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Weltendämmerung
Weltendämmerung
Wenn dereinst dem Urknall folgt ein zweites Beben,
und der Himmel Staub und Steine spuckt,
wenn die Blumen ohne Leben auf der heißen Erde liegen,
dann ist das Ende dieser Welt nah,
dann ist die Weltendämmerung.
(Nordwind aka Frank Abbing, © 1993 Weltendämmerung für Amiga)
*
Prinz Alwaleed Bin Talal Alsaud war einer der reichsten Männer der Welt und inzwischen hasste er die USA abgrundtief. Obwohl er lange Zeit in den Staaten gelebt hatte und mit seinen Geschäften dort viel Geld verdient hatte. Doch das Land hatte ihm übel mitgespielt. Der Hass auf Ausländer und Emigranten war in den letzten Jahren stetig gewachsen, gipfelte natürlich im großen Religionskrieg von 2017/18. Es wurden ihm immer größere Steine in den Weg gelegt und schließlich war er ihnen so unbequem geworden, das sie versucht hatten, ihn zu beseitigen.
Alles konnte Prinz Alwaleed tolerieren und verzeihen, aber auf keinen Fall einen Mordversuch. Längst war er in sein Heimatland Saudi Arabien zurück gekehrt.
Oh wie er die USA hasste, diese ganze doppelzüngige und verlogene Nation! Aber sie würden seine geballte Rache zu spüren bekommen, doppelt und dreifach. Und Prinz Alwaleed hatte das nötige Geld, um seinen Racheplan ausführen zu können. Sehr viel Geld. Und die passende Idee.
*
Fast alle waren seiner Einladung nach Saudi Arabien gefolgt. Die ganzen Vertreter der Politik und Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Presse, und sogar ein Vertreter der westlichen Kirche. Allesamt aus den USA eingeflogen. Kein Wunder, er hatte ihnen auch die Präsentation einer außergewöhnlichen neuen Entdeckung versprochen, wie sie die Welt noch nicht vorher gesehen hatte. Und genau das sollten sie auch präsentiert bekommen. Wenn auch etwas anders, wie sie sich das hätten denken können.
*
Prinz Alwaleed war sehr zufrieden und rieb sich die Hände. Er würde ihnen ein hübsche Show liefern.
Im vorderen Teil des Raums war eine Bühne aufgebaut. Sie war vom Publikum durch Sicherheitsglas getrennt. Der Prinz betrat sie, umrahmt von seinen Bodyguards.
Die Gäste verstummten und ließen ihre erlesenen Speisen und Getränke ruhen.
„Guten Tag, meine erlesenen Gäste.
Viele von Ihnen sind meiner Einladung gefolgt, in gespannter Erwartung auf meine Ankündigung. Ich versprach Ihnen eine sensationelle Entdeckung. Es ist aber vielmehr eine Entwicklung, und zwar eine, die unsere bisher gekannte Welt auf ungeahnte Art und Weise verändern wird. Für uns und unsere Nachfahren. Aber ganz besonders für Sie! Und genau das werde ich Ihnen jetzt präsentieren.
Hier, dieses kleine Kästchen ist es, wovon ich rede. Womit ich mich die letzten elf Jahre intensiv beschäftigt habe.“
Der Prinz hielt einen kleinen schwarzen Kasten mit vielen Knöpfen und Schaltern hoch. Ein Raunen ging durch das Publikum.
„Es hat mich Unmengen an Bestechungs- und Schweigegeldern gekostet, mehrere Milliarden sind dabei drauf gegangen. Aber es war den Aufwand sicherlich wert.
Sicher fragen Sie sich gespannt, was dieser Kasten wohl darstellen mag. Und ich möchte Sie auch überhaupt gar nicht lange im Unklaren darüber lassen.
Das hier“, er schwenkte den Kasten hin und her, „ist eine Fernbedienung, mit der ich 46 Wasserstoffbomben gleichzeitig zünden kann! Augenblick, ich mache sie jetzt mal scharf - die Bomben, meine ich.“
Prinz Alwaleed legte einen kleinen Hebel und es machte hörbar „klick“.
Bewegung kam ins Publikum. Er sah und hörte, wie sie überrascht murmelten, nicht sicher, ob das, was er gerade gesagt hatte, ein Scherz war oder nicht.
„Ja, sie haben richtig gehört! Sobald ich diesen Knopf drücke, explodieren 46 Wasserstoffbomben!“
Sein Daumen schwebte über einem dicken roten Knopf.
Das Publikum war jetzt kaum noch ruhig zu halten. Bewegung kam in die Leute. Einige strebten zum Ausgang, andere begannen, an der Sicherheitsscheibe zu klopfen. Beide Gruppen würden keinen Erfolg haben. Türen und Glas ließen sich nicht mehr öffnen.
Prinz Alwaleed winkte jemandem zu und an der Seite des Raums schob sich eine Wand zur Seite. Dahinter waren über 60 Monitore aufgebaut, die alle verschiedene Orte zeigten.
„Sehen Sie auf die Monitorwand! Jeder einzelne Bildschirm zeigt einen bestimmten Ort in den Vereinigten Staaten oder deren Umgebung. Und an fast allen Orten befindet sich in fast zwölf Kilometer Tiefe eine Wasserstoffbombe mit ungefähr der tausendfachen Macht der Hiroshima-Bombe. Ähnlich der H-Bombe, mit der die USA 1952 die Marshall-Inseln fast ausradiert hätten.
Die meisten Explosionen werden sich rund um die Vereinigten Staaten ereignen. Auf den Bahamas, Kuba, Mexiko-City, auf Hawaii, Veracruz, den Aleuten, Hudsonbai, Neufundland und auf den Bermuda-Inseln. Aber auch Ziele innerhalb der USA habe ich ausgewählt. Fast ausschließlich Großstädte sind hier betroffen.“
Der Prinz registrierte das wachsende Entsetzen in der von ihm geladenen Menschenmenge. Sehr schön, und durchaus nachvollziehbar. Immerhin hatten sie ja alle Familie und Freunde in der betroffenen Zone. Natürlich konnte er darauf keine Rücksicht nehmen. Und im Grunde waren sie es ja selber auch schuld.
„Was bezwecken sie damit, warum machen sie das? Oder soll das alles ein großer Witz sein?“, rief ihm ein Mann mit Hornbrille und wild fliegenden Haaren entgegen. Prinz Alwaleed erkannte ihn als einen der Wissenschafter, Dr. Brent Adams.
„Kein Witz, Dr. Brent. Das werden Sie gleich schon erleben.
Und meine Absicht dürfte doch wohl klar geworden sein. Ich will die USA, den Staat, den ich so unglaublich hasse wie sonst nichts auf der Welt, in den Weltraum katapultieren! Der ganze Staat wird von unserer Erde weg gesprengt! Und übrig wird nur ein riesiges, zwölf Kilometer tiefes Loch bleiben, das sich aber schnell mit Wasser füllen wird. Ab morgen wird ein neuer Mond die Erde umkreisen. Gebildet aus den Überresten der allmächtigen USA!“
Die Menschenmenge strebte jetzt mit Macht den Ausgängen entgegen. Fassungslosen Entsetzen war auf den Gesichtern der Leute zu lesen. Und soviel hatte inzwischen auch jeder begriffen: Der wahnsinnige Multimilliardär meinte es ernst!
Brent Adams fuchtelte mit den Armen und schrie gegen die tosende Menge an.
„Sie sind ja verrückt und wissen gar nicht, auf was sie sich da einlassen!
Wenn Sie die Sprengung tatsächlich vornehmen, wird niemand auf der Erde hier diese Katastrophe überleben. Auch Sie nicht, im fernen Saudi Arabien!“
Prinz Alwaleed machte eine abfällige Handbewegung.
„Unsere Erde besitzt doch nur eine hauchdünne festen Kruste. Darunter ist heiße Lava, tausende von Kilometern dick. Bei einer so großen Explosion würden sich überall auf der Welt Kruste und flüssiger Mantel vermischen. Als würden Sie einen Stein in ein Glas Wasser werfen, auf dem sich eine hauchdünne Eisschicht gebildet hat. Und selbst wenn es durch irgend einen unwahrscheinlichen Zufall zu keiner turbulenten Vermischung der Kruste mit dem Mantel kommen würde, wären Großteile der Oberfläche glutflüssig und die Atmosphäre würde sich darüber auf mehrere hundert Grad Celsius aufheizen. So was würden nicht mal Mikroben überleben!“
Der Prinz wurde wütend. Diese Amis waren nicht nur dumm und arrogant, sondern auch noch feige. Versuchten sich mit allen Mitteln rauszureden.
„Schauen Sie auf die Monitore! Leute schaut hin!“, rief er.
Prinz Alwaleed hob den Fernbedienungskasten und entsicherte den großen roten Knopf.
„Machen Sie es nicht!“, rief Dr. Adams. „Sie werden uns alle umbringen!“
Der Prinz drückte den Knopf.
Schlagartig erloschen fasst alle Monitore und begannen ein rauschendes Bild zu zeigen. Auf einigen Bildschirmen fingen die Bilder schrecklich an zu wackeln, bevor sie dort auch nur noch rauschten.
„Ja! Ich habe es geschafft!“, jubelte der Prinz. Dann fing auch unter ihm die Erde an zu wackeln und aufzureißen.
*
Der Planet mit den zwei Monden sah fast aus wie die Erde. Nur zeigten Wasser- und Landmassen ganz andere Formen. Hätte jemand mit einem Fernglas dicht an ihn heran gezoomt, dann wären ihm die Horden Insekten aufgefallen, die den Planeten bevölkerten. Und Flechten. Sonst gab es nichts dort unten.