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Die Siedler

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25.08.2004
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Die Siedler

Das riesige Raumschiff verließ den Orbit des Planeten und entfernte sich rasch. Zurück am Boden blieb ein gewaltiger Container, in dessen Inneren es beschäftigt surrte und klackte.
Schließlich klappten seine Seiten auseinander, entfalteten sich weiter und bildeten nach kurzer Zeit eine große Halle.
In den nächsten Wochen erschienen geschäftig anmutende Roboter. Hoben gewaltige Gruben aus, verarbeiteten Rohstoffe und errichteten weitere Gebäude. Felder wurden angelegt, Fabriken und Fahrzeuge entstanden. Eine kleine Stadt wurde aus dem Boden gestampft.

*​

Taylor erwachte und stieg aus der Maschine. Er fühlte sich frisch und ausgeruht, als hätte er monatelang geschlafen. Tatsächlich war aber mit Sicherheit eine viel größere Zeitspanne vergangen.
Er sah die anderen drei Team-Mitglieder aus ihren Maschinen steigen. So, wie Gott sie geschaffen hatte. Sie machten alle einen sehr fitten Eindruck.
Neben ihm stand Sybille. Ihre Rundungen begannen ihn sofort zu erregten – wie lange war es her, dass er zuletzt eine Frau in den Armen gehalten hatte? Taylor musste an Ann denken, seine Frau. Er wäre fast daran zerbrochen, als sie damals den schrecklichen Unfall hatte. Wäre sie sofort tot gewesen, hätte er den Schicksalsschlag vielleicht besser verkraftet. Doch ihr Sterben hatte wochenlang gedauert und schließlich verloren die Ärzte - und Ann - den Kampf.
Taylor versuchte sich an Details von ihr zu erinnern, ihr Lachen oder ihre strahlende Erscheinung, aber es gelang ihm nicht. War doch zuviel Zeit vergangen?
Die vier Menschen begaben sich in die Ankleide und zogen sich Overalls über. Ihre Begrüßung fiel sehr herzlich aus, jeder freute sich, das sie die Entstehung heil vollzogen hatten.
„Computer, wie viele Jahre sind vergangen, welches Datum schreiben wir?“, fragte die brünette Linda. Sie war eine Koryphäe in Geologie, so wie sie alle Spezialisten ihres Faches waren.
„Seit eurem Abflug sind 142.615.243 Jahre vergangen. Laut dem Erdenkalender ist heute Freitag, der 21.12.142617370.“
Das traf sie alle wie ein Schock. Über 142 Millionen Jahre waren inzwischen vergangen, seit sie die Erde verlassen hatten! Wie viele Planeten hatten sie in dieser Zeit wohl schon besiedelt? Hunderte? Oder Tausende?
Taylor, Sybille, Linda und Mark waren die Vorhut. Die Erstbesiedeler des G.O.L.E.M.-Projektes. Und tatsächlich fühlte sich Taylor wie der legendäre Golem, der vor Urzeiten aus Lehm gefertigt und dem dann Leben eingehaucht wurde.
Es war bisher das ehrgeizigste und teuerste Projekt gewesen, das die Menschheit bis dahin auf die Beine gestellte hatte. Platzmangel und die zunehmende Verseuchung ihres Lebensraums hatte sie dazu gedrängt.
„Ist doch erstaunlich“, meinte Linda, “das sich ein so riesiges Schiff völlig selbstständig auf die Reise zu den Sternen machen kann. Auf der Suche nach erdähnlichen Planeten.
Und ganz ohne die Hilfe einer Besatzung, die beim Absetzen des autarken Besiedelungscontainers helfen müsste.“
Mark nickte. „Ja, wirklich ein Wunderwerk menschlicher Technik. Das Schiff setzt irgendwo auf einem geeigneten Planeten einen Container ab und reist dann weiter mit dreifacher Lichtgeschwindigkeit durch das All, während es in der Zwischenzeit neue Container für andere Welten baut. Und das alles ohne eine Menschenseele!“
Auch Sybille und Taylor waren von dem Vorgang völlig fasziniert.
„Wenn man bedenkt, das wir während der Reise nur auf irgendwelchen Datenträgern existiert haben und erst hier auf dem Planeten Atom für Atom wieder zusammen gesetzt wurden, wird mir ganz anders.“
„Und noch sind wir erst zu viert. Aber in den Datenträgern existieren ja noch weitere zehntausend Menschen und warten auf ihre Erweckung, sobald die Stadt groß genug ist und die wichtigsten Arbeiten abgeschlossen sind.“
Nicht erweckt. Eher zusammen gebaut, wie Roboter, dachte Taylor in einem Anflug von Heimweh.
Ja, sie waren künstlich, und doch wieder nicht. Kopien, das traf es besser. Sie waren 1:1 Kopien ihrer Originale, die schon seit Urzeiten tot in ihren Gräbern lagen.
Wie mag es jetzt wohl auf der Erde zugehen, fragte er sich. Hatte die Menschheit sich weiter entwickelt? Oder hatte sie sich letzen Endes doch zugrunde gerichtet?
Wieder musste er an Ann denken, seine verunglückte Frau. Er war fast daran zerbrochen, an ihrem langsamen Dahinsiechen. Nur seine Arbeit hatte ihm damals die Kraft gegeben, den Verlust des Wertvollsten, das er jemals besessen hatte, einigermaßen zu verkraften. Das war lange her.
Vor seinem geistigen Auge versuchte er sich, Ann in Erinnerung zu rufen. Aber es wollte ihm einfach nicht gelingen. Immer, wenn sich das Antlitz seiner Frau gerade kristallisieren wollte, tauchte ein Nebel auf und zog das Bild davon. Warum nur? War zuviel Zeit vergangen?
Sybille tauchte vor ihm auf und riss ihn aus seinen Erinnerungen.
„Lass uns an die Arbeit gehen. Gibt ja einiges zu tun.“
„Wo sind wir? Hast du das schon heraus gefunden?“.
Taylor nahm sie in die Arme und drückte ihren Körper an sich. Doch sie schob ihn beiseite.
„Nein. Noch nicht. Aber ich werde mir unsere aufgezeichnete Reiseroute gleich noch vornehmen.“
Sybille und er waren zwar nie ein Paar gewesen. Aber das eine oder andere Techtelmechtel hatte es schon gegeben. Gefühle hatte er aber nie für sie entwickelt, hatte das wahrscheinlich auch selber nie zulassen wollen. Ein schrecklicher Verlust war für ein Menschenleben genug.
Sie ertappte ihn dabei, wie er auf ihre herrlichen Brüste starrte. Leuchtend rot waren sie. Und umgeben von verführerischen, fleischigen Hornplatten.
„Wir wenden uns besser unserer Arbeit zu.“, tadelte sie ihn und ließ ihre dünne, meterlange Zunge blitzschnell hervor schnellen. Taylor stutzte. Etwas verwirrte ihn, ohne das er genau sagen konnte, was das war.
Er streifte sich mit seinen acht biegsamen Fingern über seine feuchten Kopfwülste, die sich vor Verlegenheit blau zu färben begannen. Es kribbelte ihm in den Nüstern.
Wieder überkam ihn ein seltsames, verwirrendes Gefühl.

*​

Monate später:

„Es steht jetzt also definitiv fest.“, brachte Sybille es auf den Punkt und verzog nervös ihre fleischigen Schlundlippen.
„An irgendeinem Punkt unserer Reise - wahrscheinlich vor bereits über 120 Millionen Jahren - wurde unser Raumschiff von Außerirdischen neu konditioniert. Sie manipulierten die Datenbanken und Golem-Maschinen und sorgten somit dafür, das ihre eigenen Gene sich fortan im Weltraum weiter verteilen würden. Kuckuckseier im fremden Nest, sozusagen.
Das Schiff können wir leider nicht mehr stoppen, aber wir müssen überlegen, ob wir die restlichen 10000 Schläfer trotzdem aktivieren wollen oder nicht. Und wie unsere Zukunft überhaupt aussehen soll...“

 
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Hallöchen Nordwind,

diese Geschichte hat mir ganz gut gefallen.

Die Story wird jetzt hauptsächlich aus der Perspektive von Taylor und Sybille erzählt, die Du mit genügend Leben ausgestattet hast, dass der Leser sich für sie interessiert. Bei mir kam allerdings gegen Ende die Frage auf, ob Taylor sich nach Genmanipulationen durch Außerirdische wirklich noch an seine Frau erinnert. Das fand ich irgendwie für mich nicht schlüssig, auch wenn ich Dir keinen logischen Fehler unterstellen kann.

Die Pointe, die Du zum Ende eingebracht hast, hat mich wirklich überrascht.

Wir wenden uns besser unserer Arbeit zu.“, tadelte sie ihn und ließ ihre dünne, meterlange Zunge blitzschnell hervor schnellen. Taylor stutzte. Etwas verwirrte ihn, ohne dass er genau sagen konnte, was das war.

Dieser Teil drückt sehr gut aus, wie die "Alien-Gene" sich in den Charakter der Menschen eingefügt haben. Fand ich gelungen.

Du solltest vielleicht darüber nachdenken, ob Du "Tell" Passagen wie

Taylor und die anderen Menschen befanden sich während der Reise nicht etwa im Tiefschlaf.. Vielmehr existierten sie nur auf Datenspeichern und wurden bei Bedarf Atom für Atom wieder zusammen gesetzt. Zuerst nur diese vier. Später, wenn die Stadt groß genug geworden war, wurden auch die zehntausend anderen geweckt.
Eher zusammen gebaut, wie Roboter, dachte Taylor. Ja, sie waren künstlich, und doch wieder nicht. Kopien, das traf es besser. Sie waren 1:1 Kopien ihrer Originale, die schon seit Urzeiten tot in ihren Gräbern lagen.

nicht besser durch Deine Charaktere ausdrücken kannst. Du könntest sie z.B. darüber reden lassen, wie lange sie wohl unterwegs waren, etc. Auch wenn Taylor das jetzt denkt, hat es doch eher erzählenden Charakter. Es wird nicht ganz klar, wie er dem gegenübersteht.

Besser gefallen hat mir Erzählung im Dialog, so wie hier:

„Es steht jetzt also definitiv fest.“, brachte Sybille es auf den Punkt und verzog nervös ihre fleischigen Schlundlippen. „An irgendeinem Punkt unserer Reise - wahrscheinlich vor bereits über 120 Millionen Jahren - wurde unser Raumschiff von Außerirdischen neu konditioniert. Sie manipulierten die Datenbanken und Golem-Maschinen und sorgten somit dafür, das ihre eigenen Gene sich fortan im Weltraum weiter verteilen würden. Kuckuckseier im fremden Nest, sozusagen.
Das Schiff können wir leider nicht mehr stoppen, aber wir müssen überlegen, ob wir die restlichen 10000 Schläfer trotzdem aktivieren wollen oder nicht. Und wie unsere Zukunft überhaupt aussehen soll...“

Was Du an dieser Stelle noch mehr einbringen könntest, wäre z.B. ein eventuelles Entsetzen über die Aliens, die ihre Gene eingebunden haben. Wenn mal eben die Zukunft der "altehrwürdigen" Menschheit ausgelöscht wurde, nimmt man das meines Erachtens nicht einfach so locker hin. Könnte natürlich auch an den Genen liegen...:cool:

Fazit: An manchen Stellen noch ausbaufähig, aber schon ganz gute Unterhaltung für zwischendurch.

Gruß

MisterSeaman

 

Hallo Nordwind.
Wirklich gute Idee!
Was mir nicht so gefallen hat ist die Art, wie du die Pointe präsentierst. So als hättest du mkeinen vernünftigen Übergang gefunden. Genaus das was du frei läst, den Vorgang der Entdeckung könntest du noch ausbauen.
Grüße Devika

 

Hi,

diese Geschichte hat mir ganz gut gefallen.
Wirklich gute Idee!

Endlich mal eine Story, die nicht sofort zerrissen wird, und die mit einer neuen Idee aufwarten kann :D


Bei mir kam allerdings gegen Ende die Frage auf, ob Taylor sich nach Genmanipulationen durch Außerirdische wirklich noch an seine Frau erinnert. Das fand ich irgendwie für mich nicht schlüssig, auch wenn ich Dir keinen logischen Fehler unterstellen kann.

Die Ausserirdischen haben ihnen nicht die ganzen Erinnerungen geraubt, sondern nur die visuellen Komponenten.


Was Du an dieser Stelle noch mehr einbringen könntest, wäre z.B. ein eventuelles Entsetzen über die Aliens, die ihre Gene eingebunden haben. Wenn mal eben die Zukunft der "altehrwürdigen" Menschheit ausgelöscht wurde, nimmt man das meines Erachtens nicht einfach so locker hin. Könnte natürlich auch an den Genen liegen...

So ist es. Sie sind jetzt ja selber ausserirdisch, deshalb ist der Schock nicht so groß.
Die Menschheit existiert ja auch vielleicht weiterhin, nur ihr großes Projekt war für die Katz'.


Was mir nicht so gefallen hat ist die Art, wie du die Pointe präsentierst. So als hättest du mkeinen vernünftigen Übergang gefunden. Genaus das was du frei läst, den Vorgang der Entdeckung könntest du noch ausbauen.

Und genau das wollte ich nicht! Es sollte schon für den Leser eine kurze und knackige Pointe darstellen.
Zuerst die Personen beschreiben - dann die plötzlichen nicht menschlichen Verhaltensweisen und das Aussehen - Und zack...eine kurze und knappe Auflösung der Story.

Gruß und Dank,
Nordwind

 

Hallo Nordwind

Nach deinen letzten Geschichten wartet diese hier wirklich mit einer neuen Idee(oder mit einer zumindest interessanten Abart) auf.

Der Stil ist okay und auch die Figur des Taylor wirkt dank seiner Erinnerungen an seine Frau ausreichend plastisch.

Ich muss MisterSeaman (wird das Ziehmän ausgesprochen?) zu stimmen. Im mittlere Abschnitt ist zu viel umständliche Erzählung drinne. Leg den Teil besser einen deiner Prots in den Mund, so wie du es am Ende mit der Erklärung für die außerirdische DNA gemacht hast :)

mfg
Hagen

 

Hi,

ha, der Hagen! Das freut mich aber.


Ich muss MisterSeaman (wird das Ziehmän ausgesprochen?) zu stimmen. Im mittlere Abschnitt ist zu viel umständliche Erzählung drinne. Leg den Teil besser einen deiner Prots in den Mund, so wie du es am Ende mit der Erklärung für die außerirdische DNA gemacht hast

Ja, das werde ich wohl machen. Etwas Geduld noch.

Gruß, Nordwind

 

Hi nochmal.


Ich muss MisterSeaman (wird das Ziehmän ausgesprochen?) zu stimmen. Im mittlere Abschnitt ist zu viel umständliche Erzählung drinne. Leg den Teil besser einen deiner Prots in den Mund, so wie du es am Ende mit der Erklärung für die außerirdische DNA gemacht hast

Ich habe meine Geschichte dahingehend bearbeitet und muß feststellen, das mir das selbst so auch viel besser gefällt. Danke für den Vorschlag!

Gruß,
Walter Nordwind

 

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