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Wohin dein Herz dich führt

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10.01.2003
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Wohin dein Herz dich führt

Wohin dein Herz dich führt

Montag morgen, verregnet und grau, die Nacht noch im Nacken, die Sonne eine blasse Erinnerung. Der Koffer: Zusammen gepackt nur das Nötigste und das Ziel ungewiss. Aber sie steht dort, allein an dieser Bushaltestelle, direkt am Waldrand. Die Tropfen sind dick, ihre Augen sehen nichts von alledem, sie ist in einer anderen Welt, doch auch dort gibt es keinen Sonneschein. Ich sehe all dies, als ich mit meinem Wagen langsam heran fahre. Wir hatten uns verabredet. Gestern. Heute jedoch, war dieses flaue Gefühl im Magen, das kein Lächeln zuließ. Ich hielt direkt vor ihr, öffnete die Beifahrertür und starrte zur Frontscheibe heraus, wo die Scheibenwischer auf und ab zuckten. Ich wünschte es wäre so einfach, ein Wisch und alles wäre ungeschehn. Aber das Leben bestand nicht nur aus Regentropfen, die an Scheiben hingen und mit einem Wisch vergessen waren.

Der Motor gluckste, die Uhr tickte und das Klopfen des Regens war eine stille Melodie der Trauer. Doch sie stieg nicht ein. Sie stand einfach dort, im Schutz der Haltestelle und dennoch ertrank ihr Herz im Regen. Ich konnte es sehen, sie wollte nicht gehen.

Missmutig ließ ich den Sicherheitsgürtel aus der Haltung springen, riss die Tür auf und stieg aus. Die kalten, feuchten Arme des Regens umfingen mich. Mein Haar hing mir ins Gesicht, der Wind zerrte daran.

„Komm, Sally!“, rief ich zu ihr und blickte über das Dach des Mustangs weg, wo die Regentropfen zerplatzten wie Seifenblasen.

Doch sie blieb stockstil. Ihre Augen verloren. Sie sahen mich einfach nicht. Ich stöhnte und kam herum, zu ihr, stand neben ihr und blickte in die gleiche Richtung wie sie, aber da war nur das graue Regenbild, mit den heimatlichen Tönen, die mich weder traurig machten, noch Geborgenheit ausstrahlten. Es war einfach vorbei, meine Zeit hier ging zu Ende. Eigentlich unsere Zeit. Die Arbeit war getan, wir mussten weiter.

Der Motor gluckste noch immer und ich roch die Abgase.

„Verdammt! Los, wir müssen weg hier.“, erklärte ich und griff nach dem Koffer. Die wenigen Habseligkeiten die Sally besaß waren darin verstaut und es war noch so viel Platz. Sicherlich besaß sie mehr Sorgen, als Klamotten, das war klar. Das Leben gibt dir so viele Sorgen und wie oft wundert man sich nur, was soll ich heute anziehen?

Sie steckte mich an, mit ihrer verlorenen Seele. Ich schüttelte den Kopf, ließ den Kofferraum aufspringen, warf den Koffer rein und versuchte mit dem gewaltvollen zu Schmeissen der Klappe diese wirren Gedanken zu verscheuchen.

Doch sie stand noch immer einfach nur so da.

Warum war es jedes Mal so ein Schauspiel? Wie konnte sie sich mit diesen Menschen so verbunden fühlen? Ich verstand sie nicht und konnte nur versuchen sie dazu zu bringen, hier endlich zu verschwinden. Was mochte sie an Menschen finden, die uns jagten? Und das schon so viele Jahre. Eine Zeit, die gezeichnet war von Schmerz und Trauer durch deren Hände!

Doch Sally stand dort, eine blasse Gestalt im Regen, heimatlos und starr.

„Wen sie uns finden, ist es zu spät!“, rief ich zu ihr.

Und dann sagte sie etwas, es waren Worte, die ich nicht verstand, obwohl ich sie hörte. Zwischen dem Flüstern des Regens: „Ich hab mich verliebt...“

Ich schüttelte den Kopf.

„Was?“

Sie sagte wieder nichts. Aber die Tränen in ihren Augen waren Antwort genug. Es durfte nicht passieren, soetwas durfte nicht geschehen! Sie wusste es, aber mir war klar, ein Herz hält sich nicht an irdische Regeln.

„Ist es der Blonde aus Carson's Schuppen?“, fragte ich genervt. Ich spürte den Regen nun schon nicht mehr.

Sie nickte.

„Sally, du bringst was durcheinander. Liebe entsteht nicht innerhalb zweier Nächte...“

Sie schüttelte den Kopf. Ich gab nicht auf: „Du liebst nur sein Blut!“

Ich wusste, ich schlug neue Wunden in ihr zartes Fleisch, aber es war nicht Recht. Vampire und Menschen, soetwas passte nicht zusammen!

„Lass mich hier...“, wisperte sie.

„NEIN!“ Ich kamm zu ihr, nahm ihre Hand, die fast leblos an ihr herabhing und zog sie aus dem Schatten der Haltestelle zur Beifahrertür, als ich die Motoren hörte.

„Verdammt!“, zsichte ich. Die Lichtkegel der Fahrzeuge zerschnitten die graue Masse aus Regen und Kälte.

Ich riss die Tür auf, doch sie blieb stock still. In ihren Augen die Tränen, vermischt mit dem kalten Regen. Ihre Haut so blass, so blutleer und dennoch so fantastisch und makellos. Wäre sie nicht meine Schwester, wäre sie meine Frau...

Plötzlich wurden wir in blasses Licht gehüllt. Die Motoren der Pickups und Jeeps, und ein paar aufgemotzte Schlitten der Dorfjugend, übertönten das traurige Flüstern des Regens.

„Geh...“, flüsterte sie. Ich sah ihr in die Augen, das Leuchten war ein Flackern, Tränen die wie Edelsteine glitzerten.

Das Brüllen der Leute war unverkennbar ein Gemisch aus Wut und Rachsucht. Dabei hatten wir nichts getan. Wir waren keine Mörder! Sie sahen in uns nur Blutsauger. Dabei suchten auch wir nach Erleuchtung, glaubten an Dinge wie Sie, beteten ... Doch das Grauen, dass die kleine Stadt heimsuchte, würde nicht mit unserem Tode weichen. Aber was wussten die schon davon...

Ich küsste Sally auf die Wange, als die erste Kugel das Rücklicht meines Mustangs zerschmetterte.

„Nein Sally!“, flehte ich, als sie begann im Lichtkegel der Fahrzeuge auf die Menschen zu zugehen. Das Licht verwandelte sie in Alice, Alice im Wunderland.

Schließlich verstummten die Leute, als sie sahen, wie wehrlos wir waren... und wie schön Sally war. Vielelicht verstanden sie, dass wir zu ihnen gehörten, dass wir Gejagte waren, wie sie. Nur wir hattem dem Biss nicht entgehen können.

Dann hörte ich die Stimme, die Sallys Herz gestohlen hatte. Und ich wusste, sie würde glücklich sein. Vielleicht nur für ein paar Nächte, aber es war, was sie sich wünschte, was zählte. Ich konnte die Tränen nicht wegblinzeln, als ich in den Mustang stieg, den Gang herein schmetterte und mit qualmenden Reifen einfach davon zischte. Im Rückspiegel ihre zierliche Gestalt, die langsam verblasste im Regen.

 

Hallo Badfinger,

da hast du uns also in diesem Genre eine Vampirgeschcihte aufgetischt. ;) Ich finde sie auch wirklich sehr romatisch, schön und poetisch geschrieben, also absolut passend für hier.:)
Gelungen finde ich auch, dass du dich dabei jenseits der Pfade bewegst, die sonst den erotischen Aspekt der Vampirgeschichten abgeben. Die Romatik findet mehr in der geschwisterlichen Beziehung statt, in der Beschreibung der Szenerie, die sogar den strömenden Regen so erscheinen lässt, weil es eben der Liebe bedarf, sich ihm auszusetzen.
Zwei kleine Detailanmerkungen noch:

„Wen sie uns finden, ist es zu spät!“, rief ich zu ihr.
Wenn
„NEIN!“ Ich kamm zu ihr, nahm ihre Hand
kamm

Das war es schon, kurz und schmerzlos: Deine Geschichte hat mir gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Badfinger,

dem Lob von sim schließe ich mich an. Du hast deine wehmütige Abschiedsromanze sehr fassbar und fühlbar hingekriegt, ohne in den Sumpf von Kitsch und Melodram abzudriften (was der Titel fürchten ließ). Spannung ist auch enthalten, denn du verstehst es, den Leser neugierig auf das Prot-Paar zu machen, dessen genaue Lebensumstände du geschickt verschleierst.

Ein Flüchtigkeitsfehler ist mir im Satz Doch sie blieb stockstil. aufgefallen. Einige Dinge hätte ich anders benannt (z.B. die "Klamotten" von Sally bzw. das "Zuschmeißen" der Motorhaube), aber die Wortwahl ist primär abhängig von deinem Stilempfinden als Autor.

Einen Einwand habe ich noch als in der Wolle gefärbte Vampirfreundin (habe selbst noch eine angefangene Vampirgeschichte auf der Festplatte): Gut, es ist ein Regentag, aber meiner Meinung nach scheuen Vampire nicht nur das Sonnenlicht, sondern ganz allgemein das Tageslicht, das schließlich nichts anderes als mehr oder minder gefiltertes Sonnenlicht ist.

LG, Chica

 

Vielen Dank für das gute Feedback.

Ich weiss, ich hab keine Ahnung von Vampiren, bzw. sehe sie nicht im klasscihen Sinne. Sie sid für mich eher gefallene Engel. Keine Bestien. Von eher erotischen Darstellungen von Vampiren, halte ich mich noch fern.


Werde die Verbesserungen demnächst durchführen. Vielen Dank!

Freut mich sehr, dass diese Story nicht als heisse Luft aufgefasst wird, was ich befürchtete.

 

Ein Vampir als Autofreak

In der Tat, Badfinger, eine schöne Geschichte hast du da geschrieben. Schön romantisch und zutiefst menschlich, sie würde auch ohne das Vampirmotiv funktionieren.

Besonders gefallen hat mich die Normalität des Prot. Bemerkt die aufgemotzten Schlitten der Dorfjugend und fährt selbst einen Mustang. Oder der Satz: „Der Motor gluckste noch immer und ich roch die Abgase.“ Gut beobachtet, Badfinger, ist wohl ein Autofreak, dein Prot, oder?

Aber es glänzt nicht alles. Mich störte zum Beispiel die vielen Hinweise auf Regen. Nach wenigen Sätzen wissen wir: es regnet. Darauf immer wieder hinzuweisen ist unnötig, wenn ich richtig gezählt habe, kommt das Wort Regen über 12 Mal vor, 2 Mal gebrauchst du die Wendung: „Flüstern des Regens“.

Dion

 

Ich wollte ine bestimmtes On-the-road feeling. Das mit dem Regen... ja stimmt, aber es ist notwendig.

Ford Mustang ist eines meiner Lieblingsautos. In der Tat gibt es eine Geschichte von mir, die heisst "RED DEVIL" (Geschichte eines Ford mustangs. Das schöne drann, es ist die einzieg Geschichte, die ich soweit veröffentlicht habe :)

 

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