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Die Stille im Maisfeld

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28.12.2009
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Die Stille im Maisfeld

Winfried Schell saß auf der Gartenmauer hinter dem Haus, die Beine im Gras ausgestreckt, in der Hand eine Tasse Kaffee. Auf dem Boden vor ihm lag die Motorsäge, die er am vergangenen Wochenende gekauft hatte. Über dem Schwert befand sich noch der Kettenschutz aus ölig glänzendem PVC. Er trank einen letzten Schluck aus der Tasse und stellte sie auf der Mauer ab. Der Verkäufer hatte ihm zum größeren, leistungsstärkeren Modell mit mehr PS geraten. Winfried nahm die Säge, hielt sie fest am Griff und zog am Anwerfseil - einmal, zweimal, danach sprang der Motor an.

Ein bereits gespaltenes Stück Meterholz lag vor ihm auf dem Bock. Er klappte den Gehörschutz fest und flach auf die Ohrmuscheln. Die Säge lag gut in der Hand, kaum Vibrationen, aber er ahnte die Kraft. Das Schwert senkte sich langsam ab, glitt durch die Rinde und folgte der Schwerkraft, arbeitete sich mühelos durch den Stamm. Er hielt inne, spürte, wie seine Muskeln warm, der Nacken schweißfeucht wurde. Das Sägen von Brennholz barg keine Geheimnisse: es war, was es war. Die Scheite fielen auf die Grasnarbe, immer gleich große Teile, danach das nächste Meterholz.

Er hielt den Blick stets auf das schmale, scharfe Blatt der Säge gerichtet, das trockene Knurren des Motors unter dem Gehörschutz dumpf und wie aus weiter Entfernung. Er arbeitete konzentriert und vorsichtig, Scheit für Scheit, machte nur Pausen, um das Holz in dem kleinen Verhau neben dem Blumenbeet zu stapeln. Als er den vorletzten Meter Holz auf den Bock legte, nahm er aus den Augenwinkeln eine Gestalt vor dem Gartentor wahr. Er senkte die Säge ab und legte die Bremse ein. Der Postbote war schon durch. Er klappte den Gehörschutz hoch und wartete ab, bis die Person hinter dem großen Haselnussbaum auftauchte.

Ach, der Hajo …Mensch, machstn du hier, sag mal?
War in der Gegend und wollt einfach mal vorbeischauen.
Winfried schaltete die Säge ganz ab, stellte sie auf die Erde neben dem Bock und zog sich den Sicherheitshelm vom Kopf.
Haste dir ne neue Kettensäge zugelegt?
Ja, wollt mal wieder n bisschen Holz machen.
Der Winnie … fleißig, fleißig.
Und du? Was hat dich denn in die Pampa verschlagen? Er sah ihn an. Willste n Bier?
Nee, bißchen früh, wa?
Winfried zuckte mit der Schulter. Na ja. Kannst ja nicht immer nur Kaffee saufen.
Ist auch wieder wahr.
Ich hab Helles da, hat mir mein Schwager aus Bayern mitgebracht. Kellerkalt.
Lass mal, ich muss noch fahren.
Winfried nickte. Na, wenn das so ist.
Die Große von STIHL, oder?
Na ja, groß … ein bisschen mehr PS hat die. Gönnt sich ja sonst nichts.
Na sicher, sagte Hajo und lächelte.
Also … bist aber doch nich nur wegen bißchen plaudern gekommen, oder?
Nee …
Winfried räusperte sich. Willst mich nachher noch zurückholen?
Du weißt, wie es is, würd ich gerne, aber …
Schon gut. Er schüttelte den Kopf. Brauchen wir jetzt ja nicht drüber reden. Schnee von gestern. Hab auch schon alles weggegeben; Büchsen und Flinten, das ging alles an den Ulf, die Kurzwaffen auf eGun.
Aber den LADA hast du noch?
Du meinst den Niva?
Ja, genau, genau den … hier, Allrad, in Petrol.
Hab ich noch, ja.
Das ist n super Wagen, sagte Hajo Peters.
Isser.
Fährste damit hier innen Forst? Wegen Holz machen?
Ach wat, sagte Winfried. Ich hatt einfach noch n paar Raummeter rumliegen, die sind jetzt erst richtig trocken. Der Bernd hatte mir das damals aber nur gespalten, ich wollt die jetzt auf Scheit sägen.
Der Bernd Hollerbach vom Driesch?
Der auch die Motorsägenkurse gibt.
Kenn ich.
Brauch doch nix mehr an Holz, ich sitz hier draußen an der Feuerschale und trink mir n Bier und rauch n paar Zigaretten … das war’s.
Mitm Rauchen hab ich ja aufgehört.
Ach ja?
Mit so nem Medikament, das war hart am Anfang, aber dann, so nach zwei Monaten, da hats dann gewirkt, ich hatt echt kein Verlangen mehr, keine Schmacht - und ich hab echt gerne geraucht, gerne und viel.
Früher nie ohne, heute nie mit.
Sie lachten.
Seitdem gehts mir aber bedeutend besser, sagte Hajo Peters. Geh auch noch n bisschen joggen jetzt.
Joggen?
Ja, kleine Rentnerrunde um den Allner See, zwei, dreimal die Woche. Bisschen fit halten.
Verstehe.
Und du?
Ich? Ich rauch immer noch ne Schachtel pro Tag.
Änderst dich nicht mehr.
Nem alten Hund bringste keine neuen Tricks bei.
Hajo zeigte auf die STIHL. Stör ich dich, wo du grad deine neue Säge einweihen wolltest.
Ach, spielt keine Rolle. Hab doch Zeit ohne Ende.
Ja?
Kann mich nur nirgendwo mehr blicken lassen …
Komm, so schlimm kanns nu auch wieder nicht sein.
Nee? Winfried Schell hob die Augenbraue. Die haben mir vor nem Monat die Fensterscheibe eingeworfen - direkt hier, unten in der Küche das große Fenster … riesen Trumm, ist aufm Tisch gelandet. Zum Glück saß da keiner.
Ach du Scheiße! Das kann ich doch nicht wissen! Hamse die Schweine denn drangekriegt?
Drangekriegt! Natürlich nicht. Wie denn auch?
Haste denn die Polizei gerufen?
Klar, klar hab ich die gerufen … aber was wollen die da groß machen? Da sagt der zu mir: Ja, also, sie könnten ja schließlich nicht jeden Tag hier Streife fahren, denn man müsste die ja wenn auf frischer Tat ertappen, und außerdem wär ich doch versichert. Dann bau ich meine Wildkameras auf, sag ich, ich hab ja Dutzende, da nehm ich die mit auf, wenn die nochmal kommen … aber da sagt der, selbst wenn die dann da drauf sind, selbst wenn ich die erwisch, also inflagranti, dann könnte man das nachher vor Gericht nicht verwenden … da fällt einem doch nix mehr zu ein, oder?
Ich versteh das ja immer nicht, ich mein - das Ganze, das ändert doch jetzt auch nichts mehr, oder?
Winfried Schell schloss für einen kurzen Moment die Augen. Dann sagte er: Nein, nein, das ändert jetzt auch nichts mehr.
So eine Scheiße.
Kannste laut sagen.
Und Fenster haste ersetzt?
Sofort, denkste ich will hier wie die Hottentotten hausen? Aber auch nur Ärger mit der Versicherung, das sind alles Verbrecher sag ich dir, Politiker, Anwälte und Versicherungen, in der Reihenfolge.
Muss ja alles seine Richtigkeit haben, weißte doch.
Richtigkeit, Richtigkeit … da wollten die Kostenvoranschlag hier, und noch das Formular von der Polizei, und dann das noch und das auch noch, da hatt ich die Faxen nachher aber dicke. Na ja, jetzt isses erledigt.
Besser is.
Also, wenn kein Bier, kann ich dir denn was anderes anbieten - Kaffee, Limo?
Nee, alles gut.
Na dann …
Sag mal. wo isnen eigentlich die Monika?
Schwester, die is bei ihrer Schwester … die haben doch jetzt ein Welpen, seit kurzem erst, kleinen Münsterländer, genau wie unser Harras damals, deswegen ist die öfters da.
Ach so, ja dann … wie gehts ihr denn? Gehts ihr gut soweit?
Ja, ja. Kennst doch die Monika, die bringt nix aus der Fassung, die behält immer die Ruhe.
Und du?
Was ich?
Ja nen Hund. Ich meine, wo du jetzt so viel Zeit hast, wär das nix?
Nee, das is vorbei, will ich nicht mehr. Was soll ich auch mitm Hund? Kann ich ja nirgends hin … und immer nur so durch den Wald traben, nee, das ist was für Rentner.
Wasn das fürn Helles, was dein Schwager dir mitgebracht hat?
Aus Rosenheim. Willste jetzt doch eins.
Eins!
Eins ist keins, weißte doch.
Nee, wirklich nur eins.
Moment, ich geh grad holen.
Winfried Schell ging über den Rasen auf den gemauerten Bereich der Veranda, über die Treppe weiter in den Keller, wo es kühl und dunkel war.

Er drehte am Lichtschalter, ging an den Regalen vorbei, in denen noch Trophäen lagen, die seit Monaten darauf warteten, abgeschlagen und gebleicht zu werden. Die Getränkekisten lagerten unter dem kleinen Fenster. Er holte zwei Flaschen Bier aus dem Kasten, stellte sie in einen Eimer und ließ am Nebenhahn der Waschmaschine kaltes Wasser hinein. Hajo trank selten nur ein Bier, das wusste er. Dann nahm er noch zwei weitere Flaschen heraus, prüfte mit seinem Handrücken, ob sie kühl genug waren. Vorsorglich ließ er das Licht eingeschaltet. Auf der Treppe drehte er sich noch einmal um, übersah die Werkbank, auf der die große Geweihsäge sowie mehrere Behälter mit Wasserstoffperoxid standen. Er bekam sich wieder in die Hand und stieg die Treppe hinauf.

Hajo stand jetzt neben dem Sägebock, den Oberkörper über die Kettensäge gebeugt.
Wo haste die her, sagste?
Vom Endress, in Spich, Industriegebiet.
Ja, sagte Hajo. Da hab ich meine auch her, guter Laden, kriegste als Jäger glaub ich auch paar Prozente noch.
Winfried nickte. Meine alte Husqvarna, die war eigentlich noch in Ordnung, aber ich dacht mir, was Neues kann auch nicht schaden.
Ach, Flötzinger … Hajo zeigte auf die Bierflaschen in Winfrieds Hand. Kenn ich, Oberbayern, war ich früher öfters wandern, in den Alpen, ist super da, tolle Landschaft.
Schwager ist ja regelmäßig vor Ort, wegen der Arbeit, der ist in nem Logistikunternehmen tätig, ab und zu bringt der mir mal n Kasten mit. Kann man schon trinken.
Schaumermal, wie der Kaiser sagen würde.
Sie lachten.
Winfried öffnete die Flaschen mit der Feuerzeugkante. Die Kronkorken fielen in das kurz geschnittene Gras.
Lass einfach liegen, sagte er und reichte die Flasche weiter.
Sie stießen an und tranken.
Ja, geht gut, isn Zechbier.
Winfried hielt die Flasche gegen das Licht. Das Helle geht so oder so gut runter …
Und, sag mal, Hajo nahm einen kleinen Schluck und stellte die Flasche auf die Mauer, wie biste denn deinen Kram losgeworden, der Ulf macht doch an sich gute Preise, oder?
Ach, Preise … war ja nicht mehr viel, der Sauer Drilling, ne Bockbüchsflinte und die Mauser in .308, aber sagen wir so, war schon in Ordnung. Winfried zuckte mit der Schulter. Ging ja nicht ums Geld, das ich da noch möglichst viel Reibach mache, weißte? Ich wollt die einfach loswerden, war schwierig nachher, der Schrank stand ja im Arbeitszimmer, und da bin ich ja immer dran vorbei, gehste in die Küche, runter in den Keller, aufs Klo … immer kommste da dran vorbei und immer …
Verstehe … einfach ne Scheißsache.
Tja, machste nix, und dann war ich wirklich froh, dass alles weg war.
Fehlt’s dir denn?
Was meinste?
Na ja, also …
Das Jagen?
Hajo nickte.
Ich sags, wie es is: klar. Fehlt mir, Hajo, jeden Tag, jeden Tag denk ich drüber nach, ins Revier zu fahren, oder wie’s wär, jetzt ins Revier zu fahren, aber nee …
Klar, sagte Hajo, klar.
Dann tranken sie wieder aus ihren Flaschen.
Die Jule ist jetzt mit dabei, wo du’s gerade sagst. Im Revier, weißte?
Hatse ihren Schein doch noch gemacht?
War auch erstaunt, aber …
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
Tja, könnte man so sagen.
Dann seid ihr jetzt ja wieder vollzählig, ist doch alles gut. Musst halt nur gucken, wie du das mit den Ansitzen machst, wenn du da mal einen versetzen willst … die Jule ist doch so zierlich. Aber fragste einfach den Ott, hier aus Puderbach 1, der hilft ja immer gerne.
Winnie, sagte Hajo. Das kann man ja nicht vergleichen, weißt du doch auch. Erstens ist die Jule meine Tochter, und zweitens … die hat ja noch gar keine Erfahrung, und du hattest fünfzig Jagdjahre.
Die hab ich immer noch, Hajo. Das ist nichts, was einfach so verschwindet, ganz egal, was passiert ist, das bleibt.
Klar, klar. Hast natürlich Recht. Ich mein ja nur, das …
Das was?
Nee, nix. Schon gut.
Sie tranken wieder aus ihren Flaschen, kleine Schlucke, den Blick auf die gegenüberliegende Mauer gerichtet.
Hajo, sagte Winfried dann und legte seine freie Hand auf das Meterholz, das noch in einem Stück auf dem Bock lag.
Was?
Winfried senkte die Flasche. Kommst doch nich den ganzen Weg hier raus wegen nix?
Ach ja … Hajo atmete aus, sein Oberkörper sank dabei leicht zusammen, dann richtete er sich wieder auf und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn. Na ja, also ich dacht, wegen dem LADA, weißte?
Winfried nickte. Er nahm einen Schluck Bier, räusperte sich und antwortete: Für die Jule, nehm ich mal an?
Wär doch ne gute Lösung, ich mein … bevor der nachher nur rumsteht, Rost ansetzt, oder?
Jaja, schon nicht verkehrt gedacht, sagte Winfried. Er leckte sich über die Oberlippe.
Eben fürs Revier, wo die Jule jetzt demnächst dabei ist, da kam dann halt die Frage auf - wie hin, wie zurück, und wenn schon nen eigenen Wagen, ob neu oder nicht, und da musst ich an dich denken …
Ja, klar, aber ich weiß nicht, Hajo. Weißt doch, was ich meine?
Versteh schon … hängt ganz schön was dran, an dem LADA. Er trank den letzten Schluck Bier, hielt die leere Flasche zwischen den Fingern am Hals.
Ne ganze Menge hängt da dran … also.
Verstehe ich natürlich. Aber kannst ja trotzdem mal drüber nachdenken, oder? Ich mein, nachdenken kostet ja nix.
Ich denk drüber nach, ja? Sag dir Bescheid, lass mir n bißchen Zeit. Winfried zeigte auf die leere Flasche. Willst noch eins?
Nee, danke, echt, aber das Eine reicht, wirklich, is nett von dir aber … muss noch fahren! Nachher stehen die irgendwo und ziehen mich raus, und dann … geht so schnell heute, is der Lappen weg, und das kann ich nicht gebrauchen.
Klar, klar.
Winfried trank seine Flasche leer. Na ja, also biste nur deswegen hier raus gekommen, wegen dem LADA?
Nich nur wegen dem LADA …
Winfried lächelte mit zusammengekniffenen Lippen. Nee, nicht nur, aber eigentlich schon, oder? Oder nicht?
Na ja, so isses ja auch nich.
Mein Vater sagte immer, versuch nichts zu kaufen, was nicht zum Verkauf steht. Winfried lachte trocken. War so einer seiner Regeln.
Regeln, wiederholte Hajo Peters und schüttelte den Kopf. Ich weiß ja nich … ist so ne Sache mit den Regeln.
Winfried stellte die leere Flasche auf die Mauer und bedeutete Hajo mit einer Handbewegung, ihm seine ebenfalls zu reichen. Bring ich gleich runter innen Keller, stehen die hier nicht so rum. Komm, ich bring dich noch zum Tor.
Hajo nickte. Aber denk mal drüber nach, ja?
Winfried nahm die Flaschen in eine Hand. Ja, Hajo. Wie gesagt …
Und lass dich doch wenigstens mal wieder beim Stammtisch blicken, ist immer noch im Alpenhäuschen, jeden ersten Dienstag im Monat, alles wie gehabt.
Und was soll ich da? Rumsitzen und mir einen lümmeln?
Mensch, Winfried, komm.
Ich guck, Hajo, ich guck.
Mach das, und danke fürs Bier.
Winfried Schell schloss die Fahrertür und lehnte sich im Sitz zurück, das kalte Plastik der Nackenstütze ließ ihn kurz erschaudern. Er hatte den Wagen schon seit Monaten nicht mehr benutzt, es sogar vermieden, ihn anzusehen. Deswegen stand der LADA ganz hinten im Carport. Durch die Windschutzscheibe konnte er auf das brachliegende Feld gegenüber der Straße blicken. Vor ein paar Tagen hatte er dort zwei junge Füchse beim Spielen beobachtet. Er zündete sich eine Zigarette an und nahm einen ersten Zug. Im Fond vor dem Beifahrersitz lag noch der ausgeleierte Gehörschutz vom DJV. Er beugte sich über die Mittelkonsole, hob ihn vom Boden auf und klemmte ihn sich über den Oberschenkel.

Der Junge war siebzehn Jahre alt gewesen und hatte die vorschriftsmäßige neonfarbene Warnweste getragen. Der Mais stand über zwei Meter hoch. Winfried hatte die Bewegung gesehen, die Geräusche gehört. Damals war er sicher gewesen. Doch wenn er jetzt versuchte, sich an diesen Tag, an den Moment zu erinnern, war da nichts, nur ausgegraute Zeit, eine Nicht-Erinnerung. Es war, als hätte nicht er selbst abgedrückt, sondern jemand anderes. Jemand, den er nicht kannte und auch nicht kennen wollte.

Er legte seine Hände auf das Lenkrad, umfasste den Kranz, der sich fremd anfühlte, ungewohnt hart und neu, als sei es kaum benutzt worden. Dann kurbelte er die Seitenscheibe herunter, zog an der Zigarette und sah dem entweichenden Rauch hinterher. An diesem Tag, an den er sich nicht mehr erinnern konnte oder wollte, hatte er sich in diesen LADA gesetzt und war darin nach Hause gefahren, die bis heute letzte Fahrt. Polizisten fanden ihn in der Küche sitzend, den geladenen Revolver vor sich auf dem Tisch. Die Waffe gegen sich selbst zu richten, hatte er nicht fertiggebracht. Etwas hatte ihn zurückgehalten, ein letzter, verzweifelter Lebenswille, die Möglichkeit der Sühne oder die Hoffnung auf Gnade … er konnte es nicht benennen.

Er zog ein letztes Mal an der Zigarette und atmete den Rauch langsam aus. In dem LADA war es jetzt genauso still wie damals auf dem Maisfeld, nachdem der Schuss gebrochen war. Kein Wind, kein Rascheln, kein Lachen.

 

Hallo @jimmysalaryman ,

hat Spaß gemacht, deinen beiden Typen zuzuhören( sozusagen) und zu enträtseln, um was es eigentlich geht. Zeitweise ist man in der Figur von Winfried drin und wird wie er so unruhig, weil schon irgendwie klar ist, dass der Hajo was will, aber es noch vor sich herschiebt.
Insoweit gut gemacht, weil dadurch auch Spannung aufkommt und man unbedingt nun auch wissen möchte, was da los ist.
Wie schon in der "Schnee in Much - Geschichte" geht es hier um einen Vorfall, über den sich zwei austauschen. Während in der Much-Geschichte dein Protagonist eher monologisiert, jedenfalls deutlich mehr zu erzählen und zu berichten hat, entwickelt sich hier die Geschichte aus dem Dialog.
Sie kommt mehr aus der Interaktion und das gefällt mir deutlich besser als sog. Geständnisse.
Klasse fand ich das Verhalten, als endlich raus ist, dass es um den LADA geht und Winfried zu macht, einfach nicht servil sich auch davon trennen möchte, weil er und das finde ich grandios, immer noch nicht mit seinem Rauswurf aus dem Jagdverband (-verein) klar kommt.
Gelungen ist insoweit auch diese Doppeldeutigkeit. Es geht ja parallel noch um den Jagdunfall, aber der wird ja nie erwähnt zwischen den beiden. An dessen Stelle ist der LADA getreten, könnte man sagen.
Da sperrt Winfried sich, um der Sache Willen sozusagen, gibt schon aus Prinzip den LADA nicht her. Seine kleine Rache sozusagen. Toll beschrieben, wie er da dicht macht.
Und die Reaktion von Hajo ist serientypisch und super nachvollziehbar, denn er spürt, dass er das Schnäppchen nicht machen kann, das er sich für seine Tochter vorgenommen hat. Er spürt aber auch, dass Winfried sich rächt.
Insoweit gelungenes Ende der Geschichte.

Er klappte den Gehörschutz herunter, schob die Kapseln flach auf die Ohrmuscheln.
Hier konnte ich es mir nicht so gut vorstellen, was er da für einen Gehörschutz hat. Später taucht der Hinweis auf den Helm auf. Das beantwortet, allerdings für meine Begriffe zu spät, dass er trotz bereits laufender Säge den Gehörschutz runterklappen kann. Das kann man auch gut mit dem Ding in einer Hand.
Mein Vorschläg wäre, du beschreibst hier schon, dass es ein Helm ist.
Aber die Sache mit den Kapseln bekomm ich garnicht vor mein Auge. Was für Kapseln und es taucht dann in meiner Phantasie wieder die Frage auf, wie er das mit der laufenden Säge so hinbekommt, dass er die einsetzt. Er müsste ja dann auf jeder Seite und vermutlich die Säge in die andere Hand wechseln?
Ist alles nur ein kleines Problem in Sachen Stimmigkeit und leicht zu beheben, denke ich mal.
Der auch die Motorsägenkurse gibt.
Kenn ich.
Brauch doch nix mehr an Holz, ich sitz hier draußen an der Feuerschale und trink mir n Bier und rauch n paar Zigaretten … das war’s.
Mitm Rauchen hab ich ja aufgehört.
Ach ja?
Ab hier hab ich nicht gewusst, wer was sagt. ABER ich würde es trotzdem nicht ändern, weil es auch nicht gestört hat. Später erfährt man ja, wer mit dem Rauchen aufgehört hat.


und ich hab echt gerne geraucht, gerne und viel.
Hier fiel mir auf, dass er etwas unpersönlich redet. Er könnte doch den anderen mit ins Boot holen und darauf hinweisen, "und du weißt ja, ich hab echt gerne und viel..."

Kann mich nur nirgendwo mehr blicken lassen …
Das ist ein super wichtiger Satz, den er da jetzt sagt. Und trotzdem hab ich ihn von seiner Formulierung her als Fremdkörper und ungelenk empfunden. Ich hab aber keinen Verbesserungsvorschlag. Vermutlich bin auch nur ich drüber gestolpert.

Lieben Gruß

lakita

 

hat Spaß gemacht, deinen beiden Typen zuzuhören( sozusagen) und zu enträtseln, um was es eigentlich geht. Z

Vielen Dank für deine Zeit und deinen Kommentar!

Zeitweise ist man in der Figur von Winfried drin und wird wie er so unruhig, weil schon irgendwie klar ist, dass der Hajo was will, aber es noch vor sich herschiebt.
Das finde ich stark, wenn es auf dich so wirkt, super.
Sie kommt mehr aus der Interaktion und das gefällt mir deutlich besser als sog. Geständnisse.
Ich probiere gerade wieder mehr mit personalen Erzählern, auch wegen einem Roman, der vorwiegend personal erzählt wird und ich da endlich wieder reinkommen muss. Ganz unterschiedlich, wie man das so machen kann, für was die Perspektiven gut sind. Manches eignet sich eben sehr für solche Geständnisse; übrigens sehr gut, merke ich mir!, und anderes eher für das orbitale Erzählen, wie mit der Kamera. Ich denke, überall dort, wo man ein Geheimnis wirklich als Objekt im Text behalten will, ist personal besser geeignet, weil man es nicht erzählen muss. Bei der Rollenprosa musst du es auflösen, also etwas nicht sagen oder umschreiben geht auch, aber es ist doch intendiert. Hier wird da nicht drüber gesprochen von den Charakteren, der Erzähler gibt mehr oder weniger einen kleinen Hinweis, der Rest steht für sich. Also, muss man abwägen, wie man was machen will.
Und die Reaktion von Hajo ist serientypisch und super nachvollziehbar, denn er spürt, dass er das Schnäppchen nicht machen kann, das er sich für seine Tochter vorgenommen hat. Er spürt aber auch, dass Winfried sich rächt.
Ja, da ist was dran. Es ist halt so menschlich, diese Schwäche auszunutzen, da noch etwas für billig kaufen zu wollen, und das dann noch so gütig darzustellen, ich tue dir einen Gefallen!, so Leute gibt es ja tatsächlich. Rache wäre mir zu hart, weil er den Fehler ja begangen hat; true story auch, bei einer Maisjagd passiert, Jäger den Treiber für eine Sau gehalten, erschossen, dann ist er nach Hause, also direkt von der Jagd, und hat sich dort selbst gerichtet. Hier habe ich mich gefragt, was passiert, wenn er das eben nicht tut; wie lebt man mit so was? Das muss ja wie ein Stein in einem liegen. Er hat ja offensichtlich die Jagd aufgegeben, aber trotzdem, es war ein Fehler, den man nicht hätte machen dürfen, der nie passieren darf; der Finger bleibt gerade, wenn man nicht genau weiß, was los ist. Ich habe auch schon Sauen und Böcke angeschweißt und nachsuchen müssen, so etwas passiert, aber sobald Treiber dabei sind, ist das etwas anderes. Drückjagend oder Erntejagden, da bin ich auch äußerst ungerne, weil ich auch weiß, wie lasch viele Jäger das alles sehen. Mir sind bei einer Hasenjagd schon Schrotkugeln um die Hose geflogen.
Hier konnte ich es mir nicht so gut vorstellen, was er da für einen Gehörschutz hat. Später taucht der Hinweis auf den Helm auf. Das beantwortet, allerdings für meine Begriffe zu spät, dass er trotz bereits laufender Säge den Gehörschutz runterklappen kann. Das kann man auch gut mit dem Ding in einer Hand.
Voll bekloppt bin ich, klar. Die sind am Helm dranmontiert und die klappst du dann runter. Muss ich mal in mich gehen, wie ich das anschaulicher beschreibe, danke, sehr genau gelesen.

Aber die Sache mit den Kapseln bekomm ich garnicht vor mein Auge. Was für Kapseln und es taucht dann in meiner Phantasie wieder die Frage auf, wie er das mit der laufenden Säge so hinbekommt, dass er die einsetzt
Die Kapsel ist das, was über das Ohr kommt, die hängt in einer Tiefenlehre drin und die kannst du dann für dein Ohr anpassen. Die heißen halt so, und da ich ja auch vom Fach bin, musste ich das so hinschreiben, auch wenn es beknackt klingt. Ich suche nach Alternativen!

Hier fiel mir auf, dass er etwas unpersönlich redet. Er könnte doch den anderen mit ins Boot holen und darauf hinweisen, "und du weißt ja, ich hab echt gerne und viel..."
Gekauft, wird geändert.

Das ist ein super wichtiger Satz, den er da jetzt sagt. Und trotzdem hab ich ihn von seiner Formulierung her als Fremdkörper und ungelenk empfunden. Ich hab aber keinen Verbesserungsvorschlag. Vermutlich bin auch nur ich drüber gestolpert.
Ja, so ganz zufrieden bin ich damit auch nicht, ich brauchte halt die Überleitung zu dem eingeschmissenen Fenster. Da muss ich mal gucken, das wirkt mir auch zu Holzhammer, man müsste das sanfter und subtiler machen, vielleicht noch ein, zwei Sätze mehr dazu, das er nur noch am Haus werkelt und so, und DANN diese Sache mit dem Stein erzählt, mal sehen, ist aber ein guter Tip.

Ja, super erster Kommentar, da steckt was drin, das lasse ich mir durch den Kopf gehen und überarbeite alsbald!

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman ,

ich nochmal. Freut mich, wenn du mit meinem Feedback etwas anfangen konntest.
Dein Ausprobieren mit den Perspektiven bewundere ich, denn ich gehe da meistens nach Bauchgefühl ran und liege auch dementsprechend mal daneben.
Ich vermag das nicht so strukturiert anzugehen wie du es tust. Würde mir gern eine Scheibe davon abschneiden, hab bloß kein Messer. :D

Rache wäre mir zu hart, weil er den Fehler ja begangen hat;
Also Rache kann ja ganz wenig intensiv oder auch am Ende tödlich sein. Hier dachte ich so in eher sanfter Form, dass er ihm halt den praktischen und finanziellen Vorteil des LADAs nicht gönnt, so als Revanche, denn
Er hat ja offensichtlich die Jagd aufgegeben,
ich habe deine Geschichte so gelesen, dass man ihn aus der Jagdgesellschaft rausgeworfen hat. Also er zwar wohl derjenige war, der den Jagdunfall verursacht hat, das schon, aber sich eben infolge des so abweisenden Verhaltens der anderen gar nicht so weit hat ausschließen lassen wollen, es aber doch so passiert ist.
Wenn das anders von dir gedacht ist und so kommt es mir aufgrund deiner Antwort vor, dann wäre aber diese super Szene mit dem LADA-Verkauf letztendlich wenigstens so zu bewerten, dass Winfried noch einen Rest Selbsterhaltungstrieb in sich spürt, indem er sich sperrt und nicht noch denjenigen, von denen er sich dann wohl freiwillig ausgeschlossen hat, Vorteile verschafft. Dann ist das mit der Rache von mir reichlich drüber interpretiert.
Ja, so ganz zufrieden bin ich damit auch nicht,
Ah, du verstehst es. Gut so. Es anders darzustellen wäre eine Option, aber der Inhalt des Satzes hat schon gut Wucht, ihn daher inhaltlich so stehen zu lassen, fände ich fast besser. Nur eben etwas eleganter formuliert.

Lieben Gruß

lakita

 

Dein Ausprobieren mit den Perspektiven bewundere ich, denn ich gehe da meistens nach Bauchgefühl ran und liege auch dementsprechend mal daneben.
Moin,

ja, das ist ein ständiges Probieren, manches funktioniert mit mehreren Perspektiven, ist immer die Frage, wie man den Text öffnen möchte, welche Wirkung der haben soll. Auch was man besser kann: ich lese gerade Ludwig Hohmann, der erzählt personal, aber ist total in den Personen, so etwas könnte ich gar nicht. Es ist auch ungewöhnlich, das zu lesen, aber man kommt dann rein.

ich habe deine Geschichte so gelesen, dass man ihn aus der Jagdgesellschaft rausgeworfen hat. Also er zwar wohl derjenige war, der den Jagdunfall verursacht hat, das schon, aber sich eben infolge des so abweisenden Verhaltens der anderen gar nicht so weit hat ausschließen lassen wollen, es aber doch so passiert ist.
Ich finde, das lässt dich Geschichte ein wenig offen; ich denken, man kann nicht einfach so weitermachen wie vorher, vielleicht würde er das wollen, aber das geht natürlich nicht, er ist quasi verbrannt.
Wenn das anders von dir gedacht ist und so kommt es mir aufgrund deiner Antwort vor, dann wäre aber diese super Szene mit dem LADA-Verkauf letztendlich wenigstens so zu bewerten, dass Winfried noch einen Rest Selbsterhaltungstrieb in sich spürt, indem er sich sperrt und nicht noch denjenigen, von denen er sich dann wohl freiwillig ausgeschlossen hat, Vorteile verschafft.
Ja, das ist denke ich, ein wenig auch die zwischenmenschliche Tragödie, die da passiert, man weiß um die Geschehnisse und will nun einen Vorteil daraus ziehen, da lässt man auch ja auch immer kurz den eigentlichen Charakter aufblitzen, so ist man wirklich. Vielleicht, auf der anderen Seite, will Winnie nicht ganz wahrhaben, was passiert ist, nicht leugnen, aber nicht die Tragweite begreifen, die eigene Verantwortung ein wenig ablehnen. Irgendwo dazwischen.
Nur eben etwas eleganter formuliert.
Tja, ich weiß, aber es ist nun mal so, die sprechen ja untereinander, da empfinde ich elegante Formulierungen immer so konstruiert und denke, so spricht ja niemand, weißt? Ich überlege.

Besten Dank für deine Rückmeldung!

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman,

endlich erwische ich eine Geschichte von dir, die noch nicht ausgiebig behandelt wurde.
Du hast eine ganz andere Art zu schreiben, als ich, dadurch ist es natürlich besonders interessant für mich, etwas von dir zu lesen. Der Aufbau der Geschichte, die kleinen Andeutungen, sind geschickt gemacht: Dieses fast schon kontemplative konzentrieren auf die Sägearbeit, das 'Hier und Jetzt' ist eine gute Bühne für das weitere geschehen, bei dem es schließlich auch um 'Verdrängung' geht und gipfelt in:

Das Sägen von Brennholz barg keine Geheimnisse: es war, was es war

Dann dieses 'Um die Sache Herumreden', diese Plattheiten
Gönnt sich ja sonst nichts.
Endlich wird das Eigentliche angesprochen, schnell wieder davon abgelenkt - gut beobachtet, wie die Leute so reden.

Nun wird die Situation des Mannes klarer:

Kann mich nur nirgendwo mehr blicken lassen …
Die haben mir vor nem Monat die Fensterscheibe eingeworfen - direkt hier, unten in der Küche das große Fenster … riesen Trumm, ist aufm Tisch gelandet
da fällt einem doch nix mehr zu ein, oder?
das sind alles Verbrecher sag ich dir, Politiker, Anwälte und Versicherungen, in der Reihenfolge.
Eine Menge Resignation und Frustration spürt man hier.

Das ist fein erzählt, bei der entscheidenden Stelle (Autokauf) kann ich nicht gut erkennen, warum beide Männer so verärgert sind.
Da scheinen sie sich doch noch recht einig:

Hajo nickte. Wär doch ne gute Lösung, ich mein … bevor der nur rumsteht, oder?
Jaja, schon nicht verkehrt gedacht, sagte Winfried Schell.
Er gibt zu, den Wagen nicht zu brauchen:
Er hatte den Wagen schon seit Monaten nicht mehr benutzt, es sogar vermieden, ihn anzusehen
So richtig als 'Aasgeier', der aus dem Unglück des anderen Vorteile ziehen will, wird der Hajo nicht dargestellt. Die Situation ist auch nicht so aufgeladen, dass man sie nicht mit einem 'im Moment kann ich den Lada einfach nicht hergeben' entschärfen könnte. Da wird auf eine virtuelle Zumutung reagiert, die man nicht als relevante präsentiert bekommt.

Wenn ich den Text isoliert betrachte, finde ich ihn gelungen, abgesehen von der genannten Einschränkung (ich hätte auch den ersten Absatz nicht gebraucht, aber das ist natürlich meiner Vorliebe für Kürze geschuldet).
Mit weiterem Blickwinkel stört mich, dass es hier wieder um selbstzerknirschende Gedankengänge geht, die nicht so neu sind (übles Ereignis, Selbstmordgedanken; wobei ich es spannend finde, wenn es gelingt solche Themen mit neuen Sichtweisen zu verknüpfen).

Jedenfalls möchte man nicht unbedingt in der Situation von Winfried sein, ob man überhaupt seriös als (zum Glück) Erfahrungsloser über die Situation 'Ich habe einen Menschen getötet' schreiben kann, ist eine ganz andere Debatte. Aber ich denke, es ging dir auch mehr um die spezielle, gut beschriebene Begegnung, nicht um die allgemeinen Aspekte dieser Thematik.


Noch eine Kleinigkeit:

Er hielt den Blick auf das schmale
In diesem Absatz vier Satzanfänge mit "Er", sehe keinen dramaturgischen Grund dafür.

Drangekriegt! Natürlich nicht. Wie denn auch?
Finde ein '?' passender, ist wohl Ansichtssache.

Jo, war schön den beiden zuzuhören,

beste Grüße,

Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Endlich wird das Eigentliche angesprochen, schnell wieder davon abgelenkt - gut beobachtet, wie die Leute so reden.
Hallo Woltochinon, und danke für Zeit und Kommentar.

Ich beobachte nicht, wie die Leute so reden, ich würde behaupten, ich rede ebenfalls so. So reden wahrscheinlich die meisten Menschen, nur findet diese Sprache leider kaum Zugang in die offizielle Literatur: bis auf wenige Ausnahmen, Ludwig Fels, Ludwig Hohmann. Das ist schade, denn es ist ja der individuelle Erfahrungshorizont, der auch zu einem Teil aus mündlicher Sprache besteht.

Das ist fein erzählt, bei der entscheidenden Stelle (Autokauf) kann ich nicht gut erkennen, warum beide Männer so verärgert sind.
Verärgerung wollte ich auch nicht darstellen. Das ist eher so ein, tja, wie soll ich das nennen, eine leicht paternalistische Abzocke, oder noch nicht mal Abzocke, sondern im Grunde eine Unverschämtheit. Das ist: "Jemand denkt, das jemand etwas nicht mehr braucht, weil X passiert ist und deswegen ..." Das ist wie Hörensagen, Spekulation, und dann bekommt das natürlich auch vor dem Hintergrund der Geschehnisse einen anderen Geschmack.
Er gibt zu, den Wagen nicht zu brauchen:
Das hatte ich in der Vorversion noch nicht drin, es sollte aber eine etwas joviale Entgegnung sein, so nach dem Motto: Ja, unter anderen Umständen, oder auch: Hätte ich DICH angerufen und dir diesen Deal vorgeschlagen, wäre es etwas anderes.

Die Situation ist auch nicht so aufgeladen, dass man sie nicht mit einem 'im Moment kann ich den Lada einfach nicht hergeben' entschärfen könnte. Da wird auf eine virtuelle Zumutung reagiert, die man nicht als relevante präsentiert bekommt.
Das sehe ich dezidiert anders. Die ist nicht wegen dem Auto aufgeladen, da kulminiert nur alles, ich denke, er könnte den Wagen auch einfach verkaufen und es würde an dem eigentlichen Effekt der Geschichte nichts ändern, der LADA bleibt ja eines dieser Symbole, die hin und hergleiten in ihrer Bedeutung, als Kaufanreiz, als Währung, als Erinnerung, als Mahnung. Das würde sich nicht ändern, denke ich. Was aber in der aktuellen Version, bzw in der Anlage so sein sollte, ist, dass Menschen wie Hajo Peters solche Situationen ausnutzen. Und, du musst bedenken, es geht natürlich auch um das sprichwörtliche Wort: Regel. Daran entzündet sich doch die Sache erst. Winfried Schell sagt, er hält sich sein Leben lang an Regeln, was er offensichtlich nicht getan hat, er hat in den hohen Mais geschossen ohne klare Sicht, und das ist auch eine Regel. Offensichtlich sind das alles nur Fassaden, die sich beide da aufbauen, Hajo als der kumpelhafte Typ, der aber doch gerne ein gutes Geschäft machen möchte, im Grunde ja würdelos ausnutzend (noch nicht mal unfair oder so, einfach eine passende Gelegenheit) und Winfried Schell, der sich an so Weisheiten wie Regelwerk festhält, obwohl es offensichtlich eben gerade nicht so ist. Aber stimmt, ich müsste das vielleicht noch verknappen, noch weniger freundschaftlich, sondern eher geschäftsmässig inszenieren. Ich überlege.
Mit weiterem Blickwinkel stört mich, dass es hier wieder um selbstzerknirschende Gedankengänge geht, die nicht so neu sind (übles Ereignis, Selbstmordgedanken; wobei ich es spannend finde, wenn es gelingt solche Themen mit neuen Sichtweisen zu verknüpfen).
Na ja, ach. Ich mags düster. Vielleicht bist du älter und hast dementsprechend mehr gelesen? :D Und ich denke auch nicht, dass man noch etwas Neues schreiben kann; sagen wir, mir reicht es, die Dinge, von denen ich erzählen möchte, authentisch und gut zu schreiben und zu erzählen. Ich weiß auch nicht, ob es da neue Sichtweisen gibt, was heißt hier diesbezüglich neu auch? Ich interessiere mich eben für alte Themen, wenn es nicht um Tod oder Leben geht, ist es nichts für mich!, ganz ehrlich, so ticke ich. Ich denke, ich bin so etwas wie ein Existenzialist, und die Geworfenheit ins Leben, ist, was mich interessiert. Wie wir durch dieses absurde Leben gehen.
Jedenfalls möchte man nicht unbedingt in der Situation von Winfried sein, ob man überhaupt seriös als (zum Glück) Erfahrungsloser über die Situation 'Ich habe einen Menschen getötet' schreiben kann, ist eine ganz andere Debatte.
Joah, Robert De Niro hat ja auch keinen umgelegt und trotzdem in Goodfellas den Killer relativ überzeugend gespielt, oder? Es gibt Dinge, da gebe ich dir Recht, die muss man selbst gemacht haben, zum Glück habe ich bis jetzt nur Tiere erlegt. Hat aber, wie ich finde, auch schon so einen etwas, entschuldige wenn ich irre, seltsamen vorwurfsvollen Unterton hier, wenn du schreibst, ob man davon überhaupt seriös schreiben könne; wenn du der Meinung bist, der Text sei aus diesen und jenen Argumenten nicht seriös, dann sag das doch einfach, ich kann damit schon umgehen, keine Sorge. Jedenfalls, was ich eigentlich sagen wollte, ich sehe das mit #ownvoices nicht so eng, denn die beste Jagdgeschichte, die ich je gelesen habe, stammte nicht von einem Jäger mit 50 JJ, sondern von einem achtzehnjährigen Bubi, der noch nie auf einem Hochsitz war. Eben einfach ein richtig guter Autor!

In diesem Absatz vier Satzanfänge mit "Er", sehe keinen dramaturgischen Grund dafür.
Verstehe ich nicht, welchen dramaturgischen Grund würde es denn geben? Das ist einfach ein Stilmittel, möglichst minimalistisch einen Charakter einzuführen. Jedesmal bewusst eine Abwechslung da dranzupappen, wirkt doch viel eher konstruiert. Er - das überliest man, ähnlich wie - sie sagte, er sagte.


Jo, war schön den beiden zuzuhören,
Danke dir! Freut mich!

Gruss, Jimmy

 

Der Text las sich sprachlich gut, allerdings bin ich öfter mal aus der Kurve geflogen, weil es ja keine Anführungszeichen gibt und so und ich nicht wusste, wer spricht und wer wer ist
Jo, moin, und danke für Zeit und Kommentar.

Hab ich aber doch oft, dass keine Anführungszeichen da sind. Nichts Neues also.

Und auch sonst habe ich die Story nicht so ganz gerafft, bevor ich die Kommentare gelesen habe.
Was soll ich dazu sagen? Ich finde dich persönlich jetzt nicht sonderlich verrätselt, ich würde mir viel eher noch weit fluidere Texte wünschen, auch hier im Forum.

Das mit dem Auto find ich persönlich zum Beispiel irgendwie null dramatisch.
Es ging auch weniger um Drama, sondern um eine sich zuspitzende Situation, wo alle Fäden zusammenkommen, der Unfall, der Wagen, das Verhältnis der Männer zu diesen Dingen ... na ja, jetzt finde ich mich hier in der Position wieder, meinen Text erklären zu wollen, was ich ja immer ablehne. Normalerweise!

Habe den Text jetzt nach den Kommentaren aber auch ein wenig als Übungstext interpretiert, also um aus der Ich-Perspektive rauszukommen. Kurz: Gewöhnt souverän, aber nicht unter meinen Favoriten von dir.
Nun, Übungstext, ich probiere sowieso immer viel herum, man will ja seinen Werkzeugkoffer erweitern oder instand setzen.
vielleicht jetzt einfach der Punkt gekommen, wo sich 25 Jahre saufen beginnen auszuwirken
Haha, das kann natürlich auch sein! Der Alkohol ist sowieso alles Schuld, immer!

Kurz: Gewöhnt souverän, aber nicht unter meinen Favoriten von dir.
Auch okay, kann nicht immer der vom Hockerreißer sein, oder? Schönen Urlaub dir!

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @jimmysalaryman

Ein verhängnisvoller Jagdunfall. Winfried hat Schuld auf sich geladen, obgleich sonst regeltreu.

Der Dialog zwischen den beiden ist stimmig, so richtig aus dem Leben gegriffen. Nach und nach wird deutlich, dass Winfried für einen Jagdunfall verantwortlich war. Hajo will kein Bier, noch nicht mal Limo, eigentlich ist er nur auf den Lada scharf und will sonst nix mehr mit Winfried zu tun haben. Das ist gut dargestellt. Ich würde aber schon im Dialog einflechten, dass der Junge gestorben ist, zum Beispiel hier: „Das ändert jetzt auch nichts mehr“ … Er schloss für einen Moment die Augen. Der Junge war erst siebzehn gewesen ... Hinten wirkt das mit dem Jungen wie nachgeschoben.

Außerdem, was ist denn mit dem Protagonisten los? Was hat der Vorfall bei ihm bewirkt? Immerhin hat er ja kurz nach dem Unfall die Waffe gegen sich selbst gerichtet. Glaub ich nicht. Und jetzt macht er einfach weiter? Freut sich über seine neue Motorsäge, ein super Teil offenbar, streitet sich mit der Versicherung. Will die bösen Nachbarn filmen, die ihm die Scheibe einschmeißen. Den Lada behält er, warum auch nicht. Eine in sich ruhende Persönlichkeit, beneidenswert. Sicher könnte es sich im realen Leben so abspielen. Aber in einer Geschichte würde ich mir mehr erwarten als eine Verdrängung der Schuld. Hat er vielleicht mal versucht, mit den Eltern zu reden?

Die fehlenden Anführungszeichen sollen wohl den Leser dazu zwingen, den Dialog besonders aufmerksam zu lesen? ;) Ich find's nicht so toll.

Hier noch Kleinigkeiten:

Winfried Schell saß auf der niedrigen Gartenmauer hinter dem Haus, die Beine im Gras ausgestreckt, in der Hand eine Tasse Kaffee.
Hoppla. Gleich über den ersten Satz bin ich gestolpert.
Wie niedrig muss denn da die Gartenmauer sein? Zwei Zentimeter hoch? Um die Beine im Gras ausstrecken zu können, sollte er auf dem Boden sitzen, an die Gartenmauer gelehnt.
Als er den vorletzten Meter Holz auf den Bock legte, nahm er aus den Augenwinkeln eine Gestalt vor dem Gartentor wahr.
Kurz vorher gab es dieses "nahm wahr" schon mal. Unschöne Wiederholung.
Der Junge war siebzehn Jahre alt gewesen und hatte die vorschriftsmäßige Warnweste getragen.
Wenigstens das Alter des Jungen betonen. Der Junge war erst siebzehn gewesen. Er hatte ...
Dort fanden ihn Polizisten in der Küche sitzend, den geladenen Revolver vor sich auf dem Tisch. Doch die Waffe gegen sich selbst zu richten hatte er nicht fertiggebracht.
Hier ist der Leser im Kopf von Winfried und wird plötzlich da raus gerissen. Die Waffe gegen sich … , alles andere kann weg.

Grüße
Sturek

 

Hallo @jimmysalaryman und @Henry K. ,

ich lese, dass es dir Henry K. Probleme bereitet, die jeweiligen Sprecher herauszufinden und möchte mein Feedback, in welchem ich ja schon lobend erwähnt hatte, dass mir der Dialog bestens gefallen hat, noch etwas erweitern.

Ich weiß, das klingt doof, aber ich lese so, dass ich es mir zwar nicht vorspreche oder leise vorlese oder so, aber ich lese so, dass ich in die akkustische Schwingung eines Textes gelange.
Ich weiß nicht, ob du das irgendwie nachvollziehen kannst.

Ich höre einen Text sozusagen.

Und im vorliegenden Fall "klang" alles harmonisch und hatte einen guten Fortgang und Rhythmus.
Ich bin einer ganz normalen, damit meine ich typischen Unterhaltung von Männern gefolgt und fand sie stimmig.

Aber mal anders gefragt: Warum nutzt du eigentlich das konventionelle Mittel der Anführungszeichen hier nicht? Hat das einen tieferen Sinn oder ist es "Marotte"? Ich meine, normalerweise haben Zeichen und Konversationen ja einen guten Grund :D nämlich das Lesen zu erleichtern, was ja erst mal angenehmer für den Leser ist und ja dadurch auch dem Textinhalt zu Gute kommt, für den man so mehr Kopf hat.
Gut, diese Frage kann man grundsätzlich stellen, aber das Sonderbare und schade, dass ich es gegenüber dir jimmy nicht schon in meinem allerersten Post erwähnt habe, ist, dass ich gerade hier beim Lesen gedacht habe, dass Anführungszeichen geradezu stören würden.
Das ist mir noch nicht zuvor in überhaupt einem Text mal so aufgefallen.

Bis auf eine Stelle, die ich in meinem ersten Feedback erwähnt habe, ist die Art wie die beiden sprechen natürlich inklusive ihrer Aussagen figurenimmanent geschrieben. Es passt zu dem jeweiligen Typen.
Wie oft, achte doch mal bitte ganz gezielt darauf, Henry K., ist es so, dass Dialoge nicht punktgenau sind. Klar, meist versteht man, was die Personen sagen, aber man schwankt so ein wenig zwischen der Frage, ob man in der Realität so spricht oder doch anders und genau in dem Moment, wo man sich diese Frage stellt, kann man davon ausgehen, dass der Autor gekünstelt geschrieben hat. Mir begegnet das ganz oft, vielleicht auch, weil ich selbst einen hohen Fokuss auf gelungene Dialoge habe, vielleicht aber auch, weil ich schon so einiges gelesen habe.
Das hochinteressante an perfekten Dialogen ist, dass sie nie die wirkliche wörtliche Rede unter Leuten 1 zu 1 wiedergeben bzw. wenn sie es tun, sind sie ermüdend und man liest schneller, denn in der Realität sabbeln wir jede Menge unnützes Zeugs drumherum, bevor wir zum Kern einer Aussage kommen. Das ist aber völlig normal und hat für mich mit Kommunikation zu tun, der Live-Begegnung und dem Erleben des anderen, der eben nicht stramm gerade vor mir steht und Rapport macht und im Telegrammstil, weil jedes Wort schwer was kostet, redet. Der rudert vielleicht auch mal mit den Armen, setzt seine Hände als Unterstreichung ein, grinst während der redet und so weiter. Die Liveunterhaltung ist quasi ein ganz anderes Event als diejenige Unterhaltung, die man in der Literatur lesen kann.

In der Literatur würden sich nämlich solche Dialoge katastrophal ausmachen . Es gilt also so nah wie möglich an der Realität des wirklichen Livesprechens zu bleiben und dennoch so verkürzt zu schreiben, dass man nicht das Buch zuklappt. Und dies ist hier in dieser Geschichte sehr gut gelungen. Kein Wort zu viel und durchgängig schwingt über dem Dialog der Eindruck, dass man direkt daneben stehen könnte, um dieses Gespräch mitzuverfolgen.


Ich glaube, wenn es dir gelingt, in den Flow dieses Dialogs einzutauchen und schwer ist das nicht, dann würden dir die Anführungszeichen auch nur wie kleine unnötige Barrieren vorkommen.


Lieben Gruß an euch beide


lakita

 
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Ich würde aber schon im Dialog einflechten, dass der Junge gestorben ist, zum Beispiel hier: „Das ändert jetzt auch nichts mehr“ … Er schloss für einen Moment die Augen. Der Junge war erst siebzehn gewesen ... Hinten wirkt das mit dem Jungen wie nachgeschoben.

Moin Sturek,

verstehe ich. Aber das Geheimnis wollte ich wirklich bis zuletzt bewahren. Würde ich es hier schon verraten, wäre der Effekt verpufft, dann wäre alles aus. Dann wäre die Dynamik erklärt, das Objekt benannt.

Außerdem, was ist denn mit dem Protagonisten los? Was hat der Vorfall bei ihm bewirkt? Immerhin hat er ja kurz nach dem Unfall die Waffe gegen sich selbst gerichtet. Glaub ich nicht.
Nee, er sagt doch, der Text verrät doch, dass er sie eben NICHT gegen sich gerichtet hat. Nun, was hat der Vorfall bei ihm bewirkt? Bewirken erscheint etwas befremdlich in dem Zusammenhang. Ich würde mal sagen, das verhandelt der Text nicht; das wäre ein anderer Text. Das klingt jetzt irgendwie so, als würde ich den verteidigen wollen, aber so ist es nicht: das hier, dieser Text, zeigt ja nur einen Ausschnitt, eine Begebenheit danach, das ist keine Charakterstudie. Ob du das glaubst oder nicht, steht dir ja frei. Erzählen wollte ich jedenfalls von etwas anderem.
Will die bösen Nachbarn filmen, die ihm die Scheibe einschmeißen.
Nee, das sind auch nicht die Nachbarn. Vielleicht nicht richtig gelesen. Ich denke vielmehr, es sind irgendwelche Jagdgegner oder sonstige Aktivisten, die ihm das Leben noch zusätzlich zu seiner eigenen Schuld zur Qual machen.

Ich denke, das ist auch der gesamten Erzählanlage geschuldet, denn wir erfahren ja nur wenig über das Innenleben, was man bei diesem "Bewirken" aber benötigen würde - das ist aber etwas, was ich nur sehr sparsam und reduziert einsetze, sondern eher eine, ich nenne das orbitale Sicht der Dinge, einsetze, die Charaktere agieren, sprechen lassen. Das Ganze eher minimalistisch halten.

Freut sich über seine neue Motorsäge, ein super Teil offenbar, streitet sich mit der Versicherung.

Ist interessant, denn das würde ich anders interpretieren, er braucht Ablenkung, Frustabbau, da wird der Text nicht so ganz eindeutig. Ich mag ja Texte, die nicht eindeutig sind, wo mir nicht noch umständlich erklärt wird, wieso weshalb warum, sondern ich sehe einen Mann, der sägt, und der selbst sagt, er braucht nicht mehr so viel Holz, sich aber trotzdem eine neue Stihl kauft ... liest aber jeder wahrscheinlich auch anders.

Eine in sich ruhende Persönlichkeit, beneidenswert.
Das schließt du da draus. Im Text ist da nirgends von die Rede. Er hat seine Waffen weggegeben, den Lada behalten, das sind Außerlichkeiten, über seinen Innenleben erfahren wir ja nichts, das bleibt eher ein Spannungsfeld.
Aber in einer Geschichte würde ich mir mehr erwarten als eine Verdrängung der Schuld. Hat er vielleicht mal versucht, mit den Eltern zu reden?
Wie gesagt: Das sind Teile einer anderen Geschichte. Da gehst du jetzt dazu über, deine Erwartungen an den Text zu stellen, aber in diesem Text geht es um den Lada, und nicht um die Eltern von dem toten Jungen. Das wäre einfach eine andere Geschichte, die müsste viel früher einsetzen, einen ganz anderen Aufbau verfolgen.
Ich find's nicht so toll.
Ist ja ein freies Land. Ich mags.

Wie niedrig muss denn da die Gartenmauer sein?
Unsere Gartenmauer ist locker 1,50. Da kannst du nicht einfach so draufsitzen. Ich gehe auch immer von realistischen Dingen aus, Dinge, die ich kenne, deswegen schrub ich: niedrig.

Kurz vorher gab es dieses "nahm wahr" schon mal. Unschöne Wiederholung.
Ja? Nee, wo? Er nahm die Tasse Kaffee, steht da nur, oder? Ich find nix.
Wenigstens das Alter des Jungen betonen. Der Junge war erst siebzehn gewesen. Er hatte ...
Warum, wieso? Warum wenigstens betonen? Das Geheimnis so nüchtern und unsentimental präsentieren, wie es nur geht. Ist meine Devise. Hier auf die emotionale Tube zu drücken würde doch allem die Schwerkraft nehmen, oder nicht?

Hier ist der Leser im Kopf von Winfried und wird plötzlich da raus gerissen. Die Waffe gegen sich … , alles andere kann weg.
Das mit den Polizisten finde ich wichtig. Man ist auch übrigens nicht im Kopf von Winfried, sondern man ist die Kamera, die retrospektiv über dem Geschehen schwebt. Die Polizisten machen den Vorgang offiziell, das ist die erste Konsequenz, ich finde das wichtig, es auch so zu benennen. Außerdem muss der Revolver da rein, denn er hat ihn schon aus dem Waffenschrank holen müssen und ihn laden müssen, das ist ein anderer, ein viel dynamischerer, expliziterer Vorgang als sich irgendwie versuchen, mit der Büchse in den Kopf zu schießen, es ist planvoller, gezielter. Hat eine andere Tendenz, wirkt schwerer.

Danke für deine Zeit und deinen Kommentar.

Gruss, Jimmy

 

Und muss sagen, nein, es gibt einfach ein paar Stellen, wo man nicht direkt weiss, wer redet. Und mich wirft das raus.

Moment. Wo DU nicht weißt, wer da redet. ICH weiß das natürlich! :D

Das erzeugt bei mir einfach ein Gefühl von "nicht richtig", weil nicht systematisch.
Verstehe ich nicht, der Text hier ist doch fast Ping-Pong, Hajo, Winnie und so weiter, also das ist doch ein System, oder?

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Henry K. ,

habs mir extra auch mal via Handy angeschaut, was ich sonst nie mache, lese immer mit normal großem Computerbildschirm.
Finde nicht, dass es dadurch unübersichtlicher wird.
Es beginnt immer ein neuer Zeilenanfang mit einer neuen Person.
Ist halt nur alles viel kleiner, aber ja auch kein Wunder.

Vermute, es liegt doch :D am Alk.:anstoss:

 

@jimmysalaryman

Kurz vorher gab es dieses "nahm wahr" schon mal. Unschöne Wiederholung.
Ja? Nee, wo? Er nahm die Tasse Kaffee, steht da nur, oder? Ich find nix.
Hier ist die Stelle, die ich meinte:
Er hielt den Blick auf das schmale, scharfe Blatt der Säge gerichtet, nahm das trockene Knurren des Motors unter dem Gehörschutz nur dumpf und wie aus weiter Entfernung wahr. Er arbeitete konzentriert und bedächtig, Scheit für Scheit, machte nur kurze Pausen, um das Holz in dem kleinen Verhau neben dem Blumenbeet zu stapeln. Als er den vorletzten Meter Holz auf den Bock legte, nahm er aus den Augenwinkeln eine Gestalt vor dem Gartentor wahr.
Wie niedrig muss denn da die Gartenmauer sein?
Unsere Gartenmauer ist locker 1,50. Da kannst du nicht einfach so draufsitzen. Ich gehe auch immer von realistischen Dingen aus, Dinge, die ich kenne, deswegen schrub ich: niedrig.
Hier hast du mich anscheinend missverstanden. Das "niedrig" hat mich gar nicht gestört. Ich meinte, man kann die Beine doch nur im Gras ausstrecken, wenn man auf dem Boden sitzt oder nur leicht darüber.
Man ist auch übrigens nicht im Kopf von Winfried, sondern man ist die Kamera, die retrospektiv über dem Geschehen schwebt.
So kann man es sehen. Aber nachdem Hajo gegangen ist, macht Winfried dies und das, fühlt die Kälte der Nackenstütze, blickt auf das Feld, nimmt einen tiefen Zug und so weiter und da nehme zumindest ich automatisch seine Perspektive ein, so wie übrigens auch am Anfang. Oder anders formuliert: Die Kamera zoomt auf ihn.

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @jimmysalaryman,

Verärgerung wollte ich auch nicht darstellen
Wenn du keine Verärgerung darstellen wolltest, warum dann so viel verärgerter Dialog:
Ist das jetzt dein Ernst? Grade du kommst mir mit Regeln, Winnie? Also das ist ja wirklich das Allerletzte! Ich denk, ich komm hier raus, ich denk, ich tu dir nen Gefallen, und dann kommt sowas? Nee, komm, lass mal gut sein, hat sich schon erledigt, ich hau einfach wieder ab.
Dann drehte er sich um und ging, ohne das Gartentor zu schließen.
Finde das sogar gelungen, auch diese Anmerkung über das Gartentor - wirkt wie kindlicher Trotz.

Ich beobachte nicht, wie die Leute so reden, ich würde behaupten, ich rede ebenfalls so. So reden wahrscheinlich die meisten Menschen
Ich beobachte schon, wie Leute reden. Ist doch interessant, wie sich je nach Herkunft und Situation die Redeweise verändert.

Das sehe ich dezidiert anders.
Da hast du recht, das kann man anders sehen.

Na ja, ach. Ich mags düster.
Ich finde es nicht düster. Es geht doch eher um die Frage, wie man mit einer nicht alltäglichen Situation fertig wird.

Und ich denke auch nicht, dass man noch etwas Neues schreiben kann; sagen wir, mir reicht es, die Dinge, von denen ich erzählen möchte, authentisch und gut zu schreiben und zu erzählen. Ich weiß auch nicht, ob es da neue Sichtweisen gibt, was heißt hier diesbezüglich neu auch?
Genau - was heißt neu. Ich meine das im Sinne von etwas Unerwartetem. Wenn ich etwas lese und denke 'so habe ich das noch nie gesehen' oder 'so was aber auch - das gibts!' Ist jetzt ohne Gewähr auf Vollständigkeit.


seltsamen vorwurfsvollen Unterton hier, wenn du schreibst, ob man davon überhaupt seriös schreiben könne; wenn du der Meinung bist, der Text sei aus diesen und jenen Argumenten nicht seriös, dann sag das doch einfach
Oh nein! Kein Vorwurf, ich schrieb:
Jedenfalls möchte man nicht unbedingt in der Situation von Winfried sein, ob man überhaupt seriös als (zum Glück) Erfahrungsloser über die Situation 'Ich habe einen Menschen getötet' schreiben kann, ist eine ganz andere Debatte. Aber ich denke, es ging dir auch mehr um die spezielle, gut beschriebene Begegnung, nicht um die allgemeinen Aspekte dieser Thematik.
"ist eine ganz andere Debatte", nämlich eine grundsätzliche. Deshalb der Zusatz, dass es dir meiner Meinung nach nicht um diese grundsätzlichen, allgemeinen Aspekte bei deinem Text geht. Es ging nie darum, diesem Text die Seriosität abzusprechen. Dann hätte ich nicht so viel Lobenswertes erwähnt.

Er - das überliest man, ähnlich wie - sie sagte, er sagte.
Nun ja, überlesen habe ich es zumindest nicht.

Jedesmal bewusst eine Abwechslung da dranzupappen,
Muss man nicht, eine kleine Umstellung genügt: 'Konzentriert arbeitete er, bedächtig, Scheit für Scheit ...'

Verstehe ich nicht, welchen dramaturgischen Grund würde es denn geben?
Wortwiederholungen kann man schon dramaturgisch einsetzen:


Immer dieser Schmerz, immer und immer wieder dieses Elend!

Vater, du hast mich zerstört, ich hasse dich!
Du Arsch, du Dreckschwein, du Versager!

(sorry, wenn ich dem Schwein da Unsauberkeit unterschiebe :D ).


Danke für deine ausführliche Reaktion,

Grüße,

Woltochinon

 

Hier ist die Stelle, die ich meinte:

Moin nochmals,

siehste, da konnte ich mit meinem Kopf Fußball spielen, das habe ich selber echt nicht gesehen, danke dafür. Wird natürlich umgehend geändert!

Hier hast du mich anscheinend missverstanden. Das "niedrig" hat mich gar nicht gestört. Ich meinte, man kann die Beine doch nur im Gras ausstrecken, wenn man auf dem Boden sitzt oder nur leicht darüber.
Ach so, so liest du das. Dann habe ich mich falsch ausgedrückt: Für mich sitzt er da und streckt die Beine ... nee, sehe ich selber, geht nicht, muss ich ändern. Klingt so, wenn ich das jetzt lese, vollkommen beknackt.
So kann man es sehen. Aber nachdem Hajo gegangen ist, macht Winfried dies und das, fühlt die Kälte der Nackenstütze, blickt auf das Feld, nimmt einen tiefen Zug und so weiter und da nehme zumindest ich automatisch seine Perspektive ein, so wie übrigens auch am Anfang. Oder anders formuliert: Die Kamera zoomt auf ihn.
Ja, das ist nicht ganz sauber gelöst, weil man hier quasi diese zwei Perspektiven Innen/Außen ineinander verschränken soll als Leser, das ist ein wenig der Effekt wie aus dem Off, wo man etwas sieht, ein Bild oder eine Sequenz, aber vielleicht etwas vollkommen anderes hört, eher etwas aysnchrones. Na ja, wie dem auch sei, ich sehe, wo du herkommst und warum du so empfindest beim Lesen, denke ich. Die Polizei und den Revolver würde ich aus zwei Gründen drinlassen: die Polizei, das Offizielle, da realisiert der Leser, es ist wirklich ernst, es ist nicht nur ein kleiner Unfall, der Junge nicht nur angeschossen oder verletzt, sondern das ist die Sackgasse, das Einsickern der unausweichlichen Konsequenz, also ein Symbol für die offizielle Intervention, und der Revolver einfach fast aus den gleichen, aber individuellen Gründen, du brauchst Zeit, um den aus dem Waffenschrank zu holen, du musst ihn laden, du hast das also vor, du planst das, aber schaffst es dann nicht; darin liegt ja hier die Tragik. Mag sein, dass das von den Perspektiven nicht immer sauber ist, aber dann ist es so, ich empfinde diese Teile als wichtig, auch wenn ich sonst der Erste bin, der kürzt; hier würde ich mich dezidiert anders entscheiden.

Gruss, Jimmy

 

Wenn du keine Verärgerung darstellen wolltest, warum dann so viel verärgerter Dialog:
Danke für deine Rückmeldung.

Du hast natürlich Recht: Verärgerung wäre eventuell das falsche Wort. Es sind, glaube ich, verärgerte Charaktere, oder die drücken sich ärgerlich aus, aber es geht doch, wie ich finde, irgendwie darum, wie man mit so einem Ereignis umgeht. Nicht nur man selbst, sondern auch andere, ähnlich wie bei einer Erbschaft, wenn jemand stirbt, da kommen auch so langsam die Geier. Das Ausbreiten auf den Schultern der Schwächsten sozusagen.

Ich beobachte schon, wie Leute reden. Ist doch interessant, wie sich je nach Herkunft und Situation die Redeweise verändert.
Ja, extrem. Man spricht auch unterschiedlich zu unterschiedlichen Menschen, und je mehr man sich dort dem Jargon anpasst, desto eher wird man akzeptiert. Es ist tatsächlich so, dass man sehr oft einfach auch aneinander vorbei redet, was dann auch dem Habitus oder der sozialen Herkunft geschuldet ist.
Genau - was heißt neu. Ich meine das im Sinne von etwas Unerwartetem. Wenn ich etwas lese und denke 'so habe ich das noch nie gesehen' oder 'so was aber auch - das gibts!' Ist jetzt ohne Gewähr auf Vollständigkeit.
Ich verstehe das. Mir geht es ja ähnlich, aber wirklich Neues oder auch nur neu zusammengesetztes Material, das ist schon schwierig zu finden. Ich denke auch, man spürt, dass dort jemand quasi am Reißbrett etwas entworfen hat, so etwas hat in den seltensten Fällen einen organischen Sound. Man liest einfach sehr oft das Handwerk heraus, das spürt man direkt hintern den Zeilen, jedenfalls geht es mir so. Mir sind da, sagen wir, ehrliche Texte lieber, die müssen nicht spektakulär sein oder so, aber eben echt, echt empfunden.
"ist eine ganz andere Debatte", nämlich eine grundsätzliche. Deshalb der Zusatz, dass es dir meiner Meinung nach nicht um diese grundsätzlichen, allgemeinen Aspekte bei deinem Text geht. Es ging nie darum, diesem Text die Seriosität abzusprechen. Dann hätte ich nicht so viel Lobenswertes erwähnt.
Nein, so meinte ich das auch nicht und habe es auch so nicht gelesen. Ich verstehe aber, was du meinst. Und ja, natürlich wäre es eine grundsätzliche Frage, wie man etwas erzählen kann und wer das dann darf, aber da ist man schnell bei der literarischen Version des Ethnopluralismus, einem Konzept, was ja Linke und Rechte anscheinend gleichermaßen toll finden; Kunst darf erstmal alles, denke ich. Aber ja, das ist eine andere Debatte.
Nun ja, überlesen habe ich es zumindest nicht.
Das meinte ich eher generell: Diese Marker überliest man irgendwann, das habe ich mal in einem Essay gelesen, eher literaturtheoretisch. Das ist eine Elmore Leonard-Regel, nie etwas anderes als "sagte" zu schreiben, wenn man es so meint, der Leser nimmt das irgendwann nicht mehr wahr. Ich habe das öfters mal ausgefranst, wie hier, wo es das nicht mehr gibt, wo man den Dialog so ohne Marker wegliest (oder nicht) und sich das wie eine Art Ping Pong vorstellen kann; das ER genauso. Raymond Carver machte das oft, gerade bei den Storyanfängen, direkt den Klopper rausholem: Er tut dies, er tut das, er sieht dies, er geht hierhin, das mag vielleicht unelegant klingen, aber es entwickelt auch einen seltsamen Sog, so ein Stakkato, wenn man es prinzipiell minimalistisch mag. Ist halt wie so vieles eine Geschmacksfrage.

Gruss, Jimmy

 

Kann natürlich sein, aber dann wäre er schon ein ziemlicher Penner. Ich meine, zunächst mal agiert er ja taktisch unklug: Er will seinem alten Kumpel den Wagen abluchsen, aus den Rippen leiern. Da müsste er eigentlich wissen, dass er dafür die Situation ein wenig besser schmieren muss. Getränke abschlagen, sich nicht mal setzen, das ist dumm. Ein Mann dieses Alters müsste eigentlich wissen, dass er das sehr beiläufig platzieren muss, am besten noch so, dass Winnie selbst auf die Idee kommt.
Ich nehme das mal exemplarisch raus: Das stimmt. Ich habe den auch in der neuen Version schon erweitert, da spielt auch seine bis jetzt abwesende Frau eine Rolle. Bin ich gerade am überarbeiten, aber real life chores ...

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman,


Es sind, glaube ich, verärgerte Charaktere
Ja, das trifft es gut!
Treffende Definition.

Und ja, natürlich wäre es eine grundsätzliche Frage, wie man etwas erzählen kann und wer das dann darf, aber da ist man schnell bei der literarischen Version des Ethnopluralismus,
Wir hatten hier im Forum auch mal kurz die Debatte, ob man als Weißer aus der Sicht eines Afrikaners schreiben kann. Das mag alles interessant sein, aber kann schnell kompliziert werden.


Das ist eine Elmore Leonard-Regel, nie etwas anderes als "sagte" zu schreiben, wenn man es so meint
Interessant, wieder etwas gelernt! Dieses Konzept der direkten, unverblümten Ansprache wurde auch einmal im pädagogischen Kontext erwogen, ist wohl ziemlich schnell verworfen worden, habe jedenfalls nichts mehr darüber gehört (na ja - das Kultusministerium wird mich nicht anrufen und informieren ... :lol:).

Sehr nett, dass noch einmal einige Infos zusammengestellt hast.


VG,

Woltochinon

 
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Servus Jimmy,

gefällt mir sehr gut. Ich mag die Ruhe, das Ländliche und Bodenständige.

1. Was ich noch ausbauen würde, wäre der Vorgang des Jagdunfalls. Du schreibst:

true story auch, bei einer Maisjagd passiert, Jäger den Treiber für eine Sau gehalten, erschossen, dann ist er nach Hause, also direkt von der Jagd, und hat sich dort selbst gerichtet.
Der Text erzählt uns:
Der Junge war siebzehn Jahre alt gewesen und hatte die vorschriftsmäßige Warnweste getragen. Der Mais hatte über zwei Meter hochgestanden. Für manche Regeln gibt es Ausnahmen. Für manche nicht. (...) Danach hatte er sich in den LADA gesetzt und war nach Hause gefahren. Dort fanden ihn Polizisten in der Küche sitzend, den geladenen Revolver vor sich auf dem Tisch. Doch die Waffe gegen sich selbst zu richten hatte er nicht fertiggebracht.
Ich finde die wahre Geschichte sehr gut. Das ist ja Material, nach dem man Ausschau hält, und wenn man das in eine Story einbaut, wirkt es oft sehr authentisch. Ich würde hier nur noch mehr Infos reinbauen, weil mir als Leser nicht ganz klar war, was denn wirklich bei der Treibjagd passiert ist; mir fehlt die wichtige Info der Motivation des tödlichen Schusses auf den Jungen, also mir war nicht ganz klar, ob das absichtlich passiert ist oder ein Unfall war, und wenn ja, welche Art von Unfall. Wenn du das kurz mit reinpacken würdest, dass er den Jungen für eine Sau gehalten hat, würde das glaube ich den Text aufwerten, weil man die ganze Story kennen würde und die "Schuld" deines Prots besser einschätzen könnte

2. Ein paar Gedanken zu den Dialogen. Ich finde sie sehr gut, sehr organisch und authentisch, soweit ich das natürlich einschätzen kann. Ich habe am Anfang ein paar Pingpongs gebraucht, um in den Rhytmus und der Machart reinzukommen. Dann hatte ich keine Probleme mehr, den Dialogen zu folgen. Ein paar Gedanken jetzt zur Anführungszeichenlosigkeit. Mich würde interessieren, wieso du sie verwendest. Also, was deine Intention ist. Ich verstehe das in gewisser Weise. McCarthy verhandelt ähnliche Themen wie dieser Text, Natur, Landschaft, der Mensch als Teil der Natur und in der Natur, und da ist es einfach ein geiler Effekt, wenn der Sprech der Menschen nicht mehr abgehoben von Naturbeschreibungen mehr oder weniger abgehoben, entkoppelt davon stattfindet, sondern mit den Landschaftsbeschreibungen und den Beschreibungen der Verhaltensweisen der Tiere und Menschen verschmilzt. Das kostet dem Leser natürlich etwas; es ist anstrengend(er) zu rezipieren, aber diese Anstrengung passt auch wieder, als übermitteltes Lebensgefühl des Textes quasi, weil ein Thema, das McCarthy verhandelt, natürlich auch die große Anstrengung des Lebens in und mit der Natur ist. Ähnlich lese ich es hier, und mir gefällt der Effekt, auch wenn ich anmerken muss, dass das Leser genauso abschrecken und uneingängig wirken kann. Ich könnte mir diesen Text demnach auch "eingängiger" vorstellen, mit Anführungszeichen. Aber ich bin 50-50, wie gesagt, ich persönlich feiere diesen Effekt.

Mir fehlt am im letzten Abschnitt so ein wenig noch ein Turn, ein wenig mehr Gefühl. Der letzte Abschnitt ist schon gut, es sollte natürlich keine Schlaghammerrhetorik sein, aber etwas fehlt mir noch am Ende. Der Lada steht ganz hinten im Carport. Er wollte ihn nicht verkaufen. Das Auto steht in seinem Wahrnehmungskosmos ganz klar in enger Verbindung zum tödlichen Unfall. Was macht das Auto mit ihm? Wie triggert es ihn, wie reagiert er darauf? Vielleicht lese ich diesen Abschnitt auch falsch, und du hattest das schon implementiert:

Er zog ein letztes Mal an der Zigarette, atmete den Rauch langsam aus. In dem LADA war es jetzt genauso still wie damals auf dem Maisfeld, nachdem der Schuss gebrochen war.
Kein Wind, kein Rascheln, kein Lachen, nichts.
Du meinst damit, dass er am Ende des Textes noch mal in den Lada steigt, die Tür schließt und in der Stille sitzt, oder? Wenn ja, würde ich das szenischer ausschreiben. Nicht viel, aber das müsste man noch plastischer showen, so überliest man diese wichtige Szene beinahe ein wenig. Das ist die Szene, in der dein Prot die Hosen runterlässt. In der der Leser den wahren inneren Gefühlszustand des Prots sehen kann, intim und verletztlich. Würde da mehr reingehen, einen Absatz reinhauen und genau zeigen, wie er einsteigt, wie er sich im Wagen bewegt, sitzt und schaut. Mein Eindruck.

Hey, starkes Teil, gerade auf die Kürze. Bin auf die Überarbeitung gespannt, die du angekündigt hast.

Beste Grüße
zigga

 

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