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Zwei Hunde – ein Ende
Das Gebäude war alt und machte einen ziemlich baufälligen Eindruck. Die morschen Holzwände vermochten den Innenraum kaum vor der beissenden Kälte zu schützen. Doch die paar Dutzend Männer waren trotzdem guter Dinge. Sie standen um den Pit, einen von Strohballen begrenzten Bereich in der Mitte des Raumes. Frauen konnte ich keine entdecken.
Die Männer lachten, tranken und wedelten mit ganzen Bündeln von Geldscheinen. Dennoch bemerkte ich die Anspannung auf ihren Gesichtern. Vor allem bei Boss war die Ungeduld gut sichtbar. „Lasst uns anfangen!“, knurrte er laut. Ein anderer Mann wandte sich zu ihm um. „Hast du etwa Angst, Miller?“, fragte er höhnisch. Boss grinste verächtlich, doch sein Selbstbewusstsein war nur eine aufgesetzte Maske, hinter der sich sehr wohl Furcht versteckte.
„Melas wird gewinnen. Du kannst dir schon mal einen Ersatz für Hatto besorgen!“, meinte Boss mit fester Stimme.
In diesem Moment wurde ich abgelenkt von einem klirrenden Geräusch. In einem kleinen Käfig und dazu noch angekettet stand mir mein Gegner gegenüber. Er war nicht sonderlich gross, hatte ein braunes, gestromtes Fell und ebenso wie ich einen Vorbiss.
„Das wird ein spannender Kampf. Ich habe noch nie zwei Bulldoggen gegeneinander antreten sehen!“, raunte ein Mann seinem Nachbarn zu. Ansonsten war es still. Aber schon bald ging das Gerede wieder los, die Männer berieten sich, schlossen Wetten ab, soffen und lachten.
Ich wandte mich wieder meinem Gegner zu.
„Melas“, stellte ich mich vor.
„Hatto“, antwortete der Braune leicht überheblich. Ich spürte, wie seine Blicke über meinen glänzend schwarzen Körper streiften, wie sie einen Moment bei der tiefen Narbe auf dem Rücken stockten und danach weiterhuschten, meine Muskeln betrachteten und meine Kraft einzuschätzen versuchten.
Als ich bei ihm dasselbe tat, stellten sich unwillkürlich meine Nackenhaare auf. Ein Gefühl der Abneigung überkam mich und ganz leise drang ein Knurren aus meiner Kehle.
Es würde ein schwerer Kampf werden, das wurde mir klar, als ich seine breite Brust musterte und ich knurrte noch eine Spur lauter. Die Gitterstäbe vor meinen Augen hoben sich und ich schoss aus dem Käfig – bis mich die Ketten unsanft zurückrissen. Die beiden Männer, die mich jetzt noch hielten, brauchten ihre gesamte Kraft, um mich zu stoppen. Enttäuscht entdeckte ich, dass es Hattos Bewachern nicht besser ging als den meinen. Ich warf einen Blick zu Boss. Er spuckte auf den Boden und ich sah, wie er seine Fäuste ballte. Eine Woge brennenden Hasses loderte in mir auf. Ich bellte heiser und wütend.
„Drei!“, rief ein Mann.
All meine Muskeln spannten sich an.
„Zwei!“
Gleich würde es losgehen.
„Eins!“
Die Ketten lockerten sich.
„Los!“
Wie ein Blitz stiess ich mich vom Boden ab und sprang auf Hatto zu. Ein fliegender schwarzer Schatten, tödlich in seiner Kraft und Schönheit.
Unsere Körper prallten aneinander, ein kurzes Zurückweichen, dann ein erneuter Angriff. Ich war schneller als Hatto, er fiel, rollte auf dem Boden herum, um schnell wieder auf die Beine zu kommen. Doch ich war nicht bereit, ihm diese Chance zu geben, stellte meine Vorderpfoten auf seinen sich windenden Leib und versuchte gleichzeitig, seine Kehle zu erwischen. Er war zu geschickt, verbiss sich seinerseits in meinem Bein und zerrte daran, sodass ich nachgeben musste. Hatto liess los und stand im selben Augenblick auf. Ich versuchte noch einmal, zuzubeissen, und diesmal erwischte ich sein Brustfell. Sofort begann die Wunde zu bluten. Der Anblick erfüllte mich mit tiefer Zufriedenheit und ich biss erneut zu. Weniger erfolgreich, diesmal. Hatto schlug mit den Hinterbeinen aus, sodass ich mitten im Schwung zurückgeschleudert wurde. Doch einer meiner Reisszähne riss eine feine Wunde in das weiche Fleisch. Nun biss Hatto zu und er hinterliess eine gewaltige Verletzung an meiner Flanke. Dafür verbiss ich mich in seinem Nacken. Langsam stiess ich mich mit den Vorderbeinen vom Boden ab, wirbelte gleichzeitig meinen Körper herum und liess dann meinen zappelnden Gegner fallen. Meine Vorderpfoten landeten auf Hattos Leib und ich senkte meinen Kopf und schnappte von neuem zu. Meine Zähne drangen tief in das Fleisch ein und ich hoffte, es würde so weitergehen. Noch zwei oder drei solche Bisse und Hatto war besiegt.
Keine Schuldgefühle kamen auf. Nein, ich freute mich. Denn nach einem gewonnenen Kampf bekam ich manchmal einen Leckerbissen. Knochen waren mein Liebstes, doch Boss gab mir diese nur selten. Heute aber würde ich wohl einen bekommen. Geifer troff mir aus dem Mundwinkel beim Gedanken daran und Hatto schaffte es, sich unter meinen Zähnen hervor zu winden. Und bevor ich wusste, wie mir geschah, warf er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen mich und ich strauchelte. Beim zweiten Stoss fiel ich endgültig. Der Boden war hart und in meinen Ohren krachte es unnatürlich laut, als mein Leib aufschlug. Ich jaulte auf, ein lang anhaltender, scheusslich hilfloser Ton. Im ersten Moment bemerkte ich gar nicht, dass ich sein Urheber war. Dann spürte ich die Zähne Hattos an meiner Kehle. Er biss zu, kraftvoll, ja, fast schon genüsslich. Mein Blut sprudelte aus der Wunde und ich schnappte hilflos in die Luft. Mein Tod war gewiss.
Die Männer brüllten uns an, einander an, konnten die Augen nicht von uns wenden und ergötzten sich an unserem Blut.
Als Hatto endlich von mir abliess, ballte ich meine letzte Kraft und stand auf. Er sah mich an, verständnislos und in seinen gelblich-braunen Augen spiegelte sich eine einzige Bitte. Und ich war bereit, sie zu erfüllen. Er hob seinen Kopf und heulte, was hier, mitten in einem Hundekampf natürlich völlig fehl am Platze war.
Die Männer schrieen noch lauter als vorher. Ich ignorierte sie. Konzentrierte mich noch einmal auf Hatto.
Während mir das Leben aus dem Körper floss, trat ich zu ihm. Mit seinen traurigen Augen blickte er direkt in die meinen. Ein Beben durchlief meinen Leib.
„Bitte, bring es zu Ende!“, flehte Hatto und ich nickte fast unmerklich. Ich senkte meinen Kopf und versenkte die Zähne tief in seinem Hals.
„Danke!“, murmelte Hatto, der nun auf den Boden sank. Ich liess mich neben ihm nieder.
Wir beide starben nebeneinander, friedlich und ohne böse Gedanken.
Nein, wir fühlten uns zufrieden, endlich der Herrschaft der Menschen entronnen zu sein.