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Gegen jede Regel

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10.08.2003
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Gegen jede Regel

Endlich bin ich da, Papa hätte mich kurz fahren können. Idiot. Nur weil er was gegen Maria hat, meint er jetzt, er kann entscheiden was ich tue. Jetzt bin ich dafür total verschwitzt mit meinen 90 Kilo Lebendgewicht.
Ich betrete das Restaurant und halte schon nach Mariechen, wie ich so gern nenne, Ausschau, kann sie aber nicht gleich entdecken.
Dort in der Ecke sitzt sie und nippt schon an ihrer Cola. Wie lange sie wohl schon wartet?
Ich fahre mir noch einmal durch die Haare und steure auf ihren Tisch zu. Sie erblickt mich und hebt freudig die Hand zum Gruß, in ihr befindet sich ein kleiner Zettel und nach kurzer Überlegung fällt mir wieder ein, warum sich heute alle über mich lustig gemacht haben. Ich werde nie wieder ein Gedicht als Briefchen verschicken, schon gar nicht in Mathe, beim sportlich dürren Herr Maier, der fand das nämlich auch sehr witzig.
Diesen Gedanken schnell verdrängend, setze ich mich an den Tisch gebe ihr einen kleinen Willkommenschmatz auf die Backe.
„Woher hast du den Zettel eigentlich? “, frage ich erstaunt, als mir einfiel, dass sie ihn ihr ja gar nicht durchgegeben hatten.
„Ich habe ihn nach der Stunde aus dem Papiermülleimer genommen, weil ich während der Stunde beobachtet hab, wie der Maier ihn rein geschmissen hat.“
„Dass er ihn nicht der ganzen Lehrerschaft gezeigt hat, wundert mich ehrlich gesagt schon ein bisschen, “scherze ich und während sie lacht, kommt wieder ihre Zahnspange mit den lustigen Farben zum Vorschein. Ich mag diese Zahnspange. Nein, ich liebe diese Zahnspange. Ich liebe einfach alles an ihr.
Wir unterhalten uns noch ein wenig sie bittet mich ihr das Gedicht vorzulesen. So vertreiben wir unsere Zeit bis die Bestellung kommt. Eine große Pizza Hawaii und eine Cola ist meine Bestellung. Sie selbst wollte nur eine Pizza Salami und während wir essen, wird mir wieder einmal klar, dass das Leben ohne sie eine Hölle war.
Natürlich hat sie eine Zahnspange und Pickel und ich weiß, dass viele sie als hässlich bezeichnen würden, aber wer hat Hässlich schon erfunden? Wir glauben nur zu wissen, was hässlich ist, weil im Fernsehen die Gesichter mit Pickeln auf der Vorher anstelle auf der Nachher Seite sind. Warum sind es immer diese abgemagerten Persönchen, die sich das neue Spray in die so wunderbaren Haare schütten?
Wir sollten sein was wir sind.
Nicht das wozu man uns macht!
Ihr Gesicht ist leicht gerötet, daran erkenne ich, dass sie wieder dieses komische Mittel gegen ihre Pickel genommen hat. Für sie muss es noch schwieriger sein, die Fernsehmaßstäbe zu verfehlen, als für mich. Mädchen haben „schön“ zu sein, denn wie sollen sie die sportlich kräftigen Jungs sonst beeindrucken? Mit Allgemeinwissen?
Der kommt in die Schenkelklopfkasse.
Wir zahlen und verlassen das kleine Restaurant, die abschätzigen Blicke die uns immer wieder zugeworfen werden, interessieren mich schon lange nicht mehr. Was interessiert mich denn die Meinung von solch abhängigen Persönchen?
Mein Fahrrad neben mir her schiebend, unterhalten wir uns über Gott und die Welt. Das kann ich nur mit ihr. Niemand anderes behandelt mich so wie sie und dafür bin ich ihr unendlich dankbar.
An ihrer Haustür angekommen, gebe ich ihr einen Abschiedskuss und während ich die Einfahrt verlasse und mich noch einmal umdrehe schaut ihre verzickte Schwester mit einem angewiderten Gesichtsausdruck aus dem Fenster.
Man sollte meinen, ich hasse es so zu sein. Aber was ich hasse sind die, die meinen ich hätte so zu sein wie sie. Ich bin wie ich bin. Egal was die sagen, die sich an ungeschriebene Gesetze halten und sie mit aller Gewalt verteidigen. Ich mag mein Leben.
Ganz ohne Maßstäbe.
Wäre morgen doch keine Maßstabsschule.

 

Hallo Maniac,
Du schreibst über einen Außenseiter, der sich mit einer Außenseiterin trifft.
An sich ist dieses Thema durchaus ernst. Aber ich hatte den Eindruck, dass du eine Geschichte aus dem Mittagstalk im Fernsehen nachstellst. Die Dicken verteidigen vehement ihr Dicksein und die Hässlichen ihr noch hässlichres Outfit. Und in Wirklichkeit fühlen sie sich ganz dick und hässlich und unglücklich.
Deine Geschichte behandelt nur einen Aspekt, die Sicht des Außenseiters, der die anderen als Feinde sieht und sich Gleichgesinnte sucht.
Was ist aber mit den Ursachen?
Dick sein? Pickel? Das sind doch Klischees.
Außenseiter sind Personen
die in einer Gruppe oder einer Organisation nicht akzeptiert und integriert sind. In der Regel wird der A. deshalb abgelehnt, weil er in seinem Verhalten den Erwartungen der übrigen Gruppenmitglieder nicht entspricht bzw. den als verbindlich geltenden Regeln in der Gruppe nicht nachkommt. Der A. wird nicht besonders hoch geschätzt und hat meistens auch keinen Einfluß in der Gruppe.
Verstehst du worauf ich hinaus will?
Das Problem der Außenseiter liegt in deren Verhalten, das Äußerliche ist nur Beiwerk.
Vielleicht hat dein Prot nur kein Selbstwertgefühl, war immer schon komisch und ausgegrenzt, bevor er aus Frust dick wurde. Und das verpickelte Mädchen wünscht sich vielleicht jemand anderes als den Dicken zum Freund. Wenn ihre Pickel weg sind, was dann?
Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame

Tut mir leid wenn ich die Prots zu klischeehaft dargestellt habe. Das diese Geschichte sich sehr vieler Klischees bedient ist mir während des Schreibens auch immer wieder aufgestoßen allerdings lag es weniger in meiner Absicht die zwei armen Prots in ihrem Hass, als die Normalen in ihrem Alltag zu kritisieren.
Gut gelungen scheint das im Nachhinein wahrlich nicht.

Aber es gibt noch genug Klischees im Teich die noch dazu gemacht werden müssen;)
Ich würde abschließen aber nicht sagen das ein Außenseiterdasein nur im Verhalten festzumachen ist, da oft genug wirklich die Äußerlichkeiten entscheiden bevor man überhaupt das Verhalten richtig beurteilen kann.

Gruß
Maniac

 

Hallo Maniac,

Goldene Dame hat schon einiges zu Deiner Geschichte gesagt, insbesondere in Bezug auf die Klischees.
Aus meiner Sicht ist das Entscheidende, das der Leser Deinem Prot nicht abnimmt, dass er sich von den gängigen Schönheitsvorstellungen und Normen gelöst hat. Dies versuchst Du (bzw. er) zwar dem Leser zu verkaufen, andererseits beschreibt er sich selbst aus solch einer ironischen Distanz, dass seine Unzufriedenheit an vielen Stellen deutlich wird. Was natürlich typisch ist für die Pubertät, in die er sich wahrscheinlich befindet - einerseits ist man wütend über die Erwartungen anderer, andererseits ist man selbst in seiner Persönlichkeit noch nicht so gefestigt, dass man diese ignorieren könnte, was zu Unzufriedenheit führt. Wenn Du allerdings genau das verdeutlichen wolltest, ist es Dir gelungen.

Neben der häufig auftauchenden Ironie sind mir noch ein paar sprachliche Details aufgefallen:

beim sportlich dürren Herr Maier
Herrn Maier
Diesen Gedanken schnell verdrängend, setze ich mich an den Tisch gebe ihr einen kleinen Willkommenschmatz auf die Backe.
entweder ein "und" oder ein Komma nach "Tisch"
Wir unterhalten uns noch ein wenig sie bittet mich ihr das Gedicht vorzulesen.
entweder ein "und" oder ein Komma nach "wenig"
Auffällig sind außerdem einige Wortwiederholungen, in einem Satz taucht zum Beispiel zweimal das Wort "Stunde" auf, an einer anderen Stelle direkt hintereinander das Wort "Bestellung".

Liebe Grüße,
Juschi

 

Hallo Juschi

Auf die sprachlichen Details, wie du meintest, schaue ich mir nochmal an.
Zu deiner Kritik:
Das der Prot sich nicht völlig von all dem gelöst hat ist beabsichtigt. Der Ärger über all die Vorurteile und Ungerechtigkeiten sollte ruhig zum Vorschein kommen. Wenn er dadurch unglaubhaft wirkt hat das aber das Zeiel verfehlt.

Nun denn, danke für dein Feedback
Maniac

 

Hallo Dolphin

Schön, dass du ohne den Klischees groß Beachtung schenkend die kleine Botschaft der Geschichte so aufgefasst hast und sie dir gefällt.

Viele Grüße Maniac

 

Hallo Maniac,

ich finde Du hast gut beschrieben, wie die beiden Jugendlichen miteinander umgehen und was sie voneinander haben. Es geht ihnen nicht um irgendwelche großartigen Dinge, sie wollen nur sich und ihre Ruhe, Ruhe vor den Maßstäben, denen sie nicht gerecht werden können. Natürlich ist ihre Welt auf Sand gebaut. So einfach ist das alles nicht, selbst der Vater, der ja froh sein könnte, wenn sein Sohn überhaupt Anschluss findet, meint wohl, sein Sohn habe etwas Besseres verdient. Ausgrenzungsmechanismen sind halt komplexer, als in Deiner Geschichte dargestellt, doch Du als Autor kannst ja den Betrachteten Ausschnitt des Problems so wählen, wie Du magst.

Noch eine Kleinigkeit:
„Nur weil er was gegen Maria hat, meint er jetzt, er kann entscheiden was ich tue. Jetzt bin ich dafür total verschwitzt mit meinen 90 Kilo Lebendgewicht.“

- er kann entscheiden (mir vorschreiben), was ich zu tun habe.
- „jetzt bin ich dafür“ - für was? Deshalb bin ich jetzt total ...


LG,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon

Danke für das gemäßigt Lob und deine Anregungen. Ich schaus mir nochmal genauer an. Wegen der kleinen Fehler wird auch bald eine kleinere Behebung vonstatten gehen;)

Adieu
Maniac

 

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