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In fremden Händen

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14.07.2004
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In fremden Händen

So manches Mal ist es nicht eben einfach, sein am Anfang so schönes und beschauliches Leben, seine vielseitigen Abenteuer, die es für uns bereit hält und das erbarmungslose Finale tatsächlich zu verstehen. Ich nehme an, Ihnen geht es hin und wieder genau so. Ich meine da draußen - in Ihrer Welt.

Ich bedauere zutiefst, mein altes, zufriedenstellendes Dasein nicht mehr länger führen zu können, aber glauben Sie mir, es war absolut prächtig. Behaglich war die weite Landschaft, in der ich mit vielen meiner Gefährten heranwuchs.
Nicht mehr lange und mein Teint wird sein unwiderstehliches Grün verlieren und meine ganze stolze Kraft wird allmählich dahin schwinden, nun da ich meines notwendigen Lebenselixiers schamlos beraubt wurde. Außerirdisches Wesen? Nein, Sie irren sich. Keineswegs habe ich etwas gemeinsam mit einer derartigen Kreatur.
Als ich das strahlende Licht unserer wunderbaren Welt erblickte, fand ich mich umringt von vielen meiner Brüder. Um uns herum scharenweise andere unserer besonderen Art, die nach und nach auf geheimnisvolle Weise verschwanden, je größer und makelloser sie wurden. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht die geringste Ahnung wohin ihr rätselhafter Weg sie führen sollte. Ich hatte gespenstige Angst, dass man auch uns eines nicht allzu fernen Tages aus unserem vertrauten Zuhause reißen würde. Wir alle liebten dieses schwarzbraune, wenn auch hin und wieder feuchte Nest, das unser Heim war. Vergötterten die helle, reine Sonne, die wir den ganzen Tag über ungestört genießen durften. Es war anhaltend warm, sogar in den nebeligen, halbdunklen Nächten, wenn wir unermüdlich den Lauf des aufgegangenen Mondes verfolgten.
Erschrocken mussten wir eines Tages erkennen, dass bereits ein großer Teil von Familien aus unserer Nachbarschaft verschwunden war. Unheilträchtig legte sich die heiße Sommerluft über mich und meine fassungslosen Freunde. Es war wohl nun bald an der Zeit, dass auch wir unserer bisher friedlichen Existenz Lebewohl sagen mussten.
Auf barbarische Weise entzog man uns dem abgestammten Ursprung und entführte uns in einen geräumigen Kasten aus Metall. Unangenehme Kälte umklammerte uns. Wir verabscheuten diesen Zustand. Lähmende Bestürzung überfiel mich.
In unregelmäßigen Abständen erhellte eine kümmerliche, künstliche Sonne unser widerliches Gefängnis, aber sie wärmte kein bisschen. In ihrem dürftigen Schein begriff ich, dass einige der vertrauten Gemeinschaften meiner verlorenen Heimat auch hier in kühlfeuchter Haft gefangen gehalten wurden.
Wir verbrachten nur wenige, jedoch ruhige Stunden hier, bis man uns unsanft in ein gewaltiges, mit kaltem Wasser angefülltes Badebecken beförderte.
Mir wurde schwindelig. Immer und immer wieder wurden wir brutal untergetaucht. Schimmernde Luftblasen, erzeugt von dem fortwährenden Herumwirbeln meiner Leidgenossen und mir, stiegen durchsichtig um uns herum auf. Schließlich zog ein starker Sog die winzigen Krabbler, die sich manche als liebenswerte Haustiere gehalten hatten, zusammen mit dem schmutzigen Wasser unwiederbringlich in ein schwarzes, tiefes Loch am Boden des Badebeckens.
Wir aber wurden mit einem großen spitzen Teil aus Metall schmerzlich von einander getrennt und nach Größe und Schönheit sortiert. Die kleineren und die nicht so fehlerlosen meiner Gefährten wurden eilig in ein anderes Becken fortgebracht. Ich werde sie wohl nie wieder sehen.
Jene meiner Brüder, die in etwa meiner Größe und Form gleichkamen, wurden zusammen mit mir auf verschiedene Standorte, die sich in einer korrekten Reihe befanden, verteilt.
Kurz darauf ergriffen mich unerwartet zwei gewaltige Klauen. Es war beklemmend und ich versuchte verzweifelt, mich zu wehren. Für einen flüchtigen Augenblick entglitt ich dem sicheren Griff dieser sorglosen Hände, aber letzlich hatte ich doch nicht die geringste Chance gegen sie. Eine der mächtigen Pranken hob mich wieder schnellstens mit einer geübten Bewegung empor und bettete mich nun in erstaunlich sanfter Weise auf eine angenehm weiche, hellbräunliche, runde Fläche. Zugegeben, sie war etwas zu klein für mich, aber offenbar außerordentlich bequem. Ich erfreute mich an der verdienten Ruhe.
Dieser vergängliche Zustand des Wohlbefindens nahm ein unvermutetes Ende als eine kalte, rote Masse, würfelartige, weißliche Gegenstände und ein grünliches, glitschiges Teil mit unzähligen milchigen Augen auf mich hernieder regneten. Noch ehe mir mein Versuch misslang, dies alles abzuschütteln, bedeckten mich die beiden, mir inzwischen bekannten Hände mit einer unangenehm heißen, fettigen, rotbraunen Decke.
Einer meiner Genossen, der ebenso auf einer der gemütlichen Scheiben lag, gesellte sich hastig zu mir. Ich war froh, jemanden zu sehen, den ich kannte. Um uns vor der Kälte und Bakterien abzuschirmen, umschlang man uns noch mit einem Überzug aus buntem Papier. Dieser Zustand war mir vertraut. Man hatte uns bereits in frühester Jugend in ähnlicher Weise bedeckt, um uns vor Frost und unseren Feinden zu schützen. Auf der bemalten Papierhaut stand etwas mit farbigen Buchstaben geschrieben, aber zu meinem größten Bedauern hatte ich niemals lesen gelernt.
Ich war rundum begeistert von unserem neuen Domizil. Nun, abschließend kam ich zu dem Schluss, dass man es doch gut mit uns meinte. Ein Irrtum, wie sich heraus stellte.
Es ist noch keine zehn Sekunden her, da Sie mich aus meiner wärmenden, schützenden Hülle heraus gerissen haben. Ja, genau Sie. Wie grausam Sie doch sein können, aber ich weiß jetzt Bescheid über Ihre unstillbare, monströse Gier. Ich hoffe Sie sind nun zufrieden und genießen die Früchte Ihres skrupellosen Treibens.
Ein Brötchen, Ketchup, Zwiebeln, eine grünmilchige Gurkenscheibe, Fleisch, mein Freund und ich irgendwo dazwischen. Man hat es nicht gerade leicht in diesem Gefüge der einst so wunderschönen Welt.
Guten Appetit!!

 
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Hallo Kürbiselfe,
willkommen bei kg.de! :thumbsup:

Die inhaltliche Idee, die deiner Geschichte zugrunde liegt, gefällt mir gut. Und obwohl ich bereits während des Lesens ein derartiges Ende erwartet habe und Kurzgeschichen dieser Art nicht neu sind (hab allerdings irgendwie zu Bananen tendiert :D), finde ich die detaillierten Beschreibungen, was mit deinem "Protagonisten" vor sich geht und die Auflösung gelungen, recht originell und auch amüsant. Der Titel passt, die direkte Ansprache des Lesers erleichtert den Einstieg in die Geschichte.
Sprachlich ist die Geschichte angenehm zu lesen, locker geschrieben.

unwiederstehliches -> unwiderstehliches

Hab mich kurzweilig gut unterhalten.

Viele Grüße,

Michael :)

 

Danke!

Hallo Michael,
es freut mich doch sehr, dass Dir meine erste Geschichte in kg.de gefallen hat. Da ich eine sehr grosse Familie habe und mir schon einige Spekulation über Gemüsesorten und auch Kleingetier, wie Frösche entgegenkamen, finde ich es interressant, dass bisher noch niemand, außer Dir, auf eine Banane gekommen ist. Die Spekulation seitens des Lesers ist beabsichtigt, um so den weiteren Verlauf der Geschichte zu verschleiern, da es den geschätzten Leser in die falsche Richtung lenkt. :D !!
Auf jeden Fall danke ich Dir für Deine positive Reaktion. Auch für die Korrektur. Ich denke hier bleibe ich ne Weile!!! (Was natürlich nicht heißt, dass ich negative Kritik nicht vertragen könnte!! Wie sonst soll man seinen Stil durch Eure Antworten verbessern ?)
Ganz liebe Grüße und einen schönen Sonntag noch von
Susie

 
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Für Jo oder so

Hi Jo,
freue mich, dass du des Öfteren über meinen Nicknamen gestolpert bist. :D . Nachdem ich erst seit gestern hier drin bin, muss ich ja schon ziemlich fleißig gewesen sein. Doppel- :D .
Zu Deiner Kritik: Die Spekulationen über die Identität sind beabsichtigt (siehe Antwort Michael 2 über Dir!!) Eine Gurke find ich auch nicht schlecht, gab´s aber schon ;) . Die Korrektur des von Dir entdeckten Fehlers hab ich vorgenommen. Ich danke Dir für die Kritik und freue mich, dass du Dich freust....auf weitere Geschichten von mir! :) Ich weiß, hier stecken ne Menge Wiederholungen drin, aber Kritikantworten werden ja nicht kritisiert, oder ?
Liebe Grüße und einen schönen Restsonntag von
Susie

 

Hi Kürbiselfe,

eigentlich hätte ich bei deinem Nick ja gleich auf Gemüse oder Salat kommen
müssen.
Doch ich hatte sogar an Krebse gedacht. (Und das mir, wo ich doch sonst so gut im "Auflösen" bin.) :hmm:

Eine wirklich nette Schmunzelgeschichte.
Wie auch Jo schon sagte, freue mich auf mehr. :)

lieben Gruß, coleratio

 

Hi Kürbiselfe!

Eine außerirdisches Wesen?
ein
Würde ich aber komplett weglassen...

Ich habe mich die ganze Zeit über gefragt: welches Tier ist es? Welches? Ein Frosch? Ein Fisch?
Und dann ist es ein Salat. Die Überraschung dürfte dir gut gelungen sein, schön kredenzt mit einer tollen Sprache, toll!

Gut, Geschichten dieser Art gibt es wie Sand am Meer, aber doch hat mich deine hier begeistert, weil ich das Ende nicht schon nach ein paar Zeilen wusste.

:thumbsup:

In diesem Sinne
c

 

Hi Chazar,
bedanke mich erstmal ganz lieb für Dein Lob!
Dein Tipp, das ein wegzulassen gefällt mir und werde das auch gleich machen. Hört sich tatsächlich besser an. Auch dafür Dankeschön!
Lieber Gruß von Susie

 

Von mir nur ganz kurz: Lesbar geschriebene Rätselgeschichte nach dem Motto "Was bin ich?". Ziemlich seicht, denn es hätte (wie an den Reaktionen hier erkennbar) tatsächlich eine Gurke, Banane oder sonstwas sein können. Die Welt aus der Perspektive von Ding X zu beschreiben, ist eine alte, aber immer wieder von Autoren aufgegriffene Idee. Mag netter Zeitvertreib oder Fingerübung sein, aber aus so einer Idee entsteht keine Geschichte, die irgendjemanden vom Stuhl haut.

 

Hallo Uwe,
Deine Kritik, dass es ein alter Hut ist, aus der Sicht von Ding X zu beschreiben ist wohl berechtigt. Die Geschichte ist im wahrsten Sinne tatsächlich uralt. Habe sie geschrieben, als ich mit 161/2 die Schulbank drückte und mich das Geschwafel von Schwester Lidwina, die meine Religionslehrerin war, so gar nicht interressierte. Ist also schon ein paar Jährchen her, 16 1/2, um genau zu sein. Nun, die Geschichte haut keinen vom Stuhl. Kann ich so akzeptieren, freue mich aber, daß ich in der Lage bin, den einen oder anderen geschätzten Leser wenigstens zu amüsieren. Danke Dir für Deine Offenheit! Werde daraus lernen!! Versuche es zumindest :D .
Liebe Grüße von Susie

 

hi hallöchen küribselfe!

So manches Mal ist es nicht eben einfach, sein am Anfang so schönes und beschauliches Leben, seine vielseitigen Abenteuer, die es für uns bereit hält und das erbarmungslose Finale tatsächlich zu verstehen. Ich nehme an, Ihnen geht es hin und wieder genau so. Ich meine da draußen - in Ihrer Welt.
das ist ein wunderschön geschriebener absatz

Schließlich zog ein starker Sog die winzigen Krabbler, die sich manche als liebenswerte Haustiere gehalten hatten, zusammen mit dem schmutzigen Wasser unwiederbringlich in ein schwarzes, tiefes Loch am Boden des Badebeckens.
hier musste ich echt lachen!

Die kleineren und die nicht so fehlerlosen meiner Gefährten wurden eilig in ein anderes Becken fortgebracht. Ich werde sie wohl nie wieder sehen.
hier hättest du noch reinbringen können, dass sie in den abfallzerkleinerer geworfen worden sind. nur so ne idee von mir...

ich muss sagen, ich habe mich prächtig unterhalten gefühlt.
nicht dass die geschichte sonderlich spannend wäre (ist jetzt nicht beleidigend gemeint) aber dein stil macht sie eben genauso. er ist so schön flüssig und fehlerfrei. wow.

also von mir :thumbsup:

Tama

 

Hallo Tamira,

das ist ein wunderschön geschriebener absatz - ich muss sagen, ich habe mich prächtig unterhalten gefühlt
vielen lieben Dank! Das freut mich natürlich.
hier hättest du noch reinbringen können, dass sie in den abfallzerkleinerer geworfen worden sind.
An einen solchen habe ich selbst noch nicht gedacht. Eher an die Weiterverarbeitung für Anderes. Die Idee find ich aber auch gut.
Danke!
Lieber Gruß von Susie

 

Hallo Marius,
ich kann Dir nur danken. Ich werde mir Deine Anregung zu Herzen nehmen und die Erwähnung des Duweißtschonwas :D , vorläufig für ein paar Tage entfernen, obwohl ich ja nie vor hatte ein Rätsel daraus zu machen. Egal, werde es tun und hoffen, dass der nächste Leser erst einmal nicht die Kritiken liest und so erfährt, dass es sich um ein Duweißtschonwas handelt,sondern erst einmal seine loslässt!
Wir werden sehen! ;)

Liebe Grüße Susie

 

Hallo Kürbiselfe

Wollte dir nur noch mal schnell meine Vermutung kundtun: Ich bin die ganze Zeit von einem Baum ausgegangen, den man ins Sägewerk verschleppt hat, um aus ihm Möbel herzustellen.
Daher hat mich die Auflösung natürlich überrascht.

Viel zu sagen gibs sonst nicht: Flüssig, sauber, gut :)


mfg Hagen

 

Hallo Hagen,

freut mich, dass ich Dich überraschen konnte. :D Die Idee mit dem Baum war auch nicht die schlechteste. Wäre bis zu einem bestimmten Textpunkt sicher auch möglich gewesen.
Auch dass Dir meine kleine Geschichte gefallen hat, freut mich sehr.
Danke Dir hierfür. :)

Liebe Grüße, die Kürbiselfe

 

Hallo Susie,
cih bin auch auf dem falschen Ast vom Baum hocken geblieben bis zum Schluss. Und das, obwohl ich die Geschichte vermutlich irgendwann schon mal gelesen habe. Mmh, entweder toll geschrieben, dass ich wieder voll mitgerissen war oder mein schlechtes Gedächtnis. Oder beides? Hin wie her. Kurzweiliges, amüsantes Ding, schön geschrieben.
Zazie :)

 

Hallo Zazie,

freut mich, dass Du die doch etwas Ältere Geschichte wieder ausgegraben hast.
Noch mehr freut mich natürlich, dass ich Dich amüsieren konnte. :D
Vielen Dank.

Liebe Grüße, Susie

 

Na, wenn sie denn schon rausgekramt wurde ...

Hi Susie,

verd... ich hab´s nicht rausgekriegt :shy: . Erst als ich die Kommentare gelesen habe, da machte es Peng!
Aber ich bin für sowas auch nicht empfänglich. Wie coleratio schon mal anmerkte: Ich bin halt kein Mystikdenker.
Und das ist wirklich grausam (mich kann man so leicht auf´s Glatteis führen).
Ich habe gebannt vor dem PC gesessen und bei jedem Satz habe ich mein Hirn rattern hören. Was, zum Teufel, kann das sein?
Gegen Ende bin ich dann zumindest schon mal in den Bereich der Frucht vorgedrungen, aber das war ja dann auch falsch.

Lange Rede, kein Sinn: Hat absolut Spaß gemacht, mich von dir verwirren zu lassen. Dickes Kompliment!

Lieben Gruß! Salem

 

Hallo Kürbiselfe,
auch wenn du deine Geschichte vor so vielen Jahren geschrieben hast, sie ist nett. Während des lesens habe ich mir überlegt, ob ich jemals wieder ein Salatblatt essen werde.
Außerdem bist du ein gutes Beispiel dafür, dass man das Handwerk zwar lernen kann, aber es muß auch noch mehr dasein, damit daraus dann eine gute "Schreiberin" wird. Bei dir hat es jedenfalls geklappt, finde ich.
glg
carrie

 

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