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Golnerat - Philosophie und Mythen

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03.08.2002
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Golnerat - Philosophie und Mythen

1
Die Abenddämmerung verriet ihm das Ziel, wie es unter dem scharlachroten Himmel auf einem Hügel thronte. Eine Kultstätte aus längst vergangenen Zeiten, die nur durch die Mythen der Völker und in Niederschriften nicht in Vergessenheit geraten waren. Es hatte die Jahrtausende überdauert, den Stürmen getrotzt und war zum Symbol einer unergründlichen Macht gewachsen. Golnerat.
Selbst die Weisesten kannten seine Geschichte nicht und in keinen Büchern der Ahnen fand es Erwähnung. Der Name war von unbekannter Herkunft und ließ sich aus keiner, der Mittleren Welt bekannten, Sprachen herleiten. Alleine die Lage mochte Auskunft über die Bedeutung geben, die Golnerat für die Ahnen einst besessen haben musste: Es war auf einem Hügel erbaut, der die einzige Erhebung inmitten einer weiten Wiesenfläche darstellte, die von mächtigen Gebirgszügen umgeben wurde.
Es war ein Anblick, den er nie wieder vergessen sollte. Auf ewig sollte er ihm in Erinnerung gerufen werden, wenn er an den Anfang seines Rhonas zurückdachte. Golnerat würde für diesen Anfang stehen. Die Zeiten würden vergehen, doch das Symbol würde in seinem Innern Bestand haben.
Anteron schaute von einem Felsvorsprung auf die erhabene Stätte hinab. Ein starker Wind trieb ihm ins Gesicht und wehte sein Haar nach hinten. Über dem Wanderer erstreckte sich ein wolkenbehangener Himmel, der im Osten die Farbe des Blutes angenommen hatte und bald schon geheimnisvolle Schwärze sein würde, durchdrungen vom Licht der Sterne. Regungslos stand er da und vernahm das Schaudern, das seinen Körper durchlief. Ein erhabener Moment.
Eine lange Reise hatte er auf sich nehmen müssen, um diesen Ort zu erreichen. Viele Gefahren hatten auf seinem Weg gelauert. Doch nun hatte er sein Ziel erreicht. Die Kultstätte der Ahnen, mochte sie ihm Rat geben, in den dunklen Tagen, die sein Geist durchlebte. Er war gekommen, wie die Krieger Enorals der vorigen Generationen, um Beistand zu erbitten. Sein Herz sehnte sich nach der Hoffnung, die Golnerat seines Gleichen seit Jahrhunderten versprach. Er wollte Kraft finden und die Dämonen des Bösen in seiner Seele besänftigen, die an seinem Willen zerrten. Und diesen Willen würde er brauchen, auf dem Weg, den er gehen musste.
"Steh mir bei!", flüsterte Anteron in das Pfeifen des Windes hinein. "Steh mir bei!" Er zog sein Schwert aus der Scheide, die mit Lederriemen an seinem Rücken befestigt war, und hielt es sich vor Augen. Sein Gesicht war starr, seine blauen Augen hatten wieder ihre alte Entschlossenheit angenommen. Seine Hände umfassten fest den Griff des Schwertes, das vielen Feinden den Tod gebracht hatte. In vielen dunklen Jahren war es zu seinem Vertrauten geworden, der Begleiter auf Wegen, an deren Rändern sich Leid und Verderben bereithielten, aus ihren Schatten zu kriechen und einen Mann den Verstand zu rauben.
Als Anteron sein Schwert nun betrachtete, war es ihm, als könne er spüren, wie sich die selben Schatten nun um ihn zusammen zogen, nur waren sie finsterer als zuvor. Doch fühlte er nicht etwa Furcht, oder Niedergeschlagenheit vor der drohenden Gefahr. Im kühlen Wind und Golnerat vor Augen fühlte er sich bereit, sich der Aufgabe zu stellen, die ihn erwartete. Es gibt nur diesen einen Weg...
Eine Macht hatte ihn an diesen Ort geführt und wachte über ihn, so kam es Anteron vor. Das Unbegreifliche, welches nichts mit einem der Götter gemein hatte, die von den Kulturen angebetet wurden. Etwas Größeres, Mächtigeres. Er wusste, dass Leid auf ihn warten würde und die Schatten von diesem Tag an - von diesem Moment an, an dem er auf dem Vorsprung stand, das Schwert in den scharlachroten, wolkenbehangenen Himmel erstreckt und den Blick hinab aufs Tal, dessen Mittelpunkt Golnerat das Heiligtum war - von Mal zu Mal deutlicher werden würden, doch mit ihnen gleichsam der Glaube an sich selbst und der Wille den Kampf zu bestehen.

2
Es war in den frühen Morgenstunden des neuen Tages, als Anteron hinter sich blickte und ihm bewusst wurde, dass er die Hälfte der Wiese hinter sich gelassen hatte. Zweitausend Schritte, so schätzte er, waren es gewesen, und genauso viele lagen jetzt noch vor ihm, bis er den Fuß des Hügels erreichen würde, auf dem das Heiligtum erbaut war.
Der Himmel war Wolken bedeckt, und ein starker Wind trieb, der die hüfthohen Gräser um ihn herum in wilde Bewegungen versetzte. Er war der Vorboote des nahenden Herbstes. Der Sommer war kurz gewesen, im Gegensatz zu den Jahren davor. Höchstens zwei Monate. Vielleicht war es bloßer Zufall, eine Laune der Natur; andererseits konnte man es als ein Zeichen verstehen. Seit sechs Jahren war der Krieg vorbei, und Anteron wusste nicht, ob ihn seine Erinnerung belog, aber glaubte, dass auch in den Jahren des zweiten großen Krieges die Wärme nicht lange angehalten hatte.
Anteron nahm das Trinkhorn, das er an der Vorderseite seines Gürtels befestigt hatte, zog den hölzernen Stöpsel ab und nahm einen großen Schluck von dem klaren, kühlen Wasser, das er einem kleinen Bach entnommen hatte, den er vor einigen Tagen im Gebirge passiert hatte. Drei solcher Hörner, gefertigt aus dem Leder eines Hirsches, führte er bei sich. Bei guter Rationierung bewahrten sie einen Mann drei Tage vor dem Durst.
Nachdem Anteron sich noch einen weiteren Schluck genehmigt hatte, verstaute er das Horn wieder an seinem Gürtel, wo es von seinem Mantel verhüllt wurde. Der Mantel war nicht aus kostbaren Stoffen gearbeitet, er trug auch kein Wappen oder ein Symbol, dass jedem Fremden die Zugehörigkeit des Trägers hätte erkennen lassen, doch war er ein Kleidungsstück, das Anteron seit langer Zeit begleitete und aufgrund des Blutes und Schweißes, welche es in sich aufgezogen hatte, von unschätzbar größerem Wert, als ein teures aus dem Fell des größten und seltensten Bären.
Golnerat starr im Blick, setzte er seinen Weg durch das hohe Gras fort.
Mehrere Wochen waren vergangen, seit Anteron sein einsames Heim verlassen und sich auf den Weg gemacht hatte. Golnerat, diesen Namen trug er in seiner Erinnerung seit der Kindheit. Emotionen, die er hervorgerufen hatte, existierten nur noch als Hauch, tief in seinem Innern verborgen, und zweifellos nicht mehr abrufbar; Für immer verloren, wie fast alles, das man als Kind erfuhr.
Ahnungen von diesen Gefühlen waren es nun, die für einen Augenblick sein Denken vereinnahmten. Sie verdrängten alles, was seinen Geist beschmutzt zu haben schien, allen Tod allen Zweifel, alle tiefgründige Traurigkeit. Es gab nichts Besonderes, was diesen Zustand der Freiheit beendete; kein Stolpern über einen vom Gras verdeckten Stein, kein Schrei eines Greifs, kein plötzlicher Schmerz in seinen Gliedern. Er verlosch einfach und verteilte sich dann in auflösende Rauchschwaden, wie nach dem Ausblasen einer Kerze. Zurück blieb nur ein Teil des Zaubers, den dieser Ort zu bergen vermochte. Doch dieser reichte, um den Wanderer tapferen Herzens den letzten Teil einer langen Strecke hinter sich zu bringen.
Als Anteron den Anfang des Hügels erreicht hatte, stellte er fest, dass ein Weg hinauf führte. Wahrscheinlich bestand der Pfad aus festgetretener Erde schon seit Jahrhunderten. Nein, schoss es ihm durch den Kopf. Er war von Anfang an da gewesen. Wer auch immer diese Stätte erbaut hatte, wenn es überhaupt Menschen gegeben hatte, die dieses getan haben, der hatte diesen Pfad genauso vorgefunden, wie du es nun tust. Ein Pfad der Ewigkeit.
Bevor er den Pfad aber betrat, der in schlangenförmigen Bewegungen zum Haupt des Hügels führte, blickte er zu den alten Gemäuern empor. Golnerat glich viel mehr einer Festung, als einem Ort, an dem man den Göttern huldigte. Von hier aus, blickte er auf die Außenmauer (er schätzte, dass sie vier Mann hoch sein musste), zwei Türme und der obere Teil eines Gebäudes die daraus hervorlukten.
Er schritt zwischen den zwei Felsen hindurch und gelangte so auf einen ovalen Platz, der aus behauenen Steinplatten bestand. Der Platz lag wie ein Tal, fast vollständig umschlossen von Felswänden, die majestätisch in die Höhe ragten. War es ihm bei dem Pfad schon so vorgekommen, als wäre er ein Relikt aus Zeiten, die kein Mensch gesehen hatte, so kamen ihm diese vor, als seien sie von einem Wesen erschaffen worden, das kein Geist eines Menschen je erahnen, gar erfassen und benennen könnte. War das Gestein unter seinen Füßen von einem hellen Braunton, ähnlich wie Sandstein, so erstreckten sich diese Monumente in einem dunklen Grauton in die Höhe. Verliefen sie an ihrem Grunde noch steil, so waren ihre Enden nach innen gebogen, als hätten sie in all den Jahren den heftigen Stürmen dieses Gebietes nachgegeben. Die Felswände waren klatt; das hieß, es ragten nirgendswo Felsbrocken heraus und es waren auch keine Höhlen darin zu erkennen. Doch waren Linien darin, die sich zu seltsamen Mustern und Symbolen zusammenfanden. Zu seiner Rechten glaubte Anteron beispielsweise das Bildnis eines riesigen Vogels zu erkennen, der seine Flügel weit von sich gestreckt hatte. Direkt daneben ein kreisförmiges Symbol, in dessen Mitte sich drei gerade Linien trafen, um zu einem weiteren, kleineren Kreis zu werden. Und in diesem Kreis fand sich etwas, dass wie der Schädel eines Menschen aussah. Allerdings war es zu klein, das Anteron es mit Gewissheit hätte sagen können.
An der linken Hälfte stach das Abbild eines Ungetüms hervor; ein menschlicher Körper, aus dessen Brust mehrere Hörner ragten, hinter dem breiten Rücken traten Schwingen hervor, die Ähnlichkeiten mit denen von Fledermäusen hatten, der Kopf war der eines Dämons, mit riesigem Maul, das dolchartige Zähne entblöste, und mit perfekten Kreisen als Augen. Nur zu gut konnte sich der Wanderer vorstellen, wie Feuer aus diesen Löchern hervor quoll. Unweigerlich stellte sich ihm die Frage, ob es jemals ein solches Geschöpf gegeben hatte. Waren seine Vorfahren ihm begegnet, oder hatten sie das Bildnis aus ihrer Phantasie erschaffen? Wenn es überhaupt von Menschenhand erschaffen worden war...
Am anderen Ende des Platzes thronte ein Torbogen, der seinen Ausgang darstellte und unweigerlich zum Innern der Stätte führen musste. Er hob sich in seinem dunkleren Grau deutlich von dem umgebenden Felsgebilde ab und war nur etwa ein Drittel so hoch. Anteron setzte sich in Bewegung, wobei er sich immer wieder umblickte, da es ihm so vor kam, als würden sich die Konturen in den Wänden verändern. Womöglich nur eine Sinnestäuschung, aber obwohl er nicht glauben mochte, dass von Golnerat eine Gefahr für ihn ausgehen konnte, hatte ihm das Leben gelehrt, Vorsicht walten zu lassen. Selbst dort, wo keine angebracht zu sein schien. Oft hatte er dafür bezahlen müssen, unaufmerksam gewesen zu sein. Erfahrungen, die sich tief in ihm verwurzelt hatten.
Als der Torbogen immer näher rückte, erkannte Anteron zwei Statuen, die auf beiden Seiten ein Teil der Säule darstellten. Näheres konnte er von dieser Entfernung noch nicht an ihnen ausmachen, als dass er sie hätte benennen können. Sollten sie denn Figuren darstellen, die ihm bekannt waren. Er bezweifelte es. An oberster Stelle des Bogens befand sich ein steinerner Vogel mit ausgebreiteten Schwingen. Es konnte sich hierbei um Tain handeln, dem Göttervogel, der das Reich der Nacht durchflog und in dem die Seelen der Priester ihr ewiges Heim finden sollten, nach der Legende des Triulos Ordens.
Anteron schloss die Augen. Er tat es mehr aus Reflex, als aus Willen. Es war wie der Befehl einer höheren Macht. Und nun wurde er von seinem geistigen Auge gelenkt. Er sah noch immer die Umrisse, so wie sie ihm bekannt waren: Der weite Platz, die Felswände, die ihn umschlossen und schließlich den Torbogen. Doch war die Welt drum herum eine gänzlich andere. Der Himmel war nicht mehr ein sanftes, wohlwollendes Blau. Er bestand aus verschiedenen tiefen Rottönen, und wirkte wie ein gigantisches Flammenmeer. Aus Wolken waren Gebilde von grau-schwarzem Rauch geworden, die sich ineinander umschlangen, sich ineinander wölbten, ineinander übergingen und in anderer Formation wieder aus dem Paarungsakt hervor gingen.
Der Boden unter ihm war immer noch Stein, ebenso wie die Felswände, doch schlingelten sich in dessen Ritzen nun Rinnsale von Blut, wie ein Flusssystem, und wo einst die in den Fels gehauenen Figuren und Symbole gewesen waren, war ein Spiel aus Lichtern geworden. Nebel schlängelten sich an Den Wänden entlang, fuhren hoch, dann wieder tief. Verschiedene Farben besaßen sie, so dass sich jeder Nebel vom anderen unterschied. Es waren grelle Farben, leuchtende, die Anteron entgegen strahlten, als würde sie seine Anwesenheit kümmern und anrühren. Die Nebel waren ähnlich wie der Rauch am Himmel, doch bewegten sie sich nicht so hektisch und wirr. Sie stelten kein Choaos dar, sondern verliefen - so schien es dem Wanderer - in geordneten, symmetrischen Wegen, geleitet von einer universellen Macht.
Anteron schrit weiter, doch kam es ihm so vor, als würde er schweben. Er sah, wie seine abgenutzten Stiefel auf dem Gestein auftraten und wie sie einen Rinnsal kurz unterbrachen, doch fühlte es sich so leicht an, so unbekümmert, dass es mehr sein musste, als einfaches Gehen.
Und dann kam der Wind. Hinter dem Rücken des Wanderers kam er auf, preschte an ihm vorbei in alle Richtungen. Er trieb in die Lüfte und zerteilte das rote Meer, so dass an einer Stelle das Blau wieder zum Vorschein kam. An den Seiten riss er die Nebel mit sich. Sie wurden von ihm in Richtung des Torbogens getrieben. Ihre Geschwindigkeit nahm zu, und damit wurden auch ihre Bewegungen eingeschränkt und immer mehr zu geraden Strichen gezwängt.
Um Anteron bildete der heftige Wind eine Schneiße; nicht einmal sein Haar wurde aufgewirbelt. Doch nahm auch die Geschwindigkeit zu, mit der er sich auf den Torbogen zubewegte, und damit dem Ort, an dem ihn der Seranen erwarten würde, der Gelehrte Wächter. So wurde der Priester seit je her genannt. Er verlor den Namen, dem ihm Mutter und Vater gegeben hatten, zwecks des Wohlklangs, zwecks der Erinnerung eines Ahnen, und wurde statt dessen mit diesem Titel angeredet. Es war sein Vater, der ihm davon erzählt hatte, erinnerte sich Anteron, während er das Farbenspiel an den Wänden verfolgte. Ein Seranen konnte man nicht werden, es war eine Bestimmung. War man es, so wurde man als Kind zum Fall der Weisheit gezogen. Ein Wasserfall, dessen genauern Ort man nicht kannte ("Er scheint bei jedem Seranen in einem anderen Teil des Landes gelegen zu haben, Junge", hörte er seinen Vater sagen. "Vielleicht sogar in einer anderen Welt."), ebenso wenig wie das, was in den Jahren Geschah, in dem das Kind dort verweilte. Die Zeitspanne war unterschiedlich, doch hatte sein Vater gesagt, dass man von mindesten 25 Jahren ausgehen konnte. Dies waren Rätsel von denen man ausgehen konnte, dass sie nie gelöst werden würden. Auch das Lebensalter eines Seranen war ein solches. Hundert Jahre würden sie alt, hatte Anteron gehört. Ein ander Mal war sogar von zwei Jahrhunderten die Rede gewesen. Fest stand nur, dass selbst diesen dem Menschen ähnlichen, aber nicht gleichen Wesen ein endliches Leben beschieden war.
Der Himmel war nun zu gleichen Teilen ein Blau und ein Rot, die Nebel waren zu dünnen Linien geworden, die auf den Bogen zu schossen und, wenn sie ihn durch fuhren hatten, verschwanden sie, während hinter Anteron neue auftraten. Er selbst war dem Bogen nun so nahe, dass er seine Verzierungen deutlich erkennen konnte. Es waren Statuen, die an den Säulen ihren Platz gefunden hatten und sie zeigten zwei Menschen, eingehüllt in dicke Mäntel, die wenig von den Körpern Preis gaben. Lediglich Gesicht und Hände waren sichtbar. Die Gesichter waren nicht fein gearbeitet, sondern glatt mit angedeuteten aber nicht präzise herausgezeichneten Merkmalen wie Nase und Augen. Die Gestalt an der rechten Säule machte einen Knicks und hielt den Kopf gebeugt, was auf einen Bußetuenden schließen ließ. Auf der Linken hatte sich die Gestalt auf beide Knie herabgelassen und der Obnerkörper war nach hinten gebeugt bei weit von sich gestreckten Armen. Ein Flehender, dachte Anteron. Mit einem roten Schimmer umrissen waren ihre Konturen, während der Rest des Bogens (auch der Adler) immer noch das Grau innehatten.
Anteron spürte den Drang, die Augen wieder zu öffnen und dem Farbenschauspiel ein Ende zu machen. Er spürte, dass der richtige Zeitpunkt dafür gekommen war. Doch bevor er dies tat, taucht vor ihm, direkt unter dem Bogen stehend die Gestalt eines Jungen auf. Seine Kleidung war staubig und sein dickliches Gesicht ungewaschen, doch er zeigte Anteron ein wohltuendes Lächeln. Es erfüllte den Wanderer mit Wehmut. Er wollte dem Jungen die Hand zum Gruße heben, da war die Zeit gekommen: Er öffnete die Augen. Die Welt um ihn herum nahm ihre alte Gestalt an und Anteron trat durch den Torbogen, mit einem Gefühl, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht.

3
Hinter dem Torbogen wartete ein größerer Platz auf ihn, der zu einem engen, in den Berg gehauenen Tunnel führte. Dunkel war es dort, aer nicht so, dass Anteron nichts hätte sehen können. Der Tunnel verlief kurz und in einer Zick-Zack Linie, die ihn auf einen großen Platz führte. In dessen Mitte stand ein großes Gebäude - dort würde der Seranen sein.
Gerade, als Anteron das Artefakt mit der rechten Hand umschließen und sich auf die Knie herablassen wollte, um mit gesenktem Kopf, und der freien Hand auf der Brust, der Gottheit Fetart seine Huldigung zu Teil kommen zu lassen, vernahm er einen harschen Ruf:
"Tu das nicht, Ungläubiger!" Anteron hielt in der Bewegung inne, als er die rauhe Stimme aus dem Dunkel des Gebäudes vor ihm vernahm.
"Es wäre nicht Recht, tätest du, gegen was sich dein Geist strebt! Ich empfange dich auch ohne diese Ehrerbietung."
Anteron überlegte nicht, sondern kam der Aufforderung des Seranens nach. Langsam näherte er sich dem Gebäude, das vor ihm aufragte. Es war von schlichter Schönheit. Keine Symbole oder Inschriften verzierten den Steinbogen vor dem Eingang.
Am Tempel selbst waren keine Skulpturen in den Stein geschlagen worden, wie es bei anderen häufig der Fall war. Nichts verwieß auf die Magie Golnerats und trotzdem war sie da. Er spürte sie.
Anteron ging auf das Gebäude zu, wobei jeder seiner Schritte auf den grobgehauenen Steinplatten ein lautes Geräusch
verursachte. Aus dem Innern konnte er jetzt einen schwachen Lichtschein vernehmen. Er vermochte die Dunkelheit nicht vollständig zu vertreiben, und ließ nur den Schatten eines Mannes erkennen, anstatt seine Gestalt gänzlich vor Anteron entblösen zu lassen. Der Feuerschein gab noch nicht einmal Auskunft über die Größe des Raumes. An den Wänden tantze ein ganzes Sammelsorium der Schatten in allen nur erdenklichen Gestalten. Sie mussten eine Sinnestäuschung sein, versuchte Anteron sich einzureden, allerdings war dies ein Ort, bei dem sein Verstand sich vorstellen konnte, dass alles möglich war.
Es war eine Melodie, die in zum Tempel geleitete. Sie erklang in seinem Kopf, erst leise, dann bestimmter und aufbrausender. Wie ein sanftes Gewässer, das sich in eine reißende Flut verwandelt. Wie ein Funke, der zu einem Inferno wird.
Eine liebliche Melodie war es, die alles zu beinhalten schien. Jede Regung des Gefühls, Schmerz ebenso wie Freude und Hass. Und doch war sie nicht irden, sondern kündete von Unendlichem, von Erhabenheit und Göttlichem.
Sie verschwand so rasch, wie sie ihren Anfang genommen hatte, als Anteron ins Innere trat, wo ein alter Mann ihn in ehrfurcht erregender Gestalt hinter einer Feuerstelle stehend, in Empfang nahm. Der Mann maß mindestens zwei Meter, war von schlanker Statur, was selbst das weiße Gewand nicht verbergen konnte und der Bart fiel ihm bis unter die Brust. Das Gesicht war eingefallen und mit tiefen Falten durchzogen. Dennoch strahlte es ungebendigte Kraft aus. Dies mochte vor allem an den hellblau hervor stechenden Augen liegen, die weit in ihren Höhlen verborgen lagen. Der Seranen stand steif auf einen Stock gestützt da, und wirkte mit seinen eingefrorenen Gesichtszügen wie eine Statur.
"Sei willkommen, Anteron, Wander aus dem Westen", sagte er.
Anteron ging in die Knie und verbeugte sich dabei. Als er den Kopf leicht hob und einen Blick auf den alten Mann warf, deutete ihm dieser mit einer Handbewegung wieder aufzustehen.
"Ihr wisst von mir!", stellte er fest.
"So ist es. Ich weiß von dir, wie ich von jedem weiß, der sich nahe genug an Golnerat wagt. Golnerat, die Stätte der Helden, vor Urzeiten erbaut, als Werk für die Ewigkeit, bis Dunkelheit oder Licht der Welt ein Ende setzt."
"So werdet ihr mit mir sprechen?", fragte der Wanderer. Doch es war überflüssig, das spürte er, bevor er den Satz zu ende gesprochen hatte. Sie würden reden und sie würden es lange tun. So überraschte es ihn nicht, als der Seranen auf seine Frage mit einem Nicken antwortete. Anteron erwiderte das Nicken. Daraufhin kam der Alte hinter der Feuerstelle hervor und reichte Anteron die Hand.
"Eine Freude ist es mir, einen Gleichen im Herzen zu treffen."
Anteron ergriff die Hand. Er fühlte die Knochen dürren, langen Finger die so zerbrechlich aussahen, dass er davor zurück schreckte, fester zu zu drücken.
"Bin ich das für euch?", fragte er. "Bin ich in euren Augen ein Gleicher?"
"Dam treande dor Coes! Ja dein Handeln ist des Guten." Der Seranen schaute Anteron direkt in den Augen. Der Wanderer schien sich gleichsam im reinen Blau des anderen zu verlieren. Dam treande dor Coes; es war eine gebräuchliche Floskel aus der Zeit, in der die Hochsprache gebläufig war. Anteron hatte lange niemanden so reden hören. Das letzte Mal, so überlegte er, musste vor zehn oder elf Jahren gewesen sein, am Ufer des Herenson, als er Zeuge eines alten Rituals geworden war. Er verstand die Sprache nur in Bruchstücken und nur, wenn sie langsam vorgetragen wurde. Sprechen konnte er sie nicht, was ihm Unbehagen bereitete, weil er gerne etwas edles erwidert hätte. Und edel, wirklich edel, ließ sich nur in Hochsprache sprechen.
"Deine Seele ist Ausdruck des Guten. Du strebst danach, richtig zu handeln. So will ich dich begrüßen, und dir meine Freude darüber offenbaren!" Anteron wollte das in Frage stellen, ließ es aber. Wieso sollte er dem Weißen, dem Seranen, Hüter von Golnerat widersprechen, bei dem so viele seiner Ahnen Rat gesucht hatten.
"Wie viel wisst ihr über mich?", fragte er statt dessen.
"Jeden Menschen umgibt eine Aura", sagte der Alte. "Den einen stärker, den anderen schwächer. Ich habe die Gabe sie lesen zu können. Und hättest du keine guten Absichten, so wärst du nicht in dieses Tal getreten und hättest den Hügel nicht erklommen." Er ließ Anterons Hand los. "Jetzt lass uns Platz am Feuer nehmen und unser Gespräch beginnen!"

4
"Was hat dich dazu bewogen, die lange Reise auf dich zu nehmen, die dich an diesen Ort geführt hat?", fragte der alte Seranen, mit einer Stimme, als würde er eine Verwünschung aussprechen. Kalt und hart war sie, roh wie ein unbehauener Stein. Es war die Stimme eines Mannes, so dachte Anteron, der zu viele Schrecken in seinem Leben erfahren hatte, als dass er das Gute noch ohne bitteren Beigeschmack akzeptieren könnte. Sein Gesicht verdeutlichte diesen Eindruck. Besonders diese Augen... diese eisigblauen Augen...
"Es waren die Erzählungen meines Vaters, die mich hier her führten. Seit meiner Kindheit wünschte ich mir, einmal diesen Ort betreten zu dürfen, Onar. Mein Vater erzählte mir von Golnerat als einen heiligen Ort, der dem Mann Beistand gibt, wenn er Mut braucht, um in den Kampf zu ziehen. Trost sollte er all jenen spenden, denen die Trauer den Geist geschwärzt und des Herzen beschwert.
Er erzählte mir von den Helden, die hier waren, bevor sie in Schlachten zogen, die die Geschichte unseres Volkes zu veränderten vermochten." Anteron sah ein Bild aus Tagen, die zu weit in der Vergangenheit lagen und zu schön waren, als dass er sich nicht mit Wehmut daran erinnerte. Er saß auf dem Schoß seines Vaters, Belrion, einem großgewachsenen, dickbäuchigen Mann, der von den restlichen Dorfbewohnern den Beinamen "der Zuverlässige" bekommen hatte, da er seine Arbeit stets genau verrichtet hatte und nicht eher damit zufrieden gewesen war, bis auch jede Kleinigkeit zu seiner Zufriedenheit gereicht hatte.
Anteron und er befanden sich am Rande eines kleinen Feuers, das in großen Flammen unter dem Nachthimmel brannte. Aber es war nicht nur ein beliebiger Nachthimmel, nein, es war der klarste und weiteste Nachthimmel, den man sich nur erdenken konnte. Und die Gestirne glänzten und funkelten wie das reinste Silber.
Belrion hatte den rechten Arm um die Taille seines Sohnes geschlossen, die andere lag auf dem Oberschenkel des Kindes, das seinen sechsten Geburtstag erst vor wenigen Tagen erlebt hatte. Der Vater hatte ein großes, rundes Gesicht, das halb von einem schwarzen Vollbart bedeckt wurde. Die Augen waren klein und besaßen weiche dunkle Farben.
Er beugte dieses Gesicht hinuter zu Anteron, bis der Mund fast dessen Ohr berührte und begann dann zu erzählen, in Worten die nur wenig lauter als ein Flüstern waren.
"Helden! Oja, Helden waren an diesem Ort", stimmte der Seranen zu. Er klang, als habe auch er sich einer Erinnerung hergegeben, die zu verlockend war, um nicht einige Augenblicke in ihr zu versinken.
"Er sagte mir, dass dieser Ort, eine der Wiegen unseres Volkes sei. Die Drei Großen sollen hier den Beschluss gefasst haben, das Reich zu gründen, vor vielen tausend Jahren. Es sei ein Ort, so mein Vater, der beseelt ist von den Wesen, die über dem Himmelszelt walten. Hier sei ein Teil ihres Geistes anwesend", fuhr Anteron fort. "Seine Schilderungen und die Visionen, die ich durch sie hatte, haben ihren Platz tief in mir gefunden und trieben mich an."
"Die Erinnerungen an das, was uns in der Kindheit widerfahren ist... Ja, das sind die Dinge, die uns verleiten, Taten zu begehen. Und möge diese Phase unseres Lebens auch noch so lange zurückliegen."
"Ihr versteht mich, Seranen?"
"Zu gut, Wanderer. Zu gut." Er stieß ein kratziges Husten, tief aus seinem Hals hervor, was bewirkte, dass sich seine derben Gesichtszüge noch weiter verhärteten und ihn für einen Augenblick wie einen Mann aussehen ließen, der die Erfahrung des eigenen Todes schon hinter sich hatte. Nachdem der kleine Anfall vorüber war, senkte der Seranen sein Haupt, so dass seine weißen Haare fast den steinigen Boden berührten. Als er seinen Kopf wieder hob, starrten die schrecklichen blauen Augen direkt in die Anterons.
"Beistand ist es also, den du suchst, Wanderer?" Anteron nickte. Der Alte stieß ein abgehacktes Lachen aus, das alles ausdrücken mochte, nur keine Freude. Es war das bittere Lachen eines Mannes, der weiß, dass er in nicht allzu ferner Zeit bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen brennen würde.
"Hier wirst du keinen Beistand finden, arme Seele. Keine magischen Rituale, keine gesegneten Worte, die dir das Herz leichter machen und den Mut geben, den du glaubst verloren zu haben. Ich kann deinem gemarteten Geist keine Erlösung bringen, deine Sehnsucht nicht besänftigen. Kamst du als Toter, so Wanderer, wirst du auch als Toter gehen!"
"Hab ich den weiten Weg umsonst auf mich genommen, Seranen?"
"Soweit du Beistand suchtest, gon, mein Freund."
"Warum kamen dann die Männer an diesen Ort, die man heute in Erzählungen Helden und große Krieger nennt?"
"Weil sie den Geist Golnerats in sich aufnehmen wollten. Ihre Herzen waren stark, ihr Mut unbeschrenkt. Nichts gab es, dass ihre Seelen hätte schwach gemacht. Ihren Willen hätte nichts brechen können - dies wollten sie der heiligen Stätte kundtun. Sie kamen nicht, um geheilt zu werden; sie wanderten in den heiligen Hallen, um ihr Heil mit dem Geist Golnerats zu erfüllen. Keinen Zweifel kannten sie an ihrer Mission und an dem Können, das sie dazu ermächtigte. Keine Männer unter der Götter Gnaden; Männer, die ihrer eigen Herr waren. Sie brauchten keinen Beistand; Beistand, den nichts geben kann!"
"Ich hoffe ihr irrt", sagte Anteron. "Ich hoffe es aus tiefstem Herzen."
"Weil du die Wahrheit nicht erkennen willst. Zu grausam ist sie für dich."
"Woher kennt ihr diese Wahrheit?" Anterons Augen sahen nicht mehr in jene des Seranen. Sie starrten an die Wand hinter ihm, aber eigentlich starrten sie ins Leere.
"Sie sprechen zu mir", verkündete der Weiße im Flüsterton. "Im meinem Geiste schweben sie und tun mir Kund." Dann verblüffte er Anteron, indem er aus in die Innentasche seines Mantels griff und eine Handvoll Tabak herausholte. Er legte ihn vor sich auf den Boden und griff erneut hinein, um zwei vertrocknete kleine Blätter hervorzubringen. Sie waren zu Rechtecken geschnitten. Er nahm etwas Tabak von dem Haufen und verteilte es auf eines der Blätter. Dann rollte er das Blatt zwischen seinen Fingern zusammen. Anteron selbst hatte diese Bewegung tausend Mal gemacht, aber sie bei dem Weißen, bei dem Seranen zu beobachten versetzte ihn in Anmut, als wäree es etwas vollkommen Neues für ihn.
"Lass uns etwas rauchen", sagte der Alte und blickte dabei auf seine Hände. "Es tut gut. Es entspannt, wenn man harte Arbeit verrichtet hat. Und unser bisheriges Gespräch war harte Arbeit. Über die entscheidenden Fragen der Welt nachzudenken und sie in Worte zu fassen, ist immer harte Arbeit." Er hatte die erste Zigarette fertig gedreht und reichte sie Anteron. Dann machte er sich erneut ans Werk. Als schließlich auch der Weiße seine Zigarette zwischen den Lippen hatte, breitete er die Arme aus und ließ die Handflächen in einer wellenförmigen Bewegung nach außen und gleichzeitig nach unten fahren. Am Ende seiner Zigarette tat sich Glut auf. Er nahm einen kräftigen Zug, und während er den Rauch ausatmete, reichte er seinem Gegenüber die Zigarette, um Feuer zu spenden.
Eine ganze Weile saßen sie darauf hin einfach nur da, rauchten und schauten sich dabei an. Anteron versuchte an gar nichts zu denken, was ihm aber nicht gelang. Seine bisherigen Fragen und die darauf resultierenden Antworten des Weißen führten einen wilden Kampf in seinem Kopf. Erfahrungen unsd Wünsche traten gegeneinander an, und es schien, als würde es keinen Sieger geben, als würden nur Verlierer den Platz verlassen. Eine ganze Weile ging es so, dann waren die Zigaretten beinahe abgebrannt und an den kleinen Bewegungen des Seranen (er veränderte die Haltung, drückte mal das Kreuz durch, ließ mal die Schultern hängen und veräanderte die Position, in der er die Arme hielt) bemerkte Anteron, dass die Zeit des Schweigens vorrüber war.
"Es ist...", begann er, doch er wurde von seinem Gegenüber unterbrochen.
"Was ist dein Rhona?", fragte dieser. "Der Weg, der vor dir liegt. Welches ist sein Ziel, oder besser gesagt, sein vorderstes Ziel?"
"Rache", sagte Anteron.
"Rache." Der Seranen sprach das Wort leise und langsam aus. Und er verdeutlichte Anteron damit, wie viele Emotionen in diesen zwei Silben lagen.
"Rache an dem Hohen Priester des Serantil Ordens."
"Der Orden der Reinheit des Blutes."
"Ja, so haben sie es zur Bekannheit gebracht."
"Den hohen Priester sagst du, und sprichst dabei von Tainel Reva?"
Anteron musste schwer Schlucken, als er den Namen ausgesprochen hörte.
"Ihr kennt ihn?"
"So ist's", sagte der Seranen. "Vielen mag der Kult ein geheimnisvoller Nebel sein, dessen Führer wie eine Gottheit ist, so voller Mgie und im Dunkeln seine Existenz. Doch ich kenne sein Antlitz, all seine Namen unter denen er früher auf Wanderschaft war und seine Vergangenheit. Ich will dir nicht davon berichten, denn vieles von dem wirst du zum jetztigen Zeitpunkt nicht begreifen können, doch soviel: Er war immer der Selbe. Keine Veränderung ist in seinem langen Leben von statten gegangen, er lernte nicht, noch besetzte eine Art von Schwäche seinen Geist. Schon seine Mutter empfing den Samen seines Vaters, mit den Beinen weit auseinander an Phälen gebunden, in Hysterie und Schmerz. Er war, was er ist, und wird seinem Wesen nie Entwicklung widerfahren."
"So wisst ihr auch über das Leid, dass er nach Lyhr getragen hat?"
"Natürlich, ich bin kein Narr! Horden, die brandschatzend durchs Land ziehen, Frauen und Kinder morden, die versklaven... all das ist mir bekannt. Auch die wachsende Zahl, die sich dem Kulte hingibt. Serantils Stätten entwachsen im Norden und im Nordosten dem Erdboden, geht die Entwicklung so weiter, werden sich in den nächsten Jahren auch Bereiche an der südlichen Grenze anschließend. Und warum dies?"
"Weil das Land in Trümmern liegt, und das Volk sich nach Hoffnung verzehrt,egal aus welcher Richtung sie kommt", sagte Anteron und fühlte zugleich, wie eine schwere Last sich seiner bemannte - seine eigene Hoffnungslosigkeit.
"Drei Kriege haben Lyhr zerstört, der Gesellschaft das Fundament geraubt. Deine Generation kennt nur den Kampf und das Leid. Viele Tote, zu viele...
Doch nun sprich, was hat Reva in dir zerstört, dass du Kampf gegen den Kult führen willst?"
Anteron senkte sein Haupt.
"Fast alles hat er mir genommen", sagte er mit bedrückter Stimme. "Mein Herz ist voller Trauer, und mein... Wenn ich an die Angst zurück denke! Es durchfährt mich, wie die gewetzte Klinge eines Schwertes, Seranen. Was für Nächte waren das, in denen ich schlaflos auf meiner Decke, mich von einer Seite auf die andere gewendet. Die Augen konnt ich nicht schließen, weil mir dann die Reiter wieder erschienen, mit den roten Streifen, die sie auf ihr Gesicht geschmiert hatten. Es waren seine Reiter, die das Lager überfallen haben, in dem man mich für ein halbes Jahr untergebracht hat. Ich sah sie, wie sie mit ihren Äxten ausholten, um auf die Frauen einzuschlagen. Und wie sie Kinder in Stücke hackten. Die Welt wurde rot, wenn ich die Augen schloss. Diese Zeit ist noch nicht allzu lange vorbei. Manchmal sehe ich es heute noch. 14 Jahre war ich damals, Seranen, Herr.
Zwanzig Jahre sind seit her ins Land gezogen. Zwanzig dunkle Jahre voll Krieg und Not. Und doch kann ich mich an ihre Fratzen erinnern, die grinsten, während sie Bäuche aufschlitzten, als wären sie Dämonen und aus Schlündern im Erdboden gekrochen. Es war die Nacht, als meine Seele in Feuer aufging und Angst hat mich seitdem gelähmt."
Er machte eine Pause, um die Wörter zu verdauen, die er selbst von sich gegeben hatte. Seine Arme zitterten stark, musste er feststellen. Wäre er allein gewesen, hätte er jetzt große Schmerzen durch litten. Doch die Anwesendheit des Seranen und die Tatsache, dass sie sich an einem Ort, bewacht durch die spürbare Kraft des Guten befanden, machten es erträglich.
"Sein Gesicht ist es, dass ich am deutlichsten von allen in Erinnerung habe. Diese Gelassenheit in seinen Zügen. Erhabenheit möchte ich es fast nennen. So führte er sein Schwert, gegen die Hilflosen und so gab er Befehl Scheiterhaufen zu errichten. Augen voll solcher Klarheit sahen den Brennenden zu, wie sie sich windend und schreiend den letzten Atemhauch ausstießen bevbor sie nur noch Rauch einzogen. Er war das Böse, dass zuvor kein Gesicht getragen hat und dessen Namen ich nicht zu nennen wusste. Der Schlächter..."
"Wie hast du überlebt?"
"Weil ich abgehauen war. An diesem Abend hatte ich Streit mit einem Fürsorger darüber, ob ich die Dielen des Jungenschlafraums richtig ausgefegt hatte. Es war mir zuviel geworden und ich lief weg, versteckte mich bis zur Dämmerung in einem Wäldchen in Sichtweite des Lagers. Dann wurde es mir zu furchterregend und ich ging zurück, verteckte mich unter dem Boden der Pferdestallung, wo ich und ein paar Freunde uns eine Art Höhle gegraben hatten. Nicht lange lag ich dort, dann kamen die Schreie und das Flackern des Feuers."
Diese Nacht im Jahre 1364 war für ihn zu einem Sinonym für Schrecken geworden. Es war Anterons erste Begegnung mit Taniel Reva, dem Führer des Ordens der Reinheit des Blutes gewesen. Es hatte zwei weitere gegeben, ebenso grauenvolle, und ebenso waren sie dem Wanderer im Detail im Gedächtnis geblieben. Von ihnen berichtete Anteron ausführlich. Er schilderte sie und verlor sich dabei in seinen Erzählungen, bis die Welt um ihn verschwunden zu sein schien, und die Geschichten von denen er kund tat waren magische Relikte. Es dauerte über drei Stunden, bis er zu Ende gesprochen hatte. Der Seranen unterbrach ihn während dieser Zeit kein einziges Mal. Und es tat Anteron gut, es sich von der Seele reden zu können.
So zog die Abenddämmerung herrauf in der Welt außerhalb Golnerats Mauern und der Mond erklomm den Himmel. Diese Nacht, war die erste, in denen er wieder an Größe abnahm. In Anterons Heimat hatte man diese Phase bis zum Halbmond, den Zauberer genannt, daran musste er gerade denken, als der Seranen, dessen Augen sich keine Schläfrigkeit anmerken ließen, schließlich sagte: "Eine tiefe Traurigkeit wohnt in dir. Ich habe sie bereits gespürt, als ich fühlte, dass ein Mann auf der Wiese wandelt, die zu Golnerat führt. Fest verwurzelt ist sie in deinen Eingeweiden, Anteron, und frisst sich durch sie hindurch. Frisst sich durch dein Fleisch, vergiftet dein Blut, zerreißt dein Herz...
Ein bitterer Mann bist du. Das ist es, warum du hier bist, nicht wahr, Wanderer? Du willst Erlösung, für das es keine Erlösung gibst. Du suchst nach dem Licht am Ende einer Nacht, doch die Schwärze deines Geistes, deines Glaubens, wird nicht durch Golnerats Flammen durchbrochen! Ich kann dir deine Traurigkeit nicht nehmen, und kein Seranen vor mir konnte das. Ich kann dir den Rausch geben, wenn du danach verlangst, aber er wird dir nur Verdrängung schenken, die Leere, die zurückbleiben würde... mit nichts könnte ich sie füllen. Ich könnte dir den Tod schenken, wenn du danach verlangtest, doch kann ich dir nicht sagen, wohin er dich bringen wird."
Er hob seine alten Hände und wandte Anteron die Handflächen zu. "Nichts, was diese Hände erschaffen könnten, würde dir Erlösung bringen." Wieder Schweigen.
"Folge mir, Anteron. Ich will dir einen besonderen Ort zeigen. Hinab in die unterirdischen Hallen Golnerats will ich dich führen, zum Alter des Arlans."
Mit der Beweglichkeit eines jungen Mannes erhob sich der Seranen und ging auf die mit schweren Eisen beschlagene Tür im hinteren Teil des Raums zu. Anteron folgte ihm, wobei er die Schatten genau im Auge behielt, die weiter ihre Tänze an den Wänden vollführten. Die Tür wieß keinen Griff oder ein Schlüsselloch auf, bemerkte Anteron, als der Alte davor zum Stehen kam. Er klopfte mit seinem Stab drei Mal auf den Boden und ließ dabei seine linke Hand zwei Kreisbewegungen vollbringen, dann ertönte ein leises Knarren. Die Türe öffnete sich ins Dunkel hinein, das hinter ihr lag. Der Seranen trat durch die Öffnung und bevor seine Gestalt ganz von der Schwärze verschluckt wurde, waren es einige Silben, die er sprach. An seinen Seiten entzündeten sich Fackeln, und brannten in hohen Flammen, so dass sie einen Gang Preis gaben.
Noch ehe Anteron der Tür einen Schritt näher gekommen war, hatten sich an den Mauern des Gangs weitere Fackeln entzündet. Jeweils zwei parallel zu einander und die nächsten in gleich großem Abstand folgend. Weiches Licht erhellte den breiten Gang und offenbarte an dessen Ende einen kleineren Torbogen. Was da hinter lag, war aus dieser Entfernung nicht zu erkennen.
"Komm!", sagte der Seranen und ging vorraus. Anteron blieb einige Schritte zurück, und holte ihn erst ein, als sie das Ende des Tunnels fast erreicht hatten. Hinter dem Torbogen ließ sich ein weiterer Raum erahnen.
"Was liegt dort?", wollte Anteron wissen.
"Ein kleinerer Raum, der die zwei Statuen der Rion birgt. Hat man dir davon erzählt?"
"Ich wusste nicht, dass sie in Golnerat aufbewahrt werden", antwortete Anteron. "Doch ich kenne die Geschichte."
Es war eine Geschichte, die ihn in seiner Jugend Faszination abgerungen hatte, und von der er annahm, dass er sie bis an sein Lebensende nicht würde vergessen können. Die Rion Statuen waren für ihn zu einem Sinonym des Grauens geworden. Rion, das war der Nahme einer Priesterin im vierten Jahrhundert vor Donemt. Einem kleineren Orden hatte sie angehört, und die Geschichte besagte, dass sie zwei Jungfrauen auf dem Platz vor ihrem Tempel hatte verbrennen lassen. Vor den Augen der Gemeinde, mit nackten Leibern und mit den Händen an einem Balken gefesselt hatten die beiden Mädchen ausharren müssen, bis der Rauch des Feuers so gnädig gewesen war, ihnen den Lebenshauch zu entreißen und mit ihm die Qualen der Hitze. Rion hatte sie verbrennen lassen, bis nicht mehr als Knochen von ihnen übrig geblieben waren. Aus diesen Knochen solle sie, der Legende zur Folge, zwei Statuen erstellt haben lassen. Grässlich sei ihr Anblick, und der Betrachter solle die Schmerzen der Mädchen am eigenen Leib erfahren, trefe er auf die Knochenskulpturen. Warum diese beiden Jungfrauen verbrannt worden waren, davon gab es mehrere Fassungen. Anteron hatte der Legende keinen Glauben geschenkt, um so gespannter war er, als er dem Seranen durch den Torbogen folgte.
Der Raum war dunkel und klein. Die Statuen warteten wenige Schritte hinter dem Eingang auf ihn. Anteron blieb vor den beiden Skeletten stehen und betrachtete sie eingehend. Sie sahen nicht so aus, wie ihm seine Phantasie ausgemalt hatte, und er wollte nicht verstehen, warum diese kümmerlichen Machwerke zu solchem Ruhm gelangt waren. Die Knochen waren bräunlich und dürr. So viel konnte er selbst im schwachen Licht sehen. Beide Skelette waren in der gleichen Haltung aufgestellt, gekrümmt, wie ein Raubtier, das zu einem tödlichen Sprung ansetzt. Von Eisenstangen wurden sie zusammengehalten. Ihr Anblick war alles in allem eher abstoßend, als faszinierend. Sie konnten ihm nicht das in den Bann ziehende Grauen vermitteln, wie die Geschichte über sie.
"Warum stehen sie in diesen Gemäuern?", fragte er.
"Es hat nichts mit der Geschichte zu tun, die man aller Orts erzählt. Sie stehen hier, weil sie für die Seranen eine andere Geschichte ins Gedächtnis rufen. Die, über einen Mann Namens Weratin, der durch sie den Tod gefunden hat." Weitere Erklärungen gab er nicht. Er wartete, bis Anteron die Augen von den skurilen Werken abwendete und schritt dann weiter vorraus. Der Raum mündete in eine Treppe, die hinab führte. Es waren erneut die gemurmelten Worte des alten Mannes, die das Licht brachten. Fackelschein begleitete die beiden Männer hinab in die Tiefe Golnerats, hinab ins Innere des Berges. Die Stufen waren mit dickem Staub bedeckt und klein, so dass Anteron aufpassen musste, nicht abzurutschen. Dem Alten schien dies keine Probleme zu bereiten. Seine Schritte waren gleichmäßig, ebenso das Tack-Tack des Stockes, der auf die Stufen traf. Endlos ging es in die Tiefe, so dass der Wanderer sich zu fragen begann, ob sie sich noch im Innern des Berges oder schon unterhalb der Erdoberfläche befanden.
In seinen Oberschenkeln breiteten sich Schmerzen aus, die bald an jene Heftigkeit reichten, die sie an gleicher Stelle erreicht hatten, als er vor ein paar Tagen eine steile Felswand empor gestiegen war. Der Seranen schien keine Beschwerden zu haben, und wenn, so vermochte er sie gut zu verbergen. Dann erreichten sie endlich den Fuß der Treppe.
Wieder ein Gang, doch diesmal ein kürzerer und sie befanden sich in einem runden Gebilde, dass an fünf Stellen von je zwei Säulen unterbrochen wurde.
"Hinter jedem dieser Durchgänge befindet sich eine große Halle", ließ der Seranen Anteron wissen. "Gewidmet den fünf Helden, die das Buch Canos kennt. Die Halle des Metarnon befindet sich dort." Er deutete auf den Durchgang links neben der Öffnung, durch die sie gekommen waren. Rechts davon, gelangte man in die Halle des Terdia, verkündete der Seranen. Die anderen drei führten von links nach rechts zu jenen des Gaber, des Fareom und schließlich des Arlan. Anteron kannte die Helden, wie sie der Seranen genannt hatte. Mystische Figuren, Göttern ähnlicher als Menschen, so wurden sie im Buch des Reatrew beschrieben, dessen Name Canos in der Alten Sprache soviel wie
Reatrew war eine zweifelhafte Gestalt in der weiten Vergangenheit, von der viele Gelehrte zweifelten, dass es sie Tatsächlich gegeben hatte. Zu verworren und abenteuerlich war der Lebenslauf, dem man ihm nachsagte. Das Canos, so hieß es, solle er in den mittleren Jahren seines Lebens geschrieben haben, in denen er durch die halbe Welt gereist war, um genaueres Wissen über jene fünf Helden zusammen zu tragen, die damals schon seit Generationen den Tod gefunden hatte. Helden, die seinem Volk entstammt waren und die für Lyhrs Unabhängigkeit gekämpft hatten.
Canos handelte von ihrem Lebensweg, der alles enthielt, von ihren Großtaten, wessen sie zu Berühmtheit gelangten, bis hin zu dem Verhältnis zu ihren Eltern und ihren ersten Liebschaften.
"Es gab sie also wirklich?", fragte Anteron. Ein lächeln erschien im Gesicht seines Führers. "Ich kann mir vorstellen, dass dies dich verwundert, scheinen die Erzählungen über die Fünf Großen doch so voll magischer Dichtung. Und ich will nicht Zweifel hegen, dass nicht alles im Canos den Wirklichkeiten entnommen ist, doch ist der Kern wahr. Es gab sie und mögen ihre Taten sich nicht genau so zugetragen haben, wie von Reatrew dem Dichter beschrieben, doch vollbrachten sie sie, auch wenn Umstände andere waren. Ihre Person war die, die du aus den Geschichten kennst. Stolz und Aufrichtig, dem Guten sich verpflichtend und doch wild und mit Eigensinn behaftet." Während er dies erzählte, schaute er an Anteron vorbei und es schien dem Wanderer, als würde er in eine andere Zeit blicken. "Das 26. Jahrhundert vor der Reichsgründung war eine ruhmvolle Zeit. Anders als die heutigen." Er schien wieder in der Gegenwart angekommen und sein Gesicht wieß wieder die verhärteten, ausgedorrten Züge auf, als er Anteron ansah.
"Manchmal überkommt mich die Redseligkeit."
"Sprich, was ist es, das am stärksten nach einer Antwort verlangt", sagte der Seranen und seine Stimme war weicher, nachsichtiger geworden.
Anteron dachte einen Moment nach, bevor er seine Frage stellte. Nicht, weil sie ihm nicht auf der Seele gebrannt hätte, sondern weil es ihn Mut kostete, sie zu stellen. Er fürchtete die Antwort, die der Seranen ihm geben könnte. Er fürchtete sich...
"Was soll ich tun, Gahl," schoss es aus ihm herraus. Tränen bildeten sich in seinen Augen und er spürte, wie die tiefe Verzweiflung von ihm Besitz zu ergreifen begann, die den Grund seiner Seele zu bilden schien. "Gibt es Rettung für mich?"
Eine quälende Zeitspanne verging, in der sein Gegenüber schwieg. Er überlegt, welches die richtigen Worte, für das Bejaen meiner Frage ist. Der Schweiß brannte in seinem Gesicht, an seinem Körper. Er spürte, wie er an seinen Wangen hinunterlief und sich am Kinn, ähnlich wie Tränen, sammelte, um von dort herabzutropfen. Die Luft in dem Saal schien ihm mit einem Mal stickiger, als zuvor.
Endlich antwortete der alte Mann.
"Wenn es Rettung gibt für dich, dann bestand sie bereits seit deiner Geburt, und du wirst sie nicht hier erfahren." Er spuckte neben sich auf den Boden. "Ich weiß es nicht, Anteron, Wanderer. Gibt es sie, wird der Weg beschritten. Wenn nicht, so wird die Dunkelheit dich erfüllen und dich in ihre Niederrungen reißen - sei dem gewiss!" Sie durchschritten zwei Säulen, die auf halber Höher von einem Bogen zusammengefügt wurden, der einige Meter über ihren Köpfen thronte, und näherten sich dem wichtigsten Ort der Halle, die dem Arlan gewidmet war, einem mächtigen Altar aus grauem Stein gehauen und prächtig verziert. Der Altar stand auf einer kreisförmigen Fläche, die sich etwas von dem Boden der Halle abhob. Um sie herum verliefen weitere Säulen (dünner und wesentlich kleiner, als jene, die die Decke stützten) in einem Halbkreis, die an ihren Enden miteinander verbunden waren. Die Mitte beherrschte eine drei Mann hohe Statue des Helden, der sie gewidmet war. Arlan, der gekämpft hatte, bis der letzte Atem seine Lungen verlassen hatte, und der solange das Schwert in Händen gehalten hatte, bis er tot auf der Blut durchdrängten Erde zusammen gebrochen war. Den Mann, den jedes Kind von den Erzählungen seines Vaters kannte, seit Ewigkeiten. Die Statue zeigte diesen Mythos in einem Antlitz, dass Anteron selbst sich genauso vorgestellt hatte. Ein Mann mit nacktem Oberkörper kniete dort und stützte sich auf ein zweihändriges Schwert, wobei er das Gesicht gen Himmel richtete. Auch er war auf der Suche nach Antworten, deren Fragen selbst in einem trüben Meer als geisterhafte Wesen in Erscheinung treten, dachte Anteron. Und er fühlte etwas, das Verbundenheit am Nächsten kam.
"Wer erschuf diesen Ort?", wollte Anteron wissen.
"Siln, die gute Urkraft", sagte der Seranen. "Ein Vorgang, den sebst mein Geist nicht zu verstehen vermag. Siln erschuf alles, wessen wir uns glücklich schätzen können. Es ist die Kraft, die fließt, wenn eine Mutter liebevoll das Kind umarmt, nachdem es sich das Knie angeschlagen hat. Es ist, wenn ein Mann am Grabe seines Vaters Tränen der Liebe vergießt und wenn Mann und Frau den Zeugungsakt vollführen. Die Hand die dich an der Schulter wieder nach oben reißt, wenn du gestürzt bist!"
"Ist Mor dann die Kraft, die den Tod in die Welt gerufen hat und alles Leid?"
"Ist", murmete der Alte. "Ich glaube es, ja. Aber das sind Bereiche, in denen der Geist eines jeden Lebewesens scheitert. Denke darüber nach, Wanderer, ja. Aber verlange niemals eine Antwort darauf in deinem Leben zu finden."
Und sie schritten weiter auf dem Stein, vorbei an der Statur, die den leidenden Helden zeigte. Anteron schossen tausende Fragen durch den Kopf; Fragen über Heldentum, über den Lohn eines solchen, und was Arlan widerfahren wäre, hätte sein Stamm nicht die nötige Ernte eingefahren, als dass er seine Kinder vor dem ersten Frost hätte bewahren können. Und was haben seine Taten überhaupt bewirkt. Er wusste, dass er dem steinernen Antlitz eines großen Mannes gegenüberstand, an dessen Mut und Wille, nach Rechtschaffendem zu streben man nicht den geringsten Zweifel hegen durfte. Doch was hatte Mut und Rechtschaffenheit im Rad des Großen Ganzen für eine Bedeutung? Hatte überhaupt etwas eine Bedeutung? Welchen Unterschied machte es, wenn er ewig leben oder auf der Stelle tot zusammen brechen würde? Dunkle Fragen, unbequeme Fragen, Fragen, die ihm das Sein zur Hölle gemacht hatten. Doch gleichsam Fragen, die ein Teil seines Lebens waren. Fragen, ohne die sein Leben nicht wäre.
Nichts von dem sprach er in dem Moment aus. Denn waren seine Zweifel berechtigt, welchen Sinn hatte es, den Antworten des Seranens zu lauschen? Keine.
Sie traten vor den Altar und der Seranen legte Anteron eine Hand auf die Schulter.
"Es wird nun seinen Anfang nehmen", sagte er. "Bist du dir dessen bewusst?"
Anteron sah ihm in die Augen und nickte.
"Hier musst du nun den Eid ablegen. Tu es jetzt, oder du wirst es nie tun!"
Anteron nickte. Er hatte verstanden. Doch vorher galt es noch eine Frage zu stellen. Vielleicht die wichtigste von allen.
"Werde ich je eines Morgens aufwachen und ein glücklicher Mann sein, Seranen. Wenn ich mein Rhona auf mich nehme und den Sieg davon trage... werde ich diesen Morgen dann erleben können und sei es nur ein einziges Mal?"
"Nein!", sagte der Weiße. "Ein Mann wie du wird diesen Morgen nie erleben. Du bist zu sehr mit Schlauheit und Feingefühl bestraft, als dass es je so sein könnte! Eine bittere Wahrheit, aber eben eine Wahrheit!"
"Warum dann das alles?", fragte Anteron. "Wäre dann nicht das Einzige, was meiner Seele Erlösung bringen könnte, der Tod?"
"Du sprachest vom gänzlichen, unbekümmerten Glück, Narr!" Der Alte spie die Wörter förmlich aus. "Dieses reine Glück wirst du nie kennen lernen, es wird nur dem Tor widerfahren! Aber es gibt andere Arten, des erstrebenswerten Glücks. Vielleicht werden sie dich befriedigen, vielleicht nicht. Aber dies wirst du nur in Erfahrung bringen, wenn der Rhona begangen wird. Tust du es nicht, wirst du in Elend und Zweifel verrecken, auf bitterste Weise!"
"Wirst du gehen?"
"Ich werde gehen!"
"Mache den Hass zu deinem Freund, Anteron. Gib dich ihm hin, lasse dich von ihm führen, nur so wirst du dein Ziel erreichen."
"So sei es!"
"Ich schwöre!", rief Anteron aus, und es war ihm, als würde er von Kraft durchflutet. "Bei allem, was mir heilig war, ist und sein wird! Alles werde ich tun, sollt es mir auch unvorstellbare Pein bringen. Rache werde ich nehmen, für mich, für alle Nahleran, die mir genommen wurden, für all ihre Wünsche, die sie niemals leben durften, für alle, die den Kampf der Gerechten bestritten und für all jene die nur Gutes wollten!"
Und auf dem Schwert gestützt sank er nieder auf die Knie und senkte in Demut seinen Kopf.
"Dein Weg wird schwer sein. Leid liegt auf dem Rhona, doch wirst du die Kraft finden, es zu überstehen. Und magst du auch an diesem Ort den Mut nicht finden, so soll er dir auf deinem Weg nicht verzagt bleiben, wirst du kämpfen!"
"So sei es!", sagte Anteron. Er stand auf und hob sein Schwert, wie er es am gestrigen Tage auf der Klippe eines Berges getan hatte.

 

Hey kevin2,

okay, ja, die Geschichte ist lang. Aber trotzdem zuerst Textkram. Gleich schonmal hier: Ich hab das Kritikzeugs nicht zu Ende gebracht, genau so wenig wie die Geschichte. Gründe dafür am Schluss der Kritik.

Die Abenddämmerung verriet ihm das Ziel, wie es unter dem scharlachroten Himmel auf einem Hügel thronte.
verraten kann sie nichts, höchstens zeigen

Eine Kultstätte aus längst vergangenen Zeiten, die nur durch die Mythen der Völker und in Niederschriften nicht in Vergessenheit geraten waren
"nicht in Vergessenheit geraten waren" - ich finde das ein wenig sperrig, vielleicht, weil ich zuerst das "waren" nicht richtig mitbekommen habe und dachte, es bezieht sich auf die Kultstätte.

Es hatte die Jahrtausende überdauert, den Stürmen getrotzt und war zum Symbol einer unergründlichen Macht gewachsen.
Das Kultstätte oder das längst vergangene Zeiten?

Selbst die Weisesten kannten seine Geschichte nicht, und in keinen Büchern der Ahnen fand es Erwähnung.
Hier würde ich um des Leseflusses ein Komma setzen. Wie hat er es dann gefunden, wenn es keiner kennt?

Der Name war von unbekannter Herkunft und ließ sich aus keiner, der Mittleren Welt bekannten, Sprachen herleiten.
keine Kommata bei "der mittleren Welt bekannten". Hier stimmt der Bezug nicht. Es ließ sich aus keiner Sprachen herleiten?

Alleine die Lage mochte Auskunft über die Bedeutung geben, die Golnerat für die Ahnen einst besessen haben musste
Warum hier diese Relativierung? Entweder, die Lage gibt Auskunft, oder dieses Ding steht nur zufällig auf dem einzigen Hügel weit und breit.

Es war auf einem Hügel erbaut, der die einzige Erhebung inmitten einer weiten Wiesenfläche darstellte, die von mächtigen Gebirgszügen umgeben wurde.
Hier benutzt du zwei Mal Attributsätze, einmal attributisiertst du den Hügel, einmal die Grasfläche. Ich finde, das liest sich unschön, vielleicht findest du einen besseren Weg, die Informationen einzuarbeiten. Vielleicht etwas wie "schon von weitem hatte er in das grasbewachsene Tal hinunterblicken können und dort die Kultstätte gesehen, die auf einem kleinen Hügel den riesigen Bergen zu trotzen suchte" oder so. Ich finde immer alles besser als diese Attributsätze.

Auf ewig sollte er ihm in Erinnerung gerufen werden, wenn er an den Anfang seines Rhonas zurückdachte.
In Erinnerung gerufen werden ist passiv, zurückdenken jedoch aktiv - wer ruft ihm das denn in Erinnerung?

Die Zeiten würden vergehen, doch das Symbol würde in seinem Innern Bestand haben.
Er ist unsterblich?

Ein starker Wind trieb ihm ins Gesicht und wehte sein Haar nach hinten.
Wind "treibt" normalerweise nicht, Wind weht oder so. Treiben ist ja eine passive Tätigkeit, bei der jemand beeinflusst wird, wie Blätter in einem Fluss. Der Wind kann ihm die Tränen in die Augen treiben, das kann er tun.

Über dem Wanderer erstreckte sich ein wolkenbehangener Himmel, der im Osten die Farbe des Blutes angenommen hatte und bald schon geheimnisvolle Schwärze sein würde, durchdrungen vom Licht der Sterne.
Der Satz gefällt mir auch nicht so wirklich - das könntest du schöner schreiben, vielleicht etwas wie "im Osten hatte der Himmel eine blutrote Farbe angenommen, die durch die Wolken sickerte. Bald schon..." oder so.

Regungslos stand er da und vernahm das Schaudern, das seinen Körper durchlief.
vernahm ist wieder so nichtssagend, das ist einfach ein Verb der Aktion. Das heißt, er nimmt es wahr. Ich nehme auch wahr, dass ich in einem Sessel sitze, aber das ist nicht gemeint, oder? Ich glaube, du willst sagen, dass er es bewusst wahrnimmt?

Die Kultstätte der Ahnen, mochte sie ihm Rat geben, in den dunklen Tagen, die sein Geist durchlebte.
Würde das Komma vor "in den dunklen..." wegmachen.

Er war gekommen, wie die Krieger Enorals der vorigen Generationen, um Beistand zu erbitten.
Hier denkt sich der Leser "na toll, und was ist ein Enoral?" ist er sowas? Das könnte man nämlich aus dem nächsten Satz herauslesen. Aber nur, wenn man wirklich darüber nachdenkt - und das tun die wenigsten Leser.

Sein Herz sehnte sich nach der Hoffnung, die Golnerat seinesgleichen seit Jahrhunderten versprach.

Er wollte Kraft finden und die Dämonen des Bösen in seiner Seele besänftigen, die an seinem Willen zerrten. Und diesen Willen würde er brauchen, auf dem Weg, den er gehen musste.
An was für einem Willen zerren sie? Wie genau wirkt sich das aus? Sie zerren einfach nur? Oder wird er davon irgendwie beeinträchtigt?

"Steh mir bei!", flüsterte Anteron in das Pfeifen des Windes hinein. "Steh mir bei!"
Zu wem sagt er das denn?

Er zog sein Schwert aus der Scheide, die mit Lederriemen an seinem Rücken befestigt war, und hielt es sich vor Augen.
ERstens: Ich denke, womit sie befestigt ist, ist völlig unwichtig. Zweitens: Wenn man das Schwert auf dem Rücken trägt, ist es ab einer Länge von, sagen wir, sechzig Zentimeter, nicht mehr ohne Probleme zu ziehen. Da der menschliche Arm nur eine bestimmte Länge hat und nur in einem bestimmten Winkel gebogen werden kann, kommt irgendwann der Punkt, wo noch zu viel Schwert in der Scheide steckt, Arm und Hand aber den Winkel nicht mehr einhalten können. Also funktioniert so etwas generell nur bei kurzen Waffen und in schlechten Filmen - ich hab es ausprobiert, mit meinem Kurzen geht es, das Bastardschwert krieg ich nicht rausgezogen.

Sein Gesicht war starr, seine blauen Augen hatten wieder ihre alte Entschlossenheit angenommen.
Die Augen haben eine Entschlossenheit angenommen? Ist das eine neue Farbe? =)
Ich würde schreiben "und der Ausdruck seiner Augen..." oder sowas.

In vielen dunklen Jahren war es zu seinem Vertrauten geworden, der Begleiter auf Wegen, an deren Rändern sich Leid und Verderben bereithielten, aus ihren Schatten zu kriechen und einen Mann den Verstand zu rauben.
Hier solltest du das "sich" nach das "Leid und Verderben" stellen, weil es sonst so wirkt, als würde es sich auf das "bereithalten" beziehen. Generell finde ich die Aussage hier auch sehr verwaschen - Leid und Verderben rauben einem doch nicht den Verstand?

Als Anteron sein Schwert nun betrachtete, war es ihm, als könne er spüren, wie sich die selben Schatten nun um ihn zusammenzogen, nur waren sie finsterer als zuvor.
Welche Schatten? Die, von denen bisher nicht die Rede war? =)

Doch fühlte er nicht etwa Furcht, oder Niedergeschlagenheit vor der drohenden Gefahr.
Komma weg vor "oder"

Im kühlen Wind und Golnerat vor Augen fühlte er sich bereit, sich der Aufgabe zu stellen, die ihn erwartete.
Hier gefällt mir der Anfang des Satzes nicht, vielleicht würde das mit "mit Golnerat vor Augen" besser klingen.

Es gibt nur diesen einen Weg...
Ist ein Tempussprung, das solltest du auch in die Vergangenheit setzen

Das Unbegreifliche, welches nichts mit einem der Götter gemein hatte, die von den Kulturen angebetet wurden.
Das liest sich auch nicht so schön - woher weiß er, dass es "das Unbegreifliche" war und nicht doch einer der Götter, und wenn er der Meinung ist, es wäre göttlich, dann betet er es indirekt doch schon an.

Etwas Größeres, Mächtigeres.
Also doch nicht das Unbekannte, sondern etwas anderes?

r wusste, dass Leid auf ihn warten würde und die Schatten von diesem Tag an - von diesem Moment an, an dem er auf dem Vorsprung stand, das Schwert in den scharlachroten, wolkenbehangenen Himmel erstreckt und den Blick hinab aufs Tal, dessen Mittelpunkt Golnerat das Heiligtum war - von Mal zu Mal deutlicher werden würden, doch mit ihnen gleichsam der Glaube an sich selbst und der Wille, den Kampf zu bestehen.
1.) Schatten werden normalerweise nicht größer, nur länger
2.) Der Mittelsatz gefällt mir gar nicht. Du schreibst aus seiner Innensicht, und niemand würde denken "Ich weiß, dass die Schatten von diesem Moment an, wo ich auf dem Vorsprung stehe, das Schwert...", das klingt sehr pathetisch.
3.) Bei "den Blick hinab aufs Tal" fehlt ein Prädikat
4.) Er reckt sein Schwert gar nicht, er guckt es ja nur an
5.) Mach da mal mehr Sätze draus, so liest sich das sehr schwergängig =)

Es war in den frühen Morgenstunden des neuen Tages, als Anteron hinter sich blickte und ihm bewusst wurde, dass er die Hälfte der Wiese hinter sich gelassen hatte
Vorher hat er sich niemals umgedreht?

Zweitausend Schritte, so schätzte er, waren es gewesen, und genauso viele lagen jetzt noch vor ihm, bis er den Fuß des Hügels erreichen würde, auf dem das Heiligtum erbaut war.
Zweitausend Schritte - wie weit mag das sein? Zwei Kilometer? Trotzdem schreibst du von einer "weiten" Wiesenfläche. Eine Wiese von einem Durchmesser mit acht Kilometern kommt mir trotzdem nicht wirklich "weit" vor.

Der Himmel war Wolken bedeckt, und ein starker Wind trieb, der die hüfthohen Gräser um ihn herum in wilde Bewegungen versetzte
s.o.: Wind treibt nicht

Er war der Vorboote des nahenden Herbstes
Wirkt zuerst, als bezöge sich das wieder auf deinen Prot.

Der Sommer war kurz gewesen, im Gegensatz zu den Jahren davor. Höchstens zwei Monate. Vielleicht war es bloßer Zufall, eine Laune der Natur; andererseits konnte man es als ein Zeichen verstehen.
Zufall "gewesen", die Handlung ist ja vorbei.

Seit sechs Jahren war der Krieg vorbei, und Anteron wusste nicht, ob ihn seine Erinnerung belog, aber glaubte, dass auch in den Jahren des zweiten großen Krieges die Wärme nicht lange angehalten hatte.
Würde ich den Satz mit dem Krieg durch einen Punkt abtrennen. Das mit dem "zweiten großen Krieg" wirkt hier sehr konfus, ist das derselbe Krieg, von dem auch im ersten Teilsatz die Rede war, oder ein ganz anderer?

Anteron nahm das Trinkhorn, das er an der Vorderseite seines Gürtels befestigt hatte, zog den hölzernen Stöpsel ab und nahm einen großen Schluck von dem klaren, kühlen Wasser, das er einem kleinen Bach entnommen hatte, den er vor einigen Tagen im Gebirge passiert hatte.
Das, den, wieder viele Attibutsätze. Ist es wirklich wichtig, woher das Wasser kommt?

Drei solcher Hörner, gefertigt aus dem Leder eines Hirsches, führte er bei sich.
http://www.mittelalter-waffen.com/index.html?trinkhorn.php <-- das sind Trinkhörner. Die [Hörner von Tieren - deswegen heißen sie so. Die schneidet man irgendwelchen Viechern ab, aus Leder sind die ganz bestimmt nicht.

Bei guter Rationierung bewahrten sie einen Mann drei Tage vor dem Durst.
Das wirkt, als würden die Hörner einen vor dem Durst bewahren - wie? Wird man weniger durstig, wenn man sie aufisst? Außerdem - oben schreibst du, er sei vor "einigen" Tagen an dem Bach vorbeigekommen. Heißt das, sein Wasser ist alle?

Der Mantel war nicht aus kostbaren Stoffen gearbeitet, er trug auch kein Wappen oder ein Symbol, dass jeden Fremden die Zugehörigkeit des Trägers hätte erkennen lassen, doch war er ein Kleidungsstück, das Anteron seit langer Zeit begleitete und aufgrund des Blutes und Schweißes, welche es in sich aufgezogen hatte, von unschätzbar größerem Wert, als ein teures aus dem Fell des größten und seltensten Bären.
würde "jeden" durch "einen" ersetzen, ist ja auch nur ein Beispiel.

Golnerat, diesen Namen trug er in seiner Erinnerung seit der Kindheit.
Das klingt komisch, das kannst du so viel schöner formulieren. "Seit seiner frühesten Kindheit geisterte der Name "Golnerat" durch seine Erinnerungen, woher er ihn kannte, wusste er nicht.

Emotionen, die er hervorgerufen hatte, existierten nur noch als Hauch, tief in seinem Innern verborgen, und zweifellos nicht mehr abrufbar; Für immer verloren, wie fast alles, das man als Kind erfuhr.
würde "die Emotionen, die er einst...", schreiben, das klingt runder. "Erfährt" man eine Emotion?

Sie verdrängten alles, was seinen Geist beschmutzt zu haben schien, allen Tod allen Zweifel, alle tiefgründige Traurigkeit.
Hat es seinen Geist beschmutzt oder hat es das nicht?

Es gab nichts Besonderes, was diesen Zustand der Freiheit beendete; kein Stolpern über einen vom Gras verdeckten Stein, kein Schrei eines Greifs, kein plötzlicher Schmerz in seinen Gliedern.
Steht als ein Hundertachzig-Grad-Gegensatz zum ersten Satz des Absatzes.

Er verlosch einfach und verteilte sich dann in auflösende Rauchschwaden, wie nach dem Ausblasen einer Kerze.
Das Beispiel finde ich etwas ungünstig gewählt - das bedingt, dass der Zustand etwas Reales ist, aber das ist es nicht, es ist ein Gefühl.

Zurück blieb nur ein Teil des Zaubers, den dieser Ort zu bergen vermochte
"zu bergen vermochte" ist wieder so eine Relativierung - das heißt, dass etwas etwas kann, es jedoch nicht unbedingt tut.
Die Aussage des Absatzes ist, dass die Erinnerung an seine Kindheitsemotionen, die er beim Klang des Namens des Ortes empfunden hat, an dem er sich gerade befindet, einen Freiheitszauber auslöschen, den du vorher nicht ein einziges Mal erwähnt hast, der jedoch offenbar von ebenjenem Ort ausgelöst wird. Das kann nicht das sein, was du dem Leser damit sagen möchtest. =)

Doch dieser reichte, um den Wanderer tapferen Herzens den letzten Teil einer langen Strecke hinter sich zu bringen.
"dieser" klingt immer sehr geschraubt. Schreib doch "dieser Rest" oder so.

Als Anteron den Anfang des Hügels erreicht hatte, stellte er fest, dass ein Weg hinaufführte
Hier verpasst du dafür eine Gelegenheit zu näherer Beschreibung, die den Satz schöner machen könnte. "dass ein Weg sich den kleinen Hügel emporwand" oder so vermittelt dem Leser ein wesentlich unmittelbareres Bild des Hügels als ein einfaches "hinaufführte".
Sieht er den erst vom Fuß des Hügels aus, nicht schon vorher?

Wahrscheinlich bestand der Pfad aus festgetretener Erde schon seit Jahrhunderten. Nein, schoss es ihm durch den Kopf. Er war von Anfang an da gewesen. Wer auch immer diese Stätte erbaut hatte, wenn es überhaupt Menschen gegeben hatte, die dieses getan haben, der hatte diesen Pfad genauso vorgefunden, wie du es nun tust.
Was hat das dann mit der festgetretenen Erde zu tun? Trotzdem, den Gedankengang finde ich schön.

Bevor er den Pfad aber betrat, der in schlangenförmigen Bewegungen zum Haupt des Hügels führte, blickte er zu den alten Gemäuern empor.
Hier - das kannst du schon viel früher einbauen. Außerdem - betrat, das ist wieder so ein nichtssagendes Wort. Warum nicht etwas wie "bevor er sich an den Aufstieg machte" oder so?

olnerat glich viel mehr einer Festung, als einem Ort, an dem man den Göttern huldigte.
Kein Komma vor Vergleichen.

Von hier aus, blickte er auf die Außenmauer (er schätzte, dass sie vier Mann hoch sein musste), zwei Türme und der obere Teil eines Gebäudes die daraus hervorlugten.
Kein Komma nach "von hier aus". Lies den Satz mal laut vor - an Stellen, wo du mit der Stimme nicht hochgehst, steht meistens kein Komma.

Er schritt zwischen den zwei Felsen hindurch und gelangte so auf einen ovalen Platz, der aus behauenen Steinplatten bestand.
Wo hast du jetzt zwei Felsen und einen ovalen Platz her? Der steht doch noch am Fuß des Hügels

Der Platz lag wie ein Tal, fast vollständig umschlossen von Felswänden, die majestätisch in die Höhe ragten.
Felswände auf einem Hügel, der inmitten einer grasbewachsenen Ebene liegt?

War es ihm bei dem Pfad schon so vorgekommen, als wäre er ein Relikt aus Zeiten, die kein Mensch gesehen hatte, so kamen ihm diese vor, als seien sie von einem Wesen erschaffen worden, das kein Geist eines Menschen je erahnen, gar erfassen und benennen könnte.
Das hat aber nichts mit einem "Relikt" zu tun, also mit der HErstellungszeit, oder?

Die Felswände waren glatt; das hieß, es ragten nirgendswo Felsbrocken heraus und es waren auch keine Höhlen darin zu erkennen
Benutz bitte in Zukunft vor dem Posten deine Word-Rechtschreibeprüfung.

Doch waren Linien darin, die sich zu seltsamen Mustern und Symbolen zusammenfanden
Man schreibt nicht "es sind Linien in den Wänden", jedenfalls nicht, wenn man eine schönere Alternative hat. Wie sehen die Linien aus? Sind sie aus dem Stein gewachsen, sind sie von Menschenhand hineingehauen worden?

An der linken Hälfte stach das Abbild eines Ungetüms hervor; ein menschlicher Körper, aus dessen Brust mehrere Hörner ragten, hinter dem breiten Rücken traten Schwingen hervor, die Ähnlichkeiten mit denen von Fledermäusen hatten, der Kopf war der eines Dämons, mit riesigem Maul, das dolchartige Zähne entblöste, und mit perfekten Kreisen als Augen.
Das kann man auch kürzer formulieren - meinst du nicht, an dieser Stelle übertreibst du ein wenig mit den Mustern bzw. ihrer Beschreibung?

Waren seine Vorfahren ihm begegnet, oder hatten sie das Bildnis aus ihrer Phantasie erschaffen? Wenn es überhaupt von Menschenhand erschaffen worden war...
Das kann man aber sehen, glaub mir

Am anderen Ende des Platzes thronte ein Torbogen, der seinen Ausgang darstellte und unweigerlich zum Innern der Stätte führen musste.
"der seinen Ausgang darstellte" ist bezugstechnisch unklar, von daher ein Stolperstein im Text.

Anteron setzte sich in Bewegung, wobei er sich immer wieder umblickte, da es ihm so vorkam, als würden sich die Konturen in den Wänden verändern
Du bist viel zu beschreibend. Was fühlt der Prot? Was denkt er? Nicht einfach nur "es schien ihm so als ob" oder "er sah, dass". Wenn dein Leser es nicht schafft, einen Bezug zu deinem Prot herzustellen, dann wird er die Geschichte nicht zuendelesen.

Womöglich nur eine Sinnestäuschung, aber obwohl er nicht glauben mochte, dass von Golnerat eine Gefahr für ihn ausgehen konnte, hatte ihm das Leben gelehrt, Vorsicht walten zu lassen. Selbst dort, wo keine angebracht zu sein schien.
Das ist ein sehr langer Satz und dann ein sehr kurzer, der da eigentlich noch mit reingehört, aber offenbar drangeklebt ist, um den vorigen Satz zu verkürzen. Formulier die Stelle doch einfach schöner, wenn du kannst.

Oft hatte er dafür bezahlen müssen, unaufmerksam gewesen zu sein. Erfahrungen, die sich tief in ihm verwurzelt hatten.
Er hatte Erfahrungen dafür bezahlen müssen?

Hier hast du einen endlos langen Textblock. Ich lese Geschichten generell am Bildschirm, da ist sowas sehr abschreckend.

Als der Torbogen immer näher rückte, erkannte Anteron zwei Statuen, die auf beiden Seiten ein Teil der Säule darstellten. Näheres konnte er von dieser Entfernung noch nicht an ihnen ausmachen, als dass er sie hätte benennen können.
Wie groß ist der Platz denn? Das Tal hat doch angeblich einen Durchmesser von acht Kilometern, wenn der Ort, wo er sich jetzt befindet, so groß ist, dass er die Statuen auf einem Torbogen nicht erkennt, ist er davon einen, vielleicht zwei Kilometer weg, wenn da wirklich alles so riesig ist, wie du schreibst, vielleicht sogar mehr. Dann wäre Golnerat nachher so groß wie das gesamte Tal.

Sollten sie denn Figuren darstellen, die ihm bekannt waren. Er bezweifelte es.
den ersten Teil des Satzes hast du wieder aus dem davor herausgeschnitten. Wirkt unbeholfen.

Jetzt bin ich in der Mitte dieses Monsterabsatzes, und mir tun schon die Augen weh. Ich habe, ehrlich gesagt, keine rechte Lust mehr, deine Geschichte zu lesen. Das hat mehrere Gründe, an denen du "schuld" bist.
- Zum Einen hängt die Handlung schief. An einer Stelle machst du einen Extrasatz, um zu beschreiben, dass sein Trinkhorn aus Leder ist und schreibst einen halben Absatz über seinen Mantel, an einer anderen Stelle ist es dir nicht die Erwähnung wert, dass er einen Weg hochgeht, der immerhin entscheidend für den weiteren Verlauf der Geschichte ist. Die Geschichte steckt im Sumpf unwichtiger Informationen, in denen die wichtigen ertrinken.
- zum Anderen ist mir dein Protagonist zu weit entfernt. Ich kann nicht mit ihm mitfühlen, weil du ihn gar nicht richtig fühlen lässt. Damit will ich nicht sagen, dass du lange Abhandlungen darüber schreiben sollst, was er beim Anblick eines Drachen an einer Wand empfindet. Aber an dieser Stelle schreibst du folgendes:

Unweigerlich stellte sich ihm die Frage, ob es jemals ein solches Geschöpf gegeben hatte. Waren seine Vorfahren ihm begegnet, oder hatten sie das Bildnis aus ihrer Phantasie erschaffen? Wenn es überhaupt von Menschenhand erschaffen worden war...
nichts dazu, was der Drache in ihm auslöst. Dein Prot stellt sich die ganze Zeit über nur Fragen, er scheint keine Gefühle zu haben. Auf die Art und Weise versuchen immer die Autoren mittelmäßiger StarTrek-Fanfiction-Romane, das Denken eines Vulkaniers darzustellen. Wie soll sich ein Leser mit jemandem identifizieren, der keine Emotionen zu empfinden scheinst?
- zum Dritten: Die Unübersichtlichkeit deiner Satzstruktur. Ich generell bin eher ein Fan kurzer Sätze, die lassen sich relativ leicht und schnell lesen. Auch lange Sätze sind in Ordnung, so lange der Autor des Textes damit umgehen kann. Es gibt Geschichten, die sind trotz Endlossätzen ein Genuss zu lesen - bei deiner ist das leider nicht so.
- und schließlich viertens: Ich bin krank, verschnupft, habe Kopfschmerzen und bin unmotiviert. Ich hoffe, du bist nicht böse, dass ich angefangen habe, deinen Text so zu zerpflücken und es dann nicht mal zu Ende bringe... ich gehe jetzt aber wieder ins Bett.

gruß
vita
:sicko:

 

Hallo kevin2,

hätte ich vitas Kommentar zuerst gelesen, dann hätte ich deine Geschichte vermutlich wieder weggeklickt. Denn wenn unsere vita etwas nicht zu Ende liest... :eek2: Wenn du verstehst was ich meine.

So jedoch habe ich verzweifelt versucht, mich durch deine ausschweifenden Beschreibungen zu wühlen, die Rechtschreibfehler (Word-Rechtschreibkontrolle korrigiert auch Zeichensetzung! :klug: ) ignoriert, so gut ich konnte, um die Handlung zu finden, die aber irgendwie nie wirklich begonnen hat. Nur zwei Männer, die über irgendetwas philosophieren (ich hatte dieses pfui-Wort im Titel irgendwie ignoriert). Sorry, aber Philosophie ist nicht meine Stärke und wird es auch nie werden. Vielleicht trifft dein Text auch einfach nicht meinen Geschmack.

Ich hab auch nur bis zum Ende durchgehalten, weil ich stellenweise ganze Absätze übersprungen habe. Und am Ende hab ich mich dann gefragt, ob das wirklich alles war, oder ob ich nur etwas überlesen hatte. :D An sich habe ich nichts gegen lange Kurzgeschichten, irgendwie werden meine auch immer eher lang als kurz, aber deine zieht sich wie Kaugummi. Ihr fehlt etwas, was ich persönlich bei jeder Geschichte für überaus wichtig erachte: Sie schafft es nicht, mich zu fesseln, mich in die Handlung einzubeziehen. Sie dümpelt nur so vor sich hin. Vita hat die Gründe dafür schon sehr treffend genannt, da habe ich nicht mehr viel hinzuzufügen.

Und da ich deine Geschichte auch auf gar keinen Fall noch einmal lesen möchte, werde ich auch nicht vitas Rechtschreibkorrektur fortführen. *faulbin* :p

Also, lass dich bitte nicht durch meine doch etwas harschen Worte entmutigen, sie sind nicht böse gemeint und rein subjektiv. Mag sein, dass jemand anderem deine Geschichte gefällt, meinen Geschmack hat sie leider nicht getroffen. Ich finde, man kann noch sehr viel daran verbessern.

Also, nix für ungut,

Red Unicorn

 

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