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Wellenreiter

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15.06.2004
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Wellenreiter

für Kathi

Die Wellen brachen sich mit lautem Getöse an den kantigen Felsen der Küste. Kleine Schaumflocken spritzen ihr ins Gesicht, als sie dieses in den stürmischen Wind hielt, der mit ihren Haaren spielte. Endlich war sie da. Endlich, nach stundenlangem Fahren stand sie am Ufer dieser Urgewalt.
Die dunklen graublauen Wellen brodelten mit ihren weißen Kronen heimwärts in die Tiefen. Wie der Atem eines Urgetüms ziehen sie sich zurück, um mit Welt zerstörerischer Wut wieder an das Ufer zu branden, greifen nach dem körnigen Sand und den Muschelschalen, wie nach Trophäen.
Sie beugt sich nieder und lässt ihre Finger tief in den feuchten Grund gleiten, fühlt die groben Körner und kleinen Steinchen und das kalte, salzige Meer, dass sich um ihre Hände schließt.
Wie hat sie sich nach diesem Gefühl gesehnt…
Mit geschlossenen Augen dreht sie ihre Hände, hebt sie aus dem Boden, während die Körner an ihnen kleben bleiben.
Sie könnte es wagen… es ist niemand hier, sie ist ganz allein, ganz allein mit dem Meer, mit seinem Tiefen, den Stimmen und dem Gesang, den Seetang und den Duft, den es wie eine salzige Blume verströmt…
Es ist kalt, bitterkalt, noch nicht Winter, aber man spürt schon sein Herannahen, seinen eisigen Atem über dem Land und dem Meer…
Langsam streift sie ihr Kleid von den Schultern, lässt es auf den feuchten Boden gleiten, gefolgt von der Unterwäsche… noch immer ist sie vollkommen allein.
Langsam geht sie zu dem windgepeitschten Nass, lässt es zuerst ihre Füße, dann ihre Beine umspielen. Immer weiter geht sie, genießt den Schauder, der ihr Körper durchfährt, gefolgt von weiteren, kleineren Schauern, genießt das heranpreschen der Wellen gegen ihren Körper, die kalten Wassermassen, die über sie hinweg, um sie herum tosen…
Schließlich atmet sie tief den frischen Meeresduft ein und macht einen Satz nach vorn in die tanzenden Wellen.
Von einer Sekunde zur anderen tauscht sie das ohrenbetäubende Tosen der Meereskronen gegen die Stille der Tiefe ein. Ihr Körper gleiten lautlos und vollkommen leicht durch die stumme Schwerenlosigkeit.
Solche Momente… so kostbar und selten… Lautlosigkeit. Keine Geräusche, kein Ton. Oh, wenn sie nur ewig hier bleiben könnte…
Der leichte Druck in ihrem Brustkorb wird stärker, sie wird von dem Treiben der Wellen leicht hin und her gewogen, wie in einer stummen Wiege.
Schließlich muss sie doch auftauchen, der Druck wurde zu stark.
Mit einem tiefen Atemzug stieß sie aus den noch immer tobenden Fluten hervor.
Gott… Es könnte ewig so bleiben…
Sie drehte sich auf den Rücken und ließ sich treiben, schloss die Augen, genoss einfach das Gefühl alles loslassen zu könnten, alles losgelassen zu haben; auf den Wellen zu treiben wie ein Stück Holz, das eine lange Reise hinter sich hatte…
Es könnte ewig so bleiben… aber leider wird es nicht so sein.
Noch einige Augenblicke blieb sie so, wie sie war, dann schickte sie Impulse durch ihren Körper, dass er sich wieder auf das Land zu bewegen sollte. Träge schwamm sie sich wieder an den Strand, zum Ufer zurück, zurück zu dieser Welt, die sie für die kostbaren Momente verlassen hatte.

 

Hallo Jeanne

erstmal willkommen auf kg.de, wir hatten ja noch nicht das Vergnügen.
Nun zu deinem Text:
Deine Geschichte hat mir sehr gefallen, du hast mich als Leser an die Hand genommen und durch dein schönes bildhaftes beschreiben dieser Situation an diesem Wellenritt teilnehmen lassen.
Ich spührte richtig den Sand durch meine Zehen.
Was mich ein wenig endtäuscht zurückgelassen hat, war der Schluss.
Ich empfand die Geschichte mehr wie ein Stimmungsbild. Ein sehr gutes, doch.
Ich persönlich hätte mir für das Ende vielleicht eine Beschreibung einer Situation warum sie wieder zurück muss.
Natürlich ist es deine Geschichte und der Leser kann sich sicher auch noch mit eigener Phantasie den Schluss ausmalen. Es ist ja auch nur ein Gedanke.

Hab ihn trotzdem sehr gerne gelesen

Morpheus

 

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