Wozu denn Zeit verlieren?
Piep. Klopapier für drei Euro Neunundfünfzig. Piep. Bananen für einen Euro Neunundzwanzig. Piep. Meine Hände gleiten von links nach rechts, während sie den Utensilien des Alltags verhelfen vom Barcodescanner erfasst zu werden. Piep. Über mir müde Augen, herunter gesunkene Mundwinkel, und Hände, die hektisch in Geldbeuteln kramen. Piep. Ein unfreundliches Gesicht kopiert und eingefügt in jeden einzelnen Kopf der menschlichen Reptilie. Ich schaue nicht hinein. Piep. Eine Mischung aus Gelächtern, Geschrei und Seufzern formt die Geräuschkulisse, die im Hintergrund auf und zugezogen wird. „Zahlen Sie bar oder mit Karte?“ Wie oft meine Lippen wohl diese Frage schon formen mussten. Und wiedermal kein Ton der mir als Antwort entgegenkommt, sondern nur eine herausgestreckte Hand mit EC-Karte. „Einen schönen Tag noch“, mein mechanisch aufgesetztes Lächeln verabschiedet eine weitere menschliche Hülle, bevor ich mich der nächsten widme. Piep.
Feierabend. Nachdem die letzten Kunden pünktlich zur Schließung noch ihren wöchentlichen Verbrauch versorgt hatten, hab ich Feierabend. Jetzt bloß nicht den Bus verpassen. Meine schlafenden Beine geben sich große Mühe mich meine Fahrt nach Hause erwischen zu lassen. Sie eilen zur Haltestelle, den Weg finden sie auch ohne meine Hilfe. Mein Herz rast, meine Atmung ist schnell, Schweißperlen tropfen von der Stirn, im vollgepackten Fahrzeug wartet aber kein Sitzplatz auf mich. Bei dem etwas groben Fahrtstiel des heutigen Chauffeurs kann man dem Erfinder der etwas unpraktisch hängenden Griffe nur danken. Bald kann ich aussteigen. Zusammen mit den anderen stehenden Passagieren schwanke ich hin und her, wie auf einem Schiff, welches durch stürmische Gewässer treibt.
Stürmische Gewässer. So fühlt es sich an als ich aus dem Bus aussteige, um durch Dunkelheit und Regen die Reise zur Wohnung einzuschlagen. Es ist aber nicht die Dunkelheit, und erst recht nicht der Regen, die den Sturm definieren. Es ist das Piepen, was ich jeden Tag mit Mühe versuche, so schnell nacheinander wie möglich ertönen zu lassen. Es sind die Menschen, die nicht mal Zeit finden ein einziges Wort auszusprechen, und Menschen, die schon heute entscheiden, morgen keine Zeit fürs Einkaufen zu haben. Es sind meine Beine, die schneller laufen als Gedanken sich formen. Es ist der Busfahrer, der seine Matrosen seekrank macht. Solch eine Ironie, wie kann die Welt so leblos und gleichzeitig so hektisch sein? Zu Hause angekommen gehe ich direkt schlafen, wozu auch Zeit verlieren.
Es ist der nächste Morgen. Mein Handywecker schlug noch keinen Alarm, und dennoch sind meine Augen schon auf. Ich versinke in mein Bett, heute ist es besonders kuschelig. So kuschelig wie man sich als Kind die Wolken vorstellt. Ein frischer Windhauch fühlt sich eingeladen durch den Schlitz im Fenster hineinzukommen, um mir einen guten Morgen zu wünschen. Er streichelt mir sanft die Wangen. Die Vögel zwitschern mir im Kanon ein Konzert, welch schöne Melodie sie komponieren. Sonnenstrahlen erhellen spielerisch das Zimmer und füllen den Raum mit sonniger Freude. Ich fühle ihre Wärme, ich fühle mich geborgen. Ich bleibe eine Weile noch liegen, wozu denn Zeit verlieren?