Gegen jede Regel
Endlich bin ich da, Papa hätte mich kurz fahren können. Idiot. Nur weil er was gegen Maria hat, meint er jetzt, er kann entscheiden was ich tue. Jetzt bin ich dafür total verschwitzt mit meinen 90 Kilo Lebendgewicht.
Ich betrete das Restaurant und halte schon nach Mariechen, wie ich so gern nenne, Ausschau, kann sie aber nicht gleich entdecken.
Dort in der Ecke sitzt sie und nippt schon an ihrer Cola. Wie lange sie wohl schon wartet?
Ich fahre mir noch einmal durch die Haare und steure auf ihren Tisch zu. Sie erblickt mich und hebt freudig die Hand zum Gruß, in ihr befindet sich ein kleiner Zettel und nach kurzer Überlegung fällt mir wieder ein, warum sich heute alle über mich lustig gemacht haben. Ich werde nie wieder ein Gedicht als Briefchen verschicken, schon gar nicht in Mathe, beim sportlich dürren Herr Maier, der fand das nämlich auch sehr witzig.
Diesen Gedanken schnell verdrängend, setze ich mich an den Tisch gebe ihr einen kleinen Willkommenschmatz auf die Backe.
„Woher hast du den Zettel eigentlich? “, frage ich erstaunt, als mir einfiel, dass sie ihn ihr ja gar nicht durchgegeben hatten.
„Ich habe ihn nach der Stunde aus dem Papiermülleimer genommen, weil ich während der Stunde beobachtet hab, wie der Maier ihn rein geschmissen hat.“
„Dass er ihn nicht der ganzen Lehrerschaft gezeigt hat, wundert mich ehrlich gesagt schon ein bisschen, “scherze ich und während sie lacht, kommt wieder ihre Zahnspange mit den lustigen Farben zum Vorschein. Ich mag diese Zahnspange. Nein, ich liebe diese Zahnspange. Ich liebe einfach alles an ihr.
Wir unterhalten uns noch ein wenig sie bittet mich ihr das Gedicht vorzulesen. So vertreiben wir unsere Zeit bis die Bestellung kommt. Eine große Pizza Hawaii und eine Cola ist meine Bestellung. Sie selbst wollte nur eine Pizza Salami und während wir essen, wird mir wieder einmal klar, dass das Leben ohne sie eine Hölle war.
Natürlich hat sie eine Zahnspange und Pickel und ich weiß, dass viele sie als hässlich bezeichnen würden, aber wer hat Hässlich schon erfunden? Wir glauben nur zu wissen, was hässlich ist, weil im Fernsehen die Gesichter mit Pickeln auf der Vorher anstelle auf der Nachher Seite sind. Warum sind es immer diese abgemagerten Persönchen, die sich das neue Spray in die so wunderbaren Haare schütten?
Wir sollten sein was wir sind.
Nicht das wozu man uns macht!
Ihr Gesicht ist leicht gerötet, daran erkenne ich, dass sie wieder dieses komische Mittel gegen ihre Pickel genommen hat. Für sie muss es noch schwieriger sein, die Fernsehmaßstäbe zu verfehlen, als für mich. Mädchen haben „schön“ zu sein, denn wie sollen sie die sportlich kräftigen Jungs sonst beeindrucken? Mit Allgemeinwissen?
Der kommt in die Schenkelklopfkasse.
Wir zahlen und verlassen das kleine Restaurant, die abschätzigen Blicke die uns immer wieder zugeworfen werden, interessieren mich schon lange nicht mehr. Was interessiert mich denn die Meinung von solch abhängigen Persönchen?
Mein Fahrrad neben mir her schiebend, unterhalten wir uns über Gott und die Welt. Das kann ich nur mit ihr. Niemand anderes behandelt mich so wie sie und dafür bin ich ihr unendlich dankbar.
An ihrer Haustür angekommen, gebe ich ihr einen Abschiedskuss und während ich die Einfahrt verlasse und mich noch einmal umdrehe schaut ihre verzickte Schwester mit einem angewiderten Gesichtsausdruck aus dem Fenster.
Man sollte meinen, ich hasse es so zu sein. Aber was ich hasse sind die, die meinen ich hätte so zu sein wie sie. Ich bin wie ich bin. Egal was die sagen, die sich an ungeschriebene Gesetze halten und sie mit aller Gewalt verteidigen. Ich mag mein Leben.
Ganz ohne Maßstäbe.
Wäre morgen doch keine Maßstabsschule.