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Brot
Brot(editierte Version)
Brot
Klappe auf, Brot herausnehmen, essen, mein Hunger endet.
Hunger, was ist das? Jemals gefühlt, wirklich gefühlt?
Aber ich esse, das Fernsehen redet mich tot, das Gesehene rinnt durch meinen Kopf wie Durchfall... es macht mir nichts aus, weil ich es längst nicht mehr merke.
Wir haben Brot. Genug für alle. Satt lege ich mich nieder. Bauch, beim Duschen morgens kritisch bemerkt.
Bauch auch im Fernsehen... Hungerbauch. Kenia, im reichen Kenia... reich an Menschen... arm an Brot.
Afghanistan, Kurdistan, Tschetschenien, Burkina Faso... so viele Länder, zerfetzt von Krieg und Hass.
Menschen fliehen vor dem Hunger, dem Gemetzel um Bodenschätze und Macht.
Ich sitze am Computer, lasse meinen Geist frei.
Nein, die Armut wird ihn nicht einsperren... noch hungere ich nicht... um wie viel Cent werde ich mich oder meine Überzeugung demnächst meistbietend für ein Stück Brot zu Markte tragen??
Meinen Glauben verschachern?
Meine Augen verschließen, nur damit es noch für mich reicht?
Ich bin die Minderheit in der Statistik, und dennoch teile ich mein Brot gerne mit dem, der mich darum bittet.
Brot teilen... mehr als pure Geste.
Salz und Brot, die wichtigsten Reichtümer, seit Alters her... heute unmodern, nicht mehr wahrgenommen, selbstverständlich... nicht mehr als das wahrgenommen, was es wirklich immer noch ist.
Lebensspender und Kraftgeber.
Würden wir heute nochmals überleben können, so wie damals, nach dem großen Krieg?
Die Väter und Brüder irgendwo gefangen oder „gefallen“ für ein „Vater/Mutterland?“
Die Frauen mit trockenen Brüsten, stumm und hilflos der Dürre des Überlebenskampfes ausgesetzt.
Wer vermag denn heute noch zu teilen, aus tiefstem Herzen? ...die Reichen oder Wohlbestallten, die niemals unter Brücken zu schlafen hatten, die nicht am eigenen Leib erfuhren, wie wohl es tut, irgendwo willkommen zu sein, einen Teller zu den ihrigen dazugestellt zu bekommen, weil man gerade genug hat, um davon abzugeben?
Ich habe es am eigenen Leib erfahren, darum habe ich auch gelernt zu teilen.
Es löst einen Kreislauf aus, der mir die Sicherheit gibt, trotz meiner Armut niemals Not zu leiden.
Viele Dinge sind verzichtbar... nicht aber Brot und Liebe, Respekt und Wärme.
Zeitgleich Gala im Adlon.
Die Gesellschaft feiert den Fleischgewordenen Traum.
Üppige Brüste wogen ins Bild.
Verona kokett.
Dieter Bohlen triumphiert über das Leben nach dem Kabelbrand im Cockpit seines Jets.
Noch ne Schlagzeile, noch mehr Geld.
BroSis singt einen Schmusesong
In dieser Zeit haben etwa 3000 Leben ihren Weg in ein anderes Existieren angetreten, in welchem, wie die Kirche glaubhaft versichert, Milch und Honig fließen.
Nun, in der Nacht, vorm Computer, ein Stück trockenes Brot in meiner Hand.
Ich beiße hinein.
Salzig, würzig, der Gaumen verlangt nach mehr.
Noch eine Scheibe Schinken, ein Schluck Wein zum runterspülen.
Ich starre auf die sich bewegenden Finger auf der Tastatur, werde es wohl gleich ins Netz stellen, das, was meine Finger da gerade geschrieben haben... die Kritik abwartend. ( viele werden es nicht mögen, was ich da geschrieben habe, es ist bestimmt zu „zeigefingermoraltriefend“)
Ich esse mein Brot, wann immer es geht... morgen schon könnte es vorbei sein damit...
Was kann ich tun, damit niemand mehr hungert, es keinen Grund mehr gibt, so etwas zu schreiben?
Was können wir alle tun, wir, denen Hunger wie ein Fremdwort klingt?
Schreiben? Schreien? Beten? ...oder teilen lernen, hier und jetzt? ... das wäre ein Anfang.
Nein, ohne unseren Wohlstand anklagen zu wollen in den ich durch glückliche Fügung hineingeboren wurde, ich muss nicht nach Afghanistan gehen, um teilen zu lernen.
Ich kann auch hier (und hier ist es schwieriger, weil weniger offensichtlich) lernen, aus reinem Herzen, ohne "gönnerhafte Arroganz“ zu teilen. Viele jammern heutzutage auf zu hohem Niveau...
Brot!
BROT ?