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Jamal

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28.04.2015
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Jamal

Jamal ist ein dürrer und hochgewachsener Junge, der auf einem kleinen Dorf lebt, abseits der modernen Welt. Er liebt die Behaglichkeit seiner Familie, erfreut sich an dem netten Umgang mit der Nachbarschaft und die spendable Sonne tut ihr übriges: Sein kleines Paradies. Er unterstützt seine Familie, indem er auf dem großen Müllberg des Dorfes Metallreste zusammensucht und den kostbaren Müll bei Eintritt der Dämmerung einem privaten Abnehmer übergibt. Dieser zahlt ihm einige Groschen dafür, genug um sich nicht hungrig in den Schlaf zu quälen. Jamal ist zufrieden mit seinem einfachen Leben. Solange er seinen Beitrag in der Familie leistet, seine kleinen Geschwister lachend umhertoben sieht und sich hin und wieder an einer der wenigen Waschstellen des Dorfes den Dreck vom Leib rubbeln kann, ist alles ok. Warum sollte es auch anders sein? - Ist doch schön, wie es ist.

An einem gewöhnlichen Arbeitstag wird Jamal mit einem ohrenbeteubenden Knall aus seinem erholsamen Schlaf geweckt. Noch begreift er die Situation nicht, zu verzehrt ist das Bild, da seine Sinne nach dem nächtlichen Ruhemodus nur langsam wieder anfangen zu arbeiten. Er reibt sich mit den Händen die Unschärfe aus den Augen, wird wacher, ordnet die fremden Geräusche den Absendern zu und realisiert nun die Gefahr, in die er ungefragt hineingeworfen wurde: Draußen fallen Bomben vom Himmel und die Dorfbewoner schreien fürchterlich um ihr Leben. Jamals Glieder werden steif vor Angst. In seiner Vorstellung durchlief er bereits mehrmals die Treppen nach unten, raus aus der Gefahrenzone, doch er schafft es nicht seine Beine für den ersehnten Sprint zu ermutigen. Nur holprig richtet er sich auf, bezwingt seinen inneren Konflikt und erreicht mit ungeschickten Schritten den Ausgang.

Wo sind seine kleinen Geschwister? Er schaut sich um und ruft panisch nach ihnen:

"Kamila!...Samira!...Amir!".
Keine Antwort...

Auch wenn sie ihm antworten würden, hätten die Todesschreie der Dorfbewohner diese sicherlich übertönt. Vor der Haustür erkennt Jamal nach seinen unerhörten Rufen einen leblosen Körper auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten. In dem Moment verstummt das knistern der brennenden Dächern und die Schreie der Dorfbewohner alle sammt:

"Nein, das kann nicht sein..
bist du das, Ma.."

Er traut sich nicht den Gedanken zuende zu führen, doch er kann nichts daran ändern, sie ist es tatsächlich. Um zu erfahren, dass diese leicht verkohlte Leiche seine Mutter ist, braucht er nicht ihr Gesicht zu sehen; neben ihrer ausgebreiteten Hand liegt seine kleine Schwester daneben, Samira. Seine Mutter hat wohl das hilfloseste Kind von allen retten wollen. Nun sind beide tot.

Nach diesem Anblick überwältigt Jamal ein Gefühl der Hilflosigkeit. Sein junges Gesicht verändert sich zu einem furchterregenden Anblick, stark verzerrt und faltig. Er hält seine Arme vor sein Gesicht, um in der Dunkelheit Schutz und trost zu suchen. Doch dadurch wird es nicht besser. Mit der Hoffnug, dass noch jemand aus der Familie überlebt haben könnte, läuft er nun los. Er sucht und ruft:

"Kamila!...Amir!...Samiraaaarrgh!
Keine Antwort...

Jamal weiß, dass Samira ihm nicht mehr antworten kann. Doch die Gedanken sind noch frisch, die er zu diesem Zeitpunkt erfolgreich verdrängen kann.

Hilflos schlendert er durch das Dorf seiner Kindheit. Sein antriebsloser Gang, die Streifen auf seinen Wangen aus getrocknetem Tränensalz und die leblosen Augen lassen sein Erlebtes nur im Entferntesten erahnen. Nach 2 Tagen hat er einen weiten Weg zurückgelegt, ohne Erfolg. Nun sucht aus dem letzten Überlebensmut Schutz in der Ferne, weit weg von den Flammen. So begibt sich die verlorene Seele auf eine lange und beschwerliche Reise über das Land und Meer.

An seinem Ziel angekommen steht er nun vor einer Schranke, hinter der ein großer Ritter mit einer eindrucksvollen Lanze und einer mächtigen Rüstung steht. Hinter ihm präsentiert sich eine gewaltige Burg mit scheinbar undurchdringlichen Mauern und einer hoffnungsvollen grünen Pracht aus Gräsern und Büschen vor dem Tor, die auf ein unbeschwertes Leben hindeuten. Inmitten der Burg erkennt Jamal ein Leuchtspiel aus emporsteigenden Raketen, die alle samt in eine Richtung davon fliegen. Der hinterlassene Schweif könnte ebenso Jamals Wegbeschreibung von seinem zerbombten Dorf zu dieser Burg darstellen. Als er den Ritter höflich um Einlass bittet, hält dieser ihn als Antwort mit seiner riesigen Lanze auf Distanz.

Danke an BREUER für das eindrucksvolle und inspirierende Bild: https://ueberwachungsbuerger.files.wordpress.com/2011/06/festung_europa_080525_1356.jpg

 

Hi!

Die Idee des sich in eine Traumwelt Fliehenden gefällt mir sehr gut. Super Einfall. Aber mir geht das alles etwas zu schnell. Ich fange vorne an.

Der erste Abschnitt wirkte auf mich etwas aufgesetzt, als hätte man krampfhaft poetische Beschreibungen aus dem Ärmel zu schütteln versucht. Das fand ich etwas unglaubwürdig und beinahe hätte ich nicht zu Ende gelesen.

Den plötzlichen Wechsel im Tempus musste ich dann auch erst kurz einordnen, das hat mich ein wenig aus der Bahn geworfen. Mir gefällt, wie ich in Windeseile in eine neue, erschreckende Szene versetzt werde, da macht es gleich richtig Spaß zu lesen. Aber den Charakter eines kleinen Jungen der noch mitten in einem Angriff philosophische Tendenzen entwickelt wie hier,

Draußen angekommen wandern Jamals Augen prüfend von links nach rechts um zu begreifen, dass nichts mehr so sein wird wie es war.

kaufe ich dir nicht ab. Auch hier und bei der vorrangegangenen Formulierung "Menschen sterben in scharen[sic!]", finde ich alles zu aufgesetzt. Das wirkt auf mich gekünstelt und reißt mich aus der ansonsten spannenden Szene.

Durch den arg zügigen Wechsel hin zu der Phantasievorstellung, zwischen welchem meines Erachtens nach zu dicht gedrängt zu viele Informationen stehen, die aufgrund fehlender Details etwas lieblos und aufgezählt wirken, komme ich gar nicht dazu mich wirklich in die Story hineinzuversetzen.

Ich würde mich freuen eine überarbeitete Fassung zu lesen, die dann auch frei von Flüchtigkeitsfehlern sein könnte :)

Schöne Grüße!

 
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Hallo MAUGLy

MAUGLy schrieb:
Ich freue mich über eure Eindrücke und über sämtliche Verbesserungsvorschläge

Danke!

Bemerkungen zum Text bitte immer in einem separaten Beitrag unter die Geschichte stellen.
Aber eigentlich ist diese Aufforderung unnötig, denn hier freuen sich ALLE ANDEREN auch darüber, was du für einen Eindruck zu ihren Geschichten hast. ;)


So begibt sich die verlorene Seele auf eine lange und beschwerliche Reise über das Land und Meer.
Boah, wie viel Geschichte da doch drinsteckt und du komprimierst sie in einem einzigen, oberflächlichen Satz.

Auch verwendest du zum Teil recht befremdliche Formulierungen:

Umso schwerer fällt es dem kleinen Jungen in dem Moment seine Tränen nicht unterdrücken zu können, als er einen zerrissenen Fleischklumpen ummantelnd mit lodernden Flammen sieht, den er nur weigerlich als seinen Vater wahrnimmt.

Ausserdem finden sich noch ein paar Tippfehler, die den Lesefluss zusätzlich stören, wie zum Beispiel
Noch begreift Jamal die Situation nicht, zu verzehrt ist das Bild, da seine Sinne nach dem nächtlichen Ruhrmodus nur langsam wieder anfangen zu arbeiten.
verzerrt, Ruhemodus, anfängt zu arbeiten

und realisiert nun die Gefahr, in der er ungefragt hineingeworfen wurde:
in die

es sterben Menschen in scharen
in Scharen

Tja, leider konnte dein Text mich nicht überzeugen, zu distanziert und gestelzt wirkt die Sprache auf mich, was meiner Meinung nach der Tragik des Geschehens nicht gerecht wird.

Der hinterlassene Schweif könnte ebenso Jamals Wegbeschreibung von seinem zerbombten Dorf zu dieser Burg darstellen. Als er den Ritter höflich um Einlass bittet, hält dieser ihn als Antwort mit seiner riesigen Lanze auf Distanz.
Und jetzt? Da musst du aber noch tüchtig Fleisch an die Knochen hängen. Bisher ist das mehr so eine Ideenskizze.

Vorschlag: Reisse Jamal noch stärker aus seiner behüteten Welt und mache das Grauen erlebbar, die zerfetzten Körper, überall, stinkendes verkohltes Fleisch, ein Schuh seines Vaters, der Teddy seiner Schwester, Jamal torkelt durch die Ruinen, findet Zuflucht bei einer Familie, die auch ihren Sohn verlor, aber bereits für die Überfahrt einem Schlepper ihre ganzen Ersparnisse überlassen hat, usw.
Erzähle uns die Geschichte von Jamal, und schenke uns ein Ende, ob es gut oder schlecht ausgeht, entscheidest du, aber schenke uns ein stimmiges Ende.

Das wäre mein Verbesserungsvorschlag, ich bin sicher, du machst etwas daraus, denn so unfertig kann der Text hier nicht stehen bleiben.

Liebe Grüsse,
dot

 

Hallo MAUGLy,

ich muss den beiden obigen Kommentatoren leider recht geben. Die Geschichte wirkt schnell herunter gerattert und irgendwie unfertig. Eher so, als sei es nur ein Entwurf für eine Geschichte.

Die sehr poetischen Ausdrücke am Anfang wirken meiner Meinung nach etwas deplatziert, z. B. das hier:

die spendable Sonne, die sich im größten Teil des Jahres als Siegerin im Wettstreit mit der Kälte an dem höchsten Podest des Horizonts stets präsentiert,

Das klingt in meinen Ohren sehr gewollt. Ich meine, schließlich geht es doch um einen kleinen Jungen, da wäre eine einfachere Sprache meiner Meinung nach angebrachter.

Die Szene, in der er durch seine zerbombte Stadt/Nachbarschaft geht, könnte noch viel mehr ausgeschmückt werden. Der Schluss kommt sehr rasch, vor allem aus dem Satz

So begibt sich die verlorene Seele auf eine lange und beschwerliche Reise über das Land und Meer.

könnte man noch etwas mehr machen.

An sich ist die Idee interessant und bietet auf jeden Fall eine Menge guten Stoff für eine Geschichte. Ich bin gespannt, was du daraus machst.

Es grüßt
dreamwalker

 

Hallo MAUGLy

Auch ich schliesse mich den vorherigen Kommentaren an. Was ich dir zusätzlich für die Überarbeitung auf den Weg geben möchte ist folgendes: Zuerst hat man den Eindruck, der Junge lebe wirklich absolut im Paradies:

Er liebte die Behaglichkeit seiner Familie,
. Doch etwas später redest du von seinen schlimmsten Träumen - da bricht dieses Bild schon mal, und später erfährt man von einem recht rabiaten Vater. Stimmt für mich nicht.

Und dann gibt es hier noch einen Perspektivenwechsel:

An einem ebenso wundervollen Morgen wird nun der kleine Junge aus seinem Schlaf geweckt
Da wird plötzlich nicht mehr aus der Sicht des Jungen erzählt, sondern von einem auktorialen Erzähler.

Würde sich lohnen, die Geschichte nochmals zu überarbeiten. :-)

Gruss,
CynthiaGrand

 
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Hallo zusammen,

danke für die Hinweise. CynthiaGrand: Die Kurzgeschichte ist tatsächlich an einigen Stellen sprachlich zu sehr ausgeschmückt und der Widerspruch (Paradies, Albtraum) stört. Ich setze ich mich heute noch mal hin und überarbeite einige Stelle.

Leider habe ich zunehmend das Gefühl, dass die Kritik an manchen Stellen unberechtigt ist.

Hier einige Auszüge aus der Defnition einer "Kurzgeschichte":

- dotslash: "Offener Schluss oder eine Pointe ⇒ Der offene Schluss „zwingt“ den Leser förmlich dazu, über das Geschehen nachzudenken, denn es bleiben noch Fragen übrig – der Leser muss zwischen den Zeilen lesen."
- "Die Aussage des Textes ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich und vieles muss vom Leser durch Lesen zwischen den Zeilen und Verknüpfen von Handlungen erschlossen werden (Eisbergmodell)."
- "Die erzählte Zeit beträgt meist nur wenige Minuten oder Stunden, häufig wird das Geschehen auf wenige Augenblicke, eine exemplarische Situation, ein Bild oder eine Momentaufnahme reduziert."

In der Kurzgeschichte ist der Junge an sich eher uninteressant. Es geht vielmehr um die Situation, die auf ein (aktuelles) Problem hinweist: Flüchtlinge in Europa.

Die Sonne wird deshalb so kitschig ausgeschmückt, sowie seine heile Welt, um zu verdeutlichen, dass ein Flüchtling in seiner Heimat vor der Flucht (häufig) ein schönes und relativ unbeschwertes Leben führte. Zudem möchte ich zwischen den Zeilen verdeutlichen, dass jeder Mensch unter der Sonne gleich ist. Ein Mensch wie Jamal hat sich gewiss nicht freiwillig in ein Land begeben, in dem eine neue Kultur, eine neu zu erlernende Sprache, keine Anerkennerung jeglicher Papiere (Führerschein, Doktortitel, Ausbildung uvm.), Einsamkeit/Isolation uvm. auf ihn warten; dazu kommt noch ein ungewohntes, mildes, Klima. Damit möchte ich den Leser für das Thema sensiblisieren.

Die Burg (mit ihnren gewaltigen Mauern), der Ritter, seine Rüstung, die Lanze und die prachtvolle grüne Vegetation am Ende der Kurgeschichte sind Metaphern.

- Burg: Man spricht heutzutage von der "Festung Europas", da die Grenzen als undurchdringlich gelten - "Die Grenzpolik in Europa ist schlimmer als zur DDR-Zeit" (sagte mal ein Jornalist in einem Interview; genauere Verweise sind leider nicht vorhanden).

- Der Ritter mit seiner Rüstung und Lanze: Die Grenzen Europas.
Sie verdeutlich die extreme! und menschenunwürdige Ausführung der Grenzpolitik. Hier ein interessantes und aufklärendes Video dazu: https://www.youtube.com/watch?v=ZFLkEKQZ-pA

- Die grüne Vegetation: Sie steht symbolisch für die Hoffnung und für neues Leben (vgl. Farbensymbolik Grün)

Zwischen den beiden Szenen läuft Jamal leblos und verzweifelt durch das Trümmerfeld. Damit möchte ich die Fassungslosigkeit und den beschwerlichen Weg eines Flüchtlings verdeutlichen. Ich mein: wie würdet ihr reagieren, wenn genau in diesem Augenblick während ihr diesen Text lest, eine Bombe in euer Haus krachen würde? Diese Vorstellung wollte ich aus einer neutralen Position so "gut" es geht beschreiben.

Das schlimmste Übel kommt zum Schluss:Er steht nun vor der Schranke, möchte in die Sicherheit und wird von den Verursachern des Leidens abgewiesen. Viele Länder Europas finanzieren die Waffen in Kriesengebieten. Daher habe ich den Schweif der Raketen eingebaut, der sich zwischen der Burg und seinem Dorf durchzieht.

Ich hoffe, dass ich euch mit diesem Post nicht eure Interpretaion der Geschichte vorweggenommen habe.

mfg,
Maugly

 

Hallo nochmal

Mich würde nach deinem letzten Kommentar interessieren wie deine Geschichte entstanden ist. Wolltest du über die Flüchtlingssituation in Europa schreiben und ahst dafür Metaphern gesucht, oder hattest du die Szene vor Augen und dir ist währenddessen erst der Zusammenhang aufgefallen?

Für mich sieht es aus als wäre Ersteres der Fall, und ich glaube, dass das der Grund ist, warum deine Geschichte mich persönlich nicht wirklich erreicht hat.

Deine Intention in allen Ehren und mein ernstgemeinter Respekt dass du diese Vorstellung so realisiert hast, aber ich finde: Es liest sich eben nicht gut. Der Text kommt wie auf Stelzen daher und verliert über diesen Stil für mich seine Aussage, weil ich ihn nicht ernst nehmen kann und mich nicht auf den eigentlichen Inhalt fokussieren vermag, weil der Stil mich zwischendurch aus dem Denken reißt.

Du sprichst es weiterhin selbst an:

wie würdet ihr reagieren, wenn genau in diesem Augenblick während ihr diesen Text lest, eine Bombe in euer Haus krachen würde?

Das ist der zweite Punkt, warum der Text in meiner Wahrnehmung scheitert. Ich stelle mir Todesangst vor, Handlungsunfähigkeit und schieres Entsetzen. Stattdessen findet Jamal sich verhältnismäßig schnell mit dem Angriff ab, ja nimmt sogar

mittlerweile die übrigen Aufschläge der Bomben als selbstverständlich war

Das erscheint mir unglaubwürdig.

 
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Donald Dann werde ich mal die komplette Geschichte überarbeiten. Es kränkt mich zu sehr, dass die Ernsthaftigkeit durch den Schreibstil auf der Strecke bleibt :)

mittlerweile die übrigen Aufschläge der Bomben als selbstverständlich

Damit wollte ich den Protagonisten traumatisiert darstellen... wie auch immer, ich probier's mal mit einem 2. Anlauf :)


Mfg,
Maugly

Ergänzung: das Letztere trifft zu. Der Zusammenhang und die Metaphern kamen während des Schreibens. Folgende Karikatur hat mich für den Schluss inspiriert: https://ueberwachungsbuerger.files.wordpress.com/2011/06/festung_europa_080525_1356.jpg

 

Hallo MAUGly!

Zuerst möchte ich anmerken, dass ich in einer Kritik nur meine Meinung dazu äußere, wie eine Geschichte auf mich gewirkt hat, was ich anders machen würde usw. Fachbuchdefinitionen und selbst, was du dir beim Verfassen des Textes gedacht hast, interessieren mich wenig. Ich lese deinen Text, das Endprodukt, und äußere dazu meine Meinung.

So, das alles habe ich nur gesagt, weil ich deine Antworten auf die Kommentare gelesen habe. Du hattest dir ja viel vorgenommen beim Schreiben. (Empfehlung von mir: versuche mal, alles was du an Theorie gelesen hast, zu vergessen, und schreibe eine Geschichte aus dem Bauch heraus.)

Inhaltlich finde ich deine Geschichte interessant und auch ganz gut aufgebaut. Das Ende habe ich nicht als "Abdriften in eine Traumwelt", sondern als Bild/Metapher gelesen, was deiner Intention ja auch entspricht.

So, und nun fange ich am besten wieder am Terxtanfang an.

Deinem Protagonisten Jamal würde ich mehr Leben einhauchen. Du sagst zwar, er wäre nicht wirklich wichtig, aber doch, er ist wichtig! Beim Lesen einer Geschichte braucht der Leser eine Identifikationsfigur, jemanden, mit dem er mitfiebern kann. Jamal hätte alles, was es dazu braucht, wenn dein Text nicht so technisch-kalt rüberkäme.

Im ersten Absatz erzählst du, dass Jamal zufrieden mit seinem Leben ist, dass er sich im Paradies wähnt.
Das wiederspricht sich aber mit Absatz zwei, in dem die Bomben kommen und du erzählst, dass Jamal "In seiner Vorstellung bereits mehrmals die Treppen nach unten, raus aus der Gefahrenzone durchlief". Er weiß also, dass in seiner Gegend Krieg herrscht, dass es ihn und seine Familie jederzeit treffen könnte. Paradies ist was anderes.

Übrigens, "Treppen nach unten", was für Treppen? Du hast von einem Dorf geschrieben und vor meinem geistigen Auge entsteht eben ein Dorf auf dem Land. Was sollen das also für Treppen sein?

Besonders der zweite Absatz strotzt vor technischen, nicht lebendigen Ausdrücken:Nächtlicher Ruhemodus, Unschärfe, er ordnet Geräusche Absendern zu, realisiert, Gefahrenzone, innerer Konflikt. Da fragt man sich als Leser wirklich: schreibst du von Menschen oder von Maschinen?
=> Da muss Leben rein!

Zum Ende:
Das würde ich ausbauen. Du willst doch eine lange, auslaugende, gefahrenreiche Flucht beschreiben, an deren Ende Jamal vor den Toren des Paradieses ankommt, alles Gute vor Augen hat, aber dort abgewiesen wird. Wie dotslash es schon gesagt hat: Handle die "lange und beschwerliche Reise über das Land und Meer" doch nicht in einem Satz ab. Das überliest der Leser ja förmlich.
=> Gib dem Leser was zum Mitfiebern, Mitleiden!

Du hast zuletzt etwas von der "neutralen Position" geschrieben, aus der du erzählen wolltest. Ich denke, du meinst damit sowas wie eine "objektive Erzählperspektive", also wie ein Reporter über jemanden schreiben, ohne in sein Innerstes blicken zu können.
Das ist eine interessante, aber sehr, sehr große Herausforderung. Das machen nichtmal Profiautoren, weil es eben so verdammt schwierig ist. Ausnahme: Dashiell Hammett. Der Malteser Falke, Der gläserne Schlüssel ... Großartige Romane. Trotz der objektiven Erzählperspektie haben sie eine Identifikationsfigur, mit der man mitfiebern kann. Dashiell Hammett war eben ein Meister seines Faches.

Soviel von mir. Bitte nicht persönlich nehmen.

Grüße,
Chris

 
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Liebe MAUGly,

hier ist also die Kurzgeschichte, die du dir vorgenommen hattest. Wenn ich das richtig sehe, ist das auch nicht die erste Version, sondern eine bereits von dir überarbeitete?

Das, was Chris über die Identifikationsfigur gesagt hat, war auch das erste, das mir aufgefallen ist, deshalb an dieser Stelle keine Ausführung mehr von mir dazu (nur der generelle Hinweis).
Auch der Beginn der Geschichte wirkt auf mich sehr hölzern.
Es lebte ein kleiner Junge und so weiter und so fort in einem Dorf und so weiter und so fort ... Er hat einen anderen (und aus unserer hochmütigen westeuropäischen Perspektive als sehr minderwertig einzushätzenden) Lebensstandard, ist aber glücklich. Das wirkt also so dahingeworfen und runtererzählt, dass ich nicht in die Geschichte reinkomme.
Auch wo ich mich befinde - in Afrika? - und unter welchen Umständen? - Ich habe keine Ahnung.
Außerdem kann das Dorf ja nicht so fernab der Zivilisation sein, immerhin hat es einen Schrottplatz und Schrotthändler, die für einen gewissen Kommerz sorgen. Alles nicht sehr stimmig.

Dann auf einmal Krieg? Und auch in die Situation kommt man nicht so rein. Wie bereits vorher angemerkt: Wo kommen die Treppen her?
Außerdem: Jamal wacht morgens auf, richtig? Immerhin ist es ein Arbeitstag und man kann annehmen, dass er da - emsig wie er ist - nicht mitten am Tag schläft. Und wenn Bomben fallen, wird er wohl bei der ERSTEN Bombe aufwachen, doch seine Mutter und seine Geschwister sind schon vorher alle weg? Würde die Mutter nie aufgeregt alle Kinder wecken und aus dem Haus scheuchen?
Oder hat Jamal das alles einfach verschlafen?

Allgemein: Bomben sind teuer. Fliegerbomben und Luftangriffe sind noch teurer. Niemand verschwendet so ein Kriegsmaterial an ein armes, der Zivilisation entrücktes Dorf. Auch nicht in Afrika.
Da läuft es eher so ab: Soldaten fallen ein, bringen die Männer und Greise um, vergewaltigen die Frauen, bringen sie dann meistens auch um oder verschleppen sie und entführen die Kinder, um sie für ihre Miliz zu rekrutieren etc. Das ist ein ziemlich "von Mann zu Mann"-Gemetzel mit viel zwischenmenschlicher Grausamkeit. Eigentlich so, dass wir uns das kaum vorstellen können.

Der Junge läuft dann los - und auf einmal wechselst du von konkret-realistisch zu metaphorisch. Da entsteht bei mir als Leser einfach kein Gefühl der Verbundenheit zu etwas an deiner Geschichte.

Hut ab dafür, dass du dich der Thematik angenommen hast, aber mein Tip: Konzentrier dir mal auf das, was du kennst. ;) Da dürfte inhaltlich mehr rüberkommen, wie ich dich einschätze.
Denn dann kann man auch an deinem Stil arbeiten.

Du hast einen astreinen Wortschatz, an was man da feilen musst ist das Gefühl, wie du all die Worte einsetzt (und manche Redewendungen richtig verwendest, das fiel mir schon in einem Exposé auf). Das ist nicht einfach, ich weiß, damit kämpft jeder Autor.
Du versuchst dich an einem sehr "blumigen" Stil mit vielen ungewöhnlichen Ausdrücken und verfängst dich darin. Probier' dich an einem klareren, unverblümteren Stil zu Beginn, wäre mein Rat.
Ein Beispiel:
"Ruhemodus"
Mein Laptop geht in den Ruhemodus, wenn ich ihn zu lange stehenlasse. Der Schlaf ist übrigens kein "Modus", bei dem man während des Ruhens die ganze Zeit auf dem gleichen (verminderten) Aktivitätslevel ist, sondern ein dynamischer Prozess, bei dem Hirnanteile abwechselnd hochaktiv sind und deine Synapsen mal feuern wir verrückt und dann wieder runterdrehen. (Um mal auf deine Vorliebe für Definitionen einzugehen.)

Wenn du dich an sowas probieren willst, stell's dir erstmal vor. Und dann formuliere kurz und knapp, was du siehst, wenn du dich in so einer Situation wähnst. Bei so etwas helfen auch Recherchen, Erfahrungsberichte Betroffener ... So etwas hilft auch vielen und kann eine Inspiration sein.

Viele Grüße
Tell

P.S. Es ist übrigens auch nicht Usus, seine Lektüre zu rechtfertigen, für gewöhnlich schreibt hier jeder nur, WAS er liest (nicht warum). Und aus "Mein Kampf" allein wirst du wenig über Hitlers Psyche ziehen können, dazu gibt es allerdings sehr gute wissenschaftliche Abhandlungen, die ergibiger sind. ;)

 
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Lieber Tell,

danke für deine konstruktive Kritik. Ich hab etwas gebraucht um zu verstehen was du mit dem "blumigen" Stil und der gefühlslosen Runterzählung der Ereignisse meinst. Jetzt verstehe ich es: ich versuche damit viele Eindrücke vom Protagonisten in wenige Worte zu fassen, zu komprimieren - wahrscheinlich traue ich mich nicht zu sehr ins Detail zu gehen, weil der Teufel in ihm steckt - und versuche mich mit einer Oberflächlichkeit vor Fehlern zu schützen. Doch genau das sollte man vermeiden, um eine Lesefreude zu erzeugen. Diese Einsicht ist mir SEHR wichtig. Ich danke dir und den anderen Usern für diese Erkenntniss. Hoffe, dass ihr auch darauf hinaus wolltet.

mfg,
Maugly

 

Lieber Maugly,

es freut mich, dass ich dir helfen konnte. :) Toll, dass du so hart an die arbeitest und dran bleibst. Ich denke auch, du hast ein gutes Gespür und wirst auch selbst merken, wenn etwas für dich "stimmt".

Freue mich auf deine nächste Geschichte und bin gespannt
Tell

 

Hallo Chris Stone,

sorry für die Verspätung:)

Da fragt man sich als Leser wirklich: schreibst du von Menschen oder von Maschinen?
:D im nachhinein verstehe ich deine Verwirrung.

Ich baue die Geschichte am Wochenende komplett um. Dabei schreibe ich aus einer anderen Erzählperspektive, weg vom auktorialen Erzähler. Ich merke zunehmend, dass mir die personale Erzählperspektive viel mehr liegt. Danke nochmal für genau diesen Hinweis!


mfg,
Maugly

 
Zuletzt bearbeitet:

Nun sucht [er] aus dem letzten Überlebensmut Schutz in der Ferne, weit weg von den Flammen.

Ja, das hastu jetzt davon,

lieber MAUGLy,
dass ich wieder vorbeischau. Aufgrund des Pseudonyms direkt die erste Frage, ob Du Kipling verehrst, und in direkter Folge die zwote, aufgrund der engl. Schreibweise Moglis, ob Du hier in Deiner Muttersprache schreibst. Einen Teil der zwoten Frage folgt aus der ersten, die andere Hälfte aus einem winzigen Zitat

… ist alles ok.
hier (und wo die Liebe hinfällt lieferte ja noch ein Indiz in der Komparativbildung).

Korrekt ist im dt. o. k. / O. K. bzw. okay (okey-dokey wird Jamal auch richtig gut finden und Mogli auch … behaupt ich mal …). Die Abkürzungen ohne Punkt sprechen für den angloamerikanischen Raum. Das würde mir auch die erhebliche Anzahl der Fehler im Text erklären, an die sich - seltsam genug – niemand heranwagt (alle internetgeschädigt).

(Ich geh einfach der Reihe nach vor, ohne jedes Mal zu begründen (dann ist dergleichen oder ähnliches schon vorher geschehn)

… mit einem ohrenbt[ä]ubenden Knall …
(betäuben kommt von taub)

Noch begreift er die Situation nicht, zu verze[r]rt ist das Bild, da seine Sinne …
(verzerren kommt vom Verb zerren, nicht vom verzehren = aufessen; wird zerren dem Schriftbild gemäß kurz ausgesprochen, so zehren gedehnt [’tserən : ’tse:rən ])

Draußen fallen Bomben vom Himmel und die Dorfbewo[h]ner
(Der Bewohner kommt vom Verb wohnen)

…, doch er schafft es nicht[,] seine Beine für den ersehnten Sprint zu ermutigen.
(Ja, da kommt das irrste der dt. Grammatik: Die Kommaregeln, die derzeit für Infinitivgruppen – hier: zu ermutigen – vom Komma grundsätzlich freistellt und zugleich zahlreiche Ausnahmen als Fußfallen bereitstellt mit einer muss-Regelung, weil in diesem Fall der Infinitv vom Substantiv – Beine – abhängt. Mein Tipp:
Vorsichtshalber immer Komma setzen bei Infinitivgruppen mit „zu“. Jetzt kommt was urdeutsches: Ist ja nicht verboten!)
"Kamila!...Samira!...Amir!".
(Warum die Auslassungspunkte? Was wollen sie signalisieren? Eine Atempause? Und der Punkt hinter der wörtl. Rede muss weg, Das letzte Ausrufezeichen ist hier genug Abschluss. Aber grundsätzlich:
Auslassungspunkte signalisieren, dass an den vorhergehenden Wörtern/Namen/Zeichen wenigstens ein Zeichen oder Buchstabe fehle, was ja nicht der Fall ist. Also besser eine Leerstelle zwischen letztem Buchstaben und Auslassungspunkten.) Und gleich nochmals
Keine Antwort...
(da ginge sogar "Antworten", obwohl der Plural für "keine" eine ziemliche Übertreibung wäre)

In dem Moment verstummt das [K]nistern der brennenden Dächern und die Schreie der Dorfbewohner [allesamt]: …
(Durch den Artikel wird in diesem Fall das Verb knistern substantiviert, allesamt kommt kommt nicht vom Verb sammeln, ist aber schon in seinen Anfängen aus alle zusammen zusammengezogen worden zu einem Wort und dabei quasi abgeschliffen worden. Hat also auch nix mit dem Samt zu tun.)

"Nein, das kann nicht sein..
bist du das, Ma.."
(die Bedeutung der zwo Punkte und die Kleinschreibung zu Beginn des zwoten Satzes ist selbst mir nicht klar … und bevor ich ins Grübeln komme, geb ich's einfach zu ...)

Er traut sich nicht den Gedanken zu [E]nde zu führen, …

… neben ihrer ausgebreiteten Hand liegt seine kleine Schwester […], Samira.
(gedoppeltes neben …)

Nach diesem Anblick überwältigt Jamal ein Gefühl der Hilflosigkeit.
(Selbst den meisten hier wird gar nicht aufgefallen sein, dass hier Passiv angesagt ist. Selbst wenn jeder den Satz, wie er hier steht, verstünde, wie er gemeint ist, behauptet er genau das Gegenteil: Jamal wird seine Gefühls Herr – „Jamal überwältigt ein Gefühl …“, überwindet also das Gefühl. Korrekt wäre „Nach diesem Augenblick WURDE Jamal von einem Gefühl der Hilflosigkeit ÜBERWÄLTIGT.“)
Schutz und [T]rost zu suchen.
Mit der Hoffnu[n]g, …
Nach 2 Tagen …
(üblicherweise werden Zahlen bis zwölf ausgeschrieben, also „Nach zwei Tagen …“ Ich schreib auch mal zwo, denn manchmal schreib ich tatsächlich, wie man spricht. Zumindest hier, um nicht die zwei mit der drei akustisch zu verwechseln)

Warum meld ich mich gerade hier zu dieser Geschichte? Weil jeden die Flüchtlingsproblematik angeht, das wichtigste für Asylanten aber ist, die Sprache hier zu lernen, sonst stehen sie spätestens, wenn sie - dann in der Regel schriftlich und auf deutsch -aufgefordert werden, sich eine Wohnung zu suchen mit begrenzten Mitteln. Und wie wird man sich fühlen, auf Pidgin mit einem Vermieter und potentiellen Nachbarn zurechtzukommen? Das zwote ist, ich schreib selten mit Gefühl, sondern immer distanziert. Gefühlsduselei mag im richtigen Leben vorkommen. Probleme erkennt man nicht, wenn man mitten drin steht. Da ist man Teil des Opfers.

So, genug für heute vom

Friedel,
der noch einfach mal behauptet, wird schon werden, Mogli, Du kämst ja auch mit wölfen zurecht!

 

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