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Wolkenschloss
„Was siehst du?“
„Da oben ist eine ganz große Wolke. Sie sieht ein bisschen aus wie kleines Haus.“
„Ein Haus... Ich habe mal eine Wolke gesehen, die sah aus wie ein riesiges, wunderschönes Schloss. Glaubst du, die Wolken wollen uns etwas sagen, durch ihre Figuren?“
„Ich weiß nicht.“
„Ich auch nicht.“
So saßen die beiden noch eine ganze Weile da. Klara schaute in den Himmel und erzählte Peter was sie sah.
Und Peter saß neben ihr, und versuchte sich die Bilder vorzustellen. In seinem Kopf sah er all die Dinge, von denen sie ihm erzählte. Es war, als sähe er wie jedes andere Kind. Doch dann hörte er Klaras Stimme, und wünschte zu wissen wie sie aussähe. Blond, feines Haar, mager, eine ganz gerade Nase, starke Augenbrauen, volle Lippen, kleine Ohren. All das wusste er. Sie hatte es ihm erzählt- er hatte es gefühlt. Aber da gibt es noch so viel andere Dinge, die eines Menschen Aussehen prägen. Hätte er sie doch bloß früher kennen gelernt. Vor dem Unfall. Jetzt war es zu spät. Aber eigentlich war es auch gar nicht so wichtig. Er wusste auch so, dass er sie liebte. Sie war seine einzige Freundin. Und er liebte sie, wie sie ihn liebte. Aber keiner der beiden sprach es je aus. Es war, als wäre da etwas, das sie davon abhielt, ihre Liebe zuzugeben. Sie verleugneten ihre Gefühle. Beide. Und jeder für sich.
„Was siehst du?“
„Ich sehe eine Wolke, die ein bisschen aussieht wie ein Herz.“
„Ein Herz. Ich weiß gar nicht mehr wie das aussieht...“
Er lachte ausweichend. Sie lachte mit ihm.
Klara und Peter. Peter und Klara. Unzertrennlich und doch nie ganz beisammen. Wie oft saß sie da, und beobachtete ihn, in dem Glauben, er würde ihre Blicke nicht bemerken. Doch diese Blicke waren so innig, dass selbst ein Blinder sie sehen konnte.
Sie berührten sich nicht, sie sagten sich nichts von ihrer Zuneigung. Ihnen genügte das Wissen um ihre Liebe. Sie brauchten weder die Berührung noch die Worte, um sie sich zu beweisen oder glücklich zu sein.
„Was siehst du?“
„Ich sehe eine Wolke, die aussieht, wie ein großes Schloss, so wie du es einst gesehen hast“.
„Ein Schloss. Ich weiß noch gut, wie mein Wolkenschloss ausgesehen hat. Ich habe es mir gut gemerkt. Ich wusste, dass es mir einmal helfen würde, wenn ich es nicht aus der Erinnerung löschen würde. Vielleicht sehen wir sogar das selbe.“
„Ja, stell dir nur vor wir zwei, wir sitzen da und sehen uns unser Wolkenschloss an.“
„Ich habe nachgedacht... Ich glaube nicht dass und die Wolken etwas sagen wollen. Ich glaube,was wir heute gesehen haben, und was uns beiden so gefällt, dieses Wolkenschloss werden wir einmal bewohnen. Du und ich. Wir werden dort oben sitzen und werden uns die Erde anschauen. Die vielen kleinen Menschen, die in den Himmel schauen und ihre eigenen Wolkenschlösser sehen. Die dasselbe Spiel spielen wie du und ich, und die sich dann in dem Moment, in dem sie beide dasselbe sehen, wissen, dass sie sich dort einst wieder treffen werden.“
„Du meinst, wir werden dort oben sein, nachdem wir gestorben sind? Aber alle sagen doch, man kommt ins Paradies...“
„Aber wäre das denn nicht ein Paradies. Dort oben, im Himmel, so nahe bei Gott und noch nah genug bei den Menschen und nicht zu vergessen, wie es einst war, das Leben? Das Paradies. Für mich ist mein Wolkenschloss mein Paradies. Es ist das Schönste was ich je gesehen habe. Und selbst wenn ich noch sehen könnte, es würde das Schönste bleiben.“
„Du hast Recht. Es wird auch mein Paradies sein..."
„Also sehen wir uns dann im Wolkenschloss? Ich werde dort auf dich warten."
So saßen sie da, und redeten.
Jetzt sitzen sie dort oben und schauen auf uns hinunter.
Und wenn ich in den Himmel sehe, und mein Wolkenschloss suche, dann scheint es mir, als würde ich manchmal das ihre finden. Und dann sehen sie, wie ich sie beobachte und ziehen schnell weiter, denn ich muss meine eigene Wolke finden und ich werde warten bis es sich mir zeigt