Die Nacht
Die Nacht
Das erste was er an diesem Morgen fühlte, war die Kälte. Danach setzte das brennen auf den Unterarmen ein, das ihn immer wieder an früher erinnerte. Zu zweit in einem Bett zu schlafen hatte natürlich gewisse Vorteile, aber ihm wurde immer die Bettdecke weggezogen, ohne Rücksicht.
Sie hatte das gleiche Gefühl, doch ihr war das nicht neu. Sie fror dauernd, vor allem wenn sie allein war. Denn was sie brauchte, das war die Wärme, die von Lebewesen ausging. Instinktiv drehte sie sich nach rechts, sah ihren Freund nicht neben ihr liegen. Was zurück blieb war ein Abdruck, der erahnen ließ das er neben ihr gelegen hatte.
Er konnte nicht aufstehen. Er konnte sich nicht mal umdrehen, so sehr fror er. Er griff neben sich und spürte keine Kraft am anderen Ende der Decke. Wusste daß er allein war, deckte sich wieder zu. Ihm wurde warm, doch er verlangte innerlich eine Entschädigung.
An der Zimmertür hing ein Zettel. "Danke für die Schöne Nacht, musste früh zur Arbeit. Ich melde mich." Wut kroch in ihr hoch. Sie unterdrückte das Gefühl jedoch, es war ja nicht das erste mal. Die ersten Schritte an diesem Tag führten sie ins Bad.
Er kam mit nassen Haaren wieder ins Schlafzimmer. Sein Frühstück stand neben dem Bett, seine Freundin lag darin. Beide lächelten. Er fühlte sich nun emtschädigt, gar belohnt. Sein Zeitfgefühl verschwand, zwei Stunden vergingen ohne das er es merkte.
Sie schaute auf die Uhr. Halb zwölf. Nur nichts überstürzen, es waren noch 3 Stunden Zeit. Sie hatte ihren Teil immerhin schon vorbereitet.
Es war nun Zeit zu gehen. In drei Stunden war er verabredet. Vorher musste er noch einige Besorgungen machen.
Halb eins. SMS. "Hey Du! Ich bin schon in der Stadt um alles einzukaufen. Freu mich schon..." Sie mochte es nicht, so genannt zu werden. Doch das war jetzt egal. Die zwei Flaschen wurden kalt gestellt.
Dreizehn Euro bitte. Er bezahlte bereitwillig. Die beste Marke musste es sein. Sie war gerade gut genug, denn der billige Wodka schmeckt nach Benzin.
Halb zwei. Sie würden sich erst hier treffen und dann später losgehen. Sie schaute aus dem Fenster in den Himmel. Bewölkt, mit rissen, durch die Sonnenlicht drang. Sie hatte ein seltsames Déja-vu. Es wurde zeit sich zu schminken.
Er bahnte sich seinen Weg durch die Fußgängerzone, mit gewohnt großen, sicheren Schritten. Am Auto angekommen schaute er nach oben. Die Wolken machten ihm Angst. Zerrissen wie seine Haut waren sie, quer und längs zerschnitten. Er stieg ein und fuhr. Immer nach Süden.
Halb drei. Es klingelte, sie machte auf. Da stand er vor ihr, groß, hellhäutig, seine Hände hielten eine Flasche mit klarer Flüssigkeit. "Hi... ich hab schon gewartet. Komm rein" Nun, sie war nicht überrascht. Weder positiv, noch negativ. Wer weiß, vielleicht werden sie ja noch Spaß haben. Er sah die blassen Linien auf ihren Armen, danach kurz in ihre braunen Augen.
In ihrem Zimmer kamen sie ins Gespräch. Als sie vor etwa einem Monat telefonierten, haben sie sich auch gut unterhalten und auch jetzt, nachdem sie sich das erste mal wirklich gesehen hatten, klappte es auf Anhieb. Von Musik über Politik bis zu Sex wurde alles behandelt. Es war viertel nach Sechs als sie aus dem Haus gingen, mit drei Flaschen und Plastikbechern im Rucksack.
Sie saßen auf einer Treppe irgendwo in der Innenstadt. Wenig Leute kamen hier jemals vorbei, besonders um diese Zeit nicht mehr. Sie fingen an zu mischen: Wodka-Blutorange mit Cola.
Sie saßen nur da und tranken den ersten Becher. Er sah wieder in den Himmel. Es wurde dunkel, das Licht zwischen den Wolken war jetzt dunkelrot. Ds Gespräch ging weiter, wurde auf gewisse Rasierklingen gelenkt, scheinbar eine Gemeinsamkeit. Der nächste Becher. "Ach du hast auch mal?" Er schob wortlos seinen Ärmel hoch. Auf dem blaßblauen Arm erkannte sie rötliche Linien. Sie verzerrte das Gesicht, fühlte mit ihm. Und das merkte er. Noch ein Becher. Es begann zu regnen. Erst leicht, dann ein starker Schauer, weswegen sie sich unterstellen mussten. Hier, im Zugang zu einem Innenhof, wurde weitergetrunken. Sie saßen nebeneinander an der Wand. Sie redeten, machten Witze, lachten. Für diese Zeit vergaßen sie alles. Jeder Ärger, jede Freude wurde vergessen oder verdrängt. Nur noch er, sie und die Flaschen. Und noch ein Becher. Sie merkte langsam, das sie nicht mehr klar denken konnte. Sie lehte sich an ihn an und schloss die Augen. Beide spürten ein seltsames Gefühl der Erfüllung aufsteigen, das sie in ihrem Leben noch nie gespürt hatten. Er lachte laut, sie kicherte. Ein Fußgänger kam vorbei und schüttelte den Kopf. Er legte seinen Arm um sie. Keiner von beiden fror jetzt. Ihr war warm, sie hatte ihn. Ihm war warm, er hatte sie.
Und keiner von beiden redete noch.
Also die Sonne aufging, war sie die erste die sich erhob. Sie weckte ihn mehr oder weniger sanft. "Was haben wir hier gemacht?", fragte sie. "Wir saßen die ganze Nacht hier!"
Er schaute ihr zufrieden in die Augen. "Sieh dir den Himmel an..." Der Himmel war durchweg blau., frei von Wolken. Die Narben waren verheilt.
Sie lächelte zurück.
danke für jegliche kritik, kommentare, etc
mfg tim