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Eipi, Herr Häuschen und ein Apfelzwerg
Herr Lilian Häuschen freut sich auf sein Zuhause. Den ganzen Nachmittag und den frühen Abend hatte er bei ein paar Spielchen Billard im Haus seiner Mutter verbracht. Natürlich liebt Lilian seine Mama, aber daheim wartet jemand auf ihn. Sein Computer und vor allem das Internet. Herr Häuschen ist süchtig. Süchtig, nach einer Website, die einige Wochen zuvor den Mut hatte sich zufällig durch einen falschen Klick mit der Maus vor seinen Augen hochzuloaden.
Bilder, wunderschöne Gemälde ließen seine Augen strahlen und seine Wangen vor Aufregung glühen. Nie hatte er etwas Schöneres erblickt. Er fand heraus, dass diese traumhaften Werke von normalen Menschen, wie er einer ist, in diese Seite hinein kopiert wurden. Man tauschte sich über Kritiken aus und erfuhr so immer wieder neue Blickwinkel der Bilder.
Der Tag kam. Herr Häuschen nahm seinen ganzen Mut zusammen. Er wählte Apfelzwerg als seinen neuen, nur für ihn gültigen Nicknamen. Er liebt Äpfel.
So fotografierte er das Bildnis eines jungen Mädchens, das er vor vielen Jahren gezeichnet hatte. Als ersten eigenen Beitrag kopierte er die Fotografie in die zu seiner neuen Leidenschaft gewordenen Seite.
Überrascht und geschmeichelt las er kurze Zeit später die ersten Kritiken zu seinem Werk.
So gingen die Wochen ins Land und Lilian war glücklich.
Gespannt wartet Apfelzwerg auf den Aufbau seiner geliebten Website. Ein Klick auf „neue Beiträge“. Aufmerksam huschen seine Augen über die Zeilen. Da stand es.
„Wahnsinn, so viele neue Kritiken“, denkt er sichtlich entzückt.
„Die sind ja alle vom Gleichen. Ein neuer Fan meiner Bilder?“
Schnell flitzt der Mauszeiger über den Bildschirm. Nur einen Klick entfernt liegt vielleicht ein neues Lob, oder auch nicht.
Aber nein – nichts!
„Wo ist er nur? Ich habe es doch richtig angeklickt.“
Nun gut ein neuer Versuch, ein anderes Bild. Klick und…nichts. So geht das fünfmal. Nicht einmal das „Profil“ lässt sich öffnen. Apfelzwerg ist ratlos.
Was macht man, wenn man ratlos ist? Genau, man sucht sich Hilfe. Klickt auf „Wer ist online“.
„Mist, kein Moderator da. Und nun?“
Noch ein Klick und Apfelzwerg ist im „Chat“. Brav und genau nach Vorschrift gibt er seinen Nicknamen und das Passwort ein. Dann …weg.
„Das ist gar nicht lustig. Überhaupt nicht.“
Wieder hämmert er auf die Tastatur ein.
A-P-F-E-L-Z-W-E-R-G
Na gut: Drin – Endlich.
Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Er ist nicht allein. Samson ist da. So ein Glück. Equilibrius auch. Kurz aber aufrichtig begrüßt und gleich fragend. Wild tanzen die Finger über das Keyboard. Bald wird alles geklärt sein, hofft Apfelzwerg.
Nein, ist es nicht.
Samson erklärt, dass Apfelzwerg wohl sein eigener Fan sei und so weiter.
„Wie jetzt“, fragt Apfelzwerg mit Unwissenheit geplagt über das Geschehene.
Von einer Eipi war die Rede und dass jeder eine eigene hätte und so.
Blass um die Nase beginnt Apfelzwerg zu begreifen, was Samson ihm zu erklären versucht.
Eine Eipi hängt an seinem Namen und an jedermanns Namen. Sein neuester Fan hat auch eine. Auch einen Namen, aber den kennt Apfelzwerg nicht und dessen Eipi schon gar nicht.
Nun ist es so, dass das schon ganz in Ordnung ist. Schon wegen dem Datenschutz und so. Aber jetzt kommt es. Sogar die Eipis haben Namen, nur das zwei von ihrer Sorte nun mal nicht denselben haben dürfen. Das ist alles so verwirrend. Soweit geben die Helfer aber Apfelzwerg Recht.
"Ein Hoch auf meinen Kopf. Ich verstehe es ", denkt Apfelzwerg, ist jedoch bestürzter und beinahe ratloser als vorher.
Plötzlich ist von Tatwaffen und den unverwechselbaren Fingerabdrücken seiner Eipi die Rede.
Apfelzwergs Herz rast. Das ist zuviel. Da macht er nicht mit. Natürlich ist es nicht Samsons Schuld, auch nicht die von Equilibrius. Sie nennen nur die Fakten.
Höflich bedankt sich Apfelzwerg und verabschiedet sich. Dass er noch den Rat von IWN, seinem Internetanbieter, einholen möchte, sagt er und dass er sich dann wieder meldet.
Meerschweinchen, die inzwischen auch dazu gekommen ist, wünscht ihm Glück. Samson gibt zu bedenken, dass dies wahrscheinlich zu keinem Ergebnis führt. Apfelzwerg aber hoffte es so sehr.
„Guten Abend, hier Häuschen. Ich hab da ein Problem …“.
Beinahe eine Stunde dauert das Telefonat mit IWN und Lilians Kenntnis über die Technik des Internets wächst von Minute zu Minute.
Nach dem Gespräch muss Herr Häuschen erst mal denken!
„Eipis haben Namen. Jawohl. Jedes Mal allerdings, wenn ich IWN neu starte, hat jeder einen neuen Namen. Warum nur? Das hat mir keiner gesagt. Dynamisch, sagt die von IWN zu mir. In Ordnung, ich habe also eine dynamische Eipi. Schön, dass es wenigstens einer von uns ist. Denn mir geht langsam die Luft aus. Die Chance, dass meine Eipi denselben Namen hat, wie irgendwann die eines anderen Benutzers auf der gleichen Website ist ungefähr so hoch wie der Gewinn des Jackpots im Lotto. Der wäre mir lieber. Dann könnte ich mir eine eigene Eipi kaufen, die ihren Namen nicht ändert. Eine ganz für mich allein.
Eipi-Fan heißt also wie Eipi-ich vor ein paar Tagen, Wochen oder sonst wann. Das glaubt mir doch kein Mensch!
Mich entschuldigen? Für was? Dafür, das Eipis machen dürfen, was sie wollen, nur weil sie dynamisch sind? Kann und will ich nicht. Darf ich nicht. Ich habe nichts Falsches getan.“
Bekümmert über seine Machtlosigkeit setzt sich Herr Häuschen hinter eine nagelneue, weiße Leinwand. Ein Bild entsteht langsam vor seinen verschwommenen Augen. Mit jedem Pinselstrich sieht er das entstehende Gemälde deutlicher. Lilian beschließt, das Bild seinem geschätzten Publikum zu präsentieren. Irgendwann, so hofft er, wird Samson das Bild sehen und vielleicht etwas dazu schreiben. Es ist kein schönes Bild. Herr Häuschen malt sich nicht gern selbst. Aber das Drumherum hat er gern gezeichnet.
Lange hat er gebraucht für die vielen Fragezeichen – und die Eipis.