Hallo bernadette,
das Copy vom Original zu trennen, ist wahrlich ein schweres Unterfangen. Sich mit dem Original zu beschäftigen, gehört aber auch irgendwie zum Spiel dazu, wobei es nicht klar ist, ob nur jene spielen, die schreiben, oder auch jene, die nur lesen. Ich halte es so, dass ich die Geschichte erst eigenständig betrachte, etwas dazu schreibe. Nachdem ich mir das Original angesehen habe, entscheide ich, ob ich noch einen Vergleich anstelle oder eine Besonderheit hervorhebe. Im Grunde ist der letzte Teil aber eher für mich selbst. Im Vergleich erkennt man im besten Falle etwas vom Arbeitsprozess und kann etwas lernen. So oder so bewertet man am Ende etwas zwischen dem Copy und dem Original. Wenn wirklich keine einzige Überschneidung, keine Ähnlichkeit, gänzlich nichts Verbindendes erscheint, empfinde ich das Copy als nicht gelungen. Damit meine ich nicht misslungen, sondern am Spiel vorbei geschrieben. Dann hat man die Ursprungsgeschichte lediglich als Inspiration missbraucht, was ja auch nichts Schlechtes ist. Und obwohl gewisse Anspielungen oder Spielereien verloren gehen, ist die eigenständige Betrachtung des Textes auch wertvoll.
Zu deinen kleinen Anmerkungen:
das neue Leben hört sich komisch an (Zeugenschutzprogramm). Die Szene ist doch liebevoll, dann kann das doch auch das Kleine / das Würmchen oder so sein.
Habe ich eingesehen und entsprechend geändert. Das ist auch kein kleines Detail, wie ich finde. So entsteht der Eindruck, als sieht der Protagonist nichts Süßes, nichts Liebes in dem Baby. Er will es ja mögen, er will es ja lieben, schafft es halt nicht. Deswegen ist die Wortwahl in solchen Szenen kriegsentscheidend. Danke für den wichtigen Hinweis!
Das nehme ich dem Protagonisten so nicht ab - oder du wolltest etwas sagen, was ich so nicht verstehe. Das sind so bedeutungsschwangere Sätze (wie übrigens der letzte genauso) die so schaumschlägerisch daherkommen - wenn ich was zu sagen hätte: weg damit.
Den Vorwurf muss ich mir (leider noch zu häufig) anhören, aber ich arbeite daran und nachdem ich die Abwehrhaltung verlassen habe, kann ich dir nur zustimmen. Ich habe beides rausgenommen. Der angesprochene Satz lautet jetzt so:
Küssen und Zerreißen schrieb:
Ich kann den Blick nicht von ihr lassen, als wären meine Augen bei einer Sollstelle eingerastet. Etwas in ihrem Gesicht fehlt. Es ist jener Teil, an dem ich mich niemals sattsehen konnte. Es klingelt.
Das mit der Sollstelle ist zwar noch drin, aber das bezieht sich jetzt auf einen Mangel. Auf eine Veränderung vielleicht. Ich hoffe, den Schaum zerschlagen zu haben.
Warum bist du schwanger? Ist das eine Frage, die ich ihr stellen darf? Auch alles gestrichen.
Schön, dass dir die Geschichte gefällt. Wie du die Perspektive und die Gefühlswelt des Protagonisten empfindest, zeigt mir, dass die Geschichte, so wie ich sie konzipiert habe, funktioniert. Interessant ist für mich, dass du ihn dafür nicht verurteilst.
Vielen Dank für deinen Kommentar. Du weißt ja, wie sehr ich dein Auge schätze, und dass du dieses Mal gar nicht so viel Kleinkrams bemängelt hast, deute ich als gutes Zeichen.
Beste Grüße
markus.
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Hallo rehla,
oben habe ich bernadette schon etwas zu den Grundsatzfragen des Copywrite geschrieben, und es ist schön, dass du unvoreingenommen an den Text trittst. Ich mag deine Herangehensweise und du hast sofort viel entscheidende Dinge erkannt: ich halte mich an eine Vorgabe, es stecken aber auch einige eigene Gedanken darin, kurz: es ist nicht weit hergeholt. Dass du dem Protagonisten die hässlichen Gedanken abnimmst, ist schon einmal eine ganze Menge.
Sprechen wir nun über die Dinge, die du mir nicht abkaufst.
Der Gedanke, dass er sich mit dem Vatersein irgendwann sicher abfinden wird, passt mir in diesem Moment nicht so recht zu den sonstigen Gefühlen des Protagonisten.
Hier muss ich dir zu 40 Prozent widersprechen. Es ist ja durchaus die Zeitkomponente, die ihm zu schaffen macht. Deswegen verwundern mich tröstende Gedanken an eine Zukunft, in der er in den Vateranzug passt, nicht. Aber du sagst ja nicht, dass diese tröstenden Gedanken falsch sind, sie stehen nur an der falschen Stelle und das habe ich erkannt. Deswegen habe ich das auch gestrichen am Anfang. Wenn er sagt, dass er sich Kinder vorstellen kann, aber halt noch nicht jetzt, kommt der Gedanke im Verlauf des Textes eh.
Sehr schön und treffend beschrieben.
Es freut mich, dass du Noras Blick in den Spiegel so treffend fandest! Hab das einige Male umgeschrieben.
Mann, der wird auch noch bald draufkommen, dass ein Jahresvorrat an Windeln ungefähr einem Jackpot im Lotto gleichkommt.
An dieser Stelle habe ich einen Satz eingefügt:
Ich zerknülle den Zettel und stopfe ihn in die Hosentasche. Sollte ich mich darüber nicht freuen? Ich weiß, dass Babys Windeln brauchen und dass man die wechseln muss, aber dieser geballte Vorgeschmack macht mir zu schaffen.
Warum hat er bei dem Gewinnspiel überhaupt mitgemacht? Da spielt die Vorlage stark mit rein. Der Protagonist erfährt dort von seiner Vaterschaft und reagiert übermütig auf die Info, er meldet sich bei dem Pampers Club an, erkundigt sich nach Kindertagesstätten und bilingualer Erziehung, das könnte mein Protagonist auch gemacht haben am Anfang. Das lasse ich offen. Nichtsdestotrotz dachte ich, dass dies ein Zeichen dafür ist, dass er der Vaterschaft durchaus ins Auge blickt, dass er alles – zumindest vieles – dafür tut, dass die Zukunft schön wird. Beispielsweise wohnen sie auch zusammen. Das habe ich versucht, mit der neuen Waschmaschine zu verdeutlichen. Ich habe das aber alles sehr subtil gehalten, vielleicht einen Tick zu sehr versteckt. Aber es sollte schon ankommen, dass er der Vaterschaft nicht nur entgegen arbeitet. Das scheint bei dir nicht so angekommen zu sein.
Ein paar Probleme haben mir allerdings die Zeitsprünge bereitet. Trotz mehrmaligem Lesen kann ich nur schwer einordnen, wann was passiert. Das mit der Blutung habe ich vorerst für das offene Ende der Geschichte gehalten, aber dann ist mir erst aufgefallen, dass das ja im Präteritum geschrieben ist und somit schon früher passiert sein muss. Es ist zwar für den Inhalt und die gelungene Darstellung deines Protagonisten nicht wirklich von Bedeutung, aber für mich persönlich würde ein klarerer Verlauf die Geschichte noch etwas abrunden.
Mit dieser Kritik habe ich gerechnet und es ist toll, dass du schreibst, dass eine klare Chronologie für die Darstellung nicht von Bedeutung ist. In einer ersten Fassung hatte ich noch mehr Zeitebenen und noch mehr Zeitsprünge drin und in allen Zeiten hatte er jeweils unterschiedliche Gefühle, aber das war mir dann am Ende selbst zu krass. Dass du das mit der Blutung erst als offenes Ende interpretiert hast, war genau meine Intention. Und als Traumleserin hast du dann auch noch das Präteritum erkannt und es im Kopf sortiert. Für mich war es wichtig zu zeigen, dass die Zeit eine untergeordente Rolle spielt. (Nicht das Alter des Vaters. Das ist eine andere Geschichte. Auch wenn man nicht erfährt, wie alt die beiden sind.) Aber am Ende weiß man an keiner Stelle, zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft dies oder jenes passiert, und die Geschichte funktioniert trotzdem. Hättest du gesagt, dass du dich null auskennst und das alles nicht verfolgen kannst, hätte ich vermutlich etwas geändert und zeitlich sortiert, aber so bestätigst du dich in meiner Entscheidung. (Zu der Entscheidung sage ich Ane am Anfang noch etwas.)
Vielen Dank fürs Lesen und Kritisieren und Gutfinden! Dass du dich mit den hässlichen Gedanken nicht identifizieren kannst, nehme ich dir nicht übel.
Beste Grüße
markus.
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Hallo Ane,
im Gegensatz zu rehla stellt das zeitliche Wirrwarr für dich ein Problem für die Darstellung der Gefühlswelt des Protagonisten dar. Es ist die frische Auseinandersetzung mit der neuen Situation oder eine grundsätzliche Abwehrhaltung? Es ist eine Mischung aus beidem. Anfangs wollte ich eine richtige Argumentation einbauen, was alles gegen eine Vaterschaft spricht. In der jetztigen Fassung gibt es eigentlich nur einen einzigen Satz Argumentation. Die Erklärung von Gründen wollte ich also gar nicht zeigen. Viel mehr ging es mir darum: Ich wollte zeigen, dass sich einer frisch mit dem Gedanken, Vater zu werden, auseinandersetzt und darin eine aktuelle Abwehrhaltung sieht. Irgendwann werde ich bestimmt Vater ist jedoch eine Ausrede, weil er vielleicht nie Vater sein möchte. Insofern richtet die Erzählung ihren Fokus auf die Suche nach der grundsätzlichen Frage: Will ich Vater sein? Und das Gefühl dabei, das habe ich einzufangen versucht.
Und nun zu dem Grund, warum ich mich für die zeitliche Zersplitterung entschieden habe: Flieges Original heißt Filmriss, ich habe überlegt, den Titel auf zweierlei Art zu interpretieren: 1. Der Film, die chronologische Darstellung der Zeit, ist gerissen. Und so wie die Protagonistin von Fliege die Zettel zu Konfetti zerreißt, wollte ich Zeitkonfetti darstellen. 2. Der Film, der ein Happy End haben könnte, reißt und enden doof, kurz: mit dem Tod des Babys. Die zweite Variante habe ich dann in dem Zeitkonfetti untermischen können, ohne ein Happy End gänzlich ausschließen zu müssen. Boah, es ist immer schwierig, zu erklären, was man eigentlich machen wollte, und es ist fatal, weil das eigentlich alles aus dem Text fließen sollte. Ich weiß, du hast das Originalnicht gelesen, deswegen habe ich das hier so ausgeführt.
Ich kann auch nicht einschätzen, was die für eine Beziehung führen, ist das die große Liebe, die an einem Kind zerschellt (das haut als Grundlage nicht hin) ist er ein mieses Arschloch, das sich drücken will (auch nicht), ein armes Würstchen?
Dass du die beiden Varianten ausschließt, finde ich gut. Schade ist, dass du das als unbefriedigend empfindest. Mir ging es eben vordergründig um das Gefühl, nicht um die Gründe und die konkrete Situation, aber ich kann verstehen, dass du das vermisst. Das spielt freilich eine Rolle. Aber allein, dass er an keiner Stelle darüber nachdenkt, die beiden im Stich zu lassen, sagt sehr viel über die Beziehung aus.
Ich kann das nicht sehen. Ein Storch mit einer Waschmaschinenverpackung? Und das geht nicht in den fünften Stock, aber wozu wird der erwähnt, wenn niemand etwas dahin trägt?
Hier zitiere ich mal frech Perdita:
Die Beschreibung des Postboten als storchenhaft gefällt mir, ich habe das so verstanden, dass die Vorstellung, der Storch würde die Kinder bringen, sich da aus dem Unterbewusstsein in seine Gedanken drängt. Das fand ich ganz witzig, also für mich passt das.
Dass du mit dem rosa Pinseltraum nichts anfangen kannst, ist doof. Der Traum ist der Gegenpart zu dem hässlichen Traum am Ende. Vielleicht wird in dem kurzen Stück auch zu viel geträumt, aber ich finde, dass sich dadurch einiges zeigen lässt. Sie schwebt auf einer rosa Wolke und wird im Verlaufe der Schwangerschaft von den hässlichen Gedanken ihres Partners angesteckt. Seine dunklen Gedanken schleichen sich in ihre Traumwelt.
Und: Er ist nicht unheilbar krank. Dem geht es ganz gut.
Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren! Ich denke, dass du den Text als unbefriedigend empfindest, liegt vor allem an unseren auseinanderklaffenden Erwartungshaltungen. Zumindest rede ich mir das ein. Dennoch ist mir deine Leseart wichtig. Sie zeigt mir, dass es durchaus problematisch sein kann, die Zeiten zu durchwirbeln und die Gründe unausgesprochen zu lassen.
Beste Grüße
markus.
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Hallo Perdita,
ich habe dich eben, bei der Antwort auf Ane, schon zitiert und im Grunde steht in deinem Kommentar sehr verdichtet, was mir beim Schreiben wichtig war.
Wenn sie sagt, sie möchte es bekommen, kann er ja schlecht sagen: ich aber nicht.
Genau! Die Freiheit wird durch die Liebe zu Nora noch zusätzlich eingeschränkt und obwohl er sich der Situation fügt, entstehen hässliche Gedanken bei ihm, was du auch treffend beschreibst:
Das ist schon eine Art emotionaler Ausnahmezustand, denke ich. Auf der anderen Seite bemüht er sich ja unheimlich darum, sich auf das Vatersein vorzubereiten.
Schön, dass du das gemerkt und angesprochen hast. Ich war mir nicht sicher, ob es zu wenig herauskommt, dass er sich unheimlich bemüht, ein guter Vater zu sein bzw. sich auf die Vaterrolle vorbereitet. Bereits bei bernadette habe ich gesagt, dass ich es interessant finde, dass sie ihm keinen Vorwurf macht. Da ist ein Kerl, der möchte, dass seine Freundin das Kind verliert, und du (ihr) findet das erst einmal okay und den Umständen entsprechend nachvollziehbar. Damit habe ich nicht gerechnet.
Sehr gut fand ich auch die Beschreibungen, wie sich die Nora äußerlich und innerlich verändert hat.
Die Kamera schenkt Nora vergleichsmäßig wenig Aufmerksamkeit. Dass du die feinen Veränderungen wahrgenommen hast, fand ich sehr gut. Und je mehr es dich gruselt, desto mehr erfreut es mich. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass das gruslig sein muss. Man verändert sich gegen seinen Willen. Überhaupt handelt die Geschichte von Veränderungen gegen den Willen, mit dem Unterschiedig, dass sich Nora fügt und Nils dagegen sträubt, obwohl er sich gerne fügen würde.
Die Beschreibung des Postboten als storchenhaft gefällt mir, ich habe das so verstanden, dass die Vorstellung, der Storch würde die Kinder bringen, sich da aus dem Unterbewusstsein in seine Gedanken drängt. Das fand ich ganz witzig, also für mich passt das.
Den Absatz habe ich Ane geschrieben und du liegst goldrichtig mit deiner Interpretation. Dazu kommt, dass ich vor einiger Zeit eine Geschichte geschrieben habe, die hier zerschmettert wurde. Darin geht es um einen Postboten, der keine Kinder bekommen kann, sich aber ein kleines Mädchen klaut. Das Mädchen nennt ihn: böser Storch. Das als kleine Hintergrundinformation.
Ja, vielen Dank für deinen wohltuenden Kommentar! Du hast das ziemlich genau so gelesen, wie ich es geschrieben habe.
Beste Grüße
markus.
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Hallo Friedl,
allen voran möchte ich sagen, dass ich es erfrischend finde, dass du bei dem Kopierspiel mitmachst. Wenn man bei dir Copy Paste drückt, entsteht zwangsläufig etwas vollkommen Unterschiedliches, und umgekehrt. Aber nun zurück zu Kind und Kindern. Du hast schon recht, wenn du sagst, dass es komisch wirkt, dass vom Plural gesprochen wird, wo noch gar kein Singular existiert. Auf der anderen Seite antwortet der dem Apfel Abgeneigte auch: Ich esse keine Äpfel, obwohl er im Moment nur den einen Apfel nicht essen wird. Hier klingt: Ich esse keinen Apfel äußerst seltsam, wie ich finde. Ich interpretiere deinen Fingerzeig nicht als Änderungsvorschlag, sondern als interessanten Hinweis.
Dass du das alles ganz anders erlebt und empfunden hast, mag sein und ich erlaube mir zu behaupten, das ist sogar sehr schön, weil sich ein werdender Vater lieber mit finanziellen Sorgen auseinandersetzen sollte, statt dem Ungeborenen Todeswünsche ins Leibe zu pusten. Ich habe noch nicht zur Überbevölkerung beigetragen, deswegen kann ich nur ausdrücklich auf den ersten Satz verweisen. Aus diesem Grund von solch einer Geschichte abzusehen, käme mir allerdings nicht in den Sinn. Zumal es ja geklappt zu haben scheint, wenn du schreibst:
Gleichwohl, solide von potentiellen Sorgen – ob begründet oder nicht – und der Unentschlossenheit des werdenden Vaters erzählt.
„trotz“ ruft nach dem Genitiv …
Ich höre den Ruf, es ist fast ein Schrei, aber irgendwas tief in mir drin sagt, dass das auch so geht. Und dabei vertraue ich deinem grammatikalischen Wissen mehr als meinem. Ich lese da noch einmal nach. „trotz Schwimmbads den gesamten Sommer über“ klingt mir jedoch auch befremdlich. Vielleicht liegt es daran, dass ich „Schwimmbad den gesamten Sommer über“ wie eine Krankheit verwende, also als ein Wort und wenn ich schriebe „blasse Haut trotz Sonnenallergie“ steht da doch auch kein Genitiv. Vermutlich ist das, was in meinem Kopf passiert, und das, was auf dem Papier steht, nicht deckungsgleich.
Den anderen trivialen Fehler habe ich beschämt beseitigt.
Danke fürs Lesen, Vorbeischauen- und hören!
Beste Grüße
markus.
PS:
Dass der erste Kommentar unseres biologischen Geschlechtes ein ungehobelter Klotz ist, sehe ich eher als zufällig an.
Ich nicht!
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Weiß der Teufel, was sich die Evolution dabei gedacht hat.
Hallo ernst,
bei den ersten beiden Absätzen saß ich da und habe genickt und geschrieen, naja, eigentlich war es eher ein Murmeln: „Ja, verdammt, das ist es!“ Spätestens seit ich Erich Fromm gelesen habe und weiß, dass es fatal ist, wenn Eltern den Sinn des Lebens in ihren Kindern sehen, weil sie davor ja irgendwie keinen gehabt haben können, wenn sie nicht ihr Leben lieben, sondern nur jenes ihrer Kinder, wie soll das Kind jemals das eigene Leben lieben. Das alles führt zur banalen Erkenntnis, die du so schonungslos unter meine Geschichte gepappt (!) hast: Im Grunde dient alles der Fortpflanzung. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich so ist, oder ob vieles einfach der Fortpflanzung dient, weil die Fortpflanzung der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlägt und die Voraussetzung für etwas ganz und gar anderes ist. All diese Gedanken hätte ich in die Geschichte packen können und wollen, aber ich hab mich dagegen entschieden, weil es mir um den „Gefühlskuddelmuddel“ ging, den du ja als nachvollziehbar gezeichnet empfindest. Die Gründe sind nicht vorrangig, weil jeder die eignenen kennt oder hat oder hatte, oder mögliche andere vermuten kann. Kurz: Jeder kann erst einmal seine eigenen Bedenken reinprojizieren.
Sprachlich hab ich kaum was auszusetzen. Du weißt ja, dass ich deine Art zu schreiben wirklich mag, markus. Wie bei allen deinen Texten spüre ich auch hier, wie sehr du dich um die Sprache bemühst, um neue Sprachbilder, um die Verwendung eindrücklicher Worte und Formulierungen. Selten lese ich bei dir einen Satz, wo ich mir denk, na ja, den hat er jetzt halt einfach so hingeschrieben. Ja, deinen ungemein bewussten Umgang mit der Sprache mag ich einfach.
Was du über meine Sprache sagst, freut mich, wenngleich ich weiß, wie du zu meiner Schreibe stehst. Es könnte ja durchaus sein, dass ich bei einer Geschichte einmal einbreche und die Linie nicht verfolge.
Dass du in dem Streben um originelle Sprachbilder für mein Gefühl bisweilen übers Ziel schießt, ist wohl überwiegend Sache persönlichen Geschmacks (bzw. deines jugendlichen Ungestüms).
Da musste ich schmunzeln und lachen und grinsen und das mehrmals in unterschiedlicher Reihenfolge. Es ist gewiss nicht dein persönlicher Geschmack, der dich an manch einer Formulierung stört, du bist ja auch kein Verfechter der schlichten, schnörkellosen Sprache. Du magst es nur nicht, wenn die Sprache sich vom Inhalt löst und niemandem sonst dient außer sich selbst. Schon mein Deutschlehrer hat mich gefragt, warum meine Frösche exorbitante Laute von sich geben und nicht einfach quaken. „Triff den Ochsen direkt auf die Stirn!“ und „Mit einfachen Worten Großes sagen!“ hat er Philosophen und andere Dichter zitiert, um mir klar zu machen, dass ich manchmal zu weit gehe. Du musst mich korrigieren, falls ich das falsch einschätze, aber ich finde, ich reiße mich von Mal zu Mal mehr zusammen. Kill your darlings passt in der Geschichte auch besser als zu jeder anderen. Ich habe alle Hinweise eingesehen und geändert, beim Wein habe ich nicht nur die Zeit verbessert, sondern den Satz dann komplett gestrichen, dass sich die Röte des Blutes der des Weines angleicht, ist nicht nur too much, sondern auch medizinisch einfach falsch. Vielen Dank für die Palette an Fingerzeiger, auch weil du sie so nachvollziehbar herausgearbeitet hast. Das ist viel mehr wert als zu sagen: Das ist völliger Bullshit!
Bei einer Stelle widerspreche ich dir. Vehement sogar:
Das Wort pappen finde ich einfach unschön.
... küsse die Innenfläche meiner Hand und lege (drücke) sie auf Noras Bauch,
So gefiele es mir weit besser.
Ach, verdammt, jetzt habe ich mir die Definition vom Duden zurecht gelegt und wollte dir zeigen, dass „pappen“ das genau richtige Wort ist … Klar, es bezeichnet ja genau das, was er mit dem Kuss macht, aber – und das ist auch das, was dich stört – es passt nicht zum Moment. So wie bernadette gesagt hat, Leben klingt nach Zeugenschutzprogramm, ist pappen hier – zu mechanisch!? Auch diese Stelle habe ich noch geändert. Hab auch noch einiges andere reduziert.
Zu einem anderen Vorschlag noch eine Erklärung:
Denk noch mal drüber nach, markus, ob herzlich hier wirklich das treffendste Wort ist. Ich mein, sie hat ihm gerade von ihrem schrecklichen Alptraum erzählt, da stelle ich sie mir schutzbedürftig, durcheinander, anlehnungsbedürftig vor. Also da passt mir herzlich einfach nicht.
Allen voran: ich habe das herzlich gestrichen. Aber ich muss dich darauf aufmerksam machen, dass die Umarmung sich auf den Moment nach dem Tanzen bezieht. Wenn du dir die Zeiten anschaust, wirst du nicken und dann würde das herzlich eigentlich schon passen. Das ist sogar noch krasser, weil sie ihn verliebt und vorfreudig umarmt und er die Gesamtsituation immer noch beschissen findet. Das ist zerstörend. Nichstdestotrotz töte ich Adjektive gern, wenn sie nicht wirklich treffend sind.
Dass der Text keiner streng linearen Chronologie folgt, ist mir zwar aufgefallen, aber mich hat das ehrlich gesagt überhaupt nicht gestört. Gerade dieses episodenhafte, sprunghafte Erzählen des Prot schien mir ganz gut zu seiner Verfasstheit zu passen, zu seiner Aufgewühltheit, zu seinen ambivalenten Gefühlen. Und was jetzt genau in der wievielten Schwangerschaftswoche passierte, war mir eigentlich egal.
Das wollte ich dir jetzt noch schnell sagen.
Genial, dass du diese Kritik noch einmal aufgegriffen und mir deine Meinung dazu gegeben hast. Das war mir wichtig. Allerdings scheinst du – mit Bezug auf die herzliche Umarmung – zumindest einmal durcheinander gekommen zu sein. Aber es stimmt, so wie du das schreibst, habe ich das mir gedacht.
So, bald kann ich mich über deine Verwirrung meines Textes auslassen: Sei gespannt!
Vielen Dank für deinen ausführlichen, erhellenden, schmeichelnden und an den richtigen Stelle mahnenden Kommentar! Hat mir wie immer viel gebracht!
Beste Grüße
markus.
Euch allen Frohe Ostern und so!