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Wo war ich gleich stehen geblieben?

Seniors
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24.04.2003
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Wo war ich gleich stehen geblieben?

Die Hölle ist kein Ort, sie ist ein Zustand.
Wenn man unter Zwangsneurosen leidet, ist man immer beschäftigt. Banale Handlungen werden zu festen Bestandteilen des Alltags und wie Rituale vollzieht man sie in einer Endlosschleife, aus der es kein Entrinnen gibt.
Angefangen hat es damals, vor zehn Jahren. Es ist schon seltsam, dass sich der Zeitpunkt so genau bestimmen lässt. Ich war auf einer Geburtstagsfeier und verschluckte mich an meinem Bier. Während des folgenden Hustenanfalls biss ich mir so stark auf die Zunge, dass ich eine halbe Stunde lang aus dem Mund blutete. Die anderen wollten schon einen Krankenwagen rufen, aber dann ging es wieder.
Am nächsten Morgen fühlte sich meine Zunge taub an und ich bekam Angst davor, sie versehentlich zu verschlucken. Den ganzen Tag habe ich nur daran gedacht und meine Zunge feste nach unten gedrückt, damit sie nicht nach hinten in den Rachen rutschen konnte. Auch Wochen später, als die Wunde längst wieder abgeheilt war, drückte ich sie noch wie ein Besessener nach unten. Damals erkannte ich zum ersten Mal, dass es wichtig ist, möglichen Unglücken, oder Unfällen vorzubeugen. Ich hielt es für völlig plausibel, diesem Drang nachzugeben, um mich so vor einem drohenden Erstickungstod zu schützen. Allerdings bekam ich mit der Zeit leichte Krämpfe von der ständigen Anstrengung, die so weit führten, dass sich meine Zunge erneut taub anfühlte.
Mein Gott, was erinnere ich mich an jenen Abend, an dem ich nicht mehr wusste, wohin mit ihr. Alle Positionen schienen mir falsch und dann kam die Panik. Ich konnte die Nacht über nicht schlafen. Zwar legte ich mich auf den Bauch, doch nachdem ich einmal kurz eindöste und wieder aufwachte, stellte ich entsetzt fest, dass ich mich auf den Rücken gedreht hatte. Sofort saß ich aufrecht im Bett und riss den Mund auf. Ich streckte meine Zunge heraus und fühlte sie mit den Händen ab. Absolut taub und schlaff. Zu diesem Zeitpunkt war ich der festen Überzeugung, nocheinmal knapp mit dem Leben davon gekommen zu sein. Bis zum Sonnenaufgang lief ich unruhig in der Wohnung auf und ab. So konnte es nicht weiter gehen. Also begann ich zu zählen.
Vielleicht musste man dem Gehirn mit Hilfe des Körpers gewisse Zeichen geben. Ich dachte lange darüber nach. Wenn ich meinem Unterbewusstsein durch regelmäßige Impulse mitteilen würde, dass ich bereit dazu sei Maßnahmen zu ergreifen, dann sollte ich doch im Grunde sicher sein, so dachte ich.
Also beschloss ich meine Zunge ab sofort jeden Morgen und jeden Abend insgesamt sechsmal, für jeweils eine Minute, nach unten zu pressen. Diese Zeitspanne erschien mir angebracht. So konnte ich die Krämpfe umgehen und dennoch jeglichem teuflischen Unglück ein Schnippchen schlagen. Und teuflisch das war sie, diese unbekannte Macht, die nach meinem Leben trachtete. An mir sollte sie sich aber die Zähne ausbeißen, denn ich bin immer schon ein zäher Kerl gewesen. Wie robust und ausdauernd ich wirklich war, sollte sich dann aber erst noch zeigen.
Den Wecker hatte ich auf sechs Uhr gestellt. Fünf Minuten früher als ich für gewöhnlich aufzustehen pflegte.
Nachdem der Prozess vollzogen war, ging ich mir die Zähne putzen und als die Bürste kurz die Zungenspitze berührte, fuhr ich unwillkürlich zusammen. Nicht nur, dass sie sich immer noch taub anfühlte. Mich überkam zudem die Angst davor, durch den Kontakt mit den Borsten ihre Ruhe gestört zu haben, in die sie nach dem dreiminütigen Ritual gefallen war. Zornig schleuderte ich die Zahnbürste auf den Boden und überlegte, was als Nächstes zu tun sei.
Vielleicht half es, wenn ich von vorne anfing?
Immer und immer wieder. Ich wiederholte solange, bis mein Kiefer zu zittern begannen. Dann machte ich weiter.
Ich kam eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit und noch nie hatte sich mein Mundinnenraum so abartig angefühlt. Wenn ich jetzt nachgab, dann würde er mich in der kommenden Nacht holen, der unsichtbare Dämon. Da war ich mir sicher. Satans größtes Kunststück war es, die Menschen nicht wissen zu lassen, dass es ihn gibt. Aber ich wusste, dass er existiert. Er lauert in den Ecken unseres Verstandes, in die wir für gewöhnlich keinen Einblick haben. Und wehe dem, der einen Fehler macht.
Als mein Chef mich nach dem Hollandauftrag fragte, schüttelte ich den Kopf. Nein, er war noch weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein. Das brauchte ich nicht extra zu sagen und meine Zunge damit unnötiger Strapazen aussetzen.
Ich eilte auf die Toilette und schloss mich in eine der Kabinen ein. Den gesamten Vormittag.
Irgendwann klopfte ein Kollege an die Tür und fragte mich, was los sei. Alle würden sich Sorgen machen, sagte er, und ich glaubte es ihm. Das Skurrile war ja, dass ich mich vorher nie so aufgeführt hatte. Sicher, diese Kleinigkeiten, wie gelegentliche Selbstgespräche, oder die Einhaltung bestimmter Reihenfolgen bei bestimmten Tätigkeiten, Zwänge die jeder hat, von denen konnte ich mich auch nicht freisprechen. Doch solch einen Wahn hatte ich bis dato nicht gekannt. Nicht vor besagter Geburtstagsfeier. Ich konnte ihm schlecht von meiner Angst vor den Dämonen erzählen, die dafür sorgten, dass ich meine Zunge verschluckte, wenn ich mich nicht an selbst aufgestellte Regeln hielt. Das war einfach unmöglich. Es war mir peinlich, vorallem weil ich genau wusste, wie Schwachsinnig dies alles war. Sich über die Unlogik des eigenen Tuns im Klaren zu sein und es trotzdem nicht verhindern können, das ist wahrer Horror.
Nach langem Zögern behauptete ich schließlich, Durchfall zu haben.
Das sei kein Grund dafür, sich zwei Stunden lang auf dem Klo einzuschließen. Er hatte meine Lüge erkannt.
"Ich hab´ mir in die Hose geschissen", log ich ihn kurzerhand ein zweites Mal an. Das war ebenfalls sehr peinlich, aber ich sah einfach keinen anderen Ausweg mehr.
Den Rest des Tages bekam ich verständlicherweise frei. Keiner lachte, als ich das Büro verließ, obwohl ich mir vorstellen kann, dass die Kollegen es doch taten, nur eben erst als ich weg war.
Zu Hause setzte ich mich auf einen Stuhl und atmete tief ein. Ich wusste, wenn ich jetzt kein Ende fand, dann war es zu spät. Vorsichtig tastete ich mit meiner Zunge die Zahnreihen entlang. Ein merkwürdiges Gefühl. Normalerweise verschwendet man keine Gedanken an solche Handlungen. Sie passieren vollautomatisch; wenn sich nach dem Essen etwas Spinat in der Lücke zwischen den Schneidezähnen verfangen hat, oder wenn man feststellen will, ob die Oberfläche auch schön glatt ist, bevor man sein Date lächelnd im Restaurant begrüßt. Man leckt sich aus einem bestimmten Grund über die Zähne, ohne es wirklich zu registrieren. Der Grund ist wichtig, nicht das Lecken selbst. Es geschieht genauso unbewusst wie die regelmäßige Atmung.
Wenn es dann aber doch dazu kommt, dass man darüber nachdenkt, findet man grundsätzlich etwas, das falsch ist. Ich nahm diese leichte Erhebung auf dem Backenzahn wahr. Diese gefährliche Spitze. Eine halbe Ewigkeit glitt ich mit der Zunge darüber und malte mir aus, welche Verletzungen dieser Zacken mir im Schlaf zuzufügen vermochte. Mich schauderte allein bei dem Gedanken daran. Viel wichtiger war aber, dass dieser Umstand meine komplette Logik durcheinander brachte.
Sechs Minuten am Tag konnten nicht ausreichen. Hinzu gesellte sich der Zwischenfall mit der Zahnbürste. Ich kam nicht länger darum herum.
Ich musste ein System entwickeln.
Wenn die Dämonen sich neue Wege suchten, mich zu vernichten, dann blieb mir keine Wahl, als ausgeklügeltere Barrieren gegen sie zu errichten.
Von nun an teilte ich meinen Tagesablauf in drei Bereiche auf: Den Morgen, die Mittagszeit und den Abend. Insgesamt wollte ich dreißig Minuten darauf verwenden, mich der dunklen Kräfte zu erwehren. Wichtig war dabei die Beachtung der Spitze auf dem Backenzahn. Ihr brachte ich besondere Aufmerksamkeit entgegen. Meine Versuche, die Abstrusität des menschlichen Geistes an sich und der dampfenden Gedankenkacke im Speziellen, zu erkennen und in Folge hieraus zu leugnen, scheiterte bereits im Ansatz.
Also leckte und biss ich; kaute und schmatzte ich; schlug ich mir den Schädel am Waschbecken blutig und verfluchte die Zahnbürste. Ich verfluchte mich selbst dafür, sie wiederholt auf den Boden geschmissen zu haben. Denn so kam die Angst vor Keimen hinzu. Die Angst vor Aids. Die Furcht vor Hepatitis. Die Panik, blind zu werden, weil meine Augen zu lange auf die dreckigen, verunreinigten Borsten geblickt haben.
Kurzum: Ich durchlebte eine stetige Metamorphose, an deren Ende ein grinsendes Teufelchen stand, das eine Axt in beiden Händen hielt. Und so lief, nein, rannte ich atemlos in die verkehrte Richtung, zurück zum Anfang. Getrieben und gepeitscht von Neurosen der extremen Art, die mich in jeder Sekunde um Meter nach hinten warfen, nur, damit ich erneut loslaufen musste; doch einen Unterschied gab es. Denn je mehr sie sich in mir ausbreiteten, die verfluchten, sinnentfremdeten Zwangshandlungen, umso besser lernte ich mit ihnen umzugehen, sie zu kontrollieren. Und das Teufelchen schaute böse.
Den Kollegen fiel es nicht mehr auf und dem Chef drückte ich einen abgeschlossenen Auftrag nach dem anderen in die Hand, respektive legte ich die Dinger in seine Ablage. Verdammt, war ich gut.
Wahnsinn...dass ist nicht bloß kranksein. Wahnsinn ist vor allem eines: Es ist Perfektionismus bis zum Erbrechen.

Es ist...bin ich perfekt?

Meine Route ist gleich. Jedesmal. Man erreicht ein gewisses Pensum. Der Abhängigkeitspegel lässt sich kaum überschreiten. Wer will schon das eigene Gehirn überfluten mit Wellen kaputter Logik, über die sich nicht spekulieren lässt, da die Überlegungen schwammig werden. Es gibt kein Hinten und kein Vorne. Es existiert das Jetzt, und jeder der Gegensätzliches als These in den Raum stellt, der hat ganz einfach noch nicht mitgekriegt wie krank und wie kaputt der Mensch ist, da er leugnet und lügt.
Puuuh...das war anstrengend.
Ich erzähle so viel von meiner Vergangenheit und vernachlässige die Gegenwart, die es gar nicht geben kann.
Mein System ist zu komplex und dennoch kenne ich es auswendig. Fünfzehn DIN A4 Seiten, vollgeschrieben mit vorsorglichen Maßnahmen, der Hölle zu entkommen.
Alles Schwachsinn. Ich weiß es doch. Weshalb hört mich denn niemand? Ich bin in therapeutischer Behandlung gewesen. Dort musste ich schmutzige Türklinken anfassen, ohne mir danach die Hände waschen zu dürfen. Es heißt, nach fünfzehn Minuten vergisst man die Angst.
Aber es ist wichtig, stark zu sein. Ich bin nicht stark.
Neue Zwänge stellen sich ein. Es ist ein Teufelskreis und der Teufel fährt Karussell in diesem Kreis und man selbst liegt auf den Schienen und wundert sich über den plötzlichen Druck im Kopf, jedesmal wenn er über einen drüber braust.

Immer die gleiche Route. Gott, wie es pocht in meinem Schädel, als würde er in tausend Stücke zerspringen. Drei Meter nach vorne. Die Nase zuhalten und den Blick bloß vom Boden abwenden. Nicht auf die Muster in den Steinen treten. Sie sind wie Minen. Der Verstand explodiert, sobald man sie berührt und man muss von vorne anfangen.
Es ist wie bei Nintendo, oder Sega, oder Sony; Game-Over, mit unendlich vielen Continues, denn irgendwann muss es ja gelingen.
Das Leben ist so eine Art Videospiel und Videospiele müssen von Menschen programmiert sein, die selbst zwanghaft gestört sind, zumindest Super Mario; denn der probiert es auch ständig neu, solange, bis er den Weg gemeistert hat, ohne in die Falle seiner Neurosen zu tappen.
Ich drehe mich nach links; zweimal. Dann nach rechts; dreimal, und der Dämon lacht. Ich tue meine Pflichterfüllung.

Gott, bin ich gut.
Gott, bin ich ein Scheisskerl.

Gott, ich werde heute jemanden töten. Dann habe ich dermaßen viel Schuld auf dem Buckel, dass es keinen Ausweg mehr geben kann.

Es ist richtig. Es ist System. Es ist...

Wo war ich gleich stehen geblieben?

 

Hi Cerberus!

Angefangen hat es damals, vor zehn Jahren. Es ist schon seltsam, dass sich der Zeitpunkt so genau bestimmen lässt.
So genau ist der Zeitraum zehn Jahre nicht... es sei denn du schreibst: "vor genau zehn Jahren"

Den ganzen Tag habe ich nur daran gedacht
hatte ich nur daran gedacht - ist vielleicht geschickter.

drückte ich sie noch wie ein Besessener nach unten
Unschöne Wiederholung.

nocheinmal knapp mit dem Leben
noch einmal

egelmäßige Impulse mitteilen würde, dass ich bereit dazu sei Maßnahmen zu ergreifen
bereit dazu wäre, (komma) - ist mMn treffender.
Zudem finde ich den Satz merkwürdig. Dem Unterbewusstsein durch regelmäßige Impulse (? - welcher Art?) mitteilen, dass man bereit ist Maßnahmen (wogegen?) zu erfreifen.

Nachdem der Prozess vollzogen war, ging ich mir die Zähne putzen und als die Bürste kurz die Zungenspitze berührte
Welcher Prozess? Das nach unten drücken der Zunge?
Ist er jetzt eigentlich schon aufgestanden oder ist er kurz vom Schlafengehen?

Satans größtes Kunststück war es, die Menschen nicht wissen zu lassen, dass es ihn gibt.
Ein netter Verweis auf einen brillanten Film, aber an dieser Stelle wirklich passend?

Es war mir peinlich, vorallem weil ich genau wusste, wie Schwachsinnig dies alles war.
schwachsinnig (klein)

Sich über die Unlogik des eigenen Tuns im Klaren zu sein und es trotzdem nicht verhindern können, das ist wahrer Horror.
Gut.

Insgesamt wollte ich dreißig Minuten darauf verwenden, mich der dunklen Kräfte zu erwehren.
Das mit den Dämonen finde ich ja noch okay, aber jetzt von dunklen Mächten zu reden ist übertrieben.

Also leckte und biss ich; kaute und schmatzte ich; schlug ich mir den Schädel am Waschbecken blutig und verfluchte die Zahnbürste. Ich verfluchte mich selbst dafür, sie wiederholt auf den Boden geschmissen zu haben. Denn so kam die Angst vor Keimen hinzu. Die Angst vor Aids. Die Furcht vor Hepatitis.
Hier will ich mal pingelig werden: Warum schlägt er seinen Kopf jetzte gegen das eigene Waschbecken? Finde ich unmotiviert... und das mit der Zahnbürste - Keime ja. Hepatitis kann man auch kriegen, aber nur wenn man die Zahnbürste anderer benutzt (von Virusträgern nämlich). Bei AIDS ist dies ebenso (allerdings wunderselten). Ich verstehe deinen Vergleich also nicht. Oder ist er bewusst übertrieben? Wenn ja, dann ist er ZU übertrieben. Zumindest für mich.

Meine Route ist gleich. Jedesmal. Man erreicht ein gewisses Pensum. Der Abhängigkeitspegel lässt sich kaum überschreiten. Wer will schon das eigene Gehirn überfluten mit Wellen kaputter Logik, über die sich nicht spekulieren lässt, da die Überlegungen schwammig werden. Es gibt kein Hinten und kein Vorne. Es existiert das Jetzt, und jeder der Gegensätzliches als These in den Raum stellt, der hat ganz einfach noch nicht mitgekriegt wie krank und wie kaputt der Mensch ist, da er leugnet und lügt.
Diesen ganzen Absatz habe ich nicht verstanden.

und vernachlässige die Gegenwart, die es gar nicht geben kann.
Eben war noch zu lesen: "Es existiert das Jetzt, und jeder der Gegensätzliches als These in den Raum stellt, der hat ganz..."

Also gegen Ende fand ich den Text gelungen.
Kommen wir zum Anfang. Aus meinen zahlreichen Bemerkungen hast du sicher schon einiges herauslesen können - zumindest hoffe ich das.
Ich finde, vor allem zu Anfang, hätte dem Text eine Überarbeitung gut getan. Vielleicht verstehe ich manche Dinge falsch oder ich lese diesen Text hier nicht richtig, aber mir kommt es bisweilen so vor, als ob du manche Dinge nur schreiben würdest, weil sie sich gut anhören. Zumindest hatte ich beim Lesen den Eindruck, dass du dich in stilistische Spielereien flüchtest. Für mich blieben diese Hülsen dann erstaunlich sinnleer. Aber wie gesagt: das kann Einstellungssache sein.

Manche Formulierungen fand ich ebenfalls nicht ganz so treffend, dazu siehe oben.
Phobien und Neurosen sind natürlich ein tolles Thema, aber irgendwie erschien mir das hier nicht gut genug aufgearbeitet. Die Idee mit der Zunge war eigentlich gut, eine neue Idee, aber am Schluss verfällst du in die bekannten Neurosen, die man so schon oft gesehen hat: Zahnbürsten, Türen nicht mit bloßen Händen anfassen, Caromuster auf den Fließen nicht betreten. Hier hätte mir eine konsequentere Zuendeführung des Themas Zunge besser gefallen. Irgendwie endet dieses nämlich etwas unspektakulär.

In diesem Sinne
c

 

@ Noel und Cerberus:

Ich denke, das das unser schlauer Cerberus auch wußte.
Ja, das denke ich auch, ich wollte hier nur meinen persönlichen Standpunkt dazu klar machen. Cerberus zeichnet seinen Prot als Selbstanalytiker, zumindest lese ich das so, also ein Mensch, der sich durchaus mit seiner Krankheit (sprich: seinen Neurosen) auch wissenschaftlich auseinandersetzt.
Und Hypochonder zeichnen sich auch oft dadurch aus, dass sie eben sehr genau über die Krankheiten Bescheid wissen, die sie glauben zu haben.
Deshalb denke ich eben nicht, dass ein Neurotiker wie der in jener Geschichte, falsche Fakten bringen würde.
Oder bin ich da auf dem Holzweg?
Um es noch einmal klar zu sagen: ich wollte mich Cerberus gegenüber nicht als Klugscheißer aufspielen, sondern nur eine Stelle aufzeigen, die mMn nicht zu diesem Prot passt.

c

 

Holla Sombreros!

@chazar

So genau ist der Zeitraum zehn Jahre nicht... es sei denn du schreibst: "vor genau zehn Jahren"

Stimmt, allerdings bezog sich das eher auf den nachfolgenden Satz, in dem die Geburtstagsfeier erwähnt wird.

Unschöne Wiederholung.

?

Zudem finde ich den Satz merkwürdig. Dem Unterbewusstsein durch regelmäßige Impulse (? - welcher Art?) mitteilen, dass man bereit ist Maßnahmen (wogegen?) zu erfreifen.

Du hast Recht, dies hätte ich deutlicher machen müssen. Es ist sehr schwer die kranke Logik hinter Selbstzwängen einem Außenstehenden zu erklären. Da ich selbst unter teilweise extremen Zwangshandlungen gelitten habe, kenne ich diese "Logik". Man glaubt, wenn man ein bestimmtes Ritual vollführt, wie zum Beispiel das Zunge nach unten drücken, "besänftigt" man sein Gehirn damit und hält somit die abstrakte Gefahr gering, die einem droht. Es ist wirklich sehr schwer zu beschreiben, vielleicht sogar unmöglich.

Welcher Prozess? Das nach unten drücken der Zunge?
Ist er jetzt eigentlich schon aufgestanden oder ist er kurz vom Schlafengehen?

1.Ja
2.Gerade aufgestanden. Der Satz ist etwas umständlich geworden.

Ein netter Verweis auf einen brillanten Film, aber an dieser Stelle wirklich passend?

Oh Mann, hier habe ich mich in die Nesseln gesetzt. Noel hat ja schon erwähnt, dass dieses Zitat aus den "Üblichen Verdächtigen" stammt. Es ist ewig her, dass ich den Film gesehen habe und ehrlich gesagt wusste ich gar nicht mehr, dass der Spruch von dort kommt. Ich dachte, er wäre so eine Art alte "Binsenweisheit".

Das mit den Dämonen finde ich ja noch okay, aber jetzt von dunklen Mächten zu reden ist übertrieben.

So, meinst du? :D

Hier will ich mal pingelig werden: Warum schlägt er seinen Kopf jetzte gegen das eigene Waschbecken? Finde ich unmotiviert... und das mit der Zahnbürste - Keime ja. Hepatitis kann man auch kriegen, aber nur wenn man die Zahnbürste anderer benutzt (von Virusträgern nämlich). Bei AIDS ist dies ebenso (allerdings wunderselten). Ich verstehe deinen Vergleich also nicht. Oder ist er bewusst übertrieben? Wenn ja, dann ist er ZU übertrieben. Zumindest für mich.

Ich wollte mit dem "Kopf gegen das Waschbecken schlagen" die verzweifelte Wut deutlich machen, die man auf sich selbst bekommt, wenn man nicht mehr in der Lage ist, seine Selbstzwänge zu kontrollieren. Sowas habe ich zwar nie gemacht, aber man bekommt schon einen extremen Selbsthass, wenn es nicht möglich ist, die Neurosen unter Kontrolle zu bekommen.
Die Angst vor Keimen und Viren ist absolut unbegründet, aber sie ist real. Weshalb zum Beispiel treten manche Zwangsneurotiker nicht auf bestimmte Muster auf dem Asphalt? Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, und trotzdem handeln sie so. Diese Angst, die man hat, ist sehr abstrakt, man kann sie nicht rational begründen.
Daher finde ich es auch nicht zu übertrieben. Im Gegenteil. Menschen, die am Turret-Syndrom leiden und ihre Tics haben, können sich selbst nicht erklären, weshalb sie fremde Menschen auf der Straße beschimpfen, oder sich selbst vor den Kopf schlagen. In dieser extremen Form kenne ich Zwangshandlungen gottseidank nicht, aber ich kann mich trotzdem ein Stück weit in diese Leute reindenken. Sie haben irgendeine unbegründete Angst, die durch das ständige Wiederholen bestimmter Tätigkeiten mit den Jahren zugenommen hat und sie kennen es einfach nicht mehr anders. Sie wissen um das Abnormale ihres Verhaltens, aber sie können es schlicht nicht unterlassen. Daher auch dieser eine Satz, der dir gefallen hat. Man ist sich der Unlogik seines Tuns durchaus bewusst. In der Presse wird das Turret-Syndrom oft auch als körperliche Krankheit dargestellt, aber das ist es nicht. Es ist seelisch. Die absolute Form der Zwangshandlung, wenn man so will.

Diesen ganzen Absatz habe ich nicht verstanden.

Er ist auch sehr schwer zu verstehen. Vergangenheit und mögliche Zukunft sind schlimme Überlegungen für einen Zwangsneurotiker.
Ein Beispiel: Ein Mann fährt jeden Abend, nachdem er von der Arbeit gekommen ist, noch fünfmal um den Block. Seiner Frau gegenüber verwendet er Ausreden. "Ich habe die Zigaretten vergessen", "Ich muss nochmal kurz ins Büro", etc.
Tatsächlich überprüft dieser Mann, ob er einen Verkehrsunfall verursacht hat. Er fährt den Block immer wieder ab und dann vielleicht sogar zurück zu seiner Firma. Vielleicht hat er irgendwo einen Radfahrer übersehen, der jetzt schwer verletzt am Straßenrand liegt, oder möglicherweise hat er sogar ein Kind totgefahren. Diese Gedanken lassen ihn nicht los. Die Vergangenheit ist Gift für ihn, weil er ständig über sie nachdenkt und Sachen dazu erfindet. Auch wird vieles schwammig, wenn man es sich immer wieder ins Gedächtnis ruft.
Ebenso ist es mit der Zukunft: "Ich habe morgen eine wichtige Besprechung, das schaffe ich nie". In Gedanken durchlebt man im Geiste bereits am Abend zuvor sämtliche Möglichkeiten, die dazu führen könnten, dass die Besprechung in einem totalen Fiasko mündet.
Ein Neurotiker befindet sich daher immer in der Vergangenheit, oder in der Zukunft, und wenn er kurz in der Vergangenheit ist, dann nur um seinen Zwängen nachzugehen.
Das ist jetzt radikal ausgedrückt und hängt mit Sicherheit auch von der Schwere der Neurose ab, aber in den Grundzügen ist es wirklich so.

Eben war noch zu lesen: "Es existiert das Jetzt, und jeder der Gegensätzliches als These in den Raum stellt, der hat ganz..."

Vielleicht verstehst du mich jetzt besser. Menschen, die unter extremen Neurosen leiden, für die gibt es weder Vergangenheit, Gegenwart, noch Zukunft, alles verschwimmt und ständig glaubt man, etwas falsch gemacht zu haben, es gerade falsch zu machen, oder aber es falsch machen zu werden.
Genau das ist dieser Teufelskreis, der wirklich abartig ist.

Phobien und Neurosen sind natürlich ein tolles Thema, aber irgendwie erschien mir das hier nicht gut genug aufgearbeitet.

Das stimmt. Phobien und Neurosen entwickeln sich schleichend, und dies über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte. Eine realistische Erzählung würde den Rahmen einer Kurzgeschichte bei weitem sprengen, weshalb ich an einigen Stellen komprimieren musste. Dennoch halte ich diese Geschichte für sehr realistisch, da ich aus Erfahrung geschrieben habe.
Du merkst an der Länge meiner Antwort sicher, das mir dieses Thema sehr am Herzen liegt; aber du hast Recht: Die Geschichte könnte besser sein. Ich habe sie gestern Abend aus einem Impuls heraus geschrieben und einiges sollte vielleicht wirklich noch geändert werden.

Jedenfalls danke ich dir für deine Stellungnahme.

@Noel

Eigentlich weiss ich gar nicht, was ich dir noch groß schreiben soll, da ich ja bereits weiter oben auf das Meiste eingegangen bin.
Ich danke auch dir fürs Lesen und Kommentieren, und natürlich dein Lob.

Viele Grüße an euch beide

Cerberus

 

Hallo nochmal!

Da fühle ich mich gezwungen, noch einmal zu antworten.

Vielleicht verstehst du mich jetzt besser. Menschen, die unter extremen Neurosen leiden, für die gibt es weder Vergangenheit, Gegenwart, noch Zukunft, alles verschwimmt und ständig glaubt man, etwas falsch gemacht zu haben, es gerade falsch zu machen, oder aber es falsch machen zu werden.
Genau das ist dieser Teufelskreis, der wirklich abartig ist.
Durch diese Erklärung und vor allem durch den Absatz zuvor, ist einiges klar geworden, das aber so - und das betone ich - nicht in deiner eigentlichen Geschichte zu lesen war, was meinen Eindruck der Unfertigkeit noch verstärkt hat.
Arbeite daran, ich denke, du könntest wirklich eine sehr gute, sogar psychologisch interessante Geschichte zu diesem Thema schreiben!

Z.B.

Tatsächlich überprüft dieser Mann, ob er einen Verkehrsunfall verursacht hat.
Das bietet sich doch auch an, ist nämlich ein sehr interessantes Beispiel.

Ein Neurotiker befindet sich daher immer in der Vergangenheit, oder in der Zukunft, und wenn er kurz in der Vergangenheit ist, dann nur um seinen Zwängen nachzugehen.
Auch hier hast du Recht, aber aus den verschachtelten Sätzen, die du geschrieben hast, konnte ich das nicht lesen, was schade ist, weil du sehr interessante Fakten und Theorien bringst.

In der Presse wird das Turret-Syndrom oft auch als körperliche Krankheit dargestellt, aber das ist es nicht. Es ist seelisch. Die absolute Form der Zwangshandlung, wenn man so will.
Als körperliche Krankheit habe ich das Turret Syndrom nie verstanden.
Aber ist es nicht bei allen Zwangsneurotikern so, dass sie zwar um ihre Neurose wissen, sich aber einfach nicht dagegen stellen können? Dass das Turret Syndrom da eine Sonderstellung hat, war mir neu, aber zudem wandle ich jetzt schon auf off topic Pfaden...

Jedenfalls, um noch einmal ein Fazit zu deiner Geschichte zu bringen: du hast dich prima mit dem Thema auseinander gesetzt, das ist mir klar. Aber du solltest das noch in deinen Text übertragen, da es wirklich interessant ist, vor allem, wie du versuchst, dich dem ganzen litararisch zu nähern.

Also: unbedingt weitermachen!

Nur meine Meinung.
In diesem Sinne
c

 

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