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Wenn Gott doch nicht so nett wäre
Wenn Gott doch nicht so nett wäre ( Version 2 )
Langsam gehe ich, Toni Mariginelli, über den Markusplatz in Venedig. Es ist ein warmer Frühlingstag und viele Menschen sind auf der Straße. Ich liebe diese Stadt ohne Autos, mit ihren wimmelnden Massen. Auf dem Markusplatz werden einige spendierfreudige Touristen von hungrigen, oft degenerierten Tauben umringt.
Mit einem leichten Kopfschütteln gehe ich weiter. Vor der Markuskirche bleibe ich stehen. Ich weiß, dass sie nicht gut ist für mich, und doch kann ich nicht widerstehen. Je näher ich der Kirche komme, umso schlechter fühle ich mich. Es beginnt mit einem leichten Kribbeln. Die Haare auf meinen Armen stellen sich auf.
Die Klinke der Kirchentür brennt in meiner Hand, wie eine glühende Kohle. Ich setzte den ersten Schritt in die Kirche, und muss Augenblicklich, einen entsetzlichen Brechreiz nieder kämpfen.
Das Kirchenschiff erstreckt sich vor mir. Am anderen Ende, das Abbild Jesu Christi am Kreuz. Ich habe das Gefühl, als wollen meine Augen aus ihren Höhlen springen, und am Boden zerplatzen. Das Blut in meinen Adern beginnt zu kochen. Meine Oberarme werden von einem blassblauen Adernnetz überzogen, das deutlich durch meine weiße Haut scheint.
Auf meiner Stirn bildet sich Schweiß, und meine Knie fangen an zu zittern. Schritt für Schritt, kämpfe ich mich weiter in der Kirche voran. Zum Glück sind nur einige wenige Menschen da, die mir ohnehin kaum Beachtung schenken.
Als ich das Kreuz des Jesu Christi erreicht habe, fängt meine Nase an zu bluten. Ich habe das Gefühl, als schlage mir jemand einen glühenden Nagel, direkt in mein Gehirn. Mit einem Vorschlaghammer. Ich schürze die Lippen, um den hölzernen Jesu zu küssen. Tränen rollen wie ein Strom flüssiger Lava über meine Wangen. Als meine Lippen den hölzernen Jesu berühren, habe ich das Gefühl, bei lebendigem Leibe gehäutet zu werden. Nur mit Mühe, kann ich einen Aufschrei reinsten, unverfälschten Schmerzes verhindern.
Ich halte es nicht mehr aus. Langsam und schwankend, wie ein Betrunkener, stehe ich auf und verlasse die Kirche. Kaum stehe ich wieder auf dem herrlichen Markusplatz, verschwindet der Schmerz, als hätte es ihn nie gegeben. Lediglich das dumpfe Gefühl in meinem Kopf, es wieder einmal nicht geschafft zu haben, bleibt.
Ich beginne zu laufen. Immer schneller Richtung Süden. Ich schenke den vielen Menschen, die mir entgegen kommen, keine Beachtung. Als ich den äußersten Rand der Stadt erreicht habe, bleibe ich, schwer atmend stehen. Meine Lungen brennen wie Feuer.
Dennoch brülle ich so laut ich kann: „Hast du dich endlich genug an mir gerächt? Habe ich nicht lange genug gebüßt?“ Ich drehe mich, wild mit den Armen rudernd, einmal im Kreis. „Bitte vergieb mir.“
Keuchend beginne ich zu lachen. Es ist das Lachen eines Verrückten. Ich schließe die Augen und strecke die Arme von mir, wie ein Vogel die Flügel beim Abflug. Ich hauche ein letztes "Vergieb mir.", in den Wind, dann stürze ich mich in den Abgrund. Noch während ich falle, offenbart sich mir, dass es nicht funktioniert. Einige Zeit später erwache ich wieder am Strand. Es hat mich bis zum Festland von Italien gespült.
Es heißt, Gott vergibt alle Sünden. Dass ich nicht lache. Es gibt sie, die Hölle. Seit annähernd 2000 Jahren lebe ich nun in ihr. Ich wurde nicht aufgenommen im Himmelreich.