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Das Kleid der Hoffnung

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08.01.2002
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Das Kleid der Hoffnung

Das Kleid der Hoffnung


Eines Tages blickte das Herz tief in zwei sanfte braune Augen und schlug schneller.
Die Hoffnung, die sich gerade mit dem Verstand stritt, verstummte, lächelte und zog auf der Stelle ihr schönstes Kleid an.
Der Verstand, der zunächst alles nicht wahr haben wollte, staunte als er die Pracht dieses Kleides erblickte, dann lächelte auch er und begann Glücksformeln zu berechnen.

Das mit Goldfäden durchwobene Kleid der Hoffnung glitzerte im Sonnenlicht.
Die Hoffnung benötigte viel Raum. Wenn sie mit ihrem ausladenden Kleid vorbei ging, mußte der Verstand ein wenig beiseite rücken, damit das Kleid nicht zerdrückte.
Das Herz konnte seinen eigenen Schlag kaum noch hören, so laut rauschten die vielen übereinandergerafften Stoffe des Kleides, wenn die Hoffnung übermütig tanzte. Also schlug das Herz höher, damit es sich noch hören konnte.
"Ich kann mein eigenes Wort kaum noch verstehen", stöhnte der Verstand und strich unwirsch eine seiner Glücksformeln durch. "Dabei verrechne ich mich nur". Dann verließ er den Ort.
Die Hoffnung drehte sich immer schneller im Tanz und das Herz schlug immer lauter und heftiger bis beide der Erschöpfung nahe waren. Die Hoffnung fing an stark zu schwitzen. Ihre prachtvolle Robe sog den Schweiß ihres heftigen Tanzes auf und wurde immer schwerer. Der Stoff klebte an der Hoffnung und bereitete ihr Ungemach, weil es kratzte und scheuerte. Ihre Bewegungen wurden schleppender und schwerfälliger und der Schweiß, der in die seidigen rauschenden Stoffe gekrochen war, machte sie matt und lautlos.

Das Herz erschrak, weil es sein eigenes Pochen so laut hörte, als schlüge ein Hammer mit Wucht auf klirrendes Eisen.
"Hilf mir Herz, ich schaffe es nicht allein aus diesem Kleid", drängte die Hoffnung und das Herz eilte herbei, zerrte und zog an den Stoffen. Beide mühten sich, das Kleid der Hoffnung abzustreifen, aber wo auch immer sie anfingen, der Stoff gab nicht nach. Sie gaben verzweifelt auf.
Der Verstand, durch die eingetretene Stille neugierig herbeigelockt, fand Herz und Hoffnung in dieser hilflosen Lage.
"Ich glaube, ich weiß dir zu helfen, Hoffnung", bot der Verstand an, "ich kann dich befreien, nur dein Kleid, das werd ich nicht retten können." Die Hoffnung nickte stumm, als der Verstand mit einer großen Schere ihr Kleid in Stücke schnitt.
Von diesem Tag an trug die Hoffnung nur noch schlichte Kleider.

 

Hallo lakita,

sehr genau beobachtet. Einen schönen Vergleich hast Du geschrieben. Wenn es immer so einfach wäre und alle so reibungslos zusammenarbeiten würden.

 

Hallo lakita,

das ist eine schöne Geschichte. Das ewige Dilemma zwischen Verstand und Gefühl. Bei deiner Geschichte gibt es wenigstens am Ende eine nackte Hoffnung, zwar ohne Pracht aber existent. Also doch Hoffnung? Hoffnung auf was?

Eine Frage:Warum hat das Herz Hoffnung geholfen? Aus Mittleid? Verlängert denn Hoffnung das Leid der Menschen? :(

 

Hallo shaby,

danke für dein Lob. :)
Das Herz hat der Hoffnung versucht zu helfen, weil es nicht nur für den Verstand, sondern auch die Hoffnung schlägt.


Hallo vio,

danke auch dir für deine lobenden Worte. Reibungslos verläuft es eigentlich nicht in meiner winzigen Geschichte, denn am Ende besitzt die Hoffnung ihr schönstes Kleid nicht mehr. Hätte sie es nicht so übertrieben, wäre das wohl anders gewesen. ;)

 

hallo lakita - ich freue mich, wieder mal was von dir zu lesen. aber wie kommt es: eine story ganz OHNE katzen??

nein, im ernst, die idee ist nicht neu, die einzelnen kräfte im menschen zu personifizieren - aber dir ist eine neue und echt "flockenlockere" version geglückt. ich habe sie gern gelesen.

einige kleinigkeiten:

Ihre Bewegungen wurden schleppender und schwerfälliger und der Schweiß, der in die seidigen rauschenden Stoffe gekrochen war, machte ihn matt und lautlos.
- WEN machte der Schweiß matt?

Das Herz erschrak, weil es sein eigenes Pochen so laut hörte, als schlüge ein Amboss mit Wucht auf klirrendes Eisen.
- hier stimmt die logik nicht. der hammer schlägt auf das eisen, das wiederum auf dem aboss liegt. der amboss selbst schlägt - gott sei dank - nicht zurück!


liebe grüße
ernst

 

Hallo Ernst,

danke für deine Kritik und Hinweise.
Nein, inhaltlich habe ich ganz gewiß nichts Neues geschrieben und wenn mir jetzt noch jemand als Kritik schriebe, dass es arg verkitscht und irgendwie bekloppt klingt, dann würd ich auch das kassieren und schlucken, weil dieser Ansicht könnte man auch sein.

Peinlich, peinlich, was ich da an Fehlern fabriziert habe :dozey:
habs schnell verbessert. Danke, dass du so genau hingeschaut hast. :kuss:

Lieben Gruß
elvira

 

Hi Lakita,

eine kleine, feine Geschichte, die mal wieder wie dein „Gedanken über die Liebe“ viel Diskussionsstoff bietet. :)

Die Gedankengänge und den Widerstreit zwischen Hoffnung und Verstand kann ich gut nachvollziehen. Das kommt mir irgendwie sehr bekannt vor.

Hm, vielleicht regt es ja ein wenig zur Diskussion an; ich persönlich gehe mit deinem letzten Satz nicht konform (aus dem Grund, weil der Text so allgemeingültig gehalten ist):

Von diesem Tag an, trug die Hoffnung nur noch schlichte Kleider.

Die Hoffnung mag nach ihrer „Niederlage“ schlichte Kleider tragen, aber ich bin der Überzeugung, daß dies nicht für den Rest ihres „Lebens“ so sein muß. Irgendwie ist mir das zu endgültig formuliert. Momentan hab ich meine eigene Hoffnung auch im Keller eingesperrt, aber wer weiß schon, was morgen ist?

So, mehr möchte ich momentan nicht dazu sagen, vielleicht kommen ja noch ein paar Meinungen dazu. Ich wart erst mal ab :)

Lieben Gruß,
Somebody

 

Hallo lakita,

mit "reibungslos" meinte ich, daß sich die Hoffnung das schöne Kleid vom Verstand vom Leib schneiden läßt. Ich kenne sehr hartnäckige Fälle. Und daß sie daraus gelernt hat und nun immer schlichte Kleider trägt, das funktioniert auch nicht immer so schnell (ich habe es so gedeutet, daß sich dieses Kleid auf diesen einen Fall mit den braunen Augen bezog, ich dachte, beim nächsten Augenpaar ist das Kleid vielleicht wieder so pompös, aber Du schreibst, von nun an nur noch schlicht).

 

Lieber Somebody,

irgendwie geb ich dir schon recht, die Hoffnung ist hoffnungslos, zumindestens, was das weitere Tragen von schönen Kleidern anbelangt. Der Text ist am Ende sehr resignativ und obendrein endgültig.
Ich wollte es so, weil ich denke, Hoffnung in sich zu haben, ist ein sehr wichtiger Energieträger, schwierige, ja fast aussichtslos erscheinende Dinge dennoch anzupacken und sie durchzustehen.
Aber meine Protagonistin gerät in Euphorie und zertanzt sich ihr Kleid, jedenfalls hoffe ich, dass es so erkennbar ist in dem Text. Sie ist also zu weit gegangen und bezahlt diese Überteibung mit dem Verlust ihres schönsten Kleides.
Ich hätte auch sagen können, dass die Hoffnung mit der Illusion durchgebrannt ist. ;) Das träfe auch den Kern.

Nun denn, aber deine Kritik versteh ich sehr wohl.
Mir ist leider nicht nach einem gütigen Schluß.

Lieben Gruß
elvira

Ach, meine Hoffnung läßt anfragen, ob deine im Keller befindliche Hoffnung Lust hätte mit ihr shoppen zu gehen. :D

 

Hallo vio,

hey, danke für deine Erläuterung. :) Jetzt sehe ich deine Bemerkung tatsächlich noch unter einem ganz anderen Licht.
Und stimmt, meistens bleibt das kratzige verschwitzt schwere Kleid der Hoffnung an ihr kleben wie ausgekautes Kaugummi. Wenn man solch einem Menschen begegnet, entfernt man sich meistens wegen dieses unansehnlichen Anblicks und des müffelnden Geruchs rascher als von anderen Toren. ;)

 

Ich schon wieder...

Ich hab grad im Keller nachgefragt – sie ist ein wenig unpäßlich, aber ich hab ihr auf´n Kopp gehau´n. Die blöde Nuß soll sich nicht immer so anstellen. :D

Hoffnung in sich zu haben, ist ein sehr wichtiger Energieträger, schwierige, ja fast aussichtslos erscheinende Dinge dennoch anzupacken und sie durchzustehen.

Das sehe ich ja auch so. Ohne Hoffnung kann man einpacken, oder wie Ivan Drago zu Apollo Creed sagte: „Du hast schon verloren.“ (na gut, die beiden haben im Philosophiebereich nun nicht wirklich was zu suchen :D )

Die Resignation kann ich ebenfalls bestens nachvollziehen, nur halt – so widersinnig das auch klingen mag – ist sie mir zu endgültig. Wenn du mich jetzt fragen würdest, ob ich selbst noch „Hoffnung“ habe, würde ich dir wahrscheinlich ein lustiges „Nö!“ antworten. Frag mich in sechs Monaten, und ich steh vielleicht wieder mit Blumen im Park und warte auf meine Liebste (Achtung: Romantikalarm :D ). Dann bin ich evtl. äußerst vorsichtig, vielleicht spielt sogar Angst mit rein, aber ich glaub die Hoffnung tanzt dann wieder Tango.

Bevor ich weitere geistreiche Bemerkungen mache, muß ich erst wieder im Handbuch „Der kleine Hobbyphilosoph“ nachschlagen. :)

Grüsskes,
Somebody

 

Frag mich in sechs Monaten, und ich steh vielleicht wieder mit Blumen im Park und warte auf meine Liebste (Achtung: Romantikalarm )

Soso, in sechs Monaten? Dann ist Februar, die Blumen sind dann arschteuer und im Park ist es arschkalt. Aber bitte, wenn du nur unter verschärften Bedingungen lieben kannst,manche brauchen ja den Eiszapfen, um aufzutauen. Ich sag dazu jetzt mal nix mehr. :rolleyes:

Und deine Hoffnung hat was verpaßt, ich hätt die Kreditkarte vom Ollen dabei gehabt zum Shoppen. :D

 

Dann ist Februar, die Blumen sind dann arschteuer und im Park ist es arschkalt.

Bezogen auf deinen Text würde ich jetzt sagen: So kann nur der Verstand reden :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lakita :)

Eine nette Geschichte, mit viel Wahrheit darin. Besonders gefällt mir der Satz:

"Ich kann mein eigenes Wort kaum noch verstehen", stöhnte der Verstand und strich unwirsch eine seiner Glückformeln durch. "Dabei verrechne ich mich nur". Dann verließ er den Ort.

Denn, wo Hoffnung und Herz zusammenarbeiten, hat der Verstand schlechte Karten ;)

aber, immerhin hat die Hoffnung gelernt sich schlichter anzuziehen, anstelle der totalen resignation.

Porcupine

 

Oh danke dir Porcupine,


das stimmt, die Hoffnung resigniert nicht total, sondern zieht sich halt schlichter an. :)
Ich gestehe, dass ich zunächst da noch stehen hatte, dass man die Hoffnung nie wieder tanzen sah.

Ich glaube, dies ist so einer der kleinen Texte, bei denen das Unterbewußtsein mehr mitgemischt hat, als ich im Moment so zugeben mag. ;)

Lieben Gruß
elvira

 

Die Idee dieser Geschichte finde ich super. Ich habe sowas noch nicht gelesen, und bin begeistert. Den Schluss finde ich, im Gegensatz zu den Kritikern vor mir, logisch und passend. Die Protagonistin lernt eben aus ihren Erfahrungen.
In einem Satz fehlt das Wort "er". (damit er das Kleid nicht zerdrückte)
Wie macht ihr das mit dem Einfügen eines Zitats?

 

:) danke dir Marion, für dein positives Feedback.

In dem Satz, in welchem du meinst, ein "er" fehle, werde ich es nicht dazu setzen, ich meine, es geht inhaltlich auch ohne das "er". :) Aber danke für das aufmerksame Lesen.

Zitate machst du wie folgt:
am Ende der letzten Kritik oder Geschichte stehen unten rechts "neues Thema" und "Antworten". Du klickst bitte auf "Antworten" und es öffnet sich ein weißes Kästchen, in welches du deine Kritik schreiben kannt.
In der Kopfzeile dieses Kästchens findest du auch das Wort "Zitat". Du kopierst die entsprechende Textstelle, die du zitieren möchtest heraus und fügst sie in die zuvor auf "Zitat" geklickte, sich dann öffnende Zeile hinein.
Und klickst dann wieder, um dass alles in das Kästchen zu versetzen. Probiers einfach mal hier aus, wenn was schief geht, kann man es ja immer noch löschen.
Viel Spaß.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Lakita!

Wie wundervoll und perfekt personifiziert Du diese Bilder aufgebaut hast! Ich sitze hier mit offenem Mund und staune über die Wirkung, die diese Szenen auf mich haben. Das lässt sich nicht kurz kommentieren, weshalb ich um eine Auszeit bitte.


Lieben Gruß
Antonia

 

Holla Antonia,


wozu eine Auszeit. Ich bedanke mich recht herzlich für dein großes Lob und freue mich, dass der Text Wirkung auf dich hat. Sag mal ehrlich, was will ich mehr? :kuss:

Lieben Gruß
elvira

 

Moin Schwesterchen.
Schöne Allegorie.
Das ist der Unterschied zwischen Menschen die immer voll losknallen ohne nachzudenken und inneres Teamwork betreiben, oder denen, die sich selbst zum verlieben die nötige zeit lassen...DIE, die immer gleich losknallen, stehen am Schluss fast immer frustriert und Nackig da, und fragen sich verwirrt... warum schon wieder ich ???;) :D
Lord

 

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