Was ist neu

Wer wird Millionär?

Seniors
Beitritt
30.08.2001
Beiträge
852
Zuletzt bearbeitet:

Wer wird Millionär?

Freitag abend, die überdachte Einkaufspassage in der kleinen, aber sympathischen Großstadt Moers war rammelvoll.
Werner Paluschke stand in seinem hellblauen Aldi-Jogger an dem kleinen Stehtisch der Lottoannahmestelle und füllte akribisch einen Spielschein aus. Ein ums andere Mal ritzte er mit der farbarmen Mine des angeketteten Kugelschreibers von „Rosis Lottobude“ so tiefe Furchen in die kleinen Zahlenfelder, daß man die Auswertung seines Tipps getrost einer blinden Lottofee in der Dunkelkammer hätte überlassen können.
„Sieben – dreizehn – neunzehn – vierund – nee, fünfundzwanzig – hmm...“
Gar nicht so einfach, auf die richtigen Zahlen zu kommen. Erschwert wurde sein Unterfangen noch dadurch, daß er mit dem rechten Handballen den Spielschein justieren mußte, während die linke Hand seinen kommenden Millionengewinn gegen neugierige Blicke schützte.
Da stand nämlich noch so ein junger Schnösel mit ihm am Tisch, so ein dunkler Typ mit drei Pfund Gel in den Haaren, da wußte man ja sofort, wie die waren.
In der Schule hatten sie Paluschke wegen dieser alles zurückhaltenden Art stets Werner, das Kameradenschwein, genannt. Später dann, auf Maloche unter Tage, war daraus Werner, die Kollegensau, geworden. Sein Lottokonkurrent schien dagegen erfreulicherweise keine Neigung zu verspüren, ihn ähnlich zu titulieren.
„Fünfunddreißig? Hmm...“
Wie es so seine Art war, knabberte er an dem Klipper des Kulli. Sein mißtrauischer Blick fiel auf den Pomadejünger. Der tat natürlich so, als würde er selber nachdenken. Soeben steckte er sich seinen Kugelschreiber ins rechte Ohr und puhlte darin herum.
Rasch nahm Paluschke den Kulli aus dem Mund und drehte sich um. Hilde stand immer noch an der Brottheke und verstaute gerade ihr Quarkbrot in der vollgestopften Einkaufstasche. Paluschke winkte seine Holde hektisch zu sich.

„Was ist denn?“
„Hilde, gib mir schnell so´n Lutschbonbon.“
„Jetzt? Die sind ganz unten in der Tasche...“
„Ich will jetzt aber sofort so´n Lutschbonbon.“
„Reg dich doch nicht gleich so auf, Werner.“
Hilde schlängelte ihren Arm an Quarkbrot, Kopfsalat und Dosenravioli vorbei.
„Hier“, meinte sie und hielt Werner eine handvoll bunte Bonbons hin.
„Himbeer und Zitrone? Hast du kein Erdbeer mit?“
„Auch noch Extrawünsche, der Herr! Pack doch deine Bonbons nächstes Mal selber ein.“
„Reg dich doch nicht gleich so auf, Hilde.“
Werner entschied sich für Zitrone. Der Lottospion mit dem glänzenden Haupthaar fühlte sich wohl ertappt, jedenfalls machte er den Abgang.
„Hast du Lotto schon fertig?“
„Nee, zwei Zahlen noch.“
„Immer noch? Du stehst schon zehn Minuten hier.“
„Ja, und? Meinst du, ich kreuz einfach irgendwelche Zahlen einfach so an?“
„Welche fehlen denn?“
„Woher soll ich das wissen, die Ziehung ist erst morgen.“
Hilde beugte sich vor und linste durch ihre rahmenlose Fielmannbrille.
„Hast du Mutti?“
„Was soll das denn jetzt wieder, Hilde? Ich hasse deine Mutter nicht.“
„Ich mein doch ihren Geburtstag.“
„Ach so... Wann hat die nochmal?“
„Jedes Jahr am zehnten Januar.“
„Echt? Jedes Jahr?“
„Natürlich jedes... Sag mal, willst du mich jetzt verkackeiern?“
„Nee, Hilde, will ich nicht."
„Dir muß man doch immer alles dreimal sagen, damit du was merkst.“
„Ach, mit dir streit ich mich doch gar nicht.“
„Dann mach jetzt endlich voran. Die Tasche wird schwer, und ich wollte doch noch auf Gudrun ihren Geburtstag rüber.“
„Ja ja... Also, welche Zahl jetzt?“
„Die von Mutti.“
„Aber die kommt nicht oft.“
„Jetzt schlägt´s aber Vierzehn. Sonst nörgelst du immer, weil Mutti dauernd bei uns ist, und jetzt...“
„Die Zahl, Hilde, ich mein die Zahl. Die zehn ist nicht so oft.“
„Ach, und das weißt du wieder? Hast die Weisheit wohl mit der Gabel gestochen, was?“
„Löffel, Hilde, Löffel.“
„Wie Löffel?“
„Schon gut. Jedenfalls ist die zehn selten.“
„Und wer sagt das?“
„Wilfried sein Internet.“
„Wieso hat der Wilfried auf einmal Internet?“
„Da kam letzte Woche einer von der Telekom und hat ihm das eingebaut. Der Wilfried ist auf so´ne Mähladresse vom Lotto gesörft, da standen die ganzen Zahlen von früher. Alle, die fast immer kommen, und dann die, die gar nicht kommen, und wenn überhaupt, dann nur ganz selten.“
„Was hat das mit der Wähladresse zu tun?“
„Das ist wegen der elektrischen Post, damit man sich so Seiten angucken kann.“
„Und da war ausgerechnet Mutti ihr Geburtstag dabei gewesen?“
„Ja, genau. Also jetzt bei den Zahlen, die man im Fernsehen nicht sieht.“
„Als ob ihr euch da Zahlen angeguckt habt. Da waren doch bestimmt nur so Sauereien, die nachts immer auf Sportkanal kommen. Im Goldenen Blatt stand letztens auch so´n Artikel, daß im Internet die ganzen Nackten sind.“
„Im Goldenen Blatt stand auch, daß Steffi Graf auf Drillinge gewartet hat.“
„Das war ´ne Fehlermeldung.“
„Jo, klar. Also von mir aus, nehm ich eben die zehn. Wir brauchen das Geld ja nicht, ne?“
„Die zehn kommt bestimmt, ich hab da so´n Jucken im Finger.“
„Ach! Hast du vielleicht sonst noch irgendwo so´n Jucken?“
„Werner, also bitte! Doch nicht vor allen Leuten hier!“
„Wir brauchen noch ´ne Zahl.“
„Ach so... Dann nimm die fünf.“
„Die fünf? Hat da dein Vater...?“
„Da haben wir mal geheiratet, Werner.“
„Oh...“

Drei Minuten später reihte sich Werner Paluschke in die lange Schlange an der Lottokasse ein. Der ölige Kleinkriminelle von vorhin bezahlte gerade seinen Schein. Mehr als vier Richtige konnte er nicht haben – ihm fehlten die fünf und die zehn. Paluschke aber war ab morgen endlich aus dem Gröbsten raus. Immer die falschen Zahlen tippen war schließlich gar nicht möglich. Und wenn es diesmal auch wieder nicht klappen sollte, dann waren es Hochzeit und Schwiegermutter schuld. Dann würde er nächste Woche das Gründungsdatum des Skatclubs und ein paar Rückennummern der Weltmeisterelf von Italien tippen.
Und endlich Millionär sein.

 

Moin Some,

Ja, wieder mal ziemlich witzig, deine Geschichte. Skurrile, "echte" Typen (wirklich, deine Charaktere leben und kommen einfach real rüber, was ziemlich selten ist), ein paar gute Gags und lebendige Sprache. Naja, wir haben halt einen ziemlich ähnlichen Humor :D

Leider sind im Dialog mit der Gattin auch ein paar ziemlich flache Kalauer dabei (zB: "Hast du mutti?" "Nein, ich mag sie"), aber insgesamt wars wieder mal verdammt unterhaltsam und lustig. Für Zwischendurch genau richtig. Basta.

"Wilfried sein Internet."
Wann lernst du das endlich? Das heißt "Dem Wilfried sein Internet" ;)
"Natürlich jedes... Sag mal, willst du mich jetzt verkackeiern?"
"Nee, Hilde, will ich nicht. Aber du hältst mich wohl für so bekloppt, daß ich nicht weiß, daß deine Mutter jedes Jahr..."
Der letzte Satz wirkt auf mich ziemlich gequält. Ich würde fast sagen, daß der wegfallen kann, ohne daß die Geschichte Schaden nehmen würde.
"Ja, und? Meinst du, ich kreuz einfach irgendwelche Zahlen einfach so an?"
"Welche fehlen denn?"
"Woher soll ich das wissen, die Ziehung ist erst morgen."
Dafür war der Gag umso besser.

 

Hi Gnoe,

du hast ja noch schneller kommentiert als ich die Story geschrieben habe :)

Ja, wieder mal ziemlich witzig, deine Geschichte.
Jo, mehr als „ziemlich“ ist sie sicher nicht. Hauptsache, es reicht für kurz eben auffem Klo.

Leider sind im Dialog mit der Gattin auch ein paar ziemlich flache Kalauer dabei (zB: "Hast du mutti?" "Nein, ich mag sie")
Hm, den speziell kannte ich vorher noch nicht.

Wann lernst du das endlich? Das heißt "Dem Wilfried sein Internet"
Tse... es wird wirklich Zeit, daß der Juli kommt, damit du die Native Speaker mal in Realität erlebst. „Willi sein Internet“ ist schon korrekt. „Dem Willi sein Internet“ sagt man hier nur bei Festreden und anderen offiziellen Anlässen, wenn also eine gewisse Elo... Eli... Wortgewandtheit vonnöten ist :D

Der letzte Satz wirkt auf mich ziemlich gequält. Ich würde fast sagen, daß der wegfallen kann, ohne daß die Geschichte Schaden nehmen würde.
Ok, ich fahr die Story kurz in die Garage und beheb den Schaden.

Dafür war der Gag umso besser.
Hm, bei dem hätte ich eh drei Brötchen drauf verwettet, daß er dir gefällt :D

THX
Some

 

Hi Some

naja, sooo toll fand ich die Story nicht.
Habe ein paar Mal grinsen müssen, aber nicht dass ich vor lachen vom Stuhl gefallen wäre... :schiel:

du schreibst:

Sag mal, willst du mich jetzt verkackeiern?
müsste das nicht "vergackeiern" heissen?! :hmm:


Tja, war's auch schon!

LG, Sabberbacke

 

@sabberbacke: wahrscheinlich war das auch wieder Slang.... oder nicht??? sag das nämlich auch so.... :dozey:

ansonsten: gute Geschichte, hat mir gefallen...

LG, rolligirl

 

Hallo Jo, Sabberbacke und Rolligirl! :)

Vielen Dank für´s Lesen und Kommentieren. Solange der Krempel wenigstens zu einem Zucken der Mundwinkel geführt hat, war´s keine vertane Zeit, Paluschke sein Lotto zu tippen. So eine Art Lutschbonbon, aber sicher kein Nimm Zwei.
War eine kleine Ablenkung zwischen zwei Horrorstories, an denen ich gerade sitze.

Verkackeiern ist übrigens voll korrräkt so :D

Danke euch,
Some

 

Hi Somebody,
also ich fand die Story auch genau richtig für zwischendurch, waren ein paar ganz witzige Sachen dabei. Ich mag den "Slang von die Ruhrpöttlers" einfach gerne hören. :D

"Der ölige Kreinkiminelle von vorhin bezahlte gerade seinen Schein."
Kreinkiminelle? :confused: Entweder das ist ein Ruhrpott-Ausdruck, den ich nicht kenne, oder es muß Kleinkriminelle heißen.

Bis bald in Kölle
Blanca :)

 

Hallo Blanca,

Ich mag den "Slang von die Ruhrpöttlers" einfach gerne hören. :D
Hehe... wobei der Werner und den seine Hilde ja noch eine recht gehobene Sprache sprechen, verglichen mit dunkelstem Ruhrpottsprech, wie ihn Herbert Knebel meisterlich serviert.

Kreinkiminelle? Entweder das ist ein Ruhrpott-Ausdruck, den ich nicht kenne, oder es muß Kleinkriminelle heißen.
Kreinkimineller = Heiopei, wo inne Schule nix auffe Pfanne gehabt hat und gez den Verbrecher am spielen is.
Na ja, hast schon recht, ist natürlich falsch :)

Danke dir für´s Lesen und Kommentieren. Und es freut mich, daß du sie ganz witzig fandest :)

Bis in Kölle
Some

 

Hallo Somebody,

ich glaube die letzten Sätzchen würde ich gar nicht mehr schreiben, die sind inhaltlich überflüssig und schieben der Geschichte so eine Rundung drunter, die sie nicht benötigt. Also ab: " Und wenn es diesmal...." würd ich Schluß machen. Nee davor, also "Und wenn es diesmal..." eben nicht mehr.

Ansonsten besticht deine muntere Story durch recht viel Lokalkolorit und deinen Prototypprotagonisten. Hat mir gefallen und ließ sich fix und fröhlich runterlesen und dein Humor hat mir gefallen. (wohingegen deine Witze im Witzethread zu 90% Scheiße sind)
Was mich etwas gestört hat, ist, dass die beiden Protagonisten so viel miteinander sabbeln, ich weiß zwar nicht, wo du kürzen könntest, denn es wäre so, (hat mir letztens Hannes Nygaard unter eine Geschichte geschrieben) wie wenn du die unterste Blechdose aus dem aufgetürmten Blechdosenturm entfernen würdest, die Geschichte würde wohl zusammenstürzen, aber, bedenke er, dass Ehepaare und deine beiden Protagonisten scheinen mir doch schon eine Weile miteinander verehelicht zu sein, im Durchschnitt am TAG nicht mehr als FÜNF Minuten miteinander reden. Damit hätten deine beiden aber schon ihr Wochensoll erfüllt....nungut für das Ausfüllen des nächsten Lottoscheins reichts ja dann wieder. :D

Also nochmals in Kurzform: humorige kleine flott zu lesende Story für Kurzweil prima geeignet, aber kein Somebodysches Highlight, eher gute Hausmannskost.

Lieben Gruß
elvira

 

lakita schrieb:
Also nochmals in Kurzform: humorige kleine flott zu lesende Story für Kurzweil prima geeignet, aber kein Somebodysches Highlight, eher gute Hausmannskost.

Ich glaub, gerade das ist es, was mir an der Geschichte gefällt...

Liebe Grüße,
Fee

 

Tach Elvira und Fee

Danke euch beiden für´s Lesen und Kommentieren.
Schön, wenn es für ein paar Schmunzler gereicht hat. :)

@ Elvira
Du hast schon recht, die Kommunikation langjähriger Partner beschränkt sich i.d.R. auf „Und, was gibt´s heute zu essen?“, „Schalt mal um, gleich kommt Sportschau“ und „Na, wie war ich?“
Das Ausfüllen eines Lottoscheines setzt diese Dummsilbigkeit jedoch völlig außer Kraft, wie ich jeden Samstag beim Einkauf live beobachten kann.

Kürzen möchte ich den letzten Absatz eigentlich nicht...

wohingegen deine Witze im Witzethread zu 90% Scheiße sind
Das mag ich so an dir: du nimmst kein Blatt vor den Mund!
Aber, mal ehrlich: von Witzen hast du echt keine Ahnung :p
Ich poste schließlich nur prämierte Späßkes... :D

THX
Some

 

Hey Some,

nur weil isch disch soooo lieb hab, verklag isch disch nisch wegen Verleumdung. :D

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom