Was ist neu

(Zwei Ringe)

Mitglied
Beitritt
12.11.2001
Beiträge
8

(Zwei Ringe)

Er war alt.
Nicht immer schon war er alt gewesen. Vor ein paar Minuten noch hatte er sich relativ jung gefühlt, so jung, wie man sich mit 47 fühlen konnte.
Doch jetzt war er alt. Alt und innerlich leer. Tot.
Er stand vor seinem Haus. Einer Ruine. Verkohlte Dachbalken ragten in den düsteren grauen Himmel. Dachbalken, die ihm die Richtung wiesen: Dort!
Eine Seitenwand war eingestürzt, zwei glaslose Fensterrahmen lagen am Boden. Das Glas war schon vor langer Zeit durch Plastik ersetzt worden. Glas war teuer.
Mühsam schleppte er sich ins Haus. Langsam, Schritt um Schritt tastete er sich vorwärts, als ob eine tonnenschwere Last auf seinen Schultern ruhte.
Die Eingangstür lehnte am Apfelbaum. Er wusste nicht mehr, wie sie dahin gelangt war. Es war nicht wichtig. Nicht mehr. Er setzte sich an den Tisch, einem Eichentisch. Vor Jahren ... Eine grüne Flasche stand darauf. Fast leer.
Er wischte den Staub vom Tisch.
Der Staub, der an manchen Stellen zentimeterdick lag. Nicht nur Staub. Schutt und Asche. Doch welchen Sinn hätte es gehabt, dieses Haus von Schutt und Asche zu befreien?
Vor ein paar Minuten noch. Ja, da hatte er wenigstens noch einen einzigen Grund gewußt, sich diese mühsame Arbeit anzutun. Das Haus wieder zu dem zu machen, was es noch vor nicht all zu langer Zeit gewesen war.
Jahre?
Ein schmuckes Einfamilienhaus mit gepflegtem Garten, Swimmingpool, Apfelbäumen.
seine Frau, seine beiden Töchter, sein Sohn, der Hund. Doch jetzt?
Er sah die Flasche an.
Seine Frau war tot. Seine Töchter.
Er hatte geglaubt, das wäre das Ende. Sein Sohn hatte recht behalten, es war nicht das Ende gewesen.
Das Ende ist jetzt.
Vor ein paar Minuten hatte ihm ein Fremder diesen Umschlag gebracht. Einen großen weißen Umschlag. Ein schwarzes Kreuz darauf. Ein Kreuz das ihn beinahe wahnsinnig gemacht hatte.
Jetzt nicht mehr.
Er wusste, was er darin finden würde. Zwei Ringe. Ringe seines Sohnes und seiner Schwiegertochter.
Die Militärs waren bekannt und berüchtigt für ihre Korrektheit. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Zwei Ringe, Die den Tod verkündeten.
Das Militär.
Tot, weil sein Sohn diese Frau geliebt hatte. Eine Frau, die Abschaum in ihren Augen war.
Er nahm den Umschlag in seine Hände und riss ihn auf. Zwei Ringe. Goldene Ringe.
Blut klebte an ihnen. Blut. So viel Blut.
Er hatte gehofft, bis zum heutigen Tage gehofft. Vergeblich. Die beiden Finger auf dem Tisch, der seines Sohnes und der seines Sohnes Ehefrau berührten sich, fast zärtlich berührten sie sich. Die goldenen Ringe voller Blut.
Er nahm die Flasche, schloss seine Augen und trank sie leer.

 

Hallo jeamy, und herzlich willkommen auf kg.de.
Ich wollte anfangs ob des Plots aufheulen, aber das wäre wohlmöglich zu früh gewesen. Von Stringenz und Symbolik her auf den ersten Blick durchaus gelungen, vielleicht übertreibst du hier und da, das passiert. Interessante Geschichte. Hab leider keine Zeit für Details.
Grüße,
...para

 

Paranova schrieb:
Hallo jeamy, und herzlich willkommen auf kg.de.

bin schon länger hier bei kg.de, aber bisher nur als stiller mitleser. trotzdem danke für den willkommens gruß.


Ich wollte anfangs ob des Plots aufheulen,

warum?


vielleicht übertreibst du hier und da, das passiert.

wo? ich kann, glaube ich, gar nicht so übertreiben, wie das leben es manchmal gerne tut. ;)


Interessante Geschichte. Hab leider keine Zeit für Details.
...para

danke.

 

Hi Jeamy,
ich ahnte es. Aber da will man einmal freundlich sein und die korrekte Begrüßungsformel verwenden, und dann so was. Umso besser. Warum Heulen, ob des Plots? - nun, der Anfang erinnerte mich an meine Anfänge hier. Mir wurde seinerzeit Klischeehaftigkeit vorgeworfen. Welch Trauma :)
Und im Endeffekt, ja, das Leben trägt so dick auf, dass man es ihm oftmals nicht abkauft, hast Recht. Kommt dann nur noch drauf an, ob der Leser es dir abkauft.
Oder auch nicht. Jesses, schon wieder so spät!
:D
Liebe Grüße,
...para

 

Hallo jeamy,

sprachlich hat mich deine Geschichte beeindruckt, vor allem der Anfang. Trotzdem konnte ich nicht richtig mitfühlen; nicht unbedingt, weil es zu (melo)dramatisch wäre, aber irgendwie gehen mir hier zu viele Informationen ab. :confused:

Vielleicht bin ich zu blond, oder ich stehe gerade auf allen Leitungen, aber inhaltlich komme ich einfach nicht mit. In welchem Land spielt das ganze? Worum geht es: Diktatur, Bürgerkrieg, Familienfehde? Wenn der Sohn sterben musste, weil er die falsche Frau hatte, woran starben dann Frau und Töchter?

Brannte das Haus nieder? (Verkohlte Dachbalken) Fiel eine Bombe darauf (Haustür am Apfelbaum)? Soll der Mann auch noch sterben?

Warum steht eine grüne Flasche mit etwas darin in einem seit Jahren zerstörten Haus? Oder ist der Mann öfter dort? Was ist in der Flasche, Gift?

Wenn der Mann zwei Ringe aus dem Umschlag zog, warum berühren sich dann auf dem Tisch zwei Finger? Woher sind die? Auch aus dem Umschlag?

Etwas mehr Hintergrund würde mir da schon sehr helfen. Sonst verpufft fast alles, finde ich, und das wäre schade, das hst deine Geschichte nicht verdient.

Viele Grüße
Pischa

 

pischa schrieb:
Trotzdem konnte ich nicht richtig mitfühlen; nicht unbedingt, weil es zu (melo)dramatisch wäre, aber irgendwie gehen mir hier zu viele Informationen ab. :confused:

meiner meinung nach bedarf es keiner zusatzinformation um irgendwo mitzufühlen. entweder entstehehen automatisch entsprechende bilder im kopf - meine EIGENEN bilder - oder nicht. zusätzliche erklärungen sind da wenig hilfreich, manchmal nur störend. es ist ja eine geschichte und kein fernsehreport.
die geschichte hat bei dir leider nicht funktioniert, dir die entsprechenden gefühle nicht vermittelt. ist halt so. kann man nichts machen. vielleicht bei einer anderen, irgendwann.

In welchem Land spielt das ganze?

egal. nimm ein x-beliebiges irgendwo auf der welt. sieh dich um.

Worum geht es: Diktatur, Bürgerkrieg, Familienfehde? Wenn der Sohn sterben musste, weil er die falsche Frau hatte, woran starben dann Frau und Töchter?

auch egal. dem einzelnen hilft es nicht, tröstet es nicht, wenn er weiss, warum er schuldlos vor dem abgrund steht. ob bürgerkrieg, diktatur? who cares?

Brannte das Haus nieder? (Verkohlte Dachbalken) Fiel eine Bombe darauf (Haustür am Apfelbaum)? Soll der Mann auch noch sterben?
Warum steht eine grüne Flasche mit etwas darin in einem seit Jahren zerstörten Haus? Oder ist der Mann öfter dort?

warum soll das noch wichtig sein, siehe oben?

Was ist in der Flasche, Gift?

möglich.

Wenn der Mann zwei Ringe aus dem Umschlag zog, warum berühren sich dann auf dem Tisch zwei Finger? Woher sind die? Auch aus dem Umschlag?

"Die Militärs waren bekannt und berüchtigt für ihre Korrektheit."

Etwas mehr Hintergrund würde mir da schon sehr helfen. Sonst verpufft fast alles, finde ich,

wie gesagt, ich finde das nicht. entweder funktioniert die geschichte und erzeugt bilder oder nicht.

 

Hallo jeamy,

ich kann schon nachvollziehen, was du meinst. Not ist immer Not, egal in welchem Umfeld und aus welchem Grund, und dass auf der Welt genügend Not existiert, ist unbestreitbar.

Allerdings glaube ich nicht, dass deine nur bruchstückhafte Darstellung ausreicht, diese Not dem Leser plastisch werden zu lassen. Meiner Meinung nach liegt der Grund in der menschlichen Psyche. Liest du in der Zeitung von einem tragischen Unglück eines Unbekannten, denkst du: "Armer Kerl" und vergisst es wieder. Stößt einem guten Freund von dir das selbe zu, erschüttert dich das viel mehr.

Genauso funktioniert das in Geschichten. Bleiben Charakter und Umstände weitestgehend im Dunkel, erfährt man nur ein paar tragische Details, die scheinbar zusammenhanglos bleiben und sogar Logikfragen aufwerfen, hält sich auch das Mitgefühl in Grenzen. Und wenn es dem armen Mann zehnmal schlecht geht. Wenn dir jemand erzählt: "Mensch, hast du gehört, der arme X hat seine Familie und sein Haus verloren", ist deine erste Reaktion: "Was? Ist ja furchtbar! Wie ist denn das passiert?"
Nicht umsonst wird Schreiberlingen immer gepredigt, die großen W-Fragen nicht zu vergessen: Wer, wann, wie, wo, warum. Du hast zwar Recht, deine Geschichte ist keine Reportage, und du musst sicher nicht alles bis ins Detail erläutern. Aber werden zu wenig Informationen gegeben, fühlt der Leser nicht richtig mit, die Tragik ist nicht fassbar. Eine Menge Potential wird durch deine gut formulierte Geschichte verschenkt.

Falls ich die einzige bin, die so über deine Geschichte denkt: Vergiss es. Man kann es sowieso nicht jedem Recht machen. Aber wenn du das Gefühl hast, deine Geschichte löst bei den meisten Leuten nicht die Reaktion aus, die du dir erhoffst, dann wird es wohl an den fehlenden Informationen liegen.

Viele Grüße
Pischa

 

Du bist tatsächlich die einzige, die sich mehr Informationen wünscht.
Vielleicht werde ich deinem Wunsch nachkommen und diese Geschichte irgendwann erweitern, mehr Einzelheiten hinzufügen, eventuell Rückblenden einbauen ...
Ich bin ja immer offen für Anregungen und auch Kritik, wenn sie, so wie hier, begründet wird und vielleicht auch ist.

Aber im Augenblick habe ich zu wenig Zeit dafür, da ich gerade an der Fortsetzung von "EvA war blond ..." schreibe und meinen dritten Roman auch im Laufe des nächsten Jahres vollenden will.

Vielleicht geht sich das ja trotzdem irgendwie aus. :)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom