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Engel lügen nicht
Engel lügen nicht
„Mama! Maamaa...! Ich habe Durst!" Schon zum dritten Mal an diesem Abend rief Laura ihre Mutter zu sich ins Zimmer. Die Mutter war mittlerweile ein wenig ärgerlich, weil Laura immer noch nicht schlief.
„Es ist schon sehr spät. Du musst endlich schlafen“, sagte sie in ernstem Ton und reichte ihr ein Glas Wasser. Laura trank einen Schluck, dann sagte die Mutter wieder liebevoll: „Träume etwas Süßes, mein Schatz.“
Sie packte Laura in die Bettdecke ein, gab ihr einen Kuss und ging.
Als die Tür von außen geschlossen wurde, riss Laura ihre Augen ganz weit auf. Aber sie konnte nichts erkennen, denn es war dunkel in ihrem Zimmer.
Laura mochte es nicht, wenn alles rabenschwarz war. Schon gar nicht, wenn sie allein war und nicht schlafen konnte. Sie begann gerade zu überlegen, aus welchem Grund sie ihre Mutter dieses Mal zu sich rufen könnte, da zuppelte es plötzlich an ihrer Bettdecke. Was war das?
„Hallo Laura!“, flüsterte eine Stimme.
Laura erschrak und lag bewegungslos in ihrem Bett. Nur ihre Augen wanderten suchend in die Richtung, wo die Stimme hergekommen war. Da sah sie auf einmal ein Mädchen mit langen blonden Locken am Fußende ihres Bettes sitzen. Es schaute Laura direkt an.
Laura schloss schnell ihre Augen, als könnte sie sich damit vor dem Mädchen verstecken.
„Keine Angst. Ich tue dir nichts“, sagte die Fremde mit beruhigendem Ton. Das Mädchen hatte Lauras erschrockenes Gesicht bemerkt.
„Was soll schon passieren? Es ist ein Mädchen wie ich“, dachte Laura und versuchte, sich selbst Mut zu machen. Ganz langsam öffnete sie wieder ihre Augen und fragte: „Wer bist du?“
„Ich bin Lena, dein Schutzengel“, stellte sich das fremde Mädchen vor.
„Ein richtiger Engel aus dem Himmel?“, entfuhr es Laura. Sie traute ihren Ohren nicht.
„Hm, hm“, sagte Lena und nickte dabei.
Lauras Angst verschwand allmählich, sie richtete sich auf und besah den Engel genauer. Dann stellte sie fest: „Du hast ja gar keine Flügel.“
„Hab ich wohl. Sie sind nur unsichtbar. Trotzdem kann ich damit fliegen.
Laura schaute skeptisch und glaubte nicht so recht, was sie da hörte. Der Engel bemerkte die Zweifel und ehe sich Laura versah, saß er auf dem Schrank. Voller Staunen beobachtete Laura den Flug. Lena hatte ihr tatsächlich die Wahrheit gesagt. Sie war ein richtiger Engel. Nun kam Lauras ganze Neugier zum Vorschein.
„Was machst du hier bei mir?“, wollte sie wissen.
Lena erklärte: „Ich bin immer bei dir, um auf dich aufzupassen. Am Tag und auch in der Nacht. Wir Engel versuchen, die Menschen zu beschützen, damit ihnen nichts Schlimmes passiert.“
„Das ist ja toll. Dann kann ich ja demnächst Fahrrad fahren ohne den blöden Helm“, entfuhr es Laura sofort.
„Nein, nein! Wenn du etwas Dummes oder Böses tust, dann kann ich meist nicht helfen“, reagierte Lena sofort.
„Ach so“, Lauras Stimme klang etwas enttäuscht.
Lena erzählte weiter: „Manchmal gebe ich dir gute Gedanken, die Mut machen oder Kraft geben, damit du etwas schaffst, was du vorher nicht konntest.“
Hiermit brachte Lena wieder das Lächeln in Lauras Gesicht zurück.
„Dann kann ich bestimmt bald Fahrrad ohne Stützräder fahren, obwohl ich mich bisher nichtgetraut habe, stimmt’s?“
Der Engel grinste und nickte.
„Das ist ja super!“, entfuhr es Laura.
„Aber wieso kann ich dich heute sehen? Bisher konnte ich das doch auch nicht. Passiert mir etwas ganz Furchtbares?“, fuhr Laura fort und ihre Stimme klang plötzlich beunruhigt.
Lena lachte: „Keine Bange. Es ist nichts Schlimmes, warum ich hier bin. Aber es muss unser Geheimnis bleiben, dass du mich sehen kannst. Ich sah nur keinen anderen Weg mehr, dich davon zu überzeugen, dass du abends früher schlafen musst. Denn Schlafen ist sehr wichtig“, erklärte Lena.
„Schlafen soll wichtig sein?“, fragte Laura ungläubig und schüttelte dabei kräftig ihren Kopf.
Es gab doch so viel Dinge, die weitaus mehr Spaß machten: spielen, singen, tanzen und rumtoben.
Doch Lena hatte auch hierfür eine Antwort parat: Engel dürfen nur schlafen, wenn die Kinder schlafen. Da Laura abends sehr lange wach bleiben würde, wäre Lena mittlerweile so müde, dass sie nicht mehr gut auf Laura aufpassen könnte.
„Und wenn ich nicht mehr richtig auf dich aufpassen kann, wird ein neuer ausgeruhter Engel geschickt. Ich fände das sehr schade. Denn ich bin gern bei dir“, fuhr Lena fort.
Das leuchtete nun auch Laura ein. Sie fand den Engel sehr nett. Ihre neue Bekanntschaft schon bald wieder verlieren, das wollte sie nicht. Es herrschte eine Weile Schweigen. Lena hatte bereits Hoffnung, dass Laura endlich Einsicht zeigte und am Einschlafen sei.
Doch da meldete sich noch einmal die Stimme des kleinen Mädchens: „Dann bin ich im Dunkeln gar nicht allein?“
„Nein“, antwortete Lena und grinste. Der Engel spürte, dass er Laura überzeugt hatte.
Plötzlich musste Laura gähnen. Mit ihren Nuckeltieren im Arm kuschelte sie sich in die Bettdecke ein. Doch sie musste sich noch einmal vergewissern: „Lena, bist du ehrlich IMMER bei mir?“
„Versprochen! Engel lügen doch nicht“, antwortete Lena und gähnte ebenfalls.
„Ich bin froh, dass es dich gibt. Und für dich schlafe ich jetzt ganz schnell ein. Gute Nacht, Lena“, waren Lauras letzte Worte. Sie klangen erleichtert und sehr müde.