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Am Kreuztrichter

Monster-WG
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18.06.2015
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Am Kreuztrichter

Georg steht am Pier und raucht. Als er mich sieht, kommt er mir entgegen und für einen Augenblick befürchte ich, dass er mich umarmen will. Wir geben uns die Hand, seine Augen sind gerötet. Das Boot sei vorbereitet, sagt er. Luja, an den Namen kann ich mich erinnern. Vor Jahren habe ich darauf einen quälend langen Tag verbracht, an dessen Ende meine Mutter mir Après Soleil auf den Nacken schmierte, und ich mir schwor, es niemals wieder zu betreten. Sie schraubte den Deckel auf die Tube und wollte wissen, weshalb ich mich nicht zu ihnen in den Schatten gesetzt habe. Ich sah zu Georg, der im Badeslip unter dem Sonnendach saß, die leicht ergrauten Haare nach hinten gekämmt, die Arme weit ausgebreitet, und zuckte mit den Schultern. Zurück zum Hafen fuhren wir unter Motor, er war zu betrunken, um nach Hause zu segeln. Ich googelte Luja und teilte ihm mit, so heiße auch die neueste Generation von Blasenkathetern.

Er führt mich zu der kleinen Bogenbrücke, auf deren Scheitelpunkt wir den See überblicken, und steckt sich eine weitere Zigarette an. Sein Smartphone vibriert.
«Deine Schwester», sagt er. «Sie sind gleich da.»
«Hat sie einen Neuen?»
«Seit einem halben Jahr, glaube ich.»
Bäume säumen das Ufer, in den Kronen verfängt sich der Morgennebel. Auf einem Pfosten im Wasser steht eine Mittelmeermöwe, früher gab es die Art hier noch nicht. Mit dem roten Fleck auf der Schnabelspitze sieht sie aus, als hätte sie soeben getötet. Der See ist ruhig, in einigen hundert Metern Entfernung wechselt das Wasser die Farbe, von grünlichem Weiß hin zu Perlgrau. Dahinter ragen die Berge meiner Kindheit auf, der Vitznauerstock, die Rigi, die Mythen, der Niederbauen. Die Enge, die ich bei deren Anblick empfand, ist einem interesselosen Wohlgefallen gewichen. Georg raucht in schnellen Zügen, noch nie habe ich ihn so lange schweigen sehen. Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, sind seine Tränensäcke weiter angeschwollen.

Während ich mit leeren Händen gekommen bin, hat meine Schwester einen Rosenstrauß mitgebracht. Ich wundere mich, wie flüchtig sie Georg begrüßt, dann fällt mir ein, dass sie sich in den vergangenen Tagen getroffen haben müssen. Ihr Neuer stellt sich als Reto vor, ich erwidere sein Lächeln.
«Wo ist Meret?», fragt sie mich.
«Sie hat Corona.»
«Ach je. Schlimm?»
«Halsschmerzen, etwas Husten.»
«Hat sie sich isoliert? Hast du dich ebenfalls testen lassen?»
«Selbstverständlich.»
Reto schiebt mit dem Fuß Kies zur Seite. Dann dreht er sich zum Boot. «Luja ist ein toller Name», sagt er zu Georg. «Wie bist du darauf gekommen?»

Vor zwei Wochen habe er Luja auf Vordermann gebracht, sagt Georg, während er meiner Schwester aufs Deck hilft. Sie und Reto setzen sich unter das Sonnensegel, ich mich ihnen gegenüber. Das Gefäß unter dem Tisch ist bloß ein Sektkühler. Er ist mit Eis gefüllt, darin steckt eine Flasche Weißwein. Georg wirft den Motor an.
«Wie geht es dir?», fragt meine Schwester. «Ich meine grundsätzlich.»
«Gut.»
«Arbeitest du noch an deinem Roman? Kommst du vorwärts?»
Nachdem das Buch erschienen ist, habe ich meiner Mutter ein Exemplar geschickt. Ich weiß nicht, ob sie es gelesen hat. Ich weiß nicht, ob es sie verletzt hat. In meiner Hosentasche steckt eine Rezension der Berner Zeitung, die erste und vermutlich auch letzte.
«Ja, ja.» Ich wende mein Gesicht ab.
«Schreibst du schon lange?» Reto wickelt einen Schal um seinen Hals, das Boot hat Fahrt aufgenommen.
«Ja. Aber nicht ernsthaft.»
Die Flanke des Bürgenstocks zieht an uns vorbei. Wo früher Scheunen standen, blitzen die überdimensionierten Fenster weißgetünchter Villen in der Sonne. Weiter oben erblicke ich die St. Jost-Kapelle. Dort liegt mein Vater begraben. Ich kneife die Augen zusammen, erkenne das Kreuz auf dem Turm.
Georg sitzt am Ruder, eine erloschene Zigarette zwischen den Fingern. Er bemerkt, dass ich ihn ansehe, wischt sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und sagt, wir seien bald am Ziel.
«Wie heißt die Stelle noch mal?»
«Kreuztrichter.»

Als er den Motor abstellt, das Boot zur Ruhe kommt, beuge ich mich über die Reling und strecke den Arm aus. Ich möchte wissen, wie warm das Wasser ist. Fast berühren meine Finger die Oberfläche, dann lasse ich es sein. Ich richte mich auf und sehe hinüber zur Nase des Bürgenstocks. Mit zwei Gummibooten sind Lena und ich dorthin gerudert, eines für uns, eines für das Gepäck, und haben ein Zelt aufgeschlagen. Ihre Hand auf meiner Brust lauschten wir den Geräuschen der Nacht. Als wir zurückfuhren, war ich ein Mann geworden, zumindest dachte ich das. Noch immer bilden dort Eibe, Buche und Traubeneiche einen dichten Wald. Über den Wipfeln kreist ein Mäusebussard.
«Hier ist es», sagt Georg. «Von hier siehst du alle vier Arme des Sees, siehst, wo es Wind gibt. Alle Möglichkeiten stehen dir offen. Wenn du Lust hast, fährst du nach Luzern. Dort legst du an und lässt dir in einem piekfeinen Restaurant Forelle blau servieren. Haben wir oft darüber gesprochen, es aber nie gemacht.»
Meine Mutter hat mir ihren Lieblingsort nie verraten. Es ist okay. Es ist gut, dass sie es ihm gesagt hat.
«Das kann sie ja jetzt nachholen», sagt meine Schwester.
«Ja, das kann sie.» Georg verschwindet unter Deck und als er wiederkommt, hält er die Urne in seinen Händen. «Dann wollen wir mal.»
Genauso hätte es auch meine Mutter gesagt. Dann wollen wir mal. Ich unterdrücke ein Lachen. Sachte legt meine Schwester die Rosen in den See, Reto hilft ihr dabei. Georg hebt den Deckel von der Urne. Mit der Hand schützt er die Asche vor dem Wind und sieht uns fragend an.
«Du zuerst», sage ich, merke, dass meine Stimme zittert.
Georg nickt, stellt das Behältnis am Bootsrand ab und taucht die Hand hinein. Als er meine Schwester zusammenzucken sieht, hält er inne. «So will sie es. Sie möchte zerstreut werden, nicht ausgeschüttet», sagt er, zieht die Hand heraus, lässt die Asche ins Wasser rieseln. Nachdem er die Bewegung ein paar Mal wiederholt hat, überreicht er die Urne meiner Schwester, und auch wenn es sie offensichtlich Überwindung kostet, tut sie es ihm schluchzend gleich. Reto hat die Arme von hinten um sie geschlungen. Ich überlege, was ich davon hielte, wenn sie die Asche an ihn weitergäbe, in diesem Augenblick streckt sie mir die Urne entgegen.
Meine Finger gleiten in die Asche. Sie fühlt sich nicht weich an, sondern wie rauer, trockener Sand. Ich balle die Hand zur Faust, Partikel dringen unter meine Fingernägel. Weinend ziehe ich die Hand aus der Urne. Als ich mit vierzig Grad Fieber im Bett lag, pflegte mich Mutter gesund. Wusste ich nicht mehr weiter, verkroch ich mich bei ihr. Sprach ich davon, was mir wichtig ist, unterbrach sie mich, um von ihrer Katze zu erzählen. Nun treibt ihre Asche zwischen den Rosen, sinkt ab, entschwindet.

Wir stoßen mit dem Weißwein an, den sie am liebsten trank.
«Chasselat ist nicht so meins», sagt Georg, nachdem er sein Glas ausgetrunken hat. «Ich hole einen anderen.»
Eine Weile hören wir ihm zu. Er raucht Zigarette um Zigarette, erzählt von Törns auf dem Mittelmeer, von den guten Zeiten, die er mit unserer Mutter verbracht habe, auch in der Kajüte. Meine Schwester legt die Hand auf seine Schulter. Er versteht und wechselt das Thema. Seine Zunge wird schwer, nach der dritten Flasche verfällt er in ein dumpfes Schweigen. Die Rosen sind nicht mehr zu sehen, wir sind ein gutes Stück davon weg getrieben. Die Sonne steht im Zenit, es ist warm geworden. Der Wein hat einen säuerlichen Geschmack in meinem Mund hinterlassen, meine Schläfen pochen. Ich lege mich auf den Bug, presse die Wange gegen das Holz, höre, wie Georg den Motor anwirft.

Auf dem Parkplatz verabschieden wir uns. Meine Schwester gibt mir einen Kuss auf die Wange.
«Hat mich gefreut, dich kennenzulernen», sagt Reto.
Mir wird bewusst, wie sehr er sich im Hintergrund gehalten hat, finde aber keine Worte, mich dafür zu bedanken.
«Wo steht dein Wagen?», fragt Georg, nachdem die beiden losgefahren sind.
«Ich bin mit dem Zug hier.»
«Soll ich dich zum Bahnhof fahren?»
«Ich nehme den Bus.»
«Es war schön», sagt er.
«Finde ich auch.» Ich umarme ihn und als er in sein Auto steigt, hebe ich die Hand zum Gruß.
Von der Bogenbrücke blicke ich noch einmal auf den See. Es ist still, die Berge spiegeln sich im Blau des Wassers. Die Jacke ist mir zu warm geworden. Ich ziehe sie aus und gehe am Ufer entlang. Unter meinen Füßen schwankt der Boden, aber das wird bald wieder besser. Ich folge der Straße, die ins Dorf führt. Es dauert Minuten, bis ich merke, dass ich auf meinen einstigen Schulweg abgebogen bin.

 

Lieber @Peeperkorn, danke für diesen schönen Text! Eine schöne und eigene Stimmung, wie eine gewisse Resignation dem wie auch immer Verpassten oder Vergangenem oder sonstwie Verlorenem gegenüber. Das Verhältnis zur Schwester, die Person der Mutter wird ja eigentlich am Nicht-erzählten, Ausgesparten sichtbar. Hat mir sehr gut gefallen, ich habe auch nur Krimskram anzumerken:

Das letzte Mal sind wir uns an der Beerdigung meines Onkels
bei der Beerdigung?
er sieht aus, als könnte er ihr guttun.
Das fand ich etwas vage. Ich weiß als Leser damit nicht, wie er aussieht. Und es klingt so ein bisschen Großer-Bruder-betulich, so sehe ich den Erzähler gar nicht.
Reto schiebt mit dem Fuß imaginären Kies zur Seite.
Sehr schön & passend zum peinlichen Geschwisterdialog davor. Typische Fremdschämgeste anderen Familien gegenüber.
beschleunigt mein Herzschlag
beschleunigt sich
Fast berühren meine Finger die Oberfläche, dann lasse ich es sein.
Das fand ich sehr schön.
Dass Georg den Lieblingsort meiner Mutter kennt, eine Stelle, die sie mir gegenüber nie erwähnt hat, versetzt mir einen Stich.
An der Stelle (vielleicht saß ich auf der Leitung) weiß ich eigentlich noch nicht, dass sie tot ist, bzw. dass sie zu ihrem Lieblingsort fahren. Ich bin da etwas gestrauchelt. Vielleicht mal die Statistik abwarten, vermutlich verstehen es alle anderen sofort. Sonst vielleicht die Zeit für zwei Sätze nehmen?
Für eine Weile hören wir ihm zu.
Oder einfacher: Eine Weile hören wir ihm zu?

Die Asche mit der Hand zu schöpfen hat mir auch gefallen. In Deutschland ist das ja verboten, da sind die Urnen auch gar nicht für geeignet.

In jedem Fall sehr gern gelesen,
Lieben Gruß
Placidus

 

Lieber @Peeperkorn ,

wie schön, da kann ich mich ja gleich bei einem frischen Text revanchieren.

Ein ruhiger, melancholischer, aber auch tröstlicher Text, der so viele Erfahrungen berührt, die mit dem Tod und Trauern zu tun haben.
Die Szene im Boot, das Schwankende, es wirkt auf mich, als ob sich nach dem Tod der Mutter ein neues Gleichgewicht einstellt, vor allem zwischen dem Erzähler und dem Freund der Mutter, Georg. Die Schwester hat einen neuen Freund, der Erzähler kommt ohne Partnerin, alle sind in neuer Konstellation miteinander. Vor allem fehlt eben die Mutter, man ahnt es irgendwann, dann wird deutlich, dass es um ein Bestattungsritual geht und dass alle in einem Ausnahmezustand sind. Du beschreibst sehr präzise, ruhig, wie alle miteinander umgehen, sich bemühen, dass es gelingt, auch im Sinne der Verstorbenen. Ich erlebe in so Trauersituationen oft so etwas Weiches miteinander, so, dass sich alle ihrer Sterblichkeit und der Sterblichkeit der anderen bewußwerden. Und davon klingt hier auch etwas an, meine ich, zumindest gehe ich da auch mit so einem Gefühl aus dem Text.
Der Erzähler trägt eine Bitterkeit mit sich, auf den Georg, der so unangenehme Seiten hat, auch auf die Mutter, die Kränkungen, die er durch sie erfahren hat. Am Ende habe ich das Gefühl, dass da eine Versöhnung stattgefunden hat und das überwiegt bei mir als Leserin.
Ich habe nur wenig, was mich irritiert, aber vieles, was mir sehr gefällt.

Ich sah zu Georg, der im engen Badeslip unter dem Sonnendach saß, die leicht ergrauten Haare nach hinten gekämmt, die Arme ausgebreitet, und zuckte mit den Schultern. Zurück zum Hafen fuhren wir unter Motor, Georg war zu betrunken, um seine Geliebte nach Hause zu segeln.
Als Sohn "seine Geliebte", hm, und er war ja mit auf dem Boot. Ich denke, dass drückt auch so einen Sarkasmus aus, gegenüber sich dem so männlich gebenden Georg, aber natürlicher fände ich : ... , um uns nach Hause zu segeln.
Ich googelte Luja und teilte ihm mit, so heiße auch die neueste Generation von Blasenkathetern.
Hach, sehr schöner fieser Schachzug. Ich finde so ein Hauch Humor tut so einem Text auch gut.
«Deine Schwester», sagt er. «Sie sollten gleich da sein.»
«Sollten? Hat sie einen Neuen?»
«Seit einem halben Jahr.»
Also das Verhältnis zur Schwester ist offenbar auch sehr distanziert.
Mit ihrem grimmigen Blick und dem roten Fleck auf der Schnabelspitze sieht sie aus, als hätte sie soeben getötet.
Erster Auftritt: Tod. Noch als Phantasie, aber das Thema ist schon platziert.
Der See ist ruhig, in einigen hundert Metern Entfernung verläuft eine dieser magischen Grenzen, das Wasser wechselt die Farbe, von grünlichem Weiß hin zu Perlgrau. Dahinter ragen die Berge meiner Kindheit auf, der Vitznauerstock, die Rigi, die Mythen, der Niederbauen. Die Enge, die ich bei deren Anblick empfand, ist einem interesselosen Wohlgefallen gewichen.
Wunderschön, auch das Thema, Kindheit und Jugend, der Weg seitdem. Aber ich mag allgemein auch diese Landschaftsbeschreibung. Die Geschichte spielt in einer grandiosen Kulisse.
«Hat sie sich isoliert? Hast du dich testen lassen?»
«Selbstverständlich.»
Reto schiebt mit dem Fuß imaginären Kies zur Seite. Dann dreht er sich zum Boot. «Luja ist ein toller Name», sagt er zu Georg. «Wie bist du darauf gekommen?»
Toll gemacht, in wenigen Worten das Verhältnis zur Schwester und seine Klippen charakterisiert und der Reto so bemüht, zu retten. Tolles Gegenstück zum Blasenkatheter
Vor zwei Wochen habe er Luja zusammen mit meiner Mutter auf Vordermann gebracht, sagt Georg, während er meiner Schwester aufs Deck hilft.
Ein bisschen arbeite ich mich doch daran ab, was denn nun eigentlich passiert ist. "Vor zwei Wochen", das spricht für einen plötzlichen Tod und dafür sind mir dann doch alle fast zu abgeklärt. So, wie sie sich verhalten, hätte ich eher mit einem schon erwarteten Tod gerechnet. Oder sie sind eher wie betäubt.
Als ich unter dem Tisch ein Gefäß erspähe, beschleunigt mein Herzschlag. Es ist bloß ein Sektkühler.
Schön gemacht, man versteht das erst später.
Ich weiß nicht, ob sie es gelesen hat. Ich weiß nicht, ob es sie verletzt hat.
Und da brodelt es doch.
«Du schreibst?» Reto wickelt einen Schal um seinen Hals, das Boot hat Fahrt aufgenommen.
«Nicht ernsthaft.»
Das kommt mir vor wie eine reflexhafte Antwort, die spiegelt, wie wenig ernst die Mutter das Schreiben genommen hat.
Ich möchte wissen, wie warm das Wasser ist, auch wenn es natürlich keine Rolle spielt.
Auch so etwas. Das Wissen, dass die Tote nichts mehr fühlen kann ist im Kopf, aber nicht im Bauch.
Mit zwei Gummibooten ruderten Lena und ich dorthin, eines für uns, eines für das Gepäck, und schlugen ein Zelt auf. Sie war meine erste Liebe. Als wir zurückfuhren, war ich ein Mann geworden, zumindest dachte ich das. Noch immer bilden dort Eibe, Buche und Traubeneiche einen dichten Wald. Über den Wipfeln kreist ein Mäusebussard.
Hier plädiere ich mal für Weglassen, denn das zeigt sich im folgenden Satz. ;)
Haben wir oft darüber gesprochen, es aber nie gemacht.»
Ja, auch so etwas allgemein Menschliches.
«Hier ist es», sagt Georg. «Von hier siehst du alle vier Arme des Sees, siehst, wo es Wind gibt. Alle Möglichkeiten stehen dir offen.
Das ist natürlich ein unheimlich starkes Bild für dass, was auch der Tod eröffnet, neue Möglichkeiten.
«Dann wollen wir mal.»
Ich unterdrücke ein Lachen. Dann wollen wir mal. Genauso hätte es auch meine Mutter gesagt.
Schön.
Ich balle die Hand zur Faust, Partikel dringen unter meine Fingernägel. Was ich tue, ist nicht symbolisch, es ist ein physischer Akt, roh und zärtlich.
Auch sehr berührend.
Wenn ich von mir sprach, unterbrach mich Mutter, um von ihrer Katze zu erzählen. Ihren Freunden sagte sie, dass ich Psychologie studiere, das Wort Philosophie wollte sie sich nicht merken. Ein Leben lang hatte sie die falschen Männer an ihrer Seite. Ich öffne die Faust und die Asche rinnt zwischen meinen Fingern hindurch. Wenn ich nicht mehr weiterwusste, verkroch ich mich bei ihr. Als ich mit vierzig Grad Fieber im Bett lag, pflegte sie mich gesund. Sie brachte mich zur Welt. Nun treibt ihre Asche zwischen den Rosen, sinkt ab, entschwindet.
Ganz starke Stelle, wo einem auch die Macht eines Rituals bewusst wird.
Den Weißwein, den sie am liebsten trank, verteilen wir auf vier große Plastikbecher.
«Chasselat ist nicht so meins», sagt Georg, nachdem er seinen Becher ausgetrunken hat. «Ich hole einen anderen.»
Noch alles im Sinne der Toten, aber schon gibt es kleine Bewegungen zum eigenen Leben zurückzukehren.
Mir wird bewusst, wie sehr er sich im Hintergrund gehalten hat, finde aber keine Worte, mich dafür zu bedanken.
Ja, Reto ist in der Geschichte der absolute Sympathieträger. Gut, so jemanden dabei zu haben.
«Es war schön», sagt er. Seine Augen werden feucht.
Und sie umarmen sich jetzt. Ich finde das schön, aber auch gut, dass er sich dann löst, nicht mitfährt, sonst wäre es doch zu schön.
Ich folge der Straße, die ins Dorf führt, wo ich auf meinen einstigen Schulweg einbiege. Es dauert Minuten, bis ich merke, dass ich nicht zur Bushaltestelle unterwegs bin.
Das finde ich ein tolles Ende. Schön offen.
Steckt da noch einmal die Trauer, die Sehnsucht nach der Kindheit? Er ist ja, im Gegensatz zur Schwester sehr gefasst, wie gefangen gewesen. Und nun eine kleine Fehlleistung. Das ist hier für mich das Gegenstück zu dem Satz. "Die Enge, die ich bei deren Anblick empfand, ist einem interesselosen Wohlgefallen gewichen." Sein Körper trägt ihn nun "zurück", als gäbe es da noch etwas für ihn von Interesse.

Das sind so meine Gedanken. Ich habe das sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße von Chutney

 

Lieber @Peeperkorn ,
nachdem Du in letzter Zeit hier so wunderbar aktiv warst, hoffte ich schon länger auf einen Geschichte von Dir. Vielen Dank, ich glaube, hier habe ich heute einiges gelernt.
Ich bin nach wie vor nicht gut im Zusammenfassen, daher hangle ich an den Zitaten entlang.

Hier ist ganz viel erzählt, ohne es zu benennen, finde ich sehr gut gemacht. Ich habe nur Kleinigkeiten rauszitiert:

Après Soleil auf den Nacken schmierte, und ich mir schwor, es niemals wieder zu betreten.
Ein Ministrauchler, weil ich kurz den Bezug zu dem niemals wieder betreten überdenken musste.

Georg, der im engen Badeslip unter dem Sonnendach saß, die leicht ergrauten Haare nach hinten gekämmt,
Ja, hier geht es schon los. Er mag den Georg nicht unbedingt, ich sehe auch einen Typen vor mir, der mir als Jugendlicher nix gewesen wäre. Und das benennen mit Vornamen klärt gleich, das es sich wahrscheinlich nicht um den Vater handelt.

Ich googelte Luja und teilte ihm mit, so heiße auch die neueste Generation von Blasenkathetern.
Haha - netter Seitenhieb. Ja, das ist nicht unbedingt Liebe :-)

Sein Smartphone vibriert.
«Deine Schwester», sagt er. «Sie sollten gleich da sein.»
«Sollten? Hat sie einen Neuen?»
«Seit einem halben Jahr.»
Hier war mein erster Gedanke, dass hier doch der Vater steht, aber das klärt sich dann relativ schnell. Vielleicht habe ich auch einen Hinweis auf Georg überlesen?

Schwacher Geruch von Tang dringt in meine Nase. Das Ufer ist von Bäumen gesäumt,
ich gebe es zu - ich bin bei Wortwiederholungen recht empfindlich (was sich leider nicht unbedingt in meinen eigenen Texten niederschlägt :-(

Georg raucht in schnellen Zügen, noch nie habe ich ihn so lange schweigen sehen.
Ich stutze jedes Mal bei solchen Konstruktionen. Entweder ist es hohe Kunst (und ich ein Banause) oder mein Gefühl stolpert über das Mischen von nicht zueinandergehörenden Tätigkeiten: rauchen, schweigen, sehen - da springt mein Kopfkino einfach nur hin und her.

Nach dem Essen rief er die Bedienung, als wäre sie eine Hörige, mit donnernder Stimme, quer durch den Saal, und verlangte nach einer weiteren Flasche Wein.
Ah! Fremdschämen! Und ein bisschen auf ihn runterschauen.

«Luja ist ein toller Name», sagt er zu Georg. «Wie bist du darauf gekommen?»
Grins! Schön wieder aufgenommen.

Die Sonne hat sich durchgesetzt.
Wie auch alle anderen Mäkeleien ist es pingelig oder auf hohem Niveau gemeckert. Aber ich habe echt hochgescrollt, ob ich was überlesen habe. Als Leserin habe ich mir ja ein Bild gemacht, und wenn der Autor nichts vorgibt, halt ein eigenes. Bei mir schien die Sonne! Und dann machst Du mit dem Satz mein Bild kaputt - Neuorientierung.

Nachdem das Buch erschienen ist, habe ich meiner Mutter ein Exemplar geschickt. Ich weiß nicht, ob sie es gelesen hat. Ich weiß nicht, ob es sie verletzt hat.
Oh! Leider auch kein gutes Verhältnis zur Mutter. Und sogar etwas autobiografisch verarbeitet, ja, das kann schief gehen. Aber es ist sein Leben ...
Nett auch, die Tiefstapelei dem Typen gegenüber, zeugt von Übung auf dem Gebiet.

Tränen rinnen über seine Wangen. Er bemerkt, dass ich ihn ansehe, wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht und sagt, wir seien bald am Ziel.
Ja, hier war mein Verdacht endgültig klar, ich habe vergessen die Stelle zu zitieren, ab wann ich den Tod/die Beerdigung geahnt habe. Hole ich am Ende nach.

Ich möchte wissen, wie warm das Wasser ist, auch wenn es natürlich keine Rolle spielt.
Komisch, aber das geht mir sogar bei der Erde auf dem Friedhof so. Habe ich schon häufig beobachtet, feines Detail.

Dass Georg den Lieblingsort meiner Mutter kennt, eine Stelle, die sie mir gegenüber nie erwähnt hat, versetzt mir einen Stich.
Ja, da glauben die Kinder, das sie auf ewig der Lebensmittelpunkt sind. Wäre eine spannende Erzählweise, eine Geschichte aus Sicht des Kindes und der Mutter parallel - da liegen Welten zwischen.

Als er meine Schwester zusammenzucken sieht, hält er inne. «So will sie es. Sie möchte zerstreut werden, nicht ausgeschüttet», sagt er, zieht die Hand heraus, lässt die Asche ins Wasser rieseln.
Schöne Stelle! Offensichtlich hatten die Beiden Zeit und auch den Mut über den Tod und das danach zu reden.

Was ich tue, ist nicht symbolisch, es ist ein physischer Akt, roh und zärtlich.
Die Erkenntnis ist toll. Ich überlege nur, ob ich ihm dieses total Reflektierte in dieser Situation wirklich abnehme. Daher würde es mir etwa abgeschwächter, also nicht als Feststellung besser gefallen (ich weiß, ist kein Wunschkonzert)

Wenn ich von mir sprach, unterbrach mich Mutter, um von ihrer Katze zu erzählen. Ihren Freunden sagte sie, dass ich Psychologie studiere, das Wort Philosophie wollte sie sich nicht merken. Ein Leben lang hatte sie die falschen Männer an ihrer Seite.
Schön seine Erinnerungen, die weniger positiven ...

Wenn ich nicht mehr weiterwusste, verkroch ich mich bei ihr.
... wie auch die typisch Kindlichen.

Den Weißwein, den sie am liebsten trank, verteilen wir auf vier große Plastikbecher.
Ne! Sie hat den Platz ausgewählt, und sich um den Unterschied von reinkippen und verstreuen gesorgt. So eine Frau kriegt wenigsten einfache Gläser/Becher.
Oder einen Hinweis, das sie die Becher gehasst hat?

von den guten Zeiten, die er mit unserer Mutter verbracht habe, auch in der Kajüte.
Schön, ihn reden lassen, aber wenn es den Kindern zu intim wird bremsen. Lässt Du sie ja sogar ganz lieb tun. Aus Sicht unserer Kinder tun wir sowas doch gar nicht mehr ...

«Es war schön», sagt er. Seine Augen werden feucht.
Oh! Er hätte sich mehr Nähe gewünscht?

Es dauert Minuten, bis ich merke, dass ich nicht zur Bushaltestelle unterwegs bin.
Ja, und auch hier ist das Kapitel noch nicht abgeschlossen, aber das wird einen andere Geschichte.
Schönes Familienbild in einer sehr speziellen Situation. Mochte ich wirklich gerne.

Hier noch kurz die Rückmeldung zur Toten Mutter (ich hatte Placidus Kommentar erst nach meinem zitieren gelesen)

Als er mich sieht, kommt er mir entgegen und für einen Augenblick befürchte ich, dass er mich umarmen will.
Hier habe ich die Mutter absolut vermisst und überlegt, was der Grund ist!
Als ich unter dem Tisch ein Gefäß erspähe, beschleunigt mein Herzschlag.
Und hier war es klar.

Dir einen angenehmen Abend, ich hoffe, Du bleibst so aktiv, bis ich es endlich mit meiner Romanidee aus dem Keller schaffe.
Liebe Grüße
greenwitch

 

Hallo @Peeperkorn,

zuerst mal Textstellen, über die ich gestolpert bin:

Sie schraubte den Deckel auf die Tube und wollte wissen, weshalb ich mich partout nicht habe in den Schatten setzen wollen
Vielleicht kann man das etwas schlichter ausdrücken, ohne Inhalt zu verlieren?

Deine Schwester», sagt er. «Sie sollten gleich da sein.»
«Sollten? Hat sie einen Neuen?»
Ich sehe keinen Bezug von "sollten" zu der Tatsache, dass sie einen "Neuen" haben könnte. Erwartet habe ich so etwas wie 'Warum? Gabs Stau?'.

Ich erwidere sein Lächeln, er sieht aus, als könnte er ihr guttun.

Das finde ich etwas gewagt - von einem kurzen optischen Eindruck wird auf das Wesen des Mannes geschlossen.


Das letzte Mal sind wir uns an der Beerdigung meines Onkels begegnet.

Wenn du es örtlich meinst, muss es 'bei' heißen, ist vielleicht etwas geläufiger, als die zeitbezogene Variante ('auf der Beerdigung' geht auch, erinnert mich - ganz subjektiv - aber immer an Party ;) ).

Zum Text:

Mir gefällt die rhythmisierende Erzählweise, die Wechsel der Perspektive, zum Beispiel hier:

auf deren Scheitelpunkt wir den See überblicken
Überblick.
Schwacher Geruch von Tang dringt in meine Nase.
Eindruck aus näherer Umgebung.
Das Ufer ist von Bäumen gesäumt, in deren Kronen sich der Morgennebel verfängt.
Betrachtungen, weiter weg.
Dahinter ragen die Berge meiner Kindheit auf,
Ferne.
Ein Hupen verkündet die Ankunft meiner Schwester
Verlassen der Umgebungsbeschreibung, das personenbezogene Geschehen vor den Augen des Protagonisten wird entwickelt.

Diese Erzählweise bringt Abwechslung in den ruhigen, letztlich von Simmungen getragenen, eigentlich ereignislosen Text. Wenn dein Anliegen mit diesem Text darin besteht, so eine Gefühlswelt zu kreieren, dann ist das recht gut gelungen.

So gut das auch gemacht ist, besteht hierin auch der Schwachpunkt der Geschichte. Sie verlässt sich ganz auf recht bekannte Bilder der Emotionsbildung. Heimelige Natur, alte Erinnerungen, Trauer. Es gibt keinen Input in diese althergebrachte, alttägliche Welt die für einen neuen Gesichtspunkt, einen neuen Blick auf das Geschehen sorgt. Es fehlt das Überraschende, wenigsten eine kleine 'Kante' (ich hoffe, man kann verstehen, was ich meine :D). Ein ganz klein wenig kam das, was ich vermisse bei der 'Buchautorenszene' zum Vorschein - für einen Moment dachte ich, 'da entwickelt sich jetzt was'.

Soweit die beiden Aspekte, die mir aufgefallen sind,

beste Grüße,

Woltochinon

 

Liebe @Placidus

danke für diesen schönen Text!
Und danke dir für den schönen Erstkommentar. Hat mich sehr gefreut, so schnell eine Rückmeldung zu erhalten ...
Das Verhältnis zur Schwester, die Person der Mutter wird ja eigentlich am Nicht-erzählten, Ausgesparten sichtbar.
... vor allem auch zu diesem Punkt. Cool, dass dir das gefallen hat.
bei der Beerdigung?
Ach, im Schweizerdeutschen sagen wir stets "an". Ich zumindest. Hab's geändert.
Das fand ich etwas vage. Ich weiß als Leser damit nicht, wie er aussieht. Und es klingt so ein bisschen Großer-Bruder-betulich, so sehe ich den Erzähler gar nicht.
Ist raus, danke für den Hinweis!
An der Stelle (vielleicht saß ich auf der Leitung) weiß ich eigentlich noch nicht, dass sie tot ist, bzw. dass sie zu ihrem Lieblingsort fahren. Ich bin da etwas gestrauchelt. Vielleicht mal die Statistik abwarten, vermutlich verstehen es alle anderen sofort. Sonst vielleicht die Zeit für zwei Sätze nehmen?
Ja, da war ich mir nicht sicher, aber dann dachte ich, die Stelle würde ja auch passen, wenn die Mutter noch lebte. Ich denke da mal noch drüber nach.

Vielen lieben Dank für deinen Kommentar!

Liebe @Chutney

Als Sohn "seine Geliebte", hm, und er war ja mit auf dem Boot.
Ah, das war ein bisschen risky. Gemeint war eigentlich das Boot, nicht die Mutter (oder nur in der Zweitbedetung). Aber das kapiert ja niemand! Ich hab's gekickt.
Erster Auftritt: Tod. Noch als Phantasie, aber das Thema ist schon platziert.
Schön zu lesen!
in bisschen arbeite ich mich doch daran ab, was denn nun eigentlich passiert ist. "Vor zwei Wochen", das spricht für einen plötzlichen Tod und dafür sind mir dann doch alle fast zu abgeklärt.
Guter Punkt. Das wäre Denkenergie verschwendet, wenn man da nachgrübeln müsste. Ich habe die Mutter also aus dem Satz rausgenommen.
Hier plädiere ich mal für Weglassen, denn das zeigt sich im folgenden Satz.
Klar doch!
Ganz starke Stelle, wo einem auch die Macht eines Rituals bewusst wird.
Das freut mich sehr, auch dass du andere Stellen genannt hast, die dich überzeugt haben. Hier hatte und habe ich Angst, dass das etwas drüber sein könnte.
Und nun eine kleine Fehlleistung. Das ist hier für mich das Gegenstück zu dem Satz. "Die Enge, die ich bei deren Anblick empfand, ist einem interesselosen Wohlgefallen gewichen." Sein Körper trägt ihn nun "zurück", als gäbe es da noch etwas für ihn von Interesse.
Oh, sehr schön, wie du das gelesen hast. Überhaupt hat mich sehr berührt, wie nahe du dem Text und dem Ich-Erzähler gekommen bist. Ist kein Text mit echtem Plot, auch keiner, in dem ich mich neu erfunden habe, eher ein Stoff, den ich mit ein paar Jahren Abstand endlich fiktionalisieren konnte.

Hab vielen Dank für deinen Kommentar.

Lieber Gruss euch beiden!
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Peeperkorn,
ich mag solche retrospektiven Texte, denen haftet ja oft so eine bestimmte Stimmung an. Am Anfang wusste ich nicht, was es mit Georg auf sich hat und das wird ja auch nicht geklärt, was denn nun eigentlich auf diesem Boot an diesem quälend langen Nachmittag passiert ist. Ich weiß natürlich am Ende, bzw nach dem zweiten lesen, immer noch nicht, was es mit Georg auf sich hat, aber ich bin davon abgerückt, dass es etwas "schlimmes" oder "dramatisches" gar "traumatisches" ist. Es stehen oft heftige Dinge in Texten und dabei vermisse ich manchmal das kleine und leise Leiden, dass es auch gibt und darum will ich vielleicht einfach, dass es so ist, also dass da nichts "Schlimmes" war an diesem Nachmittag, aber zum anderen lese ich das natürlich auch ein Stück weit aus deinem Text heraus bzw finde ich keinen Anhalt für "Traumatisches" (außer meine Leseerfahrung).

Für mich gab es so zwei, drei zentrale Punkte im Text. Das war einmal das hier:

Weiter oben erblicke ich die St. Jost-Kapelle. Dort liegt mein Vater begraben. Ich kneife die Augen zusammen, erkenne das Kreuz auf dem Turm.
Der Vater hat genau diesen einen Satz. Ja, vielleicht, weil er in dieser Geschichte nichts zu suchen hat, aber nein, das glaube ich nicht, denn es ist doch eine Geschichte über das Leben in einer Familie. Also ich glaube, das hat was zu bedeuten, dass der Vater nur diesen einen Satz hat, was genau, keine Ahnung, aber ich kann das so hinnehmen.

Als wir zurückfuhren, war ich ein Mann geworden, zumindest dachte ich das. Noch immer bilden dort Eibe, Buche und Traubeneiche einen dichten Wald. Über den Wipfeln kreist ein Mäusebussard.
Und das hier ist möglicherweise was sehr persönliches für mich. Ich finde es immer wieder ganz seltsam dorthin zu fahren, wo ich aufgewachsen bin ... alles ist so krass eingebettet in Erinnerungen, gleichzeitig gibt es so viele Veränderungen ... das wabert da die ganze Zeit mit ...

Georg verschwindet unter Deck und als er wiederkommt, hält er die Urne in seinen Händen. «Dann wollen wir mal.»
Ich unterdrücke ein Lachen.
Ja, das war lustig. Ich musste auch lachen. Tut dem Text gut, auch mal zu lachen ...

Wenn ich von mir sprach, unterbrach mich Mutter, um von ihrer Katze zu erzählen. Ihren Freunden sagte sie, dass ich Psychologie studiere, das Wort Philosophie wollte sie sich nicht merken. Ein Leben lang hatte sie die falschen Männer an ihrer Seite. Ich öffne die Faust und die Asche rinnt zwischen meinen Fingern hindurch. Wenn ich nicht mehr weiterwusste, verkroch ich mich bei ihr. Als ich mit vierzig Grad Fieber im Bett lag, pflegte sie mich gesund. Sie brachte mich zur Welt.
Und das ist so der zweite zentrale Punkt, wo er beim Verstreuen der Asche, seine Mutter auf diese fünf Sätze runterbricht. Sie brachte mich zur Welt. Keine Ahnung wieso, das ist für mich so mit das Schlimmste, was man über (s)eine Mutter sagen kann, vielleicht weil es immer wahr ist, weil es auf jede Mutter zutrifft. Und ich finde das ganz fürchterlich traurig, dass er das bei den positiven Aufzählungen sagt. Bei den falschen Männern denke ich an den Vater, war das auch einer der falschen Männer? Oder kamen die erst danach?

Ich umarme ihn und als er in sein Auto steigt, hebe ich die Hand zum Gruß.
Ich freue mich über das versöhnliche Ende, die Umarmung. Ich glaube sogar für mich könnte hier Schluss sein oder beim Blick auf den See, ich bräuchte nicht noch die Öffnung, dass er nicht zum Bus geht, aber tut auch nicht weh.

Klar, der Text lässt unglaublich viele Leerstellen, die der Leser auch nicht füllen kann (also zumindest nicht auf Basis des Textes, mit eigenen Gedanken natürlich schon) und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn nicht noch lieber mögen würde, wenn er noch ein wenig mehr erzählen würde, zumindest den Vater noch anreißen würde, zumindest wann der gestorben ist. In meiner Fantasie war Georg zunächst kurz nach dem Tod des Vaters da und dass es darum auch (neben dem Alkoholkonsum) dem Ich schwer fällt, den zu mögen. Aber dann stand da ja auch, dass sie immer die falschen Männer an ihrer Seite hatte (was ja den Vater dann einschließt) und eben auch mehr als nur diese zwei Männer. Ich kann das hinnehmen, aber ja, lieber wäre mir schon, wenn ich da etwas mehr wüsste. Aber ist sicher Geschmackssache. Auf jeden Fall hab ich den Text gerne gelesen.

Viele Grüße
Katta

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @greenwitch

Ein Ministrauchler, weil ich kurz den Bezug zu dem niemals wieder betreten überdenken musste.
Verstehe ich und habe lange überlegt, ob ich "Boot" noch einmal schreiben sollte. Dann aber dachte ich, vielleicht gibt es Leser:innen, die empfindlich sind, was Wortwiederholungen angeht. ;)
ich gebe es zu - ich bin bei Wortwiederholungen recht empfindlich (was sich leider nicht unbedingt in meinen eigenen Texten niederschlägt :-(
"von" - "von", guter Hinweis! Ich habe das umgestellt.
Ich stutze jedes Mal bei solchen Konstruktionen. Entweder ist es hohe Kunst (und ich ein Banause) oder mein Gefühl stolpert über das Mischen von nicht zueinandergehörenden Tätigkeiten: rauchen, schweigen, sehen - da springt mein Kopfkino einfach nur hin und her.
Spannende Rückmeldung. Für mich ergibt das ein einheitliches Bild: Zwei Männer stehen auf der Brücke und schweigen. Der eine raucht, der andere sieht ihm dabei zu. Aber ich verstehe, was du meinst, drei Verben auf so kurzer Strecke.
Wie auch alle anderen Mäkeleien ist es pingelig oder auf hohem Niveau gemeckert. Aber ich habe echt hochgescrollt, ob ich was überlesen habe. Als Leserin habe ich mir ja ein Bild gemacht, und wenn der Autor nichts vorgibt, halt ein eigenes. Bei mir schien die Sonne! Und dann machst Du mit dem Satz mein Bild kaputt - Neuorientierung.
Der Morgennebel, der in den Baumkronen hing! Jetzt ist er verschwunden. So habe ich mir das gedacht.
Ja, hier war mein Verdacht endgültig klar, ich habe vergessen die Stelle zu zitieren, ab wann ich den Tod/die Beerdigung geahnt habe.
Ich habe mir überlegt, ob es einen bestimmten Zeitpunkt geben soll, an dem das klar wird, und kam zum Ergebnis: Nein. Wichtig war für mich nur, zu Beginn nicht zu viel zu verraten, auf der anderen Seite auch keine künstliche Spannung zu erzeugen. Ich wollte das so natürlich wie möglich erzählen.
Die Erkenntnis ist toll. Ich überlege nur, ob ich ihm dieses total Reflektierte in dieser Situation wirklich abnehme. Daher würde es mir etwa abgeschwächter, also nicht als Feststellung besser gefallen (ich weiß, ist kein Wunschkonzert)
Das finde ich einen enorm spannenden Punkt und habe damit gerechnet, dass dieser Satz zum Thema wird. Wie lesen wir Texte im Ich-Präsens? Die eine Art, ist sie so zu lesen, dass man dem Ich-Erzähler dabei über die Schulter schaut, wie er die Dinge gerade jetzt erlebt. Da wird jede Reflexion zum Problem. Die andere Art, sie zu lesen, ist, dass man sagt, hey, das kann ja gar nicht sein, dass der gleichzeitig eine Geschichte erlebt und sie erzählt. Präsens ist dann einfach eine Erzählform, die grössere Unmittelbarkeit schafft, die Lücke zwischen Erleben und Erzählen aber niemals aufheben kann. Unter diesen Bedingungen hat auch mal eine Reflexion Platz. Ich lese Ich-Präsens eher auf diese zweite Art. Aber ich verstehe es total, wenn du hier sagst: Moment mal, das kaufe ich nicht!
Dir einen angenehmen Abend, ich hoffe, Du bleibst so aktiv, bis ich es endlich mit meiner Romanidee aus dem Keller schaffe.
Ach, das ist alles sehr fragil. Ich bin vor allem wieder aktiv geworden, um nicht ins Loch zu fallen, das sich nach (vorläufigem) Abschluss eines grösseren Projekts aufzutun pflegt. Mein aktueller Plan ist, keinem Plan zu folgen. Ich weiss nicht, was ich heute schreiben werde. Ob ich heute schreiben werde. In gewisser Hinsicht habe ich im letzten Jahr zwar recht viel gelitten (ich bin nur sehr langsam vorangekommen), die Zeit aber auch genossen, weil ich einfach nur schreiben konnte, ohne mir gross zu überlegen, ob das - oder auch andere Texte - überzeugend ist oder nicht. Die Hilfe hier im Forum ist natürlich grandios, aber für mich ist die Auseinandersetzung hier immer auch eine zwiespältige Sache. Auf alle Fälle wünsche ich dir viel Erfolg bei deinem Romanprojekt und freue mich, wenn die Idee die Kellertreppe findet und ans Tageslicht kommt.

Hab ganz lieben Dank für diesen Kommentar, liebe greenwitch, ich habe mich riesig darüber gefreut!

Hallo @Woltochinon

Danke dir sehr für diesen guten Kommentar, der mir hilft, noch etwas mehr Abstand zum Text zu gewinnen.

Vielleicht kann man das etwas schlichter ausdrücken, ohne Inhalt zu verlieren?
Mit dem Satz habe ich mich echt herumgequält und habe das jetzt vereinfacht. Allerdings ging dabei schon Inhalt verloren, denn die ursprüngliche Variante impliziert halt, dass der Ich-Erzähler nicht nur sich nicht in den Schatten gesetzt hat, sondern auch aufgefordert wurde, sich in den Schatten zu setzen. Oh, schon wieder ein wenig schlichter Satz!
Ich sehe keinen Bezug von "sollten" zu der Tatsache, dass sie einen "Neuen" haben könnte. Erwartet habe ich so etwas wie 'Warum? Gabs Stau?'.
"sollten" im Plural statt "sollte" im Singular. Daraus leitet sich die Frage ab.
Das finde ich etwas gewagt - von einem kurzen optischen Eindruck wird auf das Wesen des Mannes geschlossen.
Ja, ich habe das vorerst gestrichen, auch wenn "gewagt" ja nicht nur negative Konnotationen hat. Vielleicht füge ich dann noch einen etwas weniger gewagten Satz ein.
Wenn du es örtlich meinst, muss es 'bei' heißen
Wir Schweizer haben es schwer. :D
Diese Erzählweise bringt Abwechslung in den ruhigen, letztlich von Simmungen getragenen, eigentlich ereignislosen Text. Wenn dein Anliegen mit diesem Text darin besteht, so eine Gefühlswelt zu kreieren, dann ist das recht gut gelungen.
Ja, das war die Absicht. Ein Text, vor allem für mich geschrieben, auch wenn ich ihn hier zur Diskussion stelle.
Sie verlässt sich ganz auf recht bekannte Bilder der Emotionsbildung. Heimelige Natur, alte Erinnerungen, Trauer.
Hm. Ich verstehe, was du meinst, aber die Flughöhe scheint mir da nicht recht zu passen. Trauer, alte Erinnerungen, Natur sind keine Bilder, sondern Themen. Diese Themen werden in sehr vielen Texten bearbeitet, das kann man denen m.E. nicht zum Vorwurf machen. Liebe, Sex und Tod und das hast sieben Achtel der Literatur abgedeckt. Ich dachte eigentlich, dass ich diese Themen mit nicht gar so abgegriffenen Bildern (z.B. Griff in die Asche) bearbeitet hätte. Auch wollte ich das Thema "Trauer" auf eine doch besondere Weise angehen, statt auf den eigentlichen Prozess eher auf Ambivalenzen bedacht, hinsichtlich der Mutter, aber auch hinsichtlich Georgs und der Situation im Ganzen.
Ich gebe dir allerdings recht, dass ich mich verlassen habe. Darauf, dass ein passabler Text entsteht, wenn man es einigermassen hinkriegt, diese Stimmung zu generieren und dazu greift man eben auf Landschaftsbeschreibungen zurück, auf Erinnerungen und kleine Gesten, knappe Dialoge.
Es fehlt das Überraschende, wenigsten eine kleine 'Kante'
Für mich ist das Überraschende das Hineingreifen in die Asche. Mehr lag nicht in meiner Absicht, das hätte für mich den Fokus des Textes verwässert. Dass man als Leser da mehr erwartet, dass dieses Fehlen einer Kante den Text schwächer erscheinen lässt, verstehe ich allerdings gut, vielleicht hätte ich das auch so kommentiert, wenn ich im Forum auf einen solchen Text gestossen wäre.

Vielen Dank dafür, dass du dich mit dem Text auseinandergesetzt hast!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Katta

Vielen Dank, dass du den Text kommentiert und deine Gedanken dazu dagelassen hast. Das war anregend und hat mir Freude bereitet!

Ich weiß natürlich am Ende, bzw nach dem zweiten lesen, immer noch nicht, was es mit Georg auf sich hat, aber ich bin davon abgerückt, dass es etwas "schlimmes" oder "dramatisches" gar "traumatisches" ist. Es stehen oft heftige Dinge in Texten und dabei vermisse ich manchmal das kleine und leise Leiden, dass es auch gibt und darum will ich vielleicht einfach, dass es so ist, also dass da nichts "Schlimmes" war an diesem Nachmittag
Sehr spannend, ich habe zu keinem Zeitpunkt an was Schlimmes gedacht, war aber schon gespannt, ob die weit ausgebreiteten Arme und der Alkohol ausreichen, um im ersten Abschnitt zu begründen, weshalb der Erzähler Georg nicht mag. Daher habe ich noch die Szene bei der Beerdigung des Onkels geschrieben. Und ja, müsste man mal statistisch auswerten, aber ich denke, im Forum geht es im Schnitt schon krasser zu als sonst in der Literatur, so aus der Hüfte geschossen. Ich mag inzwischen die leisen Töne lieber, aber es würde mich auch nicht überraschen, wenn in meinem nächsten Text wieder Tod und Verwesung herrschen. :D
Also ich glaube, das hat was zu bedeuten, dass der Vater nur diesen einen Satz hat, was genau, keine Ahnung, aber ich kann das so hinnehmen.
Guter Punkt. Ich wollte den Erzähler zunächst darüber nachdenken lassen, ob es eine Linie zwischen der Kapelle und dem Kreuztrichter gibt, ob Mutter und Vater sich gegenseitig sehen können. Dann dachte ich, ne, das lenkt ab, es geht nur um die Mutter. Den Satz habe ich dringelassen, das ist der verarbeitete Tod, da gibt es nichts mehr darüber zu schreiben. Mehr dazu weiter unten.
Sie brachte mich zur Welt. Keine Ahnung wieso, das ist für mich so mit das Schlimmste, was man über (s)eine Mutter sagen kann, vielleicht weil es immer wahr ist, weil es auf jede Mutter zutrifft. Und ich finde das ganz fürchterlich traurig, dass er das bei den positiven Aufzählungen sagt. Bei den falschen Männern denke ich an den Vater, war das auch einer der falschen Männer? Oder kamen die erst danach?
Spannend. In den letzten Jahren ist die Familienethik innerhalb der Philosophie als Disziplin praktisch neu entstanden. Welche Pflichten haben wir gegenüber unseren Verwandten? Zentral: Welche Pflichten haben wir gegenüber unseren Eltern? Eine prominente Antwort lautet: Keine. Vor allem keine Pflichten aus Dankbarkeit. Und schon gar keine aus Dankbarkeit, dass sie uns zur Welt gebracht haben. Wir konnten da nicht mitreden, die hätten jedes andere Kind auch genommen, das war ihr Projekt und nicht unseres. Ich finde das plausibel und dazu passt ein Stück weit auch deine Aussage. Und dennoch: Ich verdanke meinen Eltern meine Existenz, dieses "verdanke" ist rational betrachtet vielleicht der falsche Ausdruck, dennoch ist mir das schon zwei, drei Mal durch den Kopf, oder eben eher durchs Herz gegangen, und darum kam es auf die positive Liste. Da spielt es dann auch keine Rolle, ob das für jede Mutter gilt, es geht ja in emotionaler Hinsicht nur um den Erzähler und seine Mutter. Finde deine Lesart aber spannender, da gibt es noch eine Ambivalenz innerhalb der Ambivalenz. :)
Ich glaube sogar für mich könnte hier Schluss sein oder beim Blick auf den See, ich bräuchte nicht noch die Öffnung, dass er nicht zum Bus geht, aber tut auch nicht weh.
Habe ich mir überlegt, aber im Sinne von Krise - Klimax - Konsequenz wollte ich noch kurz zeigen, was der Tag mit dem Erzähler gemacht hat. Allerdings kann man ja auch die Umarmung als Konsequenz lesen.
In meiner Fantasie war Georg zunächst kurz nach dem Tod des Vaters da und dass es darum auch (neben dem Alkoholkonsum) dem Ich schwer fällt, den zu mögen. Aber dann stand da ja auch, dass sie immer die falschen Männer an ihrer Seite hatte (was ja den Vater dann einschließt) und eben auch mehr als nur diese zwei Männer. Ich kann das hinnehmen, aber ja, lieber wäre mir schon, wenn ich da etwas mehr wüsste. Aber ist sicher Geschmackssache.
Finde ich auch spannend, daran habe ich nicht gedacht, weil für mich die Verhältnisse klar waren, Georg kommt erst Jahre nach dem Vater. Und ich dachte, mit: Alle Männer waren die falschen, werde ausgeschlossen, dass der Erzähler Georg hasst, weil er den Vater liebt, plump ausgedrückt. Aber ja, da hängt viel an wenigen Worten und diese Worte machen nochmal ein eigenes Fass auf. Tatsächlich vielleicht noch etwas mehr oder dann den Vater ganz weg. Muss ich noch drüber nachdenken.

Ganz liebe Grüsse, es war mir eine Freude
Peeperkorn

 
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Hallo @Henry K.

Danke dir sehr für deinen Kommentar. Der ist eine Art respektvoller Tritt in den Arsch und Nahrung für den Buckligen, der stets hinter mir steht und flüstert: "Wer schreiben will, muss auch etwas zu erzählen haben!" Entgegen deiner Vermutung kann ich also sehr viel mit deinen Ausführungen anfangen.

Die Mittelschicht hat's schwer in der Literatur. Deren Probleme sind altbekannt und nicht so richtig echt. Ein bisschen Kränkung, ein bisschen Kälte. Die Figuren anämisch und verzärtelt im Vergleich zu den malochenden Männern mit ihren staubgefüllten Lungen, in Whisky eingelegten Lebern und den grossen Herzen.
Dabei wollte ich gar keinen Text über die Mittelschicht schreiben. Texte sind ja immer Gesprächsangebote. Ich schreibe: Mutter, Asche, Heimkehr und du liest: Segelboot, Weisswein, Stöckelschuhe. Das hat nicht geklappt, gelinde gesagt, und das liegt halt schon auch am Text, weil diese drei Begriffe nun mal drin stehen. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, stört dich ja auch nicht die Tatsache, dass der Text in diesem Milieu spielt, sondern die Verhaltenheit der Figuren. Du wünschst dir den Ausbruch, mich hat die Ambivalenz gereizt.
Spannend wäre jetzt auf alle Fälle, die Konstellation auszuerzählen, zu verdeutlichen, dass der Weisswein und das Segelboot von Georg in die Familie hineingebracht wurden und die Schwester versucht, auf Stöckelschuhen dieser Familie zu entfliehen. Das wäre interessant, wären die Figuren nicht so langweilig. Wenn ich mir überlege, ob ich noch was aus dem Text machen will, was Grösseres oder so, dann ist die Antwort: Nein. Der musste mal geschrieben werden, aber der hat wenig Potential, das sehe ich und da kann ich deine Sichtweise gut nachvollziehen. Die geht ja auch in die Richtung von @Woltochinon, dem zumindest eine Kante fehlt, ja der Text ist schon sehr gesetzt, wie du schreibst.

Zum Aufbau. Das ist ein Text, dem man die Finger aufs Handgelenk legen muss, um zu schauen, ob er überhaupt Puls hat. Im besten Fall entsteht daraus eine Berührung, so habe ich es mir erhofft und bei einigen Leser:innen scheint das auch geklappt zu haben. Dafür muss man natürlich die Handschuhe ausziehen. Da macht es der Text dem Leser nicht einfach, ich sehe den Punkt. Er baut ein Geheimnis auf, das gar keines ist. Meine Idee war, mit dem Erzähler in die Situation reinzugehen und der Erzähler denkt ja nicht, ah, heute streuen wir die Asche meiner Mutter in den See, sondern der beobachtet und nimmt die Stimmung auf. Ich fand das recht natürlich. Interessant aber, dass ich mal noch eine Stelle drin hatte, recht früh, wo Georgs gerötete Augen erwähnt werden. Die habe ich dann wieder rausgenommen, und das ist tatsächlich ein künstlicher Eingriff gewesen. Ich habe die Stelle jetzt wieder eingefügt, immerhin. Ein erklärender Einsteig, der die Sachlage fixiert, wäre mir zu grob für diese Art von Text. Aber ich nehme deine Rückmeldung gerne mit für die Zukunft. Ja, die feinen und gedämpften Töne, die ich mir vorgenommen habe. Das muss man vielleicht auch vor dem Hintergrund meiner früheren Texte sehen, wo die Protas ständig gestorben sind, wo auch häufig Themen wie Missbrauch, Gewalt etc. verhandelt werden. Ich hoffe daher schon, nicht ganz anämisch zu werden, danke für den Hinweis.

bei einem fleissigen Kommentierer wie dir, der selbst nur selten eigene Stories hier einstellt
Da trügt vielleicht der Schein, ich habe fast die Hälfte meiner Texte wieder löschen lassen (müssen) und das waren vor allem solche, die sehr viele Kommentare erhalten haben. Geblieben sind die ersten Gehversuche und einiges an Ausschuss. Insofern stehe ich noch immer unter dem Eindruck, hier im Forum mehr bekommen als gegeben zu haben.

Vielen Dank fürs Reinschauen, es hat mich gefreut!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Peeperkorn, dein Text hat mich berührt. Die oberflächlich 'leichten' Beschreibungen, die hintergründig so viel verraten über die 5 Personen der Geschichte, dazu die passenden Naturbeschreibungen.

Zurück zum Hafen fuhren wir unter Motor, Georg war zu betrunken, um nach Hause zu segeln. Ich googelte Luja und teilte ihm mit, so heiße auch die neueste Generation von Blasenkathetern.
Man sieht förmlich den genervten, neunmalklugen Teenager vor sich, der dem neuen Partner seiner Mutter eins auswischen will.
«Das kann sie ja jetzt nachholen», sagt meine Schwester.
Das ist der eine Satz, den ich nicht so passend finde. Nachholen? Als Asche im See?
Was ich tue, ist nicht symbolisch, es ist ein physischer Akt, roh und zärtlich.
Danach die Erwähnung seiner zwiespältigen Erfahrungen mit seiner Mutter - be- und ergreifend, wie sich das in anderer Weise beim Griff in die Urne ausdrückt.
Es dauert Minuten, bis ich merke, dass ich nicht zur Bushaltestelle unterwegs bin.
Da geht es dem Leser ähnlich, man bleibt in Gedanken hängen an dem, was geschildert wurde. Und hofft, dass diese Begegnung mit der Schwester, dem Stiefvater doch irgendwie zu einem Kontakt auch in der Zukunft führt.

Viele Grüße Eva

 

Hallo @Eva Luise Groh

Vielen Dank für deine Rückmeldung!

dein Text hat mich berührt. Die oberflächlich 'leichten' Beschreibungen, die hintergründig so viel verraten über die 5 Personen der Geschichte, dazu die passenden Naturbeschreibungen.
Das freut mich, so war es gedacht.
Das ist der eine Satz, den ich nicht so passend finde. Nachholen? Als Asche im See?
Das sollte so eine Art Scherz sein, der aber vielleicht auch eine spirituelle Hoffnung ausdrückt. Ich meine, das ganze Ritual ist ja unnütz, wenn man es von einem atheistisch-materialistischen Standpunkt betrachtet. Es ist egal, wo die Asche zu liegen kommt. Wenn man das aber wichtig findet, dann ist es kein allzugrosser Schritt mehr hin zum zitierten Gedanken.
Da geht es dem Leser ähnlich, man bleibt in Gedanken hängen an dem, was geschildert wurde.
Cool. Ich habe mir überlegt, ob es diesen Schluss noch braucht, dieses Ausklingen. Ich finde es manchmal gar nicht schlecht, wenn die Leser:innen noch etwas Zeit bekommen, auch wenn die eigentliche Geschichte schon fertig ist.

Hallo @Henry K.

Danke fürs nochmalige Reinschauen

Ausserdem hat die Mittelschicht ja per se ein Problem in meinen Augen: Ihr fehlt das Körperlich-Unmittelbare der "Unterschicht" ebenso wie das Zynisch-Dekadente der "Oberschicht" (alle diese Pauschalisierungen sind natürlich mit der gebührenden Vorsicht zu lesen).
Und auch in Sachen Grundmotivation ist die Mitte am schwierigsten dran. Ich habe da mal für mich die These aufgestellt, dass die Mitte von Natur aus am wenigsten Drive hat:
Ja, das ist gut auf den Punkt gebracht, weshalb es recht schwierig ist, gute Texte zu schreiben, die in diesem Milieu spielen.
Die Story schildert zwar viele Naturelemente, aber mir ist aufgefallen, dass die Figuren keinen Kontakt dazu und untereinander aufnehmen:
Das war das Konzept. Er kommt zurück in die Landschaft seiner Kindheit, kann aber lediglich einen ästhetischen Kontakt dazu aufehmen ("interesseloses Wohlgefallen"), keinen physischen oder emotionalen. Das ändert sich allenfalls erst am Ende, wenn er sich nun doch noch auf die Suche macht.
Seine Schwester umarmt er nicht, dem Neuen gibt er nicht die Hand.
Guter Punkt. Das war einerseits eine handwerkliche Frage, muss ich jetzt wirklich jeden Handschlag erwähnen? Andererseits ist ja Lockdown (oder zumindest eine heikle Phase) und da ist es gut möglich, dass Reto und der Erzähler sich tatsächlich nicht die Hand geben.
Aber man erbt als Leser irgendwie die allgemeine Verkrampfung und Beklommenheit der Figuren, was zumindest bei mir dazu führt, dass ich mich abwenden will
Ja, das ist ein Text, den man in gewisser Hinsicht aushalten muss.
Die Erzählsituation ist in meinen Augen alles andere als natürlich. Man erzählt doch immer rückblickend und dann leitet man doch wie gesagt damit ein, wo man war und was grob passiert ist.
Ich meinte: Natürlich innerhalb der Erzählsituation: Das Erleben wird unmittelbar zum Ausdruck gebracht, das Gegenüber, dem erzählt wird, bleibt ausgeblendet und darum braucht es nicht zwingend eine Einordnung. Ich-Präsens ist allerdings per se eine unnnatürliche Erzählsituation, da gebe ich dir recht. Ich verwende sie inzwischen recht selten. Aber sie hat halt schon ihren Reiz.

Danke dir für deine Überlegungen!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Ich meine, das ganze Ritual ist ja unnütz, wenn man es von einem atheistisch-materialistischen Standpunkt betrachtet. Es ist egal, wo die Asche zu liegen kommt. Wenn man das aber wichtig findet, dann ist es kein allzugrosser Schritt mehr hin zum zitierten Gedanken.
Moin, lieber @Peeperkorn ,

äh nee, aber wirklich nicht. Trauerrituale haben ja nichts mit den Verstorbenen zu tun, sondern mit den Lebenden: Ein Weg, mit dem Schmerz umzugehen. Solche ritualisierten Tätigkeiten lenken ab, ohne aber - da sie ja teils ganz direkt mit den Toten bzw. ihren Überresten zu tun haben - eine simple Verdrängung zu fahren. Es sind die ersten Schritte auf dem Weg, eben ohne die verstorbene Person weiterzuexistieren.

Daher ist es wichtig, und ohne wirklich jeden Gedanken ans Paranormale (Götter, Teufel, Einhörner oder Weihnachtsmänner).

Oder ganz knapp gesagt mit Ricky Gervais: “Remember, when you are dead, you do not know you are dead. It is only painful for others. The same applies when you are stupid.”
(Das soll selbstverständlich kein Seitenhieb auf irgendjemanden sein, es ist einfach so schön deutlich!)

Alles Liebe,
Katla

 
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Hey @Katla

Aber klar doch, hatte mir überlegt, ob ich das dazuschreiben soll, und es wohl auch tun sollen, ich habe es gerade noch mal gelesen, und sehe, dass ich mich unglücklich ausgedrückt habe. Ich habe das - ausgehend vom Kontext - nur auf die "Perspektive" der verstorbenen Person gemünzt und wollte gerade darauf hinaus, dass es darum nicht geht und man im Kontext solcher Rituale manchmal Dinge sagt, die man gar nicht glaubt.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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An den Namen des Bootes kann ich mich erinnern.
Moin Peter,

ich finde solche Beginne etwas verfänglich, ich mache das auch sehr oft, aber mir ist in der letzten Zeit aufgefallen, dass man durch solche Einstiege direkt den Sepia-Filter einschaltet. Boot, Erinnerung, offensichtlich Vergangenheit. Das bewirkt eine gewisse Erwartungshaltung beim Leser, die entweder erfüllt oder nicht befriedigt wird. Man kann argumentieren und sagen, dass dies sowieso IMMER so ist bei einem Text, aber ich persönlich denke ein, ich sage mal: flacher Einstieg, der nichts verspricht aber auch nicht enttäuscht, wäre vielleicht leichter für den Leser.

Vor Jahren verbrachte ich darauf einen quälend langen Tag, an dessen Ende meine Mutter mir Après Soleil auf den Nacken schmierte, und ich mir schwor, es niemals wieder zu betreten. Sie schraubte den Deckel auf die Tube und wollte wissen, weshalb ich mich nicht zu ihnen in den Schatten gesetzt habe.
Es ist auch so, dass diese spezfische Erinnerung wesentlich expliziter ist, als dieser Bootsname. Warum sollte er sich genau an diesen Satz seiner Mutter erinnern: dass es Apres Soleil war und dass sie von ihm wissen will, warum er sich nicht in den Schatten gesetzt hat? Das ist in der Gegensätzlichkeit halt sehr krass: An den Bootsnamen erinnert sich wahrscheinlich jeder Zweite, aber an SOLCHE Dinge eher nicht. Das ist auch schon eine Charakterisierung. Der Boot ist die Örtlichkeit, aber die erste emotionale Begegnung habe ich mit der Mutter, sie berührt ihn, spricht mit ihm, und genau daran erinnert er sich. Da sind schon zwei Marker im Text, das Boot und die Mutter, ich würde mich hier für die Mutter entscheiden, denn sie erscheint mir tiefer, wichtiger, elementarer.

Ich sah zu Georg, der im engen Badeslip unter dem Sonnendach saß, die leicht ergrauten Haare nach hinten gekämmt, die Arme ausgebreitet, und zuckte mit den Schultern. Zurück zum Hafen fuhren wir unter Motor, Georg war zu betrunken, um nach Hause zu segeln. Ich googelte Luja und teilte ihm mit, so heiße auch die neueste Generation von Blasenkathetern.
Das habe ich nicht so richtig mitgeschnitten beim ersten Lesen; ich dachte, das wäre noch ein Teil der Vergangenheit, aber das ist ein Fragment aus der Gegenwart. Du hast im ersten Absatz direkt drei Objekte jetzt, Boot, Mutter, Georg.

Ganz grundsätzliche Überlegung: eventuell in den Präsens wechseln. "Ich googele Luja und teile ihm mit, so heißt auch die ..." das bekommt, wie ich finde, direkt etwas Gegenwärtiges, Dynamisches.

«Deine Schwester», sagt er. «Sie sollten gleich da sein.»
«Sollten? Hat sie einen Neuen?»
«Seit einem halben Jahr.»
Da würde ich den Leser selber drauf kommen lassen. Und die Antwort: weiß er das so genau? Sagt er nicht eher: Ich weiß nicht, ich glaub, seit einem halben Jahr oder so?
Schwacher Geruch von Tang dringt in meine Nase. Bäume säumen das Ufer, in deren Kronen sich der Morgennebel verfängt. Auf einem Pfosten im Wasser steht eine Mittelmeermöwe, früher gab es die Art hier noch nicht. Mit ihrem grimmigen Blick und dem roten Fleck auf der Schnabelspitze sieht sie aus, als hätte sie soeben getötet. Der See ist ruhig, in einigen hundert Metern Entfernung verläuft eine dieser magischen Grenzen, das Wasser wechselt die Farbe, von grünlichem Weiß hin zu Perlgrau. Dahinter ragen die Berge meiner Kindheit auf, der Vitznauerstock, die Rigi, die Mythen, der Niederbauen. Die Enge, die ich bei deren Anblick empfand, ist einem interesselosen Wohlgefallen gewichen
Ich würde mich für den Vogel entscheiden, denn da steckt alles drin. Direkt nach dem Dialog dieses unfassbar starke Bilde, der Vogel, der so aussieht, als habe er so eben getötet. Grimmig würde ich streichen, oder? Es wirkt auch so schon sehr stark, das Bild, grimmig unterstreicht es doppelt. Dann die Grenze, eine zweite Entscheidung; was er beschreibt, wie das Wasser die Farbe wechselt, das sieht er ja mit Kinderaugen: ich würde das magisch streichen, denn es wird klar, WAS für eine Erinnerung das ist. Es kommt ja auch noch danach die Berge der Kindheit auf - da wäre ich vorsichtig. Der letzte Satz, wo die Enge mit dem aktuellen, gegenwärtigen Gefühl gekoppelt wird, da steckt ja eine zeitliche Entwicklung drin; das ist die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsenenleben. Lieber den Text an der Stelle etwas mehr atmen lassen, denke ich, es sind wieder viele Objekte vorhanden, für die dir wichtigen würde ich eine Entscheidung fällen.

Georg raucht in schnellen Zügen, noch nie habe ich ihn so lange schweigen sehen. Das letzte Mal sind wir uns bei der Beerdigung meines Onkels begegnet. Nach dem Essen rief er die Bedienung, als wäre sie eine Hörige, mit donnernder Stimme, quer durch den Saal, und verlangte nach einer weiteren Flasche Wein.

Ich würde so rausgehen. Das zusammengekoppelt, da trieft die aktuelle Situation, das Gefühl zwischen den beiden für mich nur so aus den Zeilen. Da braucht es kein Wort mehr. Du machst hier auch die Tür zu einem Resonanzraum auf, die du dann nicht mehr so ganz zubekommst.
Ein Hupen verkündet die Ankunft meiner Schwester. Sie trägt Schuhe mit hohen Absätzen, eine mintgrüne Jacke und einen Rosenstrauß auf den Armen, während ich mit leeren Händen gekommen bin. Ich wundere mich, wie flüchtig sie Georg begrüßt, dann fällt mir ein, dass sie sich in den vergangenen Tagen getroffen haben müssen. Ihr Neuer stellt sich als Reto vor, ich erwidere sein Lächeln.
«Wo ist Meret?», fragt sie mich.
«Sie hat Corona.»
«Ach je. Schlimm?»
«Halsschmerzen, etwas Husten.»
«Hat sie sich isoliert? Hast du dich testen lassen?»
«Selbstverständlich.»
Reto schiebt mit dem Fuß imaginären Kies zur Seite. Dann dreht er sich zum Boot. «Luja ist ein toller Name», sagt er zu Georg. «Wie bist du darauf gekommen?»
Wichtig ist, dass sie den Rosenstrauß trägt und er nichts, oder? Mich lenkt dann die Beschreibung der Kleidung etc ab. Warum achtet er auf so was? Da machst du wieder diese altbekannte Tür auf: Wenn er jetzt darauf achtet, macht er das immer so, und wenn nicht, warum nicht oder warum gerade jetzt und sonst nicht?
Reto, geiler Name.
Sie müsste ja fragen: Hast AUCH du dich testen lassen?, oder? So ein bißchen paternalistisch auch, als müsste man ihm das vorkauen.
Reto und der imaginäre Kies ... imaginär ist so ein Wort, ähnlich wie magisch, dass ich nicht so passend finde für den Text, da ist alles schon expressiv, da sind viele toller Bilder drin, die Natur, da wirkt das für auf mich überbetont.
«Luja ist ein toller Name», sagt Reto zu Georg. «Wie bist du darauf gekommen?»
Nur eine Idee.

Die Sonne hat sich durchgesetzt. Das Boot wirkt aufgeräumt, die Reling glänzt. Vor zwei Wochen habe er Luja auf Vordermann gebracht, sagt Georg, während er meiner Schwester aufs Deck hilft. Sie und Reto setzen sich unter das Sonnensegel, ich mich ihnen gegenüber. Als ich unter dem Tisch ein Gefäß erspähe, beschleunigt sich mein Herzschlag. Es ist bloß ein Sektkühler. Er ist mit Eis gefüllt, darin steckt eine Flasche Weißwein. Georg wirft den Motor an.

Da wäre der Anschluss zur Szene vorher besser, oder?
Das Gefäß ist ja ein Hint. Er verwechselt das ja. Ich würde das auch so hinschreiben: Das Gefäß unter dem Tisch ist nur ein Sektkühler. Mein Puls beruhigt sich. Das Erspähen wirkt so, als sondiere er die ganze Zeit die Gegend. Macht er das? Nee, oder? Er sieht das Objekt und denkt das Eine, dann würde die Geschichte eventuell einen ganz anderen Verlauf nehmen, aber nein, für den Leser ist das ja so etwas wie ein retardierendes Momentum, es ist eben NICHT das Objekt, sondern nur ein Sektkühler. Er weiss aber, da kommt noch was, DAS ist eventuell der Kern der Geschichte, dieses einen Objekt.

«Du schreibst?» Reto wickelt einen Schal um seinen Hals, das Boot hat Fahrt aufgenommen.
«Nicht ernsthaft.»
Sie sind ein halbes Jahr zusammen, Reto müsste das wissen. Er müsste fragen: Schreibst du ernsthaft? Und er dann so: Hmm ...

Georg sitzt am Ruder, eine erloschene Zigarette zwischen den Fingern. Tränen rinnen über seine Wangen. Er bemerkt, dass ich ihn ansehe, wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht und sagt, wir seien bald am Ziel
Steckt im Ärmelwischen drin, oder? Oder zusätzlich: über die feuchten Augen etc.
Ich möchte wissen, wie warm das Wasser ist, auch wenn es natürlich keine Rolle spielt. F
Doch, klar. Es SPIELT eine Rolle, sonst würde er es nicht machen. Das Rationale kann ruhig raus. ER will wissen, wie warm das Wasser ist, vollkommen nachvollziehbar in seiner Emotionalität, das nicht entkräften durch Ratio, finde ich.

Dass Georg den Lieblingsort meiner Mutter kennt, eine Stelle, die sie mir gegenüber nie erwähnt hat, versetzt mir einen Stich.
Ich würde das umdrehen. Meine Mutter hat mir ihren Lieblingsort nie verraten. Dann kommt der nächste Satz: Es ist okay, dass sie es IHM verraten hat. Da steckt auch der ganze Zwist drin, diese Uneinigkeit, das Ungesagte.

Ich unterdrücke ein Lachen. Dann wollen wir mal. Genauso hätte es auch meine Mutter gesagt.
Hier auch umdrehen. Genauso hätte es auch meine Mutter gesagt. Ich unterdrücke ein Lachen. Ist für mich in der Reihenfolge klarer, irgendwie.

Was ich tue, ist nicht symbolisch, es ist ein physischer Akt, roh und zärtlich.
Das wird klar. Es dringt ihm die Asche seiner toten Mutter UNTER die Fingernägel, das ist roh und physisch und zärtlich zugleich.

Wenn ich von mir sprach, unterbrach mich Mutter, um von ihrer Katze zu erzählen. Ihren Freunden sagte sie, dass ich Psychologie studiere, das Wort Philosophie wollte sie sich nicht merken. Ein Leben lang hatte sie die falschen Männer an ihrer Seite. Ich öffne die Faust und die Asche rinnt zwischen meinen Fingern hindurch. Wenn ich nicht mehr weiterwusste, verkroch ich mich bei ihr. Als ich mit vierzig Grad Fieber im Bett lag, pflegte sie mich gesund. Sie brachte mich zur Welt. Nun treibt ihre Asche zwischen den Rosen, sinkt ab, entschwindet.
Das wirkt etwas unentschlossen. Wenn er von sich spricht ... was ist damit gemeint? Das könnte man auch negativ auslegen, im Sinne von: Ich schwätze, ich schwadroniere, ich produziere mich. Dann würde ich die Mutter sofort sympathisch finden, so ist das aber, denke ich, hier nicht gemeint. Wenn er von Dingen spricht, die ihm wichtig sind, die ihn berühren, von denen er glaubt, es wäre wichtig, dass er diese Dinge mit seiner Mutter teilt, und DANN unterbricht sie ihn und erzählt von ihren Katzen - da sieht die Welt anders aus, oder? Dann diese Aufzählung - das geht so vom Speziellen zum Allgemeinen, Philosophie zu Verkriechen zu Fieber zur Geburt. Das hat keine Ordnung, weil es eine Sequenz ist, die eine Summe darstellen soll und gleichzeitig auch ein Verhältnis klären, wie stehen die zueinander. Ich denke, jemand wie der Erzähler, der einen Roman geschrieben hat, der weiß, dass man das nicht alles zusammenfassen kann, nicht dieses einen Bündel an emotionaler Erfahrung, die Summe eines Lebens, weil das alles zu komplex und verwirrend und nicht rational, nicht gewichtet ist. Es ist auch klar, dass es keinen richtigen harten Bruch gab, der alles beendete, denn sonst wäre er nicht da, man spürt mit jeder Zeile, dass das keine Pflichtveranstaltung für ihn ist. Alles, was an Sentimentalität da ist, wird durch dieses Ungesagte im Text klar, es muss nichts aufgezählt oder protokolliert werden, man glaubt dem Erzähler, darauf würde ich vertrauen.
Ich folge der Straße, die ins Dorf führt, wo ich auf meinen einstigen Schulweg einbiege. Es dauert Minuten, bis ich merke, dass ich nicht zur Bushaltestelle unterwegs bin.
Auch hier würde ich umdrehen. Es dauert Minuten, bis ich merke, dass ich in meinen einstigen Schulweg abgebogen bin. Er wird wieder Kind, ganz unmerklich, es ist in einem drin, die Zeit, das Alter, es spielt keine Rolle, im tiefsten Herzen ist man immer 5 Jahre alt, mit den gleichen Wünschen und Hoffnungen und Träumen ... Alter, bei dem Ende schnürt es mir das Herz zu.

Ja, Peter, das hat was von Richard Ford. Reto Ford!, haha. Sehr langsam, sehr ruhig, in sich ruhend, mit einem klaren Kern, einer Essenz, Unausweichlichkeit, Verlust, ewige Fragen.

Sehr gerne gelesen.

Gruss, Jimmy

 

Lieber @jimmysalaryman

Reto Ford!, haha
Ich habe ja mal ernsthaft darüber nachgedacht, mir ein Pseudonym zuzulegen, weil es bereits einen Autor mit meinem Namen gibt. Der wär's gewesen! :D Ja, Richard Ford hat einen prominenten Platz auf meinem Regal bekommen.

Hammerkommentar, ich danke dir! Am Sonntag habe ich @Henry K. geschrieben, dass der Text in meinen Augen kein Potential für was Grösseres hat, weil die Figuren zu langweilig sind. Das ist einerseits schräg, man könnte die Figuren ja nach Belieben interessanter machen. In meinem Kopf sind die dafür aber zu wenig verformbar, das ist keine Frage des: "Man könnte" sondern des "Ich kann". Ich halte daher an obiger Aussage fest.
Aber vielleicht kann ich ja aus dem Text etwas Kleineres machen! Das war schon augenöffnend, wie du die Essenz herausschälst. Exemplarisch die Passage mit dem Griff in die Asche, die sechs Sätze über die Mutter. Wenn man mir die Pistole auf die Brust gelegt und mich gefragt hätte, welches der eigentliche Satz ist, der wichtige, dann hätte ich gesagt: Der erste. Und natürlich nicht: "Wenn ich von mir sprach ..." sondern: "Wenn ich davon sprach, was mir wichtig ist ..." Das hatte ich sogar so drin, habe das aber aus unerfindlichen Gründen wieder geändert. Das ist das eine Gewicht. Das bringt ihre Beziehung der letzten Jahre auf den Punkt. In der anderen Schale liegt das Gewicht der Vergangenheit. In beiden Schalen ist angesprochen: Man bleibt immer ein Kind.

Ich denke, was dich als Kommentator unter anderem auszeichnet, ist der Umstand, dass du auch Sätze kritisierst, von denen du annehmen kannst, dass sie dem Autor am Herzen liegen. Während ich meist nur nach schlechten Sätzen Ausschau halte, nimmst du dir die guten vor und prüfst, ob sie wirklich passen. Exemplarisch die Stelle mit dem Geruch nach Tang. Die habe ich nachträglich hinzugefügt, von wegen noch etwas sensorische Anreicherung. Sätze schreiben, die gut klingen, einfach, weil man glaubt, es zu können, oder weil man befürchtet, es sei sonst zu wenig. Auch hier:

Das wird klar. Es dringt ihm die Asche seiner toten Mutter UNTER die Fingernägel, das ist roh und physisch und zärtlich zugleich.
Ich hätte viel Geld darauf gewettet, dass du den Satz streichen willst. Nachdem es nun so gekommen ist, habe ich nochmal darüber nachgedacht. Ich finde den immer noch gut, aber im Grunde ist es ein Satz, den ich in einer Interpretation der Geschichte lesen möchte. Weil ich aber den Leser:innen misstraue, schreibe ich die Interpretation gleich selbst in den Text. Alte Angewohnheit von mir. Ich finde es weiterhin enorm schwierig, das richtig auszutarieren. Zu erklärend vs. zu enigmatisch/reduziert, es braucht schon viel Übung, da eine gute Balance zu finden. Vielleicht bleibt der Satz drin, vielleicht fliegt er raus, ich weiss es noch nicht. Dasselbe gilt für den Einstieg. Der ist übrigens schon so gemeint, dass der ganze erste Abschnitt eine Erinnerung ist. Zu Beginn hatte ich das ungefähr so: "Ich erinnere mich an den Namen, aber das Boot hätte ich nicht wiedererkannt". Den zweiten Teil habe ich später gestrichen und daher wirkt das jetzt nicht so richtig stringent: Ich erinnere mich an den Namen und noch an sehr viel mehr...

Die meisten deiner Vorschläge habe ich aufgegriffen und eine neue Version erstellt. Die muss ich aber noch ein paar Mal lesen, bevor ich sie hier poste. Das Stichwort lautet: Fokus. Ich denke, eine Schwierigkeit des Textes besteht darin, dass er in der Kürze eine Familienkonstellation anreisst (was dazu verleitet, ihn auch als Milieustudie zu lesen und das Besondere zu vermissen), und dabei ein Stück weit den Kontakt zum Erzähler und seiner Geschichte zu verlieren droht, die Intimität dadurch gestört wird. Trägt die Schwester halt keine Stöckelschuhe, und man weiss noch weniger über sie. Who cares? Vielleicht auch das Brodeln unter der Oberfläche etwas reduzieren, dabei aber aufpassen, nicht larmoyant zu werden. Mal schauen.

Sehr langsam, sehr ruhig, in sich ruhend, mit einem klaren Kern, einer Essenz, Unausweichlichkeit, Verlust, ewige Fragen.
Ja, das klingt gut, das war der Wunsch. Ich denke, nach einer durchdachten Überarbeitung kommt der Text dem noch ein Stück weit näher.

Vielen Dank für deine Zeit, Sven. Die hast du extrem hilfreich eingesetzt!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Peeperkorn

Hier wurde ja bereits viel kommentiert und du hast viele Vorschläge schon in den Text eingearbeitet.

Vermutlich liegt es daran, dass ich diese kurze, fast schon meditative Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Abschied sehr gelungen fand. In der derzeitigen Form kann ich nämlich keine Schwachpunkte benennen.

Für mich als ziemlichen Schreibanfänger ist es faszinierend, wie du diese dichte, nachdenkliche Stimmung erschaffen kannst.

Beim handwerklichen habe ich noch einiges zu lernen. Und gerade bei deiner Sprachbeherrschung merkt man, dass du schreibtechnisch sehr versiert bist.

Einige haben ja bereits angemerkt, dass kaum Handlung vorhanden ist, was den Text gewissermaßen ausbremst.
Das ist natürlich ein berechtigter Einwand, aber für mich hat es funktioniert. Es ist mit Sicherheit eine individuelle Geschmacksfrage. Die einen werden mit diesem ruhigen, distanzierten Blick nicht zurechtkommen, aber andere (Wie ich) werden genau das schätzen.

Wenn ich mir überlege, ob ich noch was aus dem Text machen will, was Grösseres oder so, dann ist die Antwort: Nein. Der musste mal geschrieben werden, aber der hat wenig Potential, das sehe ich

Jein. Wenn es breiter auserzählt wird, muss natürlich mehr Handlung rein. Ein richtiger Plot. Aber wie du selbst schon sagst: Das würde der Geschichte vielleicht nicht gut tun.
Die Stärke liegt ja gerade darin, dass viel zwischen den Zeilen steckt.

Der Erzähler hat scheinbar immer wieder die Nähe zur Mutter gesucht. Manchmal auch bekommen:

Wenn ich nicht mehr weiterwusste, verkroch ich mich bei ihr. Als ich mit vierzig Grad Fieber im Bett lag, pflegte sie mich gesund.

Gleichzeitig hat er sich ihre Akzeptanz gewünscht, die sie ihm wohl nie ganz geben konnte:

Wenn ich von mir sprach, unterbrach mich Mutter, um von ihrer Katze zu erzählen. Ihren Freunden sagte sie, dass ich Psychologie studiere, das Wort Philosophiewollte sie sich nicht merken.

Unklar bleibt, ob die Mutter tatsächlich ignorant war, oder ob es sich hier bereits um eine mögliche Krankheit (Demenz) handelt.

Genauso wie es offenbar eine Vorgeschichte mit dem Vater gibt, über die nicht mehr gesprochen wird. Ist er früh gestorben? Gab es Gewalterfahrung?
Für letzteres würde auch Georgs betont maskulines Auftreten und sein unguter Umgang mit Alkohol sprechen.

Wie gesagt, da steckt vieles an Andeutungen drin. Ob einem das gefällt, ist natürlich sehr subjektiv. Denn hier muss der Leser die Leerstellen auffüllen.

Mich hat es jedenfalls beeindruckt mit welcher schriftstellerischen Abgeklärtheit du diese Erzählung aufgebaut hast. Die schönen Naturbeschreibungen wurden hier ja schon zurecht lobend erwähnt.

Ich hab es gerne gelesen und ziehe respektvoll meinen Hut.

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Rainbow Runner

Vielen Dank fürs Reinschauen!

Es ist mit Sicherheit eine individuelle Geschmacksfrage. Die einen werden mit diesem ruhigen, distanzierten Blick nicht zurechtkommen, aber andere (Wie ich) werden genau das schätzen.
Ja, kein Text kann allen gefallen und je nachdem, was man sich vornimmt, wird der eine oder andere Kreis grösser sein. Ich fand das am Anfang etwas schwierig, kann inzwischen ein bisschen besser damit umgehen. Es freut mich, dass dich der Text angesprochen hat.
Für mich als ziemlichen Schreibanfänger ist es faszinierend, wie du diese dichte, nachdenkliche Stimmung erschaffen kannst. Beim handwerklichen habe ich noch einiges zu lernen. Und gerade bei deiner Sprachbeherrschung merkt man, dass du schreibtechnisch sehr versiert bist.
Da habe ich sehr sehr viel diesem Forum zu verdanken, konkretes und auf die Fähigkeiten angepasstes Feedback hilft enorm. Du bist an einem guten Ort gelandet. Es kommt selten vor, dass Neueinsteiger zunächst mal kommentieren, bevor sie eigene Texte einstellen. Das verheisst Gutes! Ich hoffe, dass wir von dir bald was zu lesen kriegen, und bin gespannt.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber Peeperkorn,

beim Durchlesen der Kommentare entdeckte ich wieder mal, wie unterschiedlich man Sätze interpretieren kann. Das ist so spannend. Dazu später mehr.

An den Namen des Bootes kann ich mich erinnern. Luja. Vor Jahren verbrachte ich darauf einen quälend langen Tag, an dessen Ende meine Mutter mir Après Soleil auf den Nacken schmierte, und ich mir schwor, es niemals wieder zu betreten.

Schon mehrere haben sich ja zu dem Stolperer gemeldet, hier noch eine Stimme mehr.
Davon abgesehen finde ich Jimmys Vorschlag mit dem anderen Beginn sehr gut, wobei mir dieser ganze Abschnitt als Intro präsentiert wird, das sich nicht auflöst.
«Deine Schwester», sagt er. «Sie sollten gleich da sein.»
«Sollten? Hat sie einen Neuen?»
«Seit einem halben Jahr.»
Meine Interpretation davon war: Wenn die Schwester mit einem Typen zusammen ist, ist sie nie pünktlich. Das "sollten" habe ich nicht auf die Einzel/Mehrzahl bezogen, sondern darauf, dass es nicht wirklich sicher ist, ob sie kommt. :D
Wer sagt denn umgangssprachlich sowas?
Klarer wäre für mich:
"Die sind gleich da." Oder: "In ein paar Minuten sind sie da."


Sie trägt Schuhe mit hohen Absätzen, eine mintgrüne Jacke und einen Rosenstrauß auf den Armen
... auf den Armen? ... auf dem Arm? Wie stellst du dir das vor? Umarmt sie den Strauß, weil er so groß ist? Für mich liest sich das ungewohnt. Einen Strauß tragen ... den hält man doch eher im Arm, oder?

Nach dem Essen rief er die Bedienung, als wäre sie eine Hörige, mit donnernder Stimme, quer durch den Saal, und verlangte nach einer weiteren Flasche Wein.
Auch da gebe ich Jimmy recht. Mich hat das irritiert, dass er da so aus der Situation heraus gerissen beschrieben wird, ohne weiter darauf einzugehen.

Ein Hupen verkündet die Ankunft meiner Schwester.
Ich kenne so ein Gehupe nur aus amerikanischen Filmen. Noch nie habe ich persönlich jemanden erlebt, der bei der Ankunft hupt. Und wenn das so wäre, doch eher, wenn die Stimmung heiter und ausgelassen ist und nicht, wenn man einen Trauerakt vor sich hat.
Oder machen das die Schweizer anders? :Pfeif:
Von daher habe ich vor meinem geistigen Auge eine amerikanische Lady den Caddilac entsteigen sehen, so in Richtung Hepburn. ;)


Sie und Reto setzen sich unter das Sonnensegel, ich mich ihnen gegenüber.
Beinhaltet das auch, dass er unter dem Segel sitzt?

Mit zwei Gummibooten ruderten Lena und ich dorthin, eines für uns, eines für das Gepäck, und schlugen ein Zelt auf. Als wir zurückfuhren, war ich ein Mann geworden, zumindest dachte ich das.
Wie abgeklärt ist denn dieser Protagonist? Ich meine: Das erste Mal, das ist doch etwas, was berührt, egal ob positiv oder negativ, das ist doch emotional. Man könne meinen, er sagt etwas über seine erste Fahrstunde. Dann will ich diese Information auch gar nicht wissen, denn so wie das erzählt wird, dient es nur dazu, etwas anscheinend Gewichtiges zu erzählen, was für mich aber überhaupt nicht funktioniert.
Ein knackiger Satz über Lena würde das ganze schon etwas gefühlvoller machen.

Georg scheint ja gerne einen zu trinken, sich dann auf einen alkoholisierten Skipper einzulassen, ohne dass der Protagonist oder die anderen sich darüber beunruhigt zeigen, zeugt auch von viel Vertrauen :D mir fehlt da ein kritischer Gedanke dazu, denn sein Konsum wird ja oft genug erwähnt.

Mich hat's nicht mitgenommen, wie ich es bei anderen Texten von dir schon erlebt habe.
Ich hatte ganz bestimmte Bilder der Personen im Kopf, die tolle Gegend. Inhaltlich hätte ich gerne noch ein paar Stupser gehabt, die mir die Beziehungen untereinander mit einigen Worten näher gebracht hätte. So war das wie ein Kammerspiel, fast ohne Ton, denn viel gesprochen ist ja nicht worden. Vielleicht hatten sie sich auch nichts zu sagen, dann wären Worthülsen auch die schlechtere Wahl gewesen.

Ich meine, da ist ja was mit der Mutter im Argen gewesen. Wenigstens diesen Konflikt hätte ich gerne etwas aus dem Trüben geholt gesehen.

Sagen wir mal so: Ich habe bei dem Text mehr deine Schreibe genossen (ist ja auch was) und konnte mit der Message nicht soviel anfangen. Ich könnte es auch als Stimmungsbild annehmen, so als würde man an einem Fluss sitzen und das Wasser zieht an einem vorbei, ohne dass etwas Spektakuläres passiert und man fühlt sich gut dabei, aber weder glücklich noch beschenkt.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @bernadette

Vielen lieben Dank für deinen Kommentar, hat mich sehr gefreut, dass du reingeschaut hast.

Mich hat's nicht mitgenommen, wie ich es bei anderen Texten von dir schon erlebt habe.
Ist schon eine ganze Weile her, dass dich ein Text von mir mitgenommen hat. Bald mache ich mir Sorgen. Im Ernst: Ich grüble schon daran herum. Manchmal denke ich, das Wesentliche habe ich geschrieben, ich sauge mir bloss noch Stoff aus den Fingern, den ich dann nicht mitreissend genug gestalten kann. Etwas weniger dramatisch: Der Energieaufwand, den ich betreiben muss, um ein Thema zu finden und eine Story zu konzipieren, ist heute wesentlich höher als vor ein paar Jahren. Liegt auch daran, dass ich mich nicht noch mehr wiederholen möchte, als ich das gefühlt eh schon tue.
Mitreissen war hier natürlich auch gar nicht die Absicht. Mitnehmen schon, ist es ja immer. Das hier ...
Ich könnte es auch als Stimmungsbild annehmen, so als würde man an einem Fluss sitzen und das Wasser zieht an einem vorbei, ohne dass etwas Spektakuläres passiert und man fühlt sich gut dabei, aber weder glücklich noch beschenkt.
... finde ich bei diesem Text allerdings gar nicht so schlimm.
wobei mir dieser ganze Abschnitt als Intro präsentiert wird, das sich nicht auflöst.
Der soll nur zeigen, dass der Erzähler Georg nicht mag, die Mutter einführen und sagen, dass er schon mal auf dem Boot war. Aber vielleicht sollte ich das umstellen, zunächst das aktuelle Zusammentreffen mit Georg und erst dann die Erinnerung an frühere Begegnungen.
.. auf den Armen? ... auf dem Arm? Wie stellst du dir das vor? Umarmt sie den Strauß, weil er so groß ist? Für mich liest sich das ungewohnt. Einen Strauß tragen ... den hält man doch eher im Arm, oder?
Hehe. Ich wollte die Verdoppelung mit den (leeren) Händen des Erzählers vermeiden. Ich überlege mir noch was.
Mich hat das irritiert, dass er da so aus der Situation heraus gerissen beschrieben wird, ohne weiter darauf einzugehen.
Einfach, um zu zeigen, wie ungehobelt sich Georg bei früheren Gelegenheiten gegeben hat. Ich überlege allerdings, das herauszustreichen, weniger Gewicht darauf zu legen.
Ich kenne so ein Gehupe nur aus amerikanischen Filmen. Noch nie habe ich persönlich jemanden erlebt, der bei der Ankunft hupt.
Ich dachte eher, dass sie anhält, die beiden auf der Brücke sieht und erst dann hupt. Ich fände nur schon das ungewöhnlich und unsensibel, was aber Absicht war. So wie du die Szene gelesen hat, ist das aber tatsächlich recht absurd. Ich überlege mir da noch was.
Wie abgeklärt ist denn dieser Protagonist? Ich meine: Das erste Mal, das ist doch etwas, was berührt, egal ob positiv oder negativ, das ist doch emotional. Man könne meinen, er sagt etwas über seine erste Fahrstunde.
Hm. Ich wollte dem nicht zu viel Gewicht geben, weil es für ihn in diesem Augenblick auch nicht viel Gewicht hat. Mehr so ein Bemerken. Er wird in wenigen Minuten die Asche seiner Mutter ins Wasser streuen, er findet es daher wohl auch nicht angebracht, in sexuellen Erinnerungen zu schwelgen. Aber das wird aus dem Text heraus nicht recht deutlich. Ich muss auf alle Fälle schauen, dass der Erzähler nicht zu kühl wirkt, das war nicht die Absicht.

Ja, ich muss noch mal an den Text ran. Danke dir sehr für die wertvollen Anregungen, die du mir diesbezüglich gegeben hast.

Lieber Gruss
Peeperkorn


Update: Die neue Version ist nun eingestellt.

 

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