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Gut erzogene Mädchen

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25.10.2004
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Gut erzogene Mädchen

In die Ruhe unserer Wohnung surrte die krank wirkende Klingel. Erschrocken richtete ich mich auf. Es war Sonntag Mittag. Die Sonne schien auf das gegenüber liegende Haus und der Himmel reizte meine müden Augen mit seinem strahlenden Blau. Ich hatte mein Bett noch nicht gemacht und mein ausgebeultes Nachthemd hing miefend auf meinen Schultern.
Meine Eltern hatten am Morgen leise die Tür zu meinem Zimmer aufgeschoben, liebevoll meinen Namen gerufen und verkündet, dass ich nachkommen könnte, wenn ich wach sei. Aber das wollte ich nicht. Der Luxus die ganze Zweieinhalbzimmerwohnung für mich allein zu haben, war allzu verlockend. Ich könnte durch die Wohnung tanzen, fernsehen, Schnittchenteller mit ins Bett nehmen und all die Sachen machen, die ich sonst nicht konnte. Auch das schöne Wetter hielt mich nicht davon ab, meinen Tag in der Wohnung zu verbringen. Es war ein zu seltenes Glück.

Es klingelte wieder, als wüsste jemand ganz genau, dass ich da war. Ich hasste es Besuch zu bekommen. Wenn ich zu Hause war, hieß das für meine Freundinnen, dass ich praktisch nicht erreichbar war. Ich erzählte ihnen, dass meine Eltern es nicht mögen würden, wenn ich Besuch bekäme und sie glaubten es.

Der Mantel, den ich zur Seite schob, um durch den Spion zu sehen, schepperte mit seinen metallenen Knöpfen verräterisch an der Tür. Ich fröstelte. Als ich das Gesicht des Mannes sah, von der Optik länglich verzerrt, aber freundlich, war ich beruhigt, dass es nicht meine Eltern waren oder Freunde. Ich öffnete die Tür und schämte mich etwas für meine Heimlichkeit. Der Fremde entschuldigte sich für die Störung und zeigte mir einen Schlüsselbund, den er im Hausflur gefunden hatte.
„Ich dachte, vielleicht vermisst ihn jemand. Es sind ziemlich viele Schlüssel dran.“, sagte er.
Dann fragte er, ob meine Eltern da wären und ich schüttelte den Kopf. „Die sind im Garten.“
„Kannst du mal nachsehen, ob bei dir ein Schlüsselbund fehlt?“
Ich wunderte mich, weil er sich solche Mühe gab, den Besitzer des Schlüssels wiederzufinden, ging aber in die Küche und suchte alle Schlüssel zusammen, die wir hatten. Es fehlte nichts, nur der Schlüssel zum Garten.
Als ich zurückkam stand der Mann im Flur. Er war ziemlich groß und trug einen dunkelgrünen Parker. Die Tür war noch offen. Ich hörte wie er sagte, dass er gern notieren würde in welche Schule ich ging. Er sagte es ganz natürlich, als wäre es normal, das wissen zu wollen und ich wäre die einzige, die das komisch fände.
„Das sag ich nicht.“, antwortete ich nach einer Weile.
„Warum?“
Ich wusste nicht warum, das heißt, ich wusste es irgendwie, konnte es ihm aber nicht erklären. In meinen Gedanken sah ich ihn auf meinem Schulhof im grünen Parker stehen, in der Ecke, wo die Großen immer rauchten. Ich wollte ihn nicht da sehen.
„Das kannst du mir doch ruhig sagen.“, meinte er und guckte auf mich herunter.
Ich wollte, dass er geht und so sagte ich ihm den Namen meiner Schule.
„Hast du nicht was zum Schreiben?“, fragte er.
In meiner Verzweiflung brachte ich ihm Zettel und Stift und schließlich, als er eine Unterlage verlangte, meinen Stuhl aus dem Kinderzimmer. Ich wusste, ich brauchte das nicht tun, ich hätte ihn einfach bitten könnte zu gehen, aber ich war ein Kind von gerade mal elf Jahren und er war ein Erwachsener. Ich wagte es einfach nicht, einen Erwachsenen vor die Tür zu setzen.
Benimm dich! Es sind Erwachsene hier. Hör auf den Onkel und setz dich gerade hin. Man wiederspricht keinem Erwachsenen.
Gefangen in meinem Gehorsam schleppte ich den Stuhl wieder in mein Zimmer. Ich stellte ihn ab und spürte hinter mir den Körper des Fremden. Ich merkte, wie er sich umsah in meinem Zimmer und wagte nicht mich umzudrehen.
„Schönes Zimmer hast du.“, sagte er ganz belanglos.
Ich nickte und hielt mich an der Stuhllehne fest.
„Sag mal, wie viel wiegst du eigentlich?“
Es hatte nicht genügt, ihm meine Schule zu verraten. Er stand immer noch da und überschritt eine Grenze nach der anderen. Mir war, als wäre ich nicht anwesend und würde nur aus Versehen einer Geschichte beiwohnen, die nicht für mich bestimmt war. Ich hatte Mühe aus diesem Gefühl heraus zu reagieren, aber es war sonst niemand da, der es für mich tun konnte.
„Ich weiß nicht.“, log ich.
„Darf ich dich mal auf den Arm nehmen?“, fragte er, „nur um zu sehen, wie viel du wiegst.“
Ich sagte nein, diesmal ohne mich vor einer Antwort zu drücken. Ich schaffte es sogar einen zweifelnden Ausdruck auf mein Gesicht, das bis dahin unterwürfig gelächelt hatte, zu bringen. Aber das war auch alles.
Seine Hand griff nach meiner Hüfte und hob mich ohne Anstrengung hoch. Wie ein Baby hielt er mich auf dem Arm, aber ich war kein Baby mehr. Mein Körper gefror in dieser unnatürlichen Haltung. Er wirft mich durch das Fenster, dachte ich panisch, als er mich dazu auch noch leicht hin und her wiegte. Und da wehrte ich mich, strampelte mit den Beinen und ruderte mit den Armen und rief: „Ich will nicht! Nein!“
Er ließ mich wieder runter. Beschämt stand ich vor ihm und suchte nach Abstand. Er versuchte mich zu beruhigen, sagte, dass es doch nicht schlimm war und dass ich wirklich ganz leicht bin.

Ich setzte mich auf mein Bett. Jetzt würde er gehen, dachte ich, jetzt hat er doch gehabt, was er wollte. Aber er schien noch immer nicht zufrieden zu sein und kniete sich vor mein Bett.
„Was hast du denn für eine Schlüpferfarbe?“
Ich war entsetzt über diese Frage. Ich wollte ihn fragen, ob er blöd wäre, wie ich es den Jungen aus meiner Klasse sagte, wenn sie mich ärgerten. Aber er war kein Junge aus meiner Klasse. Er war ein Erwachsener und denen sagt man nicht, dass sie blöd sind. Ich grinste ihn ängstlich an und erklärte ihm, dass ich so was nicht erzähle.
„Wenn du es mir nicht sagst, muss ich nachsehen.“
Ich war in der Klemme, aber ich wusste die Farbe selbst nicht und auch wenn ich sie gewusst hätte, wollte ich es ihm auf keinen Fall sagen. Aber ich wollte auch nicht, dass er unter mein Nachthemd sieht.
„Willst du, dass ich nachsehen?“
„Nein.“
„Hör mal, ich frage das nur, weil mein Professor wissen will, wie die durchschnittliche Schlüpferfarbe bei Mädchen und Jungen ist. Das ist nur eine Studie.“
Das war der größte Blödsinn, den ich je gehört hatte, doch ich wagte nicht einen fremden Mann blöd zu nennen. Ich sagte nur, dass ich nicht glaube, dass ein Professor so etwas wissen will.
Er sah nach. Es ging ganz schnell. Er hob nur das Nachthemd ein wenig und lugte drunter. Viel zu schnell für meinen Geist, der unentwegt glaubte, nichts mit dieser Sache zu tun zu haben. Beleidigt saß ich jetzt ganz am Rand des Bettes, die Beine angezogen, das Nachthemd über die Knie gestülpt.
„Das war doch nicht schlimm, oder?“, fragte er.
„Ich wollte es aber nicht!“, gab ich patzig zurück und fühlte mich schon ziemlich rebellisch dem Mann gegenüber.
„Ich hatte dir ja die Möglichkeit gegeben, es mir freiwillig zu sagen.“
Ich schwieg und er redete über seine Studie und die anderen Ergebnisse, die er erzielt hatte. Er hockte vor meinem Bett und bewegte seine Lippen. Er ließ mich keinen Augenblick aus den Augen und mir blieb nichts, als zwischen uns auf den grünen Teppichboden zu starren. Ich hörte nicht mehr zu, entband mich dem seltsamen Gespräch völlig.

Ich weiß nicht mehr, warum er sich auf mich legen wollte, aber es war etwas Absurdes, so absurd, wie die Schule, mein Gewicht und die Schlüpferfarbe. Dann spürte ich ihn auf mir, seinen Parker, seinen ruhigen Atem, die Hände, die meine Arme ins Kissen drückten, Beine die auf meinen Beinen lagen und seine Schuhe, die sich in die weißen Laken gruben...
Straßenschuhe, schoss es mir durch den Kopf, man darf nicht mit Straßenschuhen ins saubere Bett! Niemand, auch kein Erwachsener, darf so etwas machen. Wütend bäumte ich mich auf, trommelte mit meinen Fäusten auf seine Brust, strampelte mit aller Kraft und riss ihm in der Rage einen Knopf von der Jacke.
Erschrocken starrte ich den Knopf in meiner Hand an. Dann hörte ich die Tür ins Schloss fallen und seine Schritte im Flur und sah den abgefallenen Dreck seiner Schuhe in meinem Bett.

 

PS: Ja! Ich habe es aus versehen in die falsche Rubrik gestellt. Es sollte nach Gesellschaft, aber vielleicht ist es auch hier garnicht sooo falsch, passiert schließlich täglich.

 

Hi Simone!

In die Ruhe unserer Wohnung sägte die krank wirkende Klingel.
Der erste Satz gefällt mir nicht richtig: Sägen tut man beim Schnarchen oder beim Heimwerken, aber eine Klingel sägt nicht.

mein ausgebeultes Nachthemd hing miefend auf meinen Schultern.
Miefend? Das ist eher unschön für deine Protin, so wirkt sie nämlich etwas unreinlich. Soll sie das?

Auch das schöne Wetter hielt mich nicht davon ab, meinen Tag in der Wohnung zu verbringen.
Lustig.

dass meine Eltern es nicht mögen würden
mochten

Ich fröstelte.
Wieso das denn? Etwas übertrieben.

ltern waren oder Freunde, die meine Regel überschritten.
Die die Regel überschritten? Liest sich sehr merkwürdig. Zudem: welche Regel?

zeigte mir ein Schlüsselbund, dass er im Hausflur gefunden hatte
einen Schlüsselbund, den er

„Das sag ich nicht.“, antwortete ich nach einer Weile.
Kein Punkt vor dem ", schließlich kommt danach ein Satzzeichen (ein Komma nämlich)

Ich wusste nicht warum, das heißt, ich wusste es irgendwie, konnte es aber nicht erklären.
Solche Sätze sollte ein Autor nie schreiben. Man sollte versuchen alles zu erklären. Das ist es doch, was schreiben ausmacht...

dass ich ihn einfach bitten könnte zu gehen, aber ich war ein Kind von gerade mal elf Jahren und er war ein Erwachsener.
Das wird jetzt erst klar, ich hätte die Protin auch mindestens vierzeh geschätzt und nicht auf elf. Das solltest du früher in deinem Text deutlich machen. So wirkt es etwas aufgesetzt.

als er mich dazu auch noch leicht hin und her wiegte.
Wiegen ist nicht das Wort, das du meinst, denke ich. Eher: schütteln.

Das war der größte Blödsinn, den ich je gehört hatte, doch ich wagte nicht einen fremden Mann blöd zu nennen.
Professor und Studie sind böhmische Dörfer für eine Elfjährige, denke ich.


Du hast ein schwieriges Thema angepackt, ein sehr schwieriges.
Zu deinem Stil: der ist in dieser Geschichte ziemlich eckig und du solltest diese Geschichte auch daraufhin überarbeiten. An vielen Sätzen wirkt dein Text einfach unfertig, oben habe ich ja ein paar Beipsiele aufgeführt.
Der Inhalt. Puh, ich finde ihn nicht gut aufgebereitet.
Da ist zuerst deine Protagonistin, die gar nicht wie eine Elfjährige wirkt - zu Anfang. Das liegt vor allem an ihrer Ausdrucksart.
Und dann ist da dieses Erlebnis, auf dem die ganze Geschichte eigentlich fußt. Und auch das weiß nicht zu überzeugen. Die Dialoge sind eher mäßig und ich finde, dass kaum ein Mensch so redet.
Man ahnt eigentlich relativ früh, auf was es hinausläuft, dankbar bin ich dir nur dafür, dass du es einigermaßen "friedlich" (bitte das jetzt nicht missverstehen) zu Ende bringst, will heißen, dass du es nicht bis zum Äußersten treibst.

Was mir auch aufgefallen ist: der anfangs lockere Ton kontrastiert sich sehr stark mit dem Ende. Anfangs wirkt deine Erzählerin locker, reißt ihrem Alter unangebrachte Witze und dann später ist sie eine Elfjährige, die beinahe missbraucht wird.
Das zerreißt die Geschichte ein bisschen.

In diesem Sinne
c

 

Hallo Simone,

Textzeugs zuerst:

In die Ruhe unserer Wohnung sägte die krank wirkende Klingel.

Sägte gefällt mir hier ehrlich gesagt nicht sonderlich.

Ich hatte meine Bett noch nicht gemacht und mein ausgebeultes Nachthemd hing miefend auf meinen Schultern.

Kann ein Nachthemd wirklich "ausgebeult" sein. Kommt mir komisch vor. Zerknittert oder so gefiele mir besser.

Der Fremde entschuldigte sich für die Störung und zeigte mir ein Schlüsselbund, dass er im Hausflur gefunden hatte.

einen Schlüsselbund

Dann fragte er, ob meine Eltern da wären und ich schüttelte den Kopf. „Die sind im Garten.“

Warum wundert deine Prot. sich nicht, dass der Mann nach ihren Eltern fragt. Ist sie noch so jung?

Als ich zurückkam stand der Mann im Flur.

Ziemlich leichtsinnig, denn fremden Mann einfach so stehen zu lassen, oder?

Ich wusste, dass ich das nicht tun brauchte, dass ich ihn einfach bitten könnte zu gehen, aber ich war ein Kind von gerade mal elf Jahren und er war ein Erwachsener.

Ok, das erklärt nun einiges. Sie ist erst 11.

Er versuchte mich zu beruhigen, sagte, dass es doch nicht schlimm war und dass ich wirklich ganz leicht bin.

Warum lässt du ihn hier nicht sprechen. Das wirkt besser als eine Erklärung seiner Worte.

„Was hast du denn für eine Schlüpferfarbe.“

? fehlt

Ich grinste ihn ängstlich an und erklärte ihm, dass ich so was nicht sage.

Hier auch... Lass sie miteinander reden.

Ich weiß nicht mehr warum er sich auf mich legen wollte, aber es war etwas absurdes, so absurd, wie die Schule, mein Gewicht und die Schlüpferfarbe.

Ich glaube zwischen diesen Dingen sind noch unterschiede. Die Schule war noch relativ normal. Das Gewicht schon nicht mehr und die Schlüpferfarbe erst recht nicht. Und das er sich jetzt auch noch auf sich legt ist viel absurder als das vorherige.

So, jetzt zur Geschichte:

Hat mir im Grundsatz ganz gut gefallen.
Der "Kinderschänder", der sich an einem kleinen Mädchen vergreifen möchte und dann doch noch durch den abgerissenen Knopf zur Besinnung kommt.
Das Mädchen bleibt ein bißchen zu farblos.
Warum zum Beispiel möchte sie nicht, dass ihre Freundinnen zu Besuch kommen? Ich fand diese Tatsache für die Geschichte zwar nicht wichtig, aber wenn du es erwähnst solltest du es auch erklären.
Sie scheint außerdem manchmal sehr erwachsene Gedanken zu haben, während sie sich gegenüber dem Mann sehr naiv und kindlich verhält. Das passt nicht so zusammen.

Das du deine Protagonisten mehr miteinander Reden lassen solltest, anstatt alles im Nachgang zu erzählen, habe ich bereits oben angemerkt. Das würde die Geschichte viel besser wirken lassen, finde ich.

LG
Bella

 
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Hallo ihr Beiden,

danke für eure Kritiken.
Nun wird es für mich schwer. Das ist eine autobiografische Geschichte. Ich habe mir nichts ausgedacht, weder die Details, noch die Dialoge, wo ich es nicht mehr wußte habe ich es ausgelassen. Ich finde es sehr spannend eure Reaktionen und Zweifel darauf zu lesen.
Das Nachthemd war muffig und ausgebeult. Ich hatte nicht geduscht.
Mir war wirklich kalt auf dem Flur im Nachthemd und in der Angst, daß jemand meine Ruhe stört.
Ich hatte damals schon eine Leidenschaft fürs Alleinsein, weiß nicht warum. Vielleicht weil man allein besser denken kann.
Ich habe Gedanken, die ich damals währenddessen und danach hatte, benutzt. Aber vielleicht verschwimmt meine Erinnerung mit meiner Realität heute und die Gedanken wirken zu alt für ein kleines Mädchen. Ich werde die Geschichte mal aus der ich-Form nehmen, vielleicht gehts dann besser.
Ich wußte auch, was ein Professor ist, Studie weiß ich nicht mehr genau, aber es leuchtete mir wohl ein, was gemeint war.
Ich habe alles genauso beschrieben, wie ich es empfunden habe- deswegen wirkt die Figur vielleicht auch so fern, denn ich kann mich selbst nicht beschreiben.
Autobiografische Geschichten gelingen mir nie so gut, wie ausgedachte. Dabei gibt es so viel interessantes Zeug.
Ich fühle mich immer an die genauen Erlebnisse gebunden und will weder etwas weglassen, noch etwas hinzufügen, was es nicht gegeben hat. Auch wenn die Ästhetik drunter leidet. Komisch! Vielleicht muss ich noch ein paar Jahrzehnte warten bevor ich mich an sowas rantrauen kann.

Danke für eure Mühen.
Liebe Grüße, Simone.

 

Simone schrieb:
Nun wird es für mich schwer. Das ist eine autobiografische Geschichte. Ich habe mir nichts ausgedacht, weder die Details, noch die Dialoge, wo ich es nicht mehr wußte habe ich es ausgelassen. Ich finde es sehr spannend eure Reaktionen und Zweifel darauf zu lesen.

Hallo Simone,

Es kostet immer sehr viel Überwindung, seine natürliche Trägheit zu überwinden, und anzufangen, eine Geschichte zu schreiben. Was du gemacht hast, finde ich um so beachtlicher, da du in der Lage warst, dein eigenes (schreckliches) Erlebnis in dieser Kurzgeschichte zu verarbeiten. Ich kenne leider auch Personen in einer ähnlichen Situation, die sich solch einen Schritt niemals zutrauen würden. Das ist nicht nur Mut, den du durch das Schreiben des Textes bewiesen hast, sondern auch Selbstvertrauen, dich öffentlich mit deinem Schicksal in einer besonderen Form auseinanderzusetzen. Darum habe ich sehr viel Respekt vor deiner Entscheidung, dein damaliges Erlebnis niederzuschreiben, und möchte in keinster Weise deine Erzählung inhaltlich kritisieren.

Es zählt letztlich nicht, welche Details und Aussagen deines Peinigers du nicht erwähntest. Der Wille und die Bereitschaft darüber zu schreiben ist bereits der goldene Weg. Lass dich deshalb bitte nicht durch vermeintlich harte Kritiken davon abbringen, mit dem Schreiben aufzuhören.

Liebe Grüße,
moonaY

 

Liebe Moonay,

danke für deine guten Zusprüche. Es war keine große Überwindung, ehrlich gesagt. Ich habe die Geschichte nie so tragisch empfunden, wie sie in der Gesellschaft gesehen wird. Das liegt auch daran, daß ich zu der Zeit viel tragischere Dinge auf dem Kerbholz hatte, die ich, sofern in der Lage bin, auch mal in eine Geschichte packen werde.

Aber im Ernst, ich verstehe nicht, warum es sovielen Autoren gelingt wunderbare Geschichten über ihre Vergangenheit zu schreiben und mir einfach nicht. Schon bei den ersten Sätzen überkommt mich eine Langeweile über die schon vorhandenen Geschehnisse. Die drückt sich wohl auch in dieser Geschichte aus, obwohl ich mir wirklich Mühe gegeben habe. Alles wirkt so banal, selbst Geschichten wie diese hier.

Findet es eigentlich niemand merkwürdig, daß ich tatsächlich nur wegen den schmutzigen Schuhen im Bett aus meiner Lethargie, in die mich diese Situation zwang, ausbrechen konnte???

Freue mich über mehr Kritiken. Keine Scheu, bitte. Ich habe keine Berührungsängste, sonst hätte ich das ja nicht hierhergestellt.

Liebe Grüße,
Simone.

 

Simone schrieb:
Liebe Moonay,
...
Aber im Ernst, ich verstehe nicht, warum es sovielen Autoren gelingt wunderbare Geschichten über ihre Vergangenheit zu schreiben und mir einfach nicht.

LiebeR moonaY ;)

Mit deiner Langeweile beschreibst du meiner Meinung nach jene Trägheit, von der ich vorher schrieb. Warum schreiben andere besser, als ich ? Tja, wenn ich das wüsste, würde ich jetzt jedes halbe Jahr einen Bestseller schreiben, und auf Hawaii leben. :)
Nein, mal im Ernst. Ich vermute, dass diese Personen ein anderes Verhältnis zu ihrer Vergangenheit besitzen. Dementsprechend können unter Umständen sie viel feinfühliger bzw. sensibler berichten, und dass auch auf eine Art und Weise, die den Leser in seinem Geschmack und in seinem Verständnis gleichermaßen anspricht. Wahrscheinlich denkst du mit solch einer Gleichgültigkeit (verzeih mir, dass ich mir anmaße dich einzuschätzen) an das Geschehen zurück, dass sich diese in deinen Worten widerspiegelt, und du deshalb keine schöngeistigen Beschreibungen herausbringen kannst. Jedenfalls wäre das für mich eine Erklärung. Inwiefern das auf dich zutrifft, kannst nur du allein wissen.
Womöglich lässt sich daraus eine Empfehlung formulieren : Erinnere dich an das Erlebte in der Weise, in der du früher gedacht und gefühlt hast. Dieses förmliche Eintauchen in Ehemaliges gelingt sicherlich nur den besten Schreibern auf Anhieb. Aber mit Fleiß und Zuversicht lässt sich alles bewerkstelligen.

Liebe Grüße,
moonaY

 

Du hast recht. Aber ich habe diese Trägheit nur bei Autobiografischem. Alles andere flutscht. Vielleicht muss ich erst die ganzen Details vergessen, um eine für mich spannende Geschichte draus zu machen. Und ja, vielleicht habe ich zu "zugemacht", um tief ranzukommen. Vielleicht ist es nie besonders tief gegangen und liegt jetzt in einer schlechten Geschichte vor mir. Dann muss ich für meine nächsten autobiografischen versuch wohl etwas nehmen, was tiefer ging.
Ich habe keine Ahnung. Diese Geschichte hier, hat mich emotional null aus der Bahn geworfen. Okay, ich wußte daß sie heftig ist, weil sie einiges Aufsehen in Schule und bei Eltern erregte. Oder kann man sich da was vormachen? Egal, wenn mir da meine eigene Psyche einen Steich spielt, dann einen so guten, daß ich wohl nie dahinter komme.
Zu deinem Tip: Ich habe mich richtig reingesteigert, sogar die alte Tapete wiedergesehen, das Muster des Linoliums im Bad: so viel. Auch die Gefühle gegenüber den Erwachsenen habe ich wiedergelebt. Aber anscheinend kommt es nicht so flüssig aus der Feder, wie bei den anderen Geschichten: denn da kann ich es ja auch (mal mehr, mal weniger)

Liebe Grüße,
Simone

 

Hallo Simone,

ich finde deine Geschichte nicht langweilig.
Ich empfinde sie als gut aufgebaut und auch für den Leser in einer Form nachvollziehbar, die es letztlich unwichtig macht, ob es sich um ein reales Erlebnis handelt oder nicht. Es hätte so geschehen können.
Spannung entsteht natürlich auch aus dem eigenen Wissen darum was brave Mädchen noch weniger machen sollten, als höflich zu Erwachsenen zu sein. Ihnen die Tür öffnen. ;)
Ich habe mich beim Lesen die ganze Zeit gefragt, "wann wacht sie endlich auf, wann merkt sie, dass was nicht in Ordnung ist" und zum Glück haben ihr die Schuhe dazu verholfen. Noch größeres Glück hatte sie, dass der abgerissene Knopf den Mann in die Flucht getrieben hat. Ich mag nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, hätte er eine Kurzschlussreaktion gehabt.

Für mein Gefühl hast du dieses kleine Stück Autobiografie ohne falschen Sentimentalität oder Opferhaltung sehr gelungen dargestellt und gut aufgezeigt, wohin uns unsere Erziehungsziele oft bringen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim,

danke fürs Lob.
Ich weiß nicht, vielleicht lags am Osten und der Unbedarftheit bei solchen Fragen, daß ich es eher als unverschämt angesehen hatte, die Tür verschlossen zu halten, als sie zu öffnen.
Im Nachhinein kann man natürlich sagen: warum ist sie nicht aufgewacht. Aber ich habe alles ganz deutlich als Verletzung meiner Privatsphäre gesehen. Ich wußte, dass etwas nicht stimmte, aber das Wissen darum und meine Ahnungslosigkeit, was das genau sein könnte und mein endloser Respekt vor Erwachsenen hielten mich zurück. Ich kann gut verstehen, warum sich Kinder nicht wehren obwohl sie genau wissen, daß da gerade etwas total falsch läuft. Das wollte ich ausdrücken.
Wenn man es nicht benennen kann, kann man es nicht schlagen, aber schmutzige Schuhe im Bett sind eine Sache, die man schlagen kann.

Liebe Grüße,
Simone.

 

Ich kann gut verstehen, warum sich Kinder nicht wehren obwohl sie genau wissen, daß da gerade etwas total falsch läuft. Das wollte ich ausdrücken.

Das hast du auch gut ausgedrückt. :)

Wenn man es nicht benennen kann, kann man es nicht schlagen, aber schmutzige Schuhe im Bett sind eine Sache, die man schlagen kann.

Ja, das ist das Verwirrende und das traumatische an solchen Erlebnissen.

Lieben Gruß noch mal, sim

 
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Hallo Simone!

Auch mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen! Du zeigst sehr gut die Hilflosigkeit des Mädchens auf, das zwischen guter (*hüstel*) Erziehung und ihren inneren Zweifeln und Ängsten steht. Ich will jetzt gar nicht sagen, wie gut ich das nachfühlen kann.

Ich überlege, ob sich die Geschichte nicht sogar für Kinder eignen würde, um sie zwecks Prävention in der Schule zu lesen und zu besprechen. Und ich denke doch, da sie ja aus der kindlichen Sicht geschrieben ist. Also, ich würde gern die Lehrerin meines Sohnes fragen, ob sie das machen würde - das Alter paßt grad genau richtig...:)

Wo mir irgendwie gefühlsmäßig etwas fehlt, ist die Stelle, an der das Mädchen hochgehoben wird. Denn eigentlich demonstriert er damit ja seine Kraft und somit Macht über sie ("wirklich ganz leicht"!) - hat sie sich da nicht erst so richtig hilflos gefühlt? Das kommt mir da an der Stelle ein bisschen zu wenig rüber - gleich danach setzt sie sich aufs Bett und hofft, daß er geht. Würde da noch was einfügen. :)

Ein paar Kleinigkeiten noch:


Ich hatte meine Bett noch nicht gemacht
mein Bett


Der Fremde entschuldigte sich für die Störung und zeigte mir einen Schlüsselbund, den er im Hausflur gefunden hatte.
„Ich dachte, vielleicht vermisst ihn jemand. Es sind ziemlich viele Schlüssel dran.“, sagte er.
Ich würde nach "Schlüsselbund" einen Punkt machen und ihn erst in der direkten Rede sagen lassen, daß er den Schlüssel im Hausflur gefunden hat.


Ich schaffte es sogar einen zweifelnden Ausdruck auf mein Gesicht zu bringen, das bis dahin unterwürfig gelächelt hatte.
Der Nachsatz gefällt mir nicht so, würde das gleich bei "Gesicht" unterbringen: ...Ausdruck auf mein bis dahin unterwürfig lächelndes Gesicht zu bringen.


und erklärte ihm, dass ich so was nicht sage.
„Wenn du es mir nicht sagst, muss ich nachsehen.“
Ich war in der Klemme, aber ich wusste die Farbe selbst nicht und selbst wenn ich sie gewusst hätte, wollte ich es ihm auf keinen Fall sagen.
Vielleicht kannst Du noch ein, zwei "sagst/sagen" durch Synonyme ersetzen?


„Willst du, dass ich nachsehen?“
nachsehe


Ich sagte nur, dass ich nicht glaube, dass ein Professor so etwas wissen will.
Allgemein, nicht nur in diesem Satz, verwendest Du relativ häufig "dass" - vielleicht kannst Du noch ein paar einsparen?


Er hob nur das Nachthemd ein wenig und lugte drunter.
"darunter" fände ich schöner


Ich schwieg und er redete über seine Studie und die anderen Ergebnisse, die er erzielt hatte. Ich hörte nicht mehr zu, entband mich dem seltsamen Gespräch völlig.
Zumindest ein paar Wortfetzen, was er über seine angebliche Studie gesagt hat, würden sich bestimmt gut machen. Und was tat er, während er redete? Saß oder stand er einfach nur da? :susp:


aber es war etwas absurdes
etwas Absurdes


und riss ihm endlich einen Knopf von der Jacke.
Das "endlich" finde ich irgendwie nicht ganz passend, würde das streichen. Weil das Knopfabreißen ja nicht die einzige Form des Wehrens gewesen wäre - passen würde es zum Beispiel für "Endlich begann ich mich zu wehren, bäumte mich wütend auf ... und riss ihm einen Knopf von der Jacke".


Ich kann gut verstehen, warum sich Kinder nicht wehren obwohl sie genau wissen, daß da gerade etwas total falsch läuft.
Immer weiß man ja auch nicht, daß etwas falsch läuft. Was wäre gewesen, wenn der Typ nicht die dumme Geschichte mit dem Schlüssel erzählt hätte, sondern daß die Eltern gerade mit der Pest (nur als Beispiel) ins Krankenhaus eingeliefert wurden, und er müsse die Protagonistin nun an Ort und Stelle untersuchen? Dann wären ihr keine Zweifel gekommen, die Angst um die Eltern hätte alles überschattet.
Jedenfalls fand ich Deine Protagonistin beneidenswert mutig, wie sie sich gewehrt hat. :)

Da Dir vielleicht auffällt, daß ich trotz dem Wissen, daß es eine autobiographische Geschichte ist, nicht von Dir, sondern von der Protagonistin spreche: Ich mach das bei meinen autobiographischen Geschichten auch so und kann Dir nur empfehlen, das ebenso zu halten. Man tut sich dann leichter mit den Kritiken, sowohl als Autor, als auch als Kritiker. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi,

danke für deine Kleinarbeit. Ich muss es irgendwann mal lernen, die Fehlerchen vorher zu sehen. Ich habe mich wirklich sehr über deine Kritik gefreut, zumal ich mit deinen Kritiken immer etwas anfangen kann und mich nicht erst stundenlang fragen muss, ob ich jetzt bekloppt bin oder der andere. Ich fühle mich von deinen Kritiken immer gut verstanden, egal ob du von prot. oder mir sprichst.

Und ich finde es eine ganz ausgezeichnete Idee, dies den Kindern näherzubringen. Wirklich, ich bin sehr dafür und hoffe daß meine Überarbeitung in dem Sinne genügsam ist.

Die Prot. hatte nur Glück, glaube ich. Da hat Mut nicht viel mit zu tun gehabt. Heute denke ich: was wäre, wenn er die Schuhe ausgezogen hätte?!

Bis dann.
Liebe Grüße,
Simone.

 

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