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Die Scheune am Fluss

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25.05.2014
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Die Scheune am Fluss

Der Regen prasselte jetzt mit aller Stärke gegen die Fensterscheiben. Es war bereits Nachmittag. Ursula blickte besorgt zu ihrer Enkelin. Sie wägte ab, ob sie etwas zu ihr sagen sollte. Hier bei ihr wären die Kinder nicht sicherer als bei sich zu Hause, das wusste sie; der Bach hinter dem Haus konnte bei Hochwasser schnell zum gefährlichen Strom werden. Aber die Fahrt mit dem Auto durch das Tal war riskant und die Gefahr wuchs von Minute zu Minute.
„Kinder, Ihr müsst los. Der Regen lässt nicht nach. Ihr müsst sehen, dass Ihr nach Hause kommt.“
Jana blickte von einer Illustrierten auf. „Mach Dir um uns keine Sorgen, Großmutter. Unser Auto kommt überall durch.“
„Ach, Ihr seid immer so sorglos. Denk an Eure Kleine. Sie fürchtet sich doch bei dem Wetter.“
Jana überlegte, ob sie Harald anrufen sollte. Sie wählte die Nummer auf ihrem Handy und lauschte dem Rufzeichen. Es dauerte eine Weile, bis er abnahm. Er war noch immer in der Firma und konnte ihr nicht sagen, wie die Situation auf der Straße durch das Tal zu ihrem Haus war.
"Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr über Nacht bei Deiner Großmutter bleibt. Ich hole Euch morgen Früh ab und bringe die Kleine in den Kindergarten."
"Nein, das werden wir nicht. Wenn wir jetzt losfahren, kommen wir gut durch. Ich ruf Dich an, wenn wir da sind."
"Du, Liebling, ich möchte nicht, dass Du die Heldin spielst. Wenn Du dort bleibst, kann ich in Ruhe hier meinen Job machen. Sei ein braves Mädchen, ja?"
"Ich hab Dich lieb", sagte sie und legte auf. Eine Weile hielt sie das Mobiltelefon noch in der Hand, dann legte sie es in ihre Handtasche zurück. Für sie stand fest, sie würde nicht bleiben. Sie liebte ihre Großmutter. Aber Besuche, länger als drei Stunden, waren ihr zu anstrengend.
"Wir fahren sofort los, Großmutter", sagte sie und begann eilig, ihre Tochter anzuziehen. Ursula sah skeptisch zu, wie Jana sich und die Kleine reisefertig machte.
"Was hat Harald gesagt?", fragte sie Jana.
"Er hat nichts dagegen, wenn wir sofort aufbrechen. Der Fluss ist noch in seinem Bett", log sie. Sie packte ihre Sachen, nahm ihr Kind und saß fünf Minuten später in ihrem Auto, die Kleine sicher in ihrem Kindersitz angegurtet. Dann fuhr sie in den Regen. Sie schaltete die Nebelscheinwerfer ein. In einer Stunde konnte sie es nach Hause schaffen. Im Radio wurden Hochwasserwarnungen durchgegeben. Ihr Gebiet war noch nicht genannt worden. Sie schaltete um auf ihren USB-Stick und hörte ihre Lieblingsmusik. Ihre Tochter blätterte in einem Bilderbuch, der Motor surrte leise, sie würde bald eingeschlafen sein.
Durch den starken Regen konnte sie nur mäßig schnell fahren. Kaum konnte sie sehen, wo genau sie sich befand. Zur Hilfe schaltete sie ihr Navigationsgerät ein. Die Fahrt strengte sie an. In Städten sah sie häufig Blaulicht blitzen. Dann erreichte sie die Talstraße, die entlang des Flusses verlief. Nur undeutlich konnte sie erkennen, wie sich das Wasser tosend vorwärts bewegte. Plötzlich erkannte sie, dass sie die tiefste Stelle des Straßenverlaufs erreicht hatte. Die Straße war an dieser Stelle bereits überflutet. Im Scheinwerferschein sah sie Schwemmgut treiben. Mit einem Mal wurde sie sich bewusst, dass sie den Verlauf der Fahrbahn nicht mehr erkennen konnte. Sie schaltete das Licht auf Fernlicht um, was die Sicht aber noch mehr einschränkte. Ihre Füße wurden kalt. Da erst wurde ihr klar, dass Wasser längst ins Innere des Wagens eingedrungen war. Schlagartig wurde sie von Panik erfasst. Sie drehte sich nach ihrer Tochter um, sie schlief. Was war nur in sie gefahren, sich und ihr Kind in solche Gefahr zu bringen?

Harald konnte die Firma nicht verlassen, das Wasser war in den Keller eingedrungen. Jede Hand wurde jetzt gebraucht. Er gönnte sich eine kleine Pause, um seine Frau zu informieren. Doch sie nahm nicht ab. Sicher war sie mit der Kleinen bereits Schlafen gegangen. Aber er hatte keine Ruhe, er musste Gewissheit haben. Er wählte die Festnetznummer von Janas Großmutter. Als sie ihn an der Stimme erkannt hatte, begann sie, ihm Vorwürfe zu machen.
„Wie konntest Du nur erlauben, dass sie bei diesem Wetter nach Hause fahren!“
„Das habe ich nicht“, wehrte Harald ab. Dann erklärte er ihr, er habe seine Frau gebeten, keine Dummheiten zu machen und bei ihr zu bleiben. „Wann sind sie denn losgefahren?“, wollte er wissen.
„Bestimmt schon vor einer Dreiviertelstunde“, sagte die Großmutter.
Er versuchte, sie zu beruhigen, aber er glaubte seinen eigenen Worten selber nicht. Ihr konnte seine Angst nicht entgangen sein. Sie zitterte am ganzen Leib, musste sich setzen und ihre Tränen zurückhalten. Verzweifelt versuchte sie, ihn nicht weiter zu ängstigen, doch dann brach es aus ihr heraus: „Um Gottes Willen, die Kleine! Harald, Du musst sie finden!“. Dann legte sie auf und sank schluchzend in sich zusammen.
Harald wurde sich seiner Lage bewusst: Einerseits wurde er dringend in der Firma bei der Räumung des Lagers gebraucht; das Wasser stand bereits gut zwanzig Zentimeter hoch. Andererseits konnte er nicht untätig sein in Bezug auf seine Familie. Ein Versuch, dies seiner obersten Leitung verständlich zu machen, scheiterte mit der Gegenfrage des Chefs, ob er sich bewusst sei, was er riskiere, wenn er zuließe, dass ein mehrere Millionen schwerer Schaden entstünde, nur weil er an seine Privatangelegenheiten dachte.
„Sind Ihre Frau und Ihre Kinder in Sicherheit?“, erlaubte sich Harald, zu fragen.
„Das steht hier nicht zur Debatte.“
Harald glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Oh doch, das tut es wohl!“
„Na gut, dann beeilen Sie sich gefälligst mit Ihrer Arbeit. Je schneller Sie fertig sind, desto eher können Sie sich um Ihre Frau kümmern. Und jetzt gehen Sie, ich habe zu tun“. Damit war Harald entlassen. Doch er blieb stehen.
„Was ist denn noch, verdammt noch mal!“, fluchte der Chef.
Harald war es jetzt egal, was passierte. „Alle Kollegen, die in kritischen Gegenden wohnen, machen sich Sorgen um ihre Familien und ihr Hab und Gut. Ich verlange, dass alle verfügbaren Leute, auch aus der Chefetage, mit anpacken. Die Verantwortung für das Lager haben nicht nur wir, Chef. Das ist eine Ausnahmesituation.“
Das Gesicht des Chefs hatte eine dunkelrote Färbung angenommen. Außer sich vor Wut stellte er sich so nah Harald gegenüber, dass dieser seinen Atem unangenehm spürte. Harald machte auf dem Absatz kehrt und ging aus dem Zimmer. Bevor er die Tür schloss, drehte er sich noch einmal um und sagte bestimmt: „Alle!“ Dann nahm er sein Mobiltelefon zur Hand.

„Wir haben die Talstraße sperren lassen, die Senke ist überflutet, dort ist kein Durchkommen mehr“, bekam Harald zur Antwort, als er bei der Polizei nachfragte.
„Wann ist die Sperrung erfolgt?“, fragte Harald.
„Müsste in diesen Minuten passiert sein.“
„Meine Frau müsste vorher mit ihrem Auto noch durchgefahren sein.“
„Aussichtslos“, sagte der Polizeibeamte. „Viel zu gefährlich. Hat sie denn keine Nachrichten gehört?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Harald. „Ich kann sie nicht erreichen. Ist bei Ihnen ein Notruf eingegangen?“
Der Polizist verneinte. Harald solle die Feuerwehr anrufen und dort nachfragen, oder das Rote Kreuz.
Harald wählte kurzerhand die 110. Das konnte kein Missbrauch des Notrufs sein, wenn nicht er selbst, aber seine Familie in Not war.
„Können Sie sich vorstellen, dass kein Einsatzfahrzeug mehr im Depot ist? Die sind alle unterwegs. Und nur wegen eines Verdachts kann ich keinen abziehen.“ Harald hinterließ seine Nummer und bat, ihn sofort zu verständigen, wenn sich etwas ergeben hätte. Er begab sich wieder ins Lager, funktionierte aber eher mechanisch. Immer wieder sah er zur Uhr. Die Zeit schien kaum zu vergehen. Erst ein Zwischenfall beim Beladen eines Containers ließ ihn sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren. Umso enttäuschter war er, als er nach zwei Stunden noch immer keine Nachricht von seiner Frau und seiner Tochter hatte. Jemand klopfte ihm auf die Schulter. Erschrocken drehte er sich um und sah in das Gesicht seines Chefs. „Wollen Sie nach Hause fahren?“, fragte der Chef, er vermied es, Harald in die Augen zu sehen. Sein Anzug war von oben bis unten schmutzig.
„Ich komme nicht nach Hause, wir sind von der Außenwelt abgeschnitten“, sagte Harald mit einem Kloß im Hals.

Das Wasser war in den letzten fünf Minuten so stark gestiegen, dass sich der Fluss in einen reißenden Strom verwandelt hatte. Einige Brücken waren für den Verkehr gesperrt worden, zu groß war die Gefahr, dass sie dem Druck des Wassers nicht mehr standhalten konnten. Im Internet kursierten schon einige Sensationsfotos. Eines zeigte ein Auto, das gegen eine der Brücken gespült worden war und regelrecht vom Wasser zerdrückt wurde. Als Harald sich das Bild auf dem Smartphone eines Kollegen genauer anschaute, wurden ihm die Knie weich und er wurde leichenblass.
„So einen Wagen fährt meine Frau“, sagte er mit brüchiger Stimme. Er musste sich setzen.
„Aber das muss doch nicht das Auto Deiner Frau sein“, versuchte sein Kollege, ihn zu beruhigen. Doch Harald war kurz davor, durchzudrehen. War Jana mit der Kleinen noch vor dem Hochwasser durchgekommen und wohlauf? Warum nur ging sie nicht ans Telefon. Auch bei ihrer Großmutter meldete sich niemand mehr. Es war zum Verzweifeln.
In der Firma hatten sie es geschafft, das Lager zu räumen und in eine höher gelegene Halle umzulagern. Vorsichtshalber wurde der Strom in den im Wasser stehenden Gebäuden abgeschaltet. Vor dem Tor der Produktionshalle hatten sie Sandsäcke gestapelt. So konnten sie bis jetzt die Maschinen schützen. Der Wasserspiegel im Firmengelände schien nicht mehr zu steigen. Harald kontrollierte die Sandsackbarriere. Gespenstisch drang Sirenengeheul aus der Stadt und aus dem Tal zu ihm heran. Sein Telefon klingelte. Er ging in die schützende Halle zurück. Dann meldete er sich mit klopfendem Herzen.
„Wir haben Ihre Tochter und Ihre Frau gefunden“, sagte eine Stimme.
„Gott sei Dank! Wo sind sie? Sind sie wohlauf?“
„Ich gehe davon aus. Wir hatten einen Anruf von einem Bauern, der im Tal am Fluss eine Scheune stehen hat. Bei drohendem Hochwasser öffnet er die Tore, damit das Wasser ungehindert hindurch fließen kann.“
Als der Bauer die Tore geöffnet hatte, schaute er sich den Fluss an und entdeckte das Auto im Wasser. Mit seinem Jeep konnte er bis hinan fahren und die beiden zu sich holen, erzählte er, als Harald mit ihm telefonierte. Seine Frau habe verzweifelt geschrien, sie könne ihren Mann nicht erreichen. Und das kleine Mädchen habe geweint. Wenig später habe er beobachtet, wie das Auto von der Flut erfasst und mitgerissen worden war. Es sei Rettung in letzter Sekunde gewesen. Harald solle, sobald es die Situation erlaube, sofort kommen.
„Zurzeit schlafen sie. Wir haben einen Arzt gerufen. Der hat ihr was zur Beruhigung gegeben, aber sonst sei sie in Ordnung. Sie hat einen mächtigen Schock erlitten.“
„Und wie geht es der Kleinen?“
„Nachdem der Arzt die Kleine untersucht hatte und sich dann um die Mama kümmerte, bin ich mit ihr in den Stall gegangen. Dort haben wir ein ganz junges Kälbchen. Das hat sie abgelenkt.“
Harald bedankte sich und musste seine Tränen zurückhalten. Das Heulen der Sirenen drang noch immer zu ihm heran. Um zu dem Bauernhof zu gelangen, musste er zum Glück nicht den Fluss überqueren. Langsam stellte sich Erleichterung für ihn ein, als er mit seinem Auto vom Hof fuhr.

 

Hallo khnebel,
Ich konnte deinen Text gur und flüssig lesen, du hast auch die Spannung bis zum Ende gut aufrecht gehalten. Ich fand das Gespräch zwischen Harald und seinem Chef etwas zu Emotionslos. Harald hätte mehr um seine Frau kämpfen können. Auch das Ende kam ein bisschen plötzlich, man weiss nicht was mit Jana und ihrer Tochter zwischendurch passiert ist - da könnte man noch ein bisschen Spannung einbauen.

 

Hallo Saana,

vielen Dank für Deinen Kommentar. Ja, das ist immer so ein Ding. Ich wollte nicht zu sehr ausschweifen und den Text kompakt halten. Mal sehen, was noch weitere Meinungen ergeben. Was mit Jana und ihrer Tochter passiert ist, nachdem sie im Wasser gelandet sind, da denke ich noch mal drüber nach. Ich möchte dem Leser natürlich auch genügend Raum für eigene Gedanken lassen. Aber ich freue mich, dass Dir meine Geschichte erst mal im Grunde gefallen hat.

Viele Grüße
khnebel

 

Hallo khnebel,

ein bisschen viel Text für eine kleine Geschichte. Eigentlich ist ja nichts passiert. Mir sind allerdings einige Dinge unklar. Warum bleibt Jana, die ja Verantwortung für ihr Kind hat, nicht bei der Großmutter. Ich fände es gut, wenn es dafür einen richtigen Grund gäbe. So klingt es für mich einfach bockig.
Aber an sich ist das unterhaltsam erzählt. Was mich aber stört, sind die stets wiederkehrenden Nebensätze, in denen du erklärst. Das muss nicht sein, da könntest du deutlich straffen.
Ich gebe mal ein paar Beispiele:

Jana blickte von ihrer Illustrierten auf, in der sie blätterte.

Jana überlegte, ob sie ihren Ehemann anrufen sollte, der nicht mit zu ihrer Großmutter gefahren war.

Ich glaube, kaum jemand denkt: Ich rufe jetzt meinen Ehemann an. Wohl eher: Ich rufe Harald an. Der zweite Teil erklärt wieder, obwohl das hier sogar klar ist, denn sonst bräuchte sie ihn nicht anrufen.

Sie schaltete die Nebelscheinwerfer ein, um die Straßenmarkierungen besser erkennen zu können.

Ihre Tochter blätterte mit müden Augen in einem Bilderbuch, der Motor surrte leise, sie würde bald eingeschlafen sein.

Das ist zwar kein Nebensatz, aber die Augen würde ich streichen, denn sie blättert garantiert nicht mit den Augen.

Sie nutzte das Navigationsgerät, um sich zu orientieren, wie der Verlauf der Straße war.

Die Scheinwerfer machten Schwemmgut sichtbar, das der Fluss mit sich führte

Und so zieht es sich leider durch den ganzen Text. Du schreibst einen Satz und erklärst sofort, warum das so ist. Das würde ich überdenken und die Sätze anders gestalten. Informationen, die der Leser schon weiß, brauchst du nicht noch mal rausarbeiten. Und Telefone klingen immer plötzlich. Den letzten Satz habe ich leider nicht verstanden, warum jetzt (wo Frau und Kind in Sicherheit sind) noch gespenstischer?

Noch ein Wort zur Perspektive: Ich würde dir vorschlagen personal zu schreiben, das bringt den Leser tiefer in die Geschichte und er kann sich besser einfühlen.

Ich wünsche dir weiterhin viel Freude am Schreiben und einen schönen zweiten Adventsonntagabend.

Liebe Grüße
Paloma

 

Hallo Paloma,

auch Dir danke für Deine Hinweise. Da ist es wieder, mein Problem: Die Erklärungen. Wurde schon in anderen Texten angemerkt, die ich eingestellt habe. Nicht alles, was Du aufgezählt hast, würde ich ändern. Ich möchte auch noch warten, ob noch andere Meinungen dazukommen. Aber Du hast schon recht, das mit dem Ehemann sagt oder denkt wirklich niemand so.
Der letzte Satz ist für mich schon sinnvoll. Wenn meine Frau mit meiner Tochter nur knapp dem Tode entgangen wäre und ich würde das in so einer Situation erfahren, dann könnte ich so fühlen. Außerdem ist diese Geschichte nach einer Schilderung einer Situation während des Hochwassers 2002 entstanden, wobei die Handlung zwar frei erfunden ist, aber eben genau diese Gefühle und dieses Erleben geschildert wurden, die ich versucht habe, zu integrieren. Da kann man sich sicher streiten.
Ich bin wirklich gespannt, was noch an Meinungen dazukommt.

khnebel

 

So, es hat etwas gedauert, aber hier ist meine überarbeitete Fassung. Ich würde mich freuen, wenn Ihr sie euch noch mal anschaut. Danke schon mal im Voraus für's Lesen.

Viele Grüße
khnebel

 

Hallo khnebel!

Ich bin in Kommentierlaune, und da kommt mir dein Text gerade recht. Überarbeitet, aber in der Form noch unkommentiert. Perfekt.

Okay, zuerst zum Formalen: die Anreden in der wörtlichen Rede. Sie und Ihnen schreibt man groß, wenn es als Anrede in der dritten Person benutzt wird. Du, dir, dich wird hingegen klein geschrieben. Ebenfalls klein geschrieben wird "ihr" oder "eure Kleine". Das würde höchstens groß geschrieben, wenn da eine Majestät angesprochen wird, nicht als einfache Mehrzahl.

Die Fahrt durch den Regen: Die kommt bei mir nicht recht an, emotional und bildlich. Ich finde deine Beschreibungen schwach: "Durch den starken Regen konnte sie nur mäßig schnell fahren. Kaum konnte sie sehen, wo genau sie sich befand."
=> Ich würde empfehlen, hier mehr Sinne reinzubringen und detaillierter zu werden. Zum Beispiel das Prasseln des Regens auf dem Autodach. Jana muss sicher die Musik lauter stellen als gewohnt. Beschreibe, dass die Scheibenwischer nicht für klare Sicht sorgen können, obwohl Jana sie bereits auf höchste Stufe gestellt hat. Und wie Janas Hände sich ums Lenkrad krampfen, weil das Auto auf der Straße ins Schwimmen/Schlingern gerät. Solche Sachen, um den Leser mitfiebern zu lassen.

"In Städten sah sie häufig Blaulicht blitzen."
=> Auch hier: Geh näher ran! Warum lässt du nicht einen Streifenwagen oder einen Krankenwagen an ihr vorbeizischen, mit angeschalteter Sirene, so dass das Geräusch Jana und ihrer Tochter (und dem Leser) richtig in die Knochen geht?

"Schlagartig wurde sie von Panik erfasst."
=> Die will ich spüren!

Haralds Chef ist ein Klischee-Bösewicht-Chef. Und Harald? "Mein Kind ist in Gefahr! Keine Sorge, Chef, ich gehe es selbstverständlich erst retten, wenn die Arbeit erledigt ist. Aber Sie müssen schon ein bisschen mit anpacken, Chef." Ein Duckmäuser, er durch seine Untätigkeit sehr unsympathisch rüberkommt.

Das hier ist unklar:
"Der Polizist verneinte. Harald solle die Feuerwehr anrufen und dort nachfragen, oder das Rote Kreuz.
Harald wählte kurzerhand die 110."
=> Die 110 ist doch der Polizei-Notruf. Feuerwehr und Krankenwagen gibt's unter 112. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Polizei ihn so abwimmelt. Das Rote Kreuz? Was hat denn das damit zu tun? Ich denke, die relevanten Stellen müssten alle irgendwie koordiniert sein, für Katastrophenfälle.
=> Ich würde mich in diesem Gespräch darauf beschränken, den Polizisten sagen zu lassen, dass detaillierte Informationen (wie Namen von Opfern) noch nicht verfügbar sind, und sie die ohnehin nicht telefonisch herausgeben dürfen, und dass alle Einsatzfahrzeuge unterwegs sind.

"Doch Harald war kurz davor, durchzudrehen."
"Es war zum Verzweifeln."
=> Show, don't tell. Das ist nicht einfach, ich weiß, aber du solltest es versuchen, um deinen Text ledendig zu machen.

"Wir haben Ihre Tochter und Ihre Frau gefunden." Sie sind "wohlauf".
=> Wie? Das war's?
=> Okay, sorry, nun bin ich megaenttäuscht. Frau fährt mit Kind durch den Regen, Vater macht sich Sorgen, Happy-End. Findest du den Plot nicht ein bisschen flach?

Hier, das hier: "Es sei Rettung in letzter Sekunde gewesen." will ich lesen. Warum erzählst du das nicht aus? Spannung, Gefahr, Emotionen!

Bitte nicht persönlich nehmen; das ist bloß eine Lesermeinung.

Grüße,
Chris

 

Hallo khnebel!

Ich fand die Geschichte gut geschrieben, flüssig zu lesen und in der Tat auch sehr spannend, so wie du es ja "versprichst".
Eine wirklich nette, kleine Geschichte.

Über ein paar Dinge bin ich, wie kann es anders sein, gestolpert. Diese melde ich Dir hiermit zurück.
Ganz grundlegend würde ich an Deiner Stelle versuchen, dem Leser nicht zu viel zu erklären. Zwei Beispiele sind angeführt, du machst das aber auch noch öfter. Trau deinen Lesern mehr zu! :)


Er versuchte, sie zu beruhigen, aber er glaubte seinen eigenen Worten selber nicht. Ihr konnte seine Angst nicht entgangen sein. Sie zitterte am ganzen Leib, musste sich setzen und ihre Tränen zurückhalten.
Zu viel Erklärung.
musste sich setzen und ihre Tränen zurückhalten. Hm. Vielleicht lieber: musste sich setzen, dabei versuchte sie, ihre Tränen zurückzuhalten. bzw. sie versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten?
Oder ganz weg. Das Setzen und Zittern ist doch schon stark genug. Tränen zurückhalten - eine, wenn ich so drüber Nachdenke, "fast schon" Floskel. ;)

Harald wurde sich seiner Lage bewusst:
Kann weg, zu viel Erklärung. Das muss Leser selbst "denken".


nur weil er an seine Privatangelegenheiten dachte
Ist das realistisch?
Der Chef müsste schon ein echtes A...loch sein, um den Protagonisten nicht gehen zu lassen. DAS könnte/müsste dann evtl. schon vorher deutlich werden, finde ich. So ist es fast "unrealistisch". So verhält sich doch kein (normaler) Mensch.
Gut aber ist das "retardierende", da spannungsfördernde an der Szene.


Noch was zur Überschrift. - Ich ahnte "sofort", dass die Geschichte so ausgeht, dass Mutter und Kind in der besagten Scheune gefunden werden.
Würd daher eher einen anderen Titel wählen, da dieser zu viel verrät.


Viele Grüße

Reiki

 

Hallo Chris,

danke für deinen Kommentar nach meiner ersten Überarbeitung.

Okay, zuerst zum Formalen: die Anreden in der wörtlichen Rede.

Hm. Das ist so eine Sache, auf die ich mich nach der neuen Rechtschreibung noch nicht richtig eingelassen habe. Da ist noch alte Gewohnheit drin. Aber nach deinem Kommentar ist das ja auch das kleinste Übel :).

=> Ich würde empfehlen, hier mehr Sinne reinzubringen und detaillierter zu werden. Zum Beispiel das Prasseln des Regens auf dem Autodach. Jana muss sicher die Musik lauter stellen als gewohnt. Beschreibe, dass die Scheibenwischer nicht für klare Sicht sorgen können, obwohl Jana sie bereits auf höchste Stufe gestellt hat. Und wie Janas Hände sich ums Lenkrad krampfen, weil das Auto auf der Straße ins Schwimmen/Schlingern gerät. Solche Sachen, um den Leser mitfiebern zu lassen.

Kann man sicher machen. Aber muss es immer so sein, dass einem der Schweiß aus den Poren kriecht? Da würde ich schon mal weitere Kommentare abwarten, denn Reiki hat ja laut seinem/ihrem Kommentar eine andere Empfindung beim Lesen gehabt. Ich glaube, da kann es auch schnell passieren, dass man zu dick aufträgt. Aber ich behalte es mal im Hinterkopf.

=> Auch hier: Geh näher ran! Warum lässt du nicht einen Streifenwagen oder einen Krankenwagen an ihr vorbeizischen, mit angeschalteter Sirene, so dass das Geräusch Jana und ihrer Tochter (und dem Leser) richtig in die Knochen geht?

Das, was du hier lesen oder empfingen willst, ist nicht meine Intention gewesen. Jana begibt sich in Gefahr. Wenn sie aber so fahren muss, dass sie verkrampft am Lenkrad sitzt, dann würde ich sie vielleicht eher umkehren lassen. Ich lasse ja die Kleine schlafen. Das würde nach deinen Wünschen überhaupt nicht gehen, die müsste kreischen und schon fast kollabieren. Dann müsste aber die Geschichte noch unter Horror gestellt werden.

Haralds Chef ist ein Klischee-Bösewicht-Chef. Und Harald? "Mein Kind ist in Gefahr! Keine Sorge, Chef, ich gehe es selbstverständlich erst retten, wenn die Arbeit erledigt ist. Aber Sie müssen schon ein bisschen mit anpacken, Chef." Ein Duckmäuser, er durch seine Untätigkeit sehr unsympathisch rüberkommt.

Hier gebe ich dir Recht. Das habe ich schon bearbeitet, aber da muss ich noch mal ran.

=> Die 110 ist doch der Polizei-Notruf. Feuerwehr und Krankenwagen gibt's unter 112. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Polizei ihn so abwimmelt. Das Rote Kreuz? Was hat denn das damit zu tun? Ich denke, die relevanten Stellen müssten alle irgendwie koordiniert sein, für Katastrophenfälle.

Da hatte ich schon überlegt, das ganz rauszunehmen. Vielleicht mach ich das auch noch.

=> Okay, sorry, nun bin ich megaenttäuscht.

Tut mir wirklich leid. ;)

Bitte nicht persönlich nehmen;

Ganz bestimmt nicht. :)

Schöne Grüße
khnebel

Hallo Reiki,

auch dir danke fürs Lesen und deinen Kommentar. Und ich freue mich, dass dir meine kleine Geschichte gefällt.

Ganz grundlegend würde ich an Deiner Stelle versuchen, dem Leser nicht zu viel zu erklären.

Da hab ich doch schon ausgedünnt :(. Ich muss mal sehen, ob Erklärungssucht eine Krankheit ist. :)

Der Chef müsste schon ein echtes A...loch sein, um den Protagonisten nicht gehen zu lassen. DAS könnte/müsste dann evtl. schon vorher deutlich werden, finde ich. So ist es fast "unrealistisch". So verhält sich doch kein (normaler) Mensch.

Es ist bestimmt selten, wenn ein Chef Privat vor Katastrophe nicht gelten lässt, aber ausgeschlossen ist es auch nicht. Sicher hab ich hier übertrieben. Du hast dir Gedanken drüber gemacht. Ist das nicht schon ein Ergebnis?

Noch was zur Überschrift. - Ich ahnte "sofort", dass die Geschichte so ausgeht, dass Mutter und Kind in der besagten Scheune gefunden werden.

Da hast du was gelesen, was ich so nicht geschrieben und gemeint habe. Sie befindet sich mit ihrem Auto auf der Straße im Wasser. Den Titel hab ich so gewählt, weil die Scheune auf Grund des Hochwassers der Auslöser ist, dass der Bauer ins Tal fährt. Sonst wäre es schlimm ausgegangen.

Viele Grüße
khnebel

 

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