt. Damit ich es richtig machen kann.