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Manuel Bongesa

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18.04.2002
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Manuel Bongesa

Himmelsgeschenk (I/III)


Die knorrigen Äste der Schwarzrinden-Bäume warfen noch langgestreckte, bizarre Schattenmuster auf den Dorfplatz, trotzdem flirrte die Luft schon vor Hitze. Es würde wieder einen sehr heißen, staubigen Tag geben, obwohl sich das Ende der Trockenzeit schon durch vereinzelte Regenschauer angekündigt hatte.

Manuel Bongesa lehnte am schiefen Türrahmen, der notdürftig aus verblichenen Holzresten gezimmert war. Der große, hagere Mann beobachtete seine Frau Martha in ihrem weiten, blauweiß getupften Kleid. Mit Genugtuung verfolgte er, wie sie die Haare seiner Tochter Josie geschickt zu vielen kleinen Zöpfen flocht, jedes Haarbündel wurde am Ende mit einer Schleife in einer anderen Farbe geschmückt. Heute früh hatte die kleine Familie wenigstens ausreichend zum Essen gehabt, wenn auch nur einige Getreidefladen. Manuel musste sich auf den Weg machen.

„Wo versuchst du es heute?“, fragte Martha lächelnd.

„Ich werds mal beim Schneider versuchen, vielleicht hat er heut was für mich zu tun. Mal sehen – manchmal gibts etwas am Fluss bei den Fischern. Seit der neuen Beleuchtung wird am Hafen noch spät abgeladen, ‘ne Hand können die immer wieder mal brauchen.“

„Schone deinen Rücken! Noch ‘ne Verletzung können wir nicht gebrauchen. Ich wünsch dir Glück!“ Seine Frau bekreuzigte sich.

Beim Schneider gab es nur wenig Arbeit, dann am späten Nachmittag einen Hühnerstall säubern – viel hatte er nicht erreicht. Manuel Bongesa trottete den rotstaubigen Trampelpfad, der zum Fluss führte, müde entlang. Einige Arbeiter entluden eine halbleere Barkasse, Hilfe würden sie wohl nicht mehr benötigen. Er schlenderte zum Ufer, später kamen hoffentlich Fischer, denen er für zwei oder sogar drei Aurongos Lohn mit den Fischbehältern helfen konnte. Nur träge floss das seichte Wasser am Ufer entlang, das Licht der neuen Hafenlaternen spiegelte sich in unruhigen Streifen auf seiner Oberfläche. Manuel Bongesa zog die Sandalen aus, er hatte sie aus einem abgefahrenen Motorradreifen hergestellt. Er roch Dieselabgase, die von einem Windhauch zu ihm getragen wurden. Die Luft hier war feucht, fast klebrig, Schweißtropfen sammelten sich in den Furchen seiner Stirn. Langsam schritt er in das erfrischende Nass, spürte erst etwas schmierigen Schlick, dann einige glitschige Steine, Granit, der von weit her aus den Bergen stammte, über endlose Zeiträume vom Fluss in blinder Beharrlichkeit weitertransportiert, gerollt, gespült –

doch da war es: das Andere, das …

es glänzte!

Ob er es sofort wusste, verstand, begriff?

Dieses gelb glänzende rundliche Ding, nicht besonders klein, aber auch nicht groß, lag direkt vor ihm. Und es war ganz klar, was da lag. Sein Herz pochte rasend, er unterdrückte einen Schrei, einen Seufzer, einen Jubelanfall.

Manuel Bongesa schaute sich um – niemand beachtete ihn, die Hafenarbeiter hatten genug mit den Reissäcken zu tun. Er hob seinen linken Fuß – ein kleiner Schritt für einen Mann … und stellte ihn auf das Goldstück. Es war als hätte er, wie einer der alten Entdecker, neues Land betreten, einen Kontinent in Besitz genommen, einen Kontinent voller ungeahnter Möglichkeiten, voll neuer Wege und Aussichten: Vielleicht ein kleines gebrauchtes Motorrad, auf alle Fälle die Nähmaschine von der er schon so lange träumte, seine Tochter in grauer Schuluniform –

Ungeheurere Staubmassen, wabernd, irgendwo im Dunkel Kraft – klein beharrlich, zäh und ziellos, dann: kollabierender Strudel, Masse. Zirkulierend, rotierend – nur noch ein Gesetz, ein Vorhaben, ein Zweck im Zwecklosen: Gieriges Aufsaugen, ein ‚An sich Reißen‘, zweier Giganten, bis dieses ungeheuerliche, unvorstellbare Ungetüm unter seiner Last zusammenbrechend glutheiß reagiert, sich selbst aufbrauchend, dann, in die gleichgültigen Äonen aberwitzige Energie ausspeiend, auseinanderfällt, auseinanderreißt, auseinanderbricht, rasender Taumel, Energieexzess, glutbrütend, Element schleudernd, Himmelskörper bombardierend – anreicherndes, verdichtendes Materiespektakel.

Manuel Bongesa blickte nach oben, murmelte – ‚dem Himmel sei Dank …‘

.

Gehirngespinste (II/III)

Manuel Bongesa hatte ihn einfach in seine Hosentasche gesteckt, diesen Fund, ohne ihn vorher genau zu betrachten. Es war, als fürchte er, dass sich dieser Gegenstand und das mit ihm erhoffte Glück sonst verflüchtigen würden. Der Glanz des Nuggets im Wasser und die angenehme, kühle Schwere des Metalls gaben ihm genug Gewissheit: Es musste sich um Gold handeln.

Was würde Martha dazu sagen? Die Nachbarn, wenn der Tagelöhner plötzlich etwas Wohlstand genoss? Plötzlich durchzuckte ein besonderer Gedanke die Vorstellungen, die Abwägungen Manuel Bongesas: War da noch mehr, viel mehr?

Sein Schritt erstarrte, irgendetwas drehte seinen Körper in Richtung Fluss, zu der Stelle, die so bedeutend für ihn werden sollte.

Schwarz. Schwärze bedeckte das sanft plätschernde Wasser, die Lichter des kleinen Hafens waren ausgeschaltet, die Rufe der Arbeiter verklungen. Es war völlig überflüssig, mit den Händen den Schlamm des Flusses abzutasten, zu fühlen, ja zu horchen – auf was auch immer.

Manuel Bongesa stieß auf einen melonengroßen Stein, wuchtete ihn auf eine Felsplatte, so war die Fundstelle wenigstens ungefähr markiert. Er war enttäuscht, erschöpft, angespannt. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Fund noch in seiner Hosentasche war, stolperte er nach Hause. Martha wollte er lieber nichts berichten, erst musste er den Wert des Nuggets kennen. Es war sicher besser, wenn man sie nicht in Versuchung bringen würde, etwas ihrer Schwester oder gar den Nachbarn zu erzählen. Er wollte sein Glück schließlich noch einmal am Fluss versuchen: Dranbleiben, nicht loslassen, solange das Schicksal auf seiner Seite war. Nun, er musste erst mal versuchen zu schlafen. –

„Martha, hast du die Tütchen von dem Magenmittel aufgehoben, das Josie mal eingenommen hat?“

Der Tagelöhner wusste, dass seine Frau nicht so leicht etwas wegwarf, man konnte ja nie wissen, ob man es noch gebrauchen konnte. Vielleicht hatte seine Tochter das Papier schon zum Basteln verbraucht.

Als Martha mit Josie die Hütte verlassen hatte, hängte er zwei Tüten an ein dickes Stück Draht, man konnte den seltsamen medizinischen Geruch der Arznei riechen, der immer noch von dem Papier ausging. Er knüpfte den Draht mit einer dünnen Schnur an einer der Dachstreben fest, um ihn auszubalancieren, eine einfache Waage war entstanden. Manuel Bongesa blickte hinter sich, stellte sicherheitshalber einen Stuhl vor die Innenseite der Hüttentür. Niemand sollte unerwartet eintreten. Seine Hände wurden feucht, er hielt die Luft an. Behutsam legte er das Goldstück in die linke Seite seiner Waage und füllte die rechte bis zum Ausgleich mit Sand. Beinahe hätte der Behälter nicht genug Sand aufgenommen, um das Gewicht des Goldes auszugleichen!

Manuel Bongesa kämpfte damit, ruhig zu bleiben, hastig verstaute er die Tüte mit dem Sand und die mit dem Nugget in seiner Hosentasche, riss den Draht von der Hüttendecke – kaum konnte er es aushalten, es trieb ihn, schnell, schnell …

„Hey, Mann, Manuel!“

Manuel erschrak und drehte sich um. Bei dieser Hitze, am Nachmittag, waren die staubigen Dorfstraßen normalerweise menschenleer. Ausgerechnet jetzt musste er seinem Schwager über den Weg laufen.

„Hey, Mann, Abutu – was machst du hier?“

„Jedenfalls nicht in der Hitze rumstehen. Kommst du mit? Ich treff mich mit ein paar Leuten vom Hafen.“

„Oh, Mann, tut mir echt leid, ich muss noch nach Bana Najam.“

„Gibts ein Problem?“

„Nee, will nur mal nach etwas Arbeit schaun.“

„Ausgerechnet da? Naja – viel Erfolg.“

Abutu grinste hämisch, hob den Arm zum Gruß und trollte sich in Richtung Hafen. Manuel war froh, dass er ihn so leicht losgeworden war. Er mochte seinen Schwager nicht besonders, niemand wusste so recht, in welche krummen Geschäfte der Typ verwickelt war.

Trotz der Hitze rannte er. In Bana Najam befand sich eine kleine Krankenstation, dort gab es eine Waage, die diensthabende Krankenschwester würde sicher sein Sandpäckchen wiegen, egal was sie sich dabei denken würde. Bis zu dem schäbigen Ort waren es vier oder fünf Kilometer, dort kreuzte die steinige Dorfpiste eine schmale, geteerte Straße. So war der Ort entstanden: Eine Tankstelle, die Krankenstation, ein kleiner Laden – Fischkonserven aus einer nahen Fabrik, Getränke, Zigaretten und natürlich auch Bier konnte man hier kaufen. Alles für nur wenige Aurongos. Fernfahrer versorgten sich dort mit Essen, zweimal am Tag gab es hier frischen Maisbrei. Zusammen mit einer Dose Sardinen ergab sich schon eine Mahlzeit, die Fische hatten zwar noch Haut und Gräten, waren aber gut.

Manuel Bongesa überlegte, während er lief, ob er sich zur Feier des Tages so ein Mahl gönnen sollte. Das Goldstück musste einfach ‘ne Menge wert sein – Mensch, die ganze Tüte war voller Sand! Außerdem: Ein Nugget war mehr wert, als Goldstaub, so wie der, den man weiter oben schürfte. Da war eine uralte, ausgetrocknete Flussschleife, die zerklüftet, braunerdig in der Landschaft lag wie eine ausgezehrte, verschrumpelte Bananenschale. Nur ein paar ausgebleichte Sukkulenten reckten sich dort noch trotzig der unbarmherzig glühenden Sonne entgegen. Die von Trockenheit gequälte Erde klammerte sich an ihre Schätze und gab sie nur widerwillig her. Der Reichtum der Goldmine war für ihn immer unerreichbar, unwirklich gewesen – doch endlich hatte er, der Tagelöhner, seinen Anteil bekommen.

Schließlich, verschwitzt, ausgelaugt, mit rasendem Herzschlag war die Krankenstation erreicht. Er trat ein und hatte Glück: auf den krummen Stühlen saßen keine wartenden Patienten, die Krankenschwester hockte alleine an einem groben Tisch, auf dem ein Mikroskop und einige Karteikästen standen. Hinten an der Wand befand sich der angerostete Arzneimittelschrank.

„Hallo Mama Rodriguez!“

Die Krankenschwester wurde von allen im Dorf ‚Mama‘ genannt: Es war so eine Art Ehrentitel, immerhin hatte sie seit etwas über fünfzig Jahren fast jedem Dorfbewohner geholfen, das Licht dieser staubigen Welt zu erblicken.

„Hallo Manuel, du hier? Du bist ja ganz viel außer Atem – komm setze dich hin. Da, ein Glas Wasser, du bist gesund, eh?“

Die ‚Mama‘ fixierte Manuel mit zusammengekniffenen Augen, wodurch ihr Gesicht noch runzeliger wurde und schob ihren wuchtigen Oberkörper nach vorn, um ihren Gast prüfend ansehen zu können. Sie trug das traditionelle buntgestreifte Schultertuch der Dorffrauen, unzählige Stunden musste sie in ihrer Jugend daran gewebt und gestickt haben. So schön das Kleidungsstück war, es wirkte inzwischen so wenig zeitgemäß wie die unbeholfene Verwendung der Amtssprache.

„Ja, ja – keine Sorge: Martha und Josie geht es gut. Und bei dir, alles gut?“

„Na, du weißt … mit über siebzig, Bein schlecht, sonst gut. Mehr Regenzeit wär nicht schlecht, einfach mehr kühl.“

„Vor allem Wasser! Den Boden im Garten kann ich kaum noch bearbeiten. Hier, schau mal – kannst du das wiegen?“

„Natürlich – huch, ist nur alles Sand!“

Kopfschüttelnd ging Mama Rodriguez, etwas schlurfend, zur Waage, die geschützt im Arzneimittelschrank stand.

„So viele von den Dünger-Körnern für den Garten passen auf meine kleine Schaufel. Ich muss unbedingt wissen, was das wiegt, wenn ich die richtige Menge ins Gießwasser geben will.“

„Ist ja schon gut, ich weiß, alles mehr teuer, gut nichts verschwenden. Weißt du, früher, früher, da haben alle Kuhdung in Erde vergraben. Mit Goldmine, kaum noch Kühe mehr zu sehen.“

Es war heiß. Manuel Bongesa spürte eine zusätzliche, innere Hitze, eine Unruhe, eine nervöse Anspannung, die er so noch nie erlebt hatte.

„Sag schon, was … wie viel wiegt das?“

„Ja, ja, was los mit dir? So eineUngeduld! Also – das vierunddreißig Gramm – vierunddreißig Komma drei Gramm, wenn du wissen willst, ganz genau. Bist du okay?“

Manuel Bongesa hatte gleich vermutet, dass er ein bedeutendes Stück Gold gefunden hatte. Aber erst seit er das genaue Gewicht kannte, war der abstrakte Wert von diesem unebenen Klumpen Edelmetall Realität geworden, so, als ob sich irgendetwas Unfassbares plötzlich in erfahrbare Materie umwandelt hätte. Er musste sich zusammenreißen.

Ein Gefühl keimte in ihm auf, ein Gefühl, das er so noch nie erlebt hatte: Stolz auf Besitz.

Rasend. Wirr erscheinend, doch geordnet in Bahnen rasend, eilend, huschende Schatten, Accumbens-Aktivität. Neuronengewitter, Nervennetze, Gespinste, verwoben, geladen, Tanz von Botenbahnen, immer weiter, selbstverstärkend, rückmeldende Endorphineintragung einzelner Einheiten, Vesikel, tröpfchentragend; Gedankenblitz-Pulsgehämmer, Jauchzen-Wollen, Tanz. Diese erstickten Laute, aus der Kontrolle entlaufenes Lachen, einfach nur Glück.

„Hallo, was mit dir los, hey, was ist, ist dir schlecht?“

Über tausendzweihundert Dollar, das war klar. Wer hier im Ort kannte nicht den Unzenpreis von Gold! Soviel Geld verdiente von den einfachen Leuten hier im Dorf kaum jemand im Jahr! Vielleicht einer von den Vorarbeitern am Hafen oder bei der Goldmine. Geldbeträge, wie sie die Land- oder Fabrikbesitzer bekamen, konnte sich der einfache Mann überhaupt nicht vorstellen.

„Ach nichts, nichts – entschuldige. Ich war bloß … irgendwie durcheinander, hab mich wahrscheinlich in der Hitze zu sehr angestrengt. Hast du noch ‘n Glas Wasser?“

„Natürlich, ihr jungen Leute zu wenig trinken, unnötig in Hitze laufen! Ich Sand wegschmeißen?“

Mama Rodriguez kümmerte sich um das Getränk, aus ihrer Erfahrung wusste sie: Wasser trinken ist eigentlich immer eine gute Sache. Sie wunderte sich, wie der Bursche geguckt hatte, über diese entgeistert blickenden Augen!

Die beiden unterhielten sich noch eine Weile, der Tagelöhner rutschte zwar ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her, musste trotzdem, um nicht weiter aufzufallen, das Gespräch fortführen wie man das halt so macht. Zwischen seinen „Ja“, „Nein“, „Ach so“ Anmerkungen konnte er nur an das Geld und die daraus entstehenden Möglichkeiten denken. So viele Dollars!

Mit einem Hinweis auf die nahende Dunkelheit und dem Versprechen, Martha vorbeizuschicken, um Bohnensamen abzuholen, verabschiedete sich der nun mit Sicherheit wohlhabende Mann.

Nach dem Gespräch mit Mama Rodriguez, stellte sich bei Manuel Bongesa eine friedvolle Art von Nüchternheit ein – seine Euphorie wurde von der Realität verdrängt, und das bedeutete einmal einen langen Nachhauseweg, den man eigentlich nicht in der Dunkelheit machen sollte. Außerdem hatte er zwar ein Stück Gold aber kaum Bargeld. Der Gedanke, sich hier in dem Fernfahrerladen etwas zu Essen zu kaufen, kam ihm irgendwie unredlich vor, auch, weil er Martha nichts von seinem Fund erzählt hatte. Es roch so verführerisch nach gegrilltem Fisch! Trotzdem machte er sich auf den Weg nach Hause, vielleicht hatte er Glück, und jemand würde ihn mit dem Moped oder einem Eselskarren mit ins Dorf nehmen, schließlich war es gefährlich abends alleine die Landstraße entlang zu laufen. Im Schatten des Ladens bei der Tankstelle standen einige junge Männer, Manuel kannte keinen dieser Gruppe. Er grüßte sie kurz, keiner von ihnen erwiderte seinen Kontaktversuch. Na gut, dann gab es halt keine Chance auf eine Mitfahrgelegenheit.

Der Heimweg war beschwerlich, obwohl die brütende Hitze aufgrund der Dämmerung nachgelassen hatte. Die positive Anspannung, die Neugier auf das Resultat der Wiegeaktion, all dieser Elan fehlte nun auf dem Heimweg. Sicher, es würde wundervoll sein, Martha endlich von seinem großen Fund zu erzählen, nur, die Frage war, wie es jetzt weiter gehen sollte: Wie kann man das Gold zu Geld machen, ohne betrogen zu werden? Würde man ihm glauben, dass dies ein Fund war, kein Diebstahl? Würden die Nachbarn neidisch reagieren, hätte man plötzlich eine Menge ‘guter Freunde‘?

Seit der Krankenstation war der Tagelöhner keiner Person mehr begegnet. Ein paar schmutzig-braune Affen turnten noch in den Bäumen am Straßenrand herum, in der Ferne hörte man das kleine Flugzeug der Minengesellschaft, angeblich transportierte es die Tagesausbeute an Gold von der Mine in die nächste Stadt, dort stand sicherlich ein fetter Tresor.

Als Manuel Bongesa an einem wuchtigen Granitfelsen vorbeikam, hörte er ein Rascheln, er drehte sich um – im selben Moment spürte er einen widerlich stechenden Schmerz und etwas Warmes an seinem Hinterkopf, er fiel zu Boden, der Geschmack von Staub, rotem, erdigem Staub breitete sich in seinen Mund aus. Eine tiefe Schwärze durchströmte seinen Schädel, erreichte die Augen und überschwemmte sie mit Dunkelheit, pochender Schmerz durchzuckte das Gespinst seiner Gedanken, machte sie sich zum Untertan.

Er spürte, wie er befingert wurde:

Handgelenk, aber da war keine Uhr,

Hemdtasche, leer.

Hosentaschen …

„Ce n’est pas croyable!“, flüsterte eine raue Männerstimme, dann rief jemand „Boah, wirklich, unfassbar! Gib her!“

„Du Arsch!“

„Das Messer weg!“

Die Stimmen wurden leiser, Manuel Bongesa wusste nicht, ob sie sich entfernten oder ob er sie einfach nicht mehr hören konnte. In seinen Gedanken gab es kein Gold mehr, keine Dollar, keine Pläne, nur noch den einen Wunsch, daheim zu sein ohne quälende Schmerzen.

Schön wäre auch eine Nachricht vom Dorfschneider oder dem Hafenmeister, dass es für ihn, Manuel, wieder eine Gelegenheit gibt, ein wenig Geld zu verdienen.

.

Phantomschmerz (III/III)

Er hörte Stimmen, ganz in seiner Nähe.

Eine helle Frauenstimme und eine andere, auch vertraut, aber trotzdem irgendwie ungewöhnlich. Manuel Bongesa versuchte seine Augen zu öffnen. Seine Lider waren schwer, das widerliche Hämmern in seinem Kopf schien jede Bewegung schon im Keim ersticken zu wollen.

Von dem Geruch nach Desinfektionsmittel wurde ihm übel, nur mühsam unterdrückte der Mann den aufkommenden Brechreiz.

„Oh, schau – er kommt zu sich“, sagte die helle Stimme.

War das Martha? Natürlich – seine Frau Martha war das, klar, die andere Frau musste ‚Mama‘ Rodriguez sein. War er noch, oder wieder, in der Krankenstation? Der beim Überfall Verletzte erinnerte sich: Er war gekommen, um herauszufinden, wie viel dieses Goldstück wohl wiegen würde, das im Morast des Flusses gesteckt hatte. Was geschah dann? Die Erinnerung an den Schlag auf den Kopf, die Tatsache, beraubt worden zu sein, vervielfältigten die Pein, die Manuel Bongesa quälte; er sackte in sich zusammen, ein dunkler Erschöpfungsschlaf nahm von ihm Besitz. –

„Wie lange war ich denn bewusstlos?“

„Mindestens eine Nacht und den halben Tag danach. Du kannst froh sein, dass dich der Wasserhändler vor der völligen Dunkelheit gefunden hat.“

„Ja, darüber bin ich froh.“

Die Schmerzen in Manuel Bongesas Körper waren fast vorüber, doch im selben Maße wie sie verschwanden, gewannen Beschwerden an Bedeutung, die der Tagelöhner bis jetzt nicht gekannt hatte: Der Verlust des Goldes, die dadurch verloren gegangenen Möglichkeiten, die Zerstörung seiner Zukunftspläne, seiner Hoffnungen hatten seinen Optimismus, seine Lebensfreude mit der bleiernen Schwärze der Entmutigung erstickt.

Hinzu kamen die zermürbenden, von tiefem Misstrauen genährten Gedanken, die immer wieder von ihm Besitz ergriffen: Wer hatte ihn überfallen? War es ein Zufall? Wer hatte etwas von dem Nugget wissen können?

Einen Namen bekam Manuel nicht aus seinem Kopf, den seines Schwagers Abutu. Der lungerte oft am Hafen bei den Arbeitern herum, um Karten zu spielen oder seine zwielichtigen Geschäfte zu betreiben. Er hätte den Goldfund trotz aller Vorsicht zufällig beobachten können. Warum war Abutu trotz der Nachmittagshitze aufgetaucht, gerade als Manuel zur Krankenstation aufbrach?

Misstrauens-Schlangenbrut, sich windend, beißend, tausendköpfiges Rumoren, Seele zerfressendes, Hoffnung lähmendes Gift. Urangst, Paranoia, phlegmatische Paralyse, zermürbende Zerrüttung – Enttäuschungs-Elend: Endlos drehende, wirbelnde Unglücksobsession.

„Was ist mit dir los, Manuel? Du treibst dich ständig im Matsch am Fluss herum, grübelst den ganzen Tag mit böser Mine, bringst kaum ein paar lausige Aurongos nach Hause – obwohl der Schneider Arbeit für dich hat! Wovon soll ich Essen kaufen, sollen wir alle hungern?“

Martha warf ihrem Mann einen bösen Blick zu, machte eine abfällige Handbewegung, ihr ganzer Körper bebte vor Wut.

Was hätte Manuel antworten sollen? Dass er hoffte, wenigstens einige Körner Gold am Flussufer zu finden? Seinen Schwager Abutu verdächtigte, ihn überfallen zu haben?

Eine erstickende Schwüle füllte ihre kleine Hütte, die kaum auszuhalten war – oder erdrückte ihn nur seine Mutlosigkeit, sein quälender Vorwurf, das erfahrene Glück verpasst zu haben?

„Du hast Abutu nie gemocht – aber weißt du was? Abutu ist jetzt Teilhaber an dem Dorfladen seines Onkels! Meiner Schwester Moya geht es jetzt gut mit ihm, die sitzt nicht mehr im Dorf in einer kleinen Hütte! Und was machst du? Du tust so, als hättest du gar keine Verpflichtungen!“

Ah, deshalb war vom Schwager keine Spur mehr im Dorf zu sehen! Manuel fühlte sich als wenn ihm jemand eine Faust in den Magen gerammt hätte. Verdammt, er hatte keine Beweise! Verführte ihn etwa sein Seelenschmerz zu falschen Verdächtigungen?

Martha war durchaus aufgefallen, dass sich Manuel vor Pein krümmte, sein entsetzter Gesichtsausdruck weckte bei ihr wohl Mitgefühl. Klar, ihr Mann hatte einen Überfall mit Verletzung gerade erst hinter sich gebracht – trotzdem musste sie ihn unbedingt zur Vernunft bringen.

„Was fehlt dir denn? Hier im Dorf kann ich auch glücklich sein! Ich will, dass Alles so ist, wie früher. Wir kamen doch zurecht! Der Schneider hat Arbeit für dich, den Unfall hast du gut überstanden, alles ist wieder gut!“

„Ja, es ist alles wieder gut.“

Manuel wusste, es war eine Lüge, ihm war bewusst, dass es für ihn niemals so sein würde wie früher – nur, eine andere Antwort war unmöglich.

Manuel Bongesas Frau Martha hatte recht behalten, leider. Ja, es war alles so, wie vor dem Unfall: Die üblichen, alltäglichen Sorgen begleiteten die kleine Familie Tag für Tag, seit fast zwei Wochen hatte Manuel kaum Arbeit bekommen. Martha musste sogar bei ihrem Schwager Schulden machen, um etwas zum Essen kaufen zu können. Schulden! Ausgerechnet bei dem zwielichtigen Abutu!

Dem Familienvater blieb keine Wahl, er musste seine Arbeitskraft am Hafen in der Hoffnung anbieten, wenigstens bis zum Abend ein paar Aurongos zu besitzen.

Manuel Bongesa hockte auf einem grauen Felsblock, unweit der Stelle, an der er einst das Nugget im Fluss gefunden hatte. Das war noch nicht lange her, aber zwischen seinem Glück, seinen Hoffnungen von damals und seinem jetzigen Befinden lagen Welten. Der Arbeitslose beobachtete das geschäftige Treiben bei den Schiffen. Das ganze Tal war von zermürbend flimmernder Hitze erfüllt, die Regenzeit machte sich jetzt deutlich bemerkbar. Ein klobiger Frachtkahn, beladen mit Zementsäcken, hatte vor ungefähr einer Stunde angelegt. Der zum Transport eingeteilte Lastwagen war ausgefallen, wahrscheinlich steckte er in einem Schlammloch fest. Jetzt wurde die Ladung auf Eselskarren geladen – Händler und Kleinbauern, die so ein Fahrzeug hatten, nutzten diese unerwartete Gelegenheit, einige Aurongos zu verdienen.

Es war interessant: Manche der Karrenbesitzer kümmerten sich gut um ihre Tiere, sorgten dafür, dass sie im Schatten warten konnten, bis sie an der Reihe waren. Andere waren schnell bereit, die Tiere schmerzhaft mit Stöcken anzutreiben. Da man ohnehin bis zur Beladung warten musste, war dies eigentlich unnötig, es schadete den Eseln mehr als es nutzte.

Wieder einmal verfiel Manuel Bongesa in eine grüblerische Stimmung: Es geht den Menschen ähnlich wie diesen geplagten Wesen. Eigentlich sollte das Wohlergehen von Mensch und Tier vom Zufall, der Gunst anderer, unabhängig sein. Goldfund hin oder her – auch ohne einen Glücksfall musste ein sorgenfreies Leben möglich sein! Sollte nicht jeder anständige, tatkräftige Mensch etwas erreichen können in einer Gemeinschaft, den Platz einnehmen, den er verdiente?

„Hallo – hey, du da!“

Manuel wurde aus seinen Gedanken gerissen. Ein großer, kantiger Mann in einem blauen Overall hatte sich vor ihm breitschultrig aufgebaut.

„Los, komm, kannst Säcke tragen. Fünf Aurongo-Cent für ‘n Sack.“

Was blieb dem Arbeitslosen übrig? Er reihte sich in die Kette der Männer ein, die halb im Laufschritt, schnaufend und keuchend ihre Last zu den Eselskarren schleppten. Zementstaub mischte sich in den Schweiß, rann brennend in die Augen, hinterließ ein stumpfes Gefühl im Mund. Der Aufseher versuchte, die Arbeiter mit Beschimpfungen anzutreiben, aber die garstig feuchte Hitze hier am Fluss, auch der zertretene Lehmboden waren stärkere Hemmnisse als die unangemessenen Bosheiten des Antreibers Motivation.

Hätte ich das Gold noch, würde mich jetzt niemand schikanieren, überlegte Manuel. Der Aufseher war vor einem Jahr selbst Hilfsarbeiter gewesen, nur durch Beziehungen an seinen jetzigen Posten gekommen. Musste man denn wirklich auf Glück angewiesen sein, um unter anständigen Bedingungen leben zu können? War das tatsächlich der einzige Weg? Warum musste es Menschen geben, die in diesen aberwitzigen Strudel des Ausgeliefertseins hineingezogen wurden, mit kaum einer Chance auf ein Entkommen?

Manuel Bonzega begriff, dass die Mächte, die das bewirkten, nicht irgendwelche schicksalsträchtigen Götter oder geheimnisvolle Kräfte des Universums waren, die ihre Willkür an den Erdenbürgern ausließen. Nein, es waren, wie bei den Eseln, denen es gut ging oder schlecht, ganz konkret fassbare Personen, die sich manchmal hilfreich, manchmal auch zerstörend in den Lebenslauf von Menschen einmischten.

Ganz gleich welche Einflüsse sein Leben bestimmten – Manuel Bongesa, der Tagelöhner ohne Arbeit, fühlte sich als Spielball von Mächten, denen er ausgeliefert war. In seiner Umgebung, konnte er überall weitere menschliche Spielbälle beobachten, die hier Zementsäcke schleppten, dort ackerten, bauten, in Büros saßen; kämpften, stritten, lachten, liebten – alles nur, um einen Anteil von dem Glück zu erhaschen, das es überall auf der Welt gab, doch offensichtlich nicht für jeden.

 

Lieber @Woltochinon,

auch, wenn ich deine Geschichte in keinem Land verorten konnte, was mir zwischendrin, aber dazu später, ein paar Fragezeichen verursachte, hast du dennoch vermocht, eine stimmige Atmosphäre zu erschaffen. Ich konnte mir die einzelnen Szenen sehr gut vorstellen, bei mir ist immer mein eigenes Kriterium, dass eine Geschichte dann gelungen ist, wenn ich einen Film vor Augen habe.
Die von dir erschaffenen Figuren wirken authentisch in ihrem Setting.

Am Ende deiner Geschichte kam mir in den Sinn: Wie gewonnen, so zerronnen.

Im Grunde genommen könnte man deinen Plot auf diese Aussage eindampfen, nicht wahr?
Nicht, dass ich das vorschlagen würde, ich finde, dir ist schon gelungen, eine in sich stimmige Geschichte zu schreiben. Etwas mehr Tiefe hätte mich aber mehr erfreut. Vielleicht tu ich dir aber auch Unrecht, schlicht, weil ich die wirkliche Bedeutung deiner Geschichte nicht erkannt habe.

Insgesamt hat mich gestört, dass du sprachlich recht füllwortreich formuliert hast. Sehr viele Worte wie "so", "doch", "wohl", "schon", "auch", "vielleicht" etc, sind in deinen Sätzen enthalten, ich könnte mir vorstellen, dass eine weitere Überarbeitung dazu führen könnte, dass ein großer Teil davon eliminiert werden kann, ohne dem Text dabei etwas Schlechtes anzutun. Vereinzelt habe ich mir dann in der nachfolgenden Textarbeit Sätze rausgegriffen, um es aufzuzeigen. Dann gibt es viele Wortdoppelungen, auch davon habe ich ab und zu mal ein Beispiel rausgesucht. Ich hatte zwischendrin den Eindruck, dass du es extra so wiederholungsträchtig angelegt hast, aber wenn das von dir gezielt geschehen ist, so kann ich das nicht so richtig gut finden. Der Text gewinnt dadurch nicht, er verliert eher durch eine gewisse Behäbigkeit, die er aber nicht benötigt, um atmosphärisch zu bleiben.
Vielleicht hier auch nochmals alles etwas bearbeiten?


langestreckte,
Es fehlt ein g.
Ob er es sofort wusste, verstand, begriff?
Dreimal dieselbe Aussage? Hm... finde ich nicht so gut, weil es mir als Leser nichts bringt. Es reicht mir ein einziges treffendes Verb.
Sein Herz pochte rasend, er unterdrückte einen Schrei, einen Seufzer, einen Jubelanfall.
Hier auch wieder. Jubelanfall fänd ich schön in Alleinstellung.
Manuel musste sich auf den Weg machen.
"Musste" und "machen", das kannst du gewiss mit einem anschaulicherem Verb beschreiben.
„Ich werds mal beim Schneider versuchen, vielleicht hat er heut was für mich zu tun. Mal sehen – auch am Fluss bei den Fischern. Seit der neuen Beleuchtung wird am Hafen noch spät abgeladen, vielleicht können die ‘ne Hand gebrauchen.“
Wortdoppelung: Vielleicht.
Hilfe würden sie wohl nicht mehr benötigen.
"Würden benötigen" finde doch bitte ein wohlklingenderes Verb und muss es unbedingt Konjunktiv sein?
Manuel Bongesa zog die Sandalen aus, er hatte sie selbst aus einem abgefahrenen Motorradreifen hergestellt.
Wenn er herstellt, dann müsstest du nicht mehr "selbst" schreiben, weil Selbstgänger.
Er roch Dieselabgase, die von einem Windhauch zu ihm geweht wurden.
Hier auch wieder als kleines Beispiel: "geweht wurden", das kannst du anders formulieren.

das Entscheidende war, dass es vor ihm lag, direkt vor ihm. Es war ganz klar, was da vor ihm lag.
Diese Wiederholungen: dreimal "vor ihm" finde ich nicht so geschickt.
Es war als hätte er, wie einer der alten Entdecker, neues Land betreten, einen Kontinent in Besitz genommen, einen Kontinent voller ungeahnter Möglichkeiten, voll neuer Wege und Aussichten:
Wortdoppelung: Kontinent.
Ungeheurere Staubmassen, wabernd, irgendwo im Dunkel Kraft – klein beharrlich, zäh und ziellos, dann, doch: kollabierender Strudel, Masse. Zirkulierend, rotierend – nur noch ein Gesetz, ein Vorhaben, ein Zweck im Zwecklosen: Gieriges Aufsaugen, ein ‚an sich reißen‘, zweier Giganten, bis dieses ungeheuerliche, unvorstellbare Ungetüm unter seiner Last zusammenbrechend glutheiß reagiert, sich selbst aufbrauchend, dann, in die gleichgültigen Äonen aberwitzige Energie ausspeiend, auseinanderfällt, auseinanderreißt, auseinanderbricht, rasender Taumel, Energieexzess, glutbrütend, Element schleudernd, Himmelskörper bombardierend – anreicherndes, verdichtendes Materiespektakel.
Dieser Absatz, den du ja bereits in Schrägschrift reingesetzt hast, wirkt wie ein Fremdkörper in der Geschichte. Und obendrein verstehe ich nicht, was er aussagen soll.
Welche Aussage bezweckst damit? Was ist die Essenz dieses Absatzes?
zu der Stelle, die so bedeutend für ihn werden sollte.
Ist das von der Aussage hier richtig? Er hat die Stelle doch schon gefunden.
stolperte er nach Hause.
Hier verwendest du zwar mal ein plastisches Verb, aber genau hier finde ich es übertrieben. Wenn er stolpert, dann sollte vorher klar sein, weshalb er es tut. Vielleicht, weil er betrunken war, vielleicht weil seine Beine und Füsse ihn nicht mehr trugen, vielleicht, weil ihm schwindelig war.
Er wollte sein Glück schließlich noch einmal am Fluss versuchen: Dranbleiben, nicht loslassen, solange das Schicksal auf seiner Seite war. Aber jetzt musste er versuchen zu schlafen. –
Bis hier bin ich noch vom zeitlichen Ablauf vollkommen im Bilde. Es ist jetzt abends oder sogar nachts. Und er will schlafen gehen. Alles klar.
Er knüpfte den Draht mit einer dünnen Schnur an einer der Dachstreben fest, um ihn auszubalancieren, eine einfache Waage war entstanden.
Sehr clevere Idee und auch gut beschrieben.

Ich habe es hier nicht zitiert: Martha und Josie verlassen die Hütte, damit er in Ruhe das Gold auswiegen kann. Nur wenn denn Abend ist und er eigentlich gleich ins Bett will, würde doch das Kind erst Recht schon lange im Bett sein müssen. Dieses Verlassen des Hauses passt nicht so richtig, es sei denn, ich überlese etwas.

am Nachmittag, waren die staubigen Dorfstraßen normalerweise menschenleer.
Wieso geht er dann erst am nächsten Nachmittag los und nicht schon am Morgen? Seltsam.
währen er lief,
d
„Hallo Manuel, duu hier? Duu bist ja ganz viel außer Atem
Später erfährt man, dass es ein Dialekt sein soll. Ich finde den aber nicht gelungen. Er wirkt etwas unbeholfen und auch die unvollständige Satzbauweise erzeugt bei mir leider keinen Dialekteffekt. Ich kann dir bedauerlicherweise keinen Gegenvorschlag machen.
ihr Gesicht schien noch runzeliger zu werden,
Schien zu werden. Könnte man gewiss interessanter formulieren.
Aber jetzt spürte Manuel Bongesa eine innere Hitze, eine Unruhe, eine nervöse Anspannung, die er so noch nie erlebt hatte.
Hier wieder die Wiederholung desselben Gefühls, nur mit unterschiedlichen Worten. Mein Eindruck ist auch der, dass du immer mehr die Aussage des Satzes verwässerst, je mehr Ausdrücke du aneinanderreihst. Stell dir einfach mal vor, du würdest an die zehn verschiedene Formulierungen für den Stress finden, in dem sich Manuel befindet und alles in einen Satz packen. Wie fändest du das?
Rasend. Wirr erscheinend, doch geordnet in Bahnen rasend, eilend, huschende Schatten, Accumbens-Aktivität. Neuronengewitter, Nervennetze, Gespinste, verwoben, geladen, Tanz von Botenbahnen, immer weiter, selbstverstärkend, rückmeldende Endorphineintragung einzelner Einheiten, Vesikel, tröpfchentragend; Gedankenblitz-Pulsgehämmer, Jauchzen-Wollen, Tanz. Diese erstickten Laute, aus der Kontrolle entlaufenes Lachen, einfach nur Glück.
Klar, dass ich dann auch diesen Absatz nicht verstehe. Ist das eine Beschreibung seiner Freude? Auch hier frage ich: was ist die Essenz dieses Absatzes? Warum dieser Bruch in der Geschichte?
Über tausendzweihundert Dollar,
Hier fragte ich mich, in welchem Land wir denn nun sind. Oder ist es ein Phantasieland? Aber das hat dann Dollar als Fremdwährung?
Die positive Anspannung, die Neugier auf das Resultat der Wiegeaktion, all dieser Elan fehlte nun auf dem Heimweg.
Gut beschrieben. Ja, so ist es, wenn man sich vorher auf nur eine einzige Sache fokussiert hat und dann am Ziel ist.
„Ce n’est pas croyable!“,
Wieso jetzt französische Sprache, in welchem Land bin ich? In einem Staat in Afrika? Haiti,
Staat Südostasien? Da fehlt mir die Verbindung. Manuel Bongesa klingt eher spanisch.

In seinen Gedanken gab es kein Gold mehr, keine Dollar, keine Pläne, nur noch den einen Wunsch, daheim zu sein ohne quälende Schmerzen.
Der Bogen ist hier mit diesem passenden Schlusssatz zum Ende geführt.
Schön wäre auch eine Nachricht vom Dorfschneider oder dem Hafenmeister, dass es für ihn, Manuel, wieder eine Gelegenheit gibt, ein wenig Geld zu verdienen.
Ich würde diesen Satz nicht mehr dranhängen.


Ach und fast hätt ich es vergessen: Wo ist III/III?

Lieben Gruß


lakita

 

Liebe Lakita,

wie immer eine sehr ausgewogene und hilfreiche Kritik von dir! :bounce:
Vielen Dank für deine Analysen und Tipps, das Thema, wie 'betriebsblind' man als Autor sein kann werde ich nicht los ...

Zu deinen Anmerkungen:

auch, wenn ich deine Geschichte in keinem Land verorten konnte
Es ist Absicht, keine Assoziation zu einem Land zu erzeugen. Es geht mir um einen Menschen in einer bestimmten Situation. Es gibt viele Länder, in denen die verschiedensten Sprachgruppen aktiv sind.

Ich konnte mir die einzelnen Szenen sehr gut vorstellen, bei mir ist immer mein eigenes Kriterium, dass eine Geschichte dann gelungen ist, wenn ich einen Film vor Augen habe.
Die von dir erschaffenen Figuren wirken authentisch in ihrem Setting.
Danke, freut mich natürlich. Besonders, weil es sonst eher heißt, dass meine Personenbeschreibungen zu skizzenhaft sind.

Am Ende deiner Geschichte kam mir in den Sinn: Wie gewonnen, so zerronnen. Im Grunde genommen könnte man deinen Plot auf diese Aussage eindampfen, nicht wahr?
Nein. ;)
Es steckt mehr dahinter, ganz deutlich wird das im dritten Teil (auch wenn die Fortsetzungen für sich alleine stehen könnten).

Insgesamt hat mich gestört, dass du sprachlich recht füllwortreich formuliert hast
Schade. Eigentlich wollte ich extra mal ausgeschmückt schreiben.


Dann gibt es viele Wortdoppelungen, auch davon habe ich ab und zu mal ein Beispiel rausgesucht. Ich hatte zwischendrin den Eindruck, dass du es extra so wiederholungsträchtig angelegt hast, aber wenn das von dir gezielt geschehen ist, so kann ich das nicht so richtig gut finden
Der Gesichtspunkt der 'Behäbigkeit' ist ein starkes Argument. Darum werde ich mich kümmern.


Ob er es sofort wusste, verstand, begriff?
Dreimal dieselbe Aussage? Hm... finde ich nicht so gut, weil es mir als Leser nichts bringt. Es reicht mir ein einziges treffendes Verb.
Das sehe ich anders, vielleicht ist das aber zu fein differenziert: Wissen ist Kenntnisnahme. Verstehen: Verarbeitung der Kenntnis. Begreifen: Das Verarbeitete als persönliche Konsequenz erfassen.


Sein Herz pochte rasend, er unterdrückte einen Schrei, einen Seufzer, einen Jubelanfall.
Hier auch wieder. Jubelanfall fänd ich schön in Alleinstellung.
S.o.: Ein Jubelanfall ist viel eindimensionaler als das Beschriebene insgesamt.

"Musste" und "machen", das kannst du gewiss mit einem anschaulicherem Verb beschreiben.
„Ich werds mal beim Schneider versuchen, vielleicht hat er heut was für mich zu tun. Mal sehen – auch am Fluss bei den Fischern. Seit der neuen Beleuchtung wird am Hafen noch spät abgeladen, vielleicht können die ‘ne Hand gebrauchen.“
Wortdoppelung: Vielleicht.

Für "Musste" und "machen" ist es schwierig, einen Ersatz zu finden. Es geht um einen einfachen Vorgang, den man einfach beschreiben kann? 'Beschloss' z.B. finde ich zu gestelzt.
"Vielleicht" habe ich bewusst gelassen, so reden Leute nun mal.

Wortdoppelung: Vielleicht.
Hilfe würden sie wohl nicht mehr benötigen.
"Würden benötigen" finde doch bitte ein wohlklingenderes Verb und muss es unbedingt Konjunktiv sein?

sein?
Manuel Bongesa zog die Sandalen aus, er hatte sie selbst aus einem abgefahrenen Motorradreifen hergestellt.
Wenn er herstellt, dann müsstest du nicht mehr "selbst" schreiben, weil Selbstgänger.

Danke! Gut gemerkt. Wie oft habe ich das überlesen? Seuftz.

das Entscheidende war, dass es vor ihm lag, direkt vor ihm. Es war ganz klar, was da vor ihm lag.
Diese Wiederholungen: dreimal "vor ihm" finde ich nicht so geschickt.
Es war als hätte er, wie einer der alten Entdecker, neues Land betreten, einen Kontinent in Besitz genommen, einen Kontinent voller ungeahnter Möglichkeiten, voll neuer Wege und Aussichten:
Wortdoppelung: Kontinent.
Ja, das ist ein Problem, diese Verstärkung durch Wiederholung. Bei "ihm" habe ich übertrieben, beim "Kontinent" widerstrebt es mir noch ein banales 'Land' einzufügen.


Dieser Absatz, den du ja bereits in Schrägschrift reingesetzt hast, wirkt wie ein Fremdkörper in der Geschichte. Und obendrein verstehe ich nicht, was er aussagen soll.
Welche Aussage bezweckst damit? Was ist die Essenz dieses Absatzes?
Es gibt Phänomene physikalischer, physiologischer und psychischer Natur, die man eigentlich nicht begreifen und mit einfacher Sprache ausdrücken kann. Dieser "Fremdkörper" beschreibt die Entstehung von Schwermetallen (massereicher als Eisen), also auch von Gold in einem astronomischen Prozess. Das Gold, welches Manuel gefunden hat, ist im doppelten Sinn ein "Himmelsgeschenk". Für ihn als religiösen Menschen ein Wink höherer Mächte, letztlich aber ein Geschenk des Himmels, der astronomischen Vorgänge.


zu der Stelle, die so bedeutend für ihn werden sollte.
Ist das von der Aussage hier richtig? Er hat die Stelle doch schon gefunden.
Es stimmt. Die Stelle wird erst dann wirklich für ihn bedeutend, wenn er sich mit Hilfe des dort gefundenen Goldes seine Träume erfüllen kann. Das wird sein Leben ändern.

stolperte er nach Hause.
Hier verwendest du zwar mal ein plastisches Verb, aber genau hier finde ich es übertrieben. Wenn er stolpert, dann sollte vorher klar sein, weshalb er es tut. Vielleicht, weil er betrunken war, vielleicht weil seine Beine und Füsse ihn nicht mehr trugen, vielleicht, weil ihm schwindelig war.

Ich schrieb:
Er war enttäuscht, erschöpft, aber auch angespannt. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Fund noch in seiner Hosentasche war, stolperte er nach Hause
Er ist körperlich und mental erschöpft, es ist dunkel (die Hafenlichter sind aus), er will schnell, auf schlechtem Weg nach Hause. Deshalb habe ich ihn stolpern lassen. Ist das plausibel?


Ich habe es hier nicht zitiert: Martha und Josie verlassen die Hütte, damit er in Ruhe das Gold auswiegen kann. Nur wenn denn Abend ist und er eigentlich gleich ins Bett will, würde doch das Kind erst Recht schon lange im Bett sein müssen. Dieses Verlassen des Hauses passt nicht so richtig, es sei denn, ich überlese etwas.
Martha weiß nichts von dem Gold. Sie verlassen die Hütte, weil sie Dinge zu erledigen haben (es ist der nächste Tag, nach dem nach Hause stolpern). Er hat natürlich auch Aufgaben, bis er seine Goldinteressen verfolgen kann. Es wäre doch langweilig, das alles zu beschreiben, ohne dass das die Geschichte voran bringt. Außerdem wählt er mit Bedacht eine menschenarme Zeit.

währen er lief,
d
Danke! Word-Korrektur versagt, Wolto-Korrektur auch.

d
„Hallo Manuel, duu hier? Duu bist ja ganz viel außer Atem
Später erfährt man, dass es ein Dialekt sein soll. Ich finde den aber nicht gelungen. Er wirkt etwas unbeholfen und auch die unvollständige Satzbauweise erzeugt bei mir leider keinen Dialekteffekt. Ich kann dir bedauerlicherweise keinen Gegenvorschlag machen.
Wenn "unbeholfen" rüberkommt, bin ich zufrieden.

Aber jetzt spürte Manuel Bongesa eine innere Hitze, eine Unruhe, eine nervöse Anspannung, die er so noch nie erlebt hatte.
Hier wieder die Wiederholung desselben Gefühls, nur mit unterschiedlichen Worten. Mein Eindruck ist auch der, dass du immer mehr die Aussage des Satzes verwässerst, je mehr Ausdrücke du aneinanderreihst.
Hier kommen wir nicht auf einen Nenner. Hitze ist etwas anderes als Unruhe und Anspannung.

Klar, dass ich dann auch diesen Absatz nicht verstehe. Ist das eine Beschreibung seiner Freude? Auch hier frage ich: was ist die Essenz dieses Absatzes? Warum dieser Bruch in der Geschichte?
Hast du doch verstanden! Das sind seine Gehirnaktivitäten, vom Goldbesitz ausgelöst, das Gegenstück zu dem Rasen im Kosmos. Einfach eine zusätzliche Ereignisebene. So zu schreiben ist ein gewisses Wagnis, aber ich will schon mal Neuland betreten.

Hier fragte ich mich, in welchem Land wir denn nun sind. Oder ist es ein Phantasieland? Aber das hat dann Dollar als Fremdwährung?
Es ist ein Fantasieland. Goldpreise werden international in Dollar angegeben. Mein ehemaliger Chef war vor Jahrzehnten in Venezuela, im tiefsten Urwald. Selbst da ist ein Flugzeug über die Goldgräberhütten geschwirrt und hat eine (!) Zeitung abgeworfen. Die Seite mit den Edelmetallpreisen wurde dann an einen Baum gepinnt.

Wieso jetzt französische Sprache, in welchem Land bin ich? In einem Staat in Afrika? Haiti,
Staat Südostasien? Da fehlt mir die Verbindung. Manuel Bongesa klingt eher spanisch.
Der Grund für das Französische ist, dass ich keine Festlegung auf eine einzelne Kultur erzeugen wollte.

Der Bogen ist hier mit diesem passenden Schlusssatz zum Ende geführt.
Schön wäre auch eine Nachricht vom Dorfschneider oder dem Hafenmeister, dass es für ihn, Manuel, wieder eine Gelegenheit gibt, ein wenig Geld zu verdienen.
Ich würde diesen Satz nicht mehr dranhängen.

Der Grund für diesen Satz ist die Gegenüberstellung von seinen 'Höhenflügen', als er sich noch als reichen Mann sah, mit seinen bescheidenen Ansprüchen als Tagelöhner. Jetzt ist er schon froh, wenn es eine Gelegenheit gibt, "ein wenig Geld zu verdienen".

Teil III kommt noch, ich wollte nicht einen gar zu langen Text abliefern. Da wird es (hoffentlich) auch deutlicher, dass es um viel mehr als "wie gewonnen, so zeronnen" geht.

Vielen Dank für dein Interesse und deine Hilfe! Die einfachen Fehler merze ich gleich aus.

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Lieber @Woltochinon ,


danke für deine Erwiderung. Ich wollte noch auf ein paar Punkte reagieren:

Es gibt Phänomene physikalischer, physiologischer und psychischer Natur, die man eigentlich nicht begreifen und mit einfacher Sprache ausdrücken kann. Dieser "Fremdkörper" beschreibt die Entstehung von Schwermetallen (massereicher als Eisen), also auch von Gold in einem astronomischen Prozess. Das Gold, welches Manuel gefunden hat, ist im doppelten Sinn ein "Himmelsgeschenk". Für ihn als religiösen Menschen ein Wink höherer Mächte, letztlich aber ein Geschenk des Himmels, der astronomischen Vorgänge.
Jetzt verstehe ich es. Aber wie du dann auch später mitteilst, ist es Neuland, so einen Einschub zu machen, dass er als Fremdkörper im Text steht. Bin gespannt, wie andere Leser das empfinden. Neuland auszuprobieren ist immer hilfreich, nur so kommt man weiter.
Er ist körperlich und mental erschöpft, es ist dunkel (die Hafenlichter sind aus), er will schnell, auf schlechtem Weg nach Hause. Deshalb habe ich ihn stolpern lassen. Ist das plausibel?
Nein, das ist für mich keine logische Schlussfolgerung, dass man dann stolpert. Manuel könnte auch ganz normal gehen.
Hier kommen wir nicht auf einen Nenner. Hitze ist etwas anderes als Unruhe und Anspannung.
Selbstverständlich ist es was anderes. Aber es ist wie die Benutzung von Adjektiven, von denen meist nur eines reicht, um einer Sache Bedeutung zu geben und von denen mehrere gleichzeitig angewendet, eher der Sache die Bedeutung nehmen, so hatte ich es auch hier empfunden.
Hast du doch verstanden! Das sind seine Gehirnaktivitäten, vom Goldbesitz ausgelöst, das Gegenstück zu dem Rasen im Kosmos. Einfach eine zusätzliche Ereignisebene. So zu schreiben ist ein gewisses Wagnis, aber ich will schon mal Neuland betreten.
Bin gespannt, wie andere das betrachten.
Teil III kommt noch, ich wollte nicht einen gar zu langen Text abliefern. Da wird es (hoffentlich) auch deutlicher, dass es um viel mehr als "wie gewonnen, so zeronnen" geht.
Willst du damit sagen, dass du hier eine unfertige Geschichte reingestellt hast? So meinst du das bestimmt nicht oder?


Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @lakita,

das war aber eine schnelle Rückmeldung!

Ich habe mich noch einmal mit den noch nicht von mir bearbeiteten Hinweisen von dir auseinandergesetzt.
Bei der Sprache der "Mama" bin ich tätig geworden, hier

"Würden benötigen" finde doch bitte ein wohlklingenderes Verb und muss es unbedingt Konjunktiv sein?
muss es der Konjunktiv sein, sonst geht etwas an der Aussage verloren: Er weiß nicht, ob Hilfe benötigt wird, vermutet es. Außerdem geht es um die Darstellung seiner Frustration.

Die Füllwörter kontrolliere ich noch einmal, ich arbeite immer mit der Suchfunktion eine Liste von Wörtern ab, mal sehen, was mir da durchgerutscht ist.


Willst du damit sagen, dass du hier eine unfertige Geschichte reingestellt hast? So meinst du das bestimmt nicht oder?
Wie kommst du auf so etwas ?:hmm:
Der Text hat drei in sich abgeschlossene Teile, die aufeinander aufbauen. Man kann bei jedem Teil sehen, wie wenig banal der Inhalt ist.

Jedenfalls waren das (wieder mal) gute Anmerkungen von dir, danke!:anstoss:

L G,

Woltochinon

 

Lieber @Woltochinon,

Wie kommst du auf so etwas ?:hmm:
Der Text hat drei in sich abgeschlossene Teile, die aufeinander aufbauen. Man kann bei jedem Teil sehen, wie wenig banal der Inhalt ist.
Dann hab ich Tomaten auf den Augen? Wo ist denn der dritte Teil?
Nach II/III kommt nix mehr oder überseh ich was?

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @Woltochinon

Mut zum Exotischen, weg vom Alltäglichen, das finde ich schon mal sehr gut. Mut deswegen, weil das Drumherum in einer solchen Geschichte glaubhaft zu beschreiben, das heißt, den Leser in die Welt hineinzuziehen, schwieriger ist. Das ist dir, finde ich, durch die Beschreibungen und die Details gut gelungen. Allerdings habe ich gehofft, es gehe irgendwie weiter. Er hat das Nugget gefunden, dann verliert er es wieder.

Die Einschübe gestalten das Ganze zwar interessanter, aber als Quintessenz bleibt auch für mich „Wie gewonnen, so zerronnen“ übrig. Schade! Da müsste doch noch mehr aus dieser insgesamt schönen Geschichte herauszuholen sein. Entweder müsste sich Manuel mehr verändern oder es könnte ein Abenteuerplot werden, in dem Manuel das Gold zurückgewinnt. Vielleicht stecken die Typen mit Manuels Schwager unter einer Decke.

Hier noch Kleinigkeiten:

Die knorrigen Äste der Schwarzrinden-Bäume warfen noch langgestreckte, bizarre Schattenmuster auf den Dorfplatz. Trotzdem war es offensichtlich, dass es wieder einen sehr heißen, staubigen Tag geben würde, obwohl sich das Ende der Trockenzeit schon durch vereinzelte Regenschauer ankündigte.
Der erste Absatz war für mich ein mühsamer Einstieg.
Zunächst muss der geneigte Leser darauf kommen, dass die langgestreckten Schatten vom frühen Morgen künden, und danach muss er im zweiten Satz ein „Trotzdem“ und ein „Obwohl“ verdauen. Und die vereinzelten Regenschauer sind ja zum Erzählzeitpunkt schon beobachtet worden.
So oder ähnlich würde es sich deshalb meiner Meinung nach leichter lesen: Die knorrigen Äste der Schwarzrinden-Bäume warfen noch langgestreckte, bizarre Schattenmuster auf den Dorfplatz, trotzdem flirrte die Luft schon vor Hitze. Es würde wieder einen sehr heißen, staubigen Tag geben, obwohl sich das Ende der Trockenzeit schon durch vereinzelte Regenschauer angekündigt hatte.
Manuel Bongesa trottete den rotstaubigen Trampelpfad, der zum Fluss führte, lustlos entlang.
Wenn du das treffende Verb „trotten“ verwendest, ist das Adverb „lustlos“ entbehrlich.
Gieriges Aufsaugen, ein ‚an sich reißen‘, zweier Giganten,
Ein „An-sich-Reißen“
Er mochte seinen Schwager nicht besonders, niemand wusste so recht, in welche unseriösen Tätigkeiten der Typ verwickelt war.
Unseriöse Tätigkeiten? Manuel würde meiner Meinung nach nicht in so einem Fast-Amtsdeutsch denken. „Krumme Geschäfte“, krumme Dinger“, „Gaunereien“
Aber jetzt spürte Manuel Bongesa eine innere Hitze, eine Unruhe, eine nervöse Anspannung, die er so noch nie erlebt hatte.
Das kommt mir vor, als ob ein Zeichner mehrmals eine Linie nachzeichnet, weil er mit dem ersten Versuch nicht zufrieden ist.

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sturek,

deine Geschichten haben mich bisher gut unterhalten (schlussendlich auch der Pi-Text), da freut es mich, wenn du auch meiner Geschichte etwas abgewinnen kannst.

Die Einschübe gestalten das Ganze zwar interessanter
Es war klar, dass diese Einschübe unüblich sind, immerhin findest du sie interessant!

aber als Quintessenz bleibt auch für mich „Wie gewonnen, so zerronnen“ übrig.
Das hat mich gewundert, weil eigentlich spätestens im zweiten Teil deutlich wird, wovon die Gefühlswelt von Manuel abhängt (da gibt es rätselhaftere Texte hier im Forum ;) ). Vielleicht rettet mich der dritte Teil ... (@lakita)

Aber jetzt spürte Manuel Bongesa eine innere Hitze, eine Unruhe, eine nervöse Anspannung, die er so noch nie erlebt hatte.
Das kommt mir vor, als ob ein Zeichner mehrmals eine Linie nachzeichnet, weil er mit dem ersten Versuch nicht zufrieden ist.

Das ist der zweite Punkt, der bei mir auf Unverständnis stößt: Diese Aneinanderreihungen waren eigentlich zur Darstellung von Abläufen gedacht.
Wie reagiert ein Mensch, wenn er eine für sein Leben so entscheidende Information erwartet? Adrenalin wird ausgeschüttet, man spürt Hitze (wird rot), das Herz schlägt schneller, eine Unruhe stellt sich ein, dann nervöse Anspannung. Im Prinzip die körperliche Vorbereitung auf Enttäuschung oder Glück (die Anspannung wird entweder in Erschöpfung oder Freude aufgelöst).
Wenn zwei erfahrene Kritiker (auch lakita) an dieser Stelle etwas einzuwenden haben, dann nehme ich das schon ernst (übrigens ...ich finde deinen Vergleich mit den gezeichnetet Linien originell, ich sehe halt hintereinander gereihte Striche).
Also – wenn dich diese Erklärung nicht überzeugt, werde ich das anders formulieren.

Unseriöse Tätigkeiten? Manuel würde meiner Meinung nach nicht in so einem Fast-Amtsdeutsch denken. „Krumme Geschäfte“, krumme Dinger“, „Gaunereien“

Dein Einwand ist berechtigt, genauso wie deine übrigen, konstruktiven Empfehlungen. Deine Vorschläge übernehme ich, besonders danke ich dir für die abgeänderte Formulierung des Anfangs!

Beste Grüße,

Woltochinon

 

Hallo @Woltochinon

Oh, prima, dass die Story weiter gegangen ist. Dachte ich es mir doch, dass der Schwager dahinter steckt und schade, dass man ihn nicht drankriegt. :mad: Jetzt hat die Geschichte wirklich mehr zu bieten als „Wie gewonnen, so zerronnen“. Durch den Fund und den Verlust des Nuggets wird bei Manuel ein Prozess in Gang gesetzt und am Schluss ist er nicht mehr derselbe. Ich denke, das ist nachvollziehbar dargestellt. Eine runde Sache.

Hier noch Kleinigkeiten:

Er hörte irgendwelche Stimmen.
"irgendwelche" könnte weg, zumal im nächsten Satz gleich noch ein "irgendwie" folgt.
Die Erinnerung an den Schlag auf den Kopf, die Tatsache, beraubt worden zu sein, vervielfältigten die Pein, die Manuel Bongesa quälte, sein Leid;
Sein Leid steckt doch schon in der Pein, oder?
Der Verlust des Goldes, die dadurch verloren gegangenen Möglichkeiten, die Zerstörung seiner Zukunftspläne, seiner Hoffnungen hatten seinen Optimismus, seine Lebensfreude mit der bleiernen Schwärze der Entmutigung erstickt.
Das liest sich erstmal sehr schön, aber ist das auch stimmig? Ich bin mir nicht sicher. Bleierne Schwärze? Und bei Schwärze hätte ich eher an übermalen oder übertünchen als an ersticken gedacht. Das nur so als Denkanstoß.
Hatte nicht jeder anständige, tatkräftige Mensch das Recht, an den gesellschaftlichen Möglichkeiten, die es gab, teilzunehmen?
Hier rutschen mir die Gedanken Manuels zu sehr ins Abstrakte, Allgemeine. "Gesellschaftliche Möglichkeiten" - hmmm. Vielleicht so: "Sollte nicht jeder anständige, tatkräftige Mensch etwas erreichen können in der Gemeinschaft, den Platz einnehmen, den er verdiente."
Ganz gleich welche Einflüsse sein Leben bestimmten – Manuel Bongesa, der Tagelöhner ohne Arbeit, fühlte sich als Spielball von Mächten, denen er ausgeliefert war.
Eben noch hat er die Mächte durchschaut. Hey, das sind auch nur Menschen. Dann fühlt er sich wieder als Spielball. Kann der Spielball nicht vielleicht ein bisschen rebellisch denken?
konnte er überall weitere menschliche Spielbälle beobachten, die hier Zementsäcke schleppten, dort ackerten, bauten, in Büros saßen, forschten, kämpften, stritten, lachten, liebten – alles nur, um einen Anteil von dem Glück zu erhaschen, das es überall auf der Welt gab, doch offensichtlich nicht für jeden.
„Büros“ und „forschen“ liegt aber außerhalb seiner Erfahrungswelt.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Sturek,

danke, dass du noch einmal vorbeigeschaut hast!

Er hörte irgendwelche Stimmen.
"irgendwelche" könnte weg, zumal im nächsten Satz gleich noch ein "irgendwie" folgt.
Ja, wobei "er hörte Stimmen" zweideutig sein kann. Habe versucht dies zu vermeiden.

Die Erinnerung an den Schlag auf den Kopf, die Tatsache, beraubt worden zu sein, vervielfältigten die Pein, die Manuel Bongesa quälte, sein Leid;
Sein Leid steckt doch schon in der Pein, oder?
Ich merke schon, Redefiguren sind nicht (mehr?) gefragt. Habe ihn weniger leiden lassen ...

Der Verlust des Goldes, die dadurch verloren gegangenen Möglichkeiten, die Zerstörung seiner Zukunftspläne, seiner Hoffnungen hatten seinen Optimismus, seine Lebensfreude mit der bleiernen Schwärze der Entmutigung erstickt.
Das liest sich erstmal sehr schön, aber ist das auch stimmig? Ich bin mir nicht sicher. Bleierne Schwärze? Und bei Schwärze hätte ich eher an übermalen oder übertünchen als an ersticken gedacht. Das nur so als Denkanstoß.
Prima Denkanstoß! Getreu 'Kill vour Darlings' war ich schon geneigt hier zu töten (bleierne Last), aber da Depressive durchaus von 'schwarzen Gedanken' und Ähnlichem sprechen, überlebt der Ausdruck (zumindest noch im Moment).


Ganz gleich welche Einflüsse sein Leben bestimmten – Manuel Bongesa, der Tagelöhner ohne Arbeit, fühlte sich als Spielball von Mächten, denen er ausgeliefert war.
Eben noch hat er die Mächte durchschaut. Hey, das sind auch nur Menschen. Dann fühlt er sich wieder als Spielball. Kann der Spielball nicht vielleicht ein bisschen rebellisch denken?
Rebellion würde man ihm schon empfehlen. Das ist vielleicht auch der Wunsch eines versöhnlichen Endes.
Aber selbst Menschen in wesentlich besseren Verhältnissen sind und bleiben Spielbälle (auch wenn man ihnen, wie manchen Eseln, die Karotte des 'wenn du nur willst, kannst du alles schaffen' vor die Nase hält. Was auch impliziert, dass man selbst daran schuld ist, wenn man keinen Erfolg hat ... und das stimmt manchmal auch).

„Büros“ und „forschen“ liegt aber außerhalb seiner Erfahrungswelt.

Das habe ich schon befürchtet. Büros kennt er durch die Minengesellschaft (er hat eine Vorstellung von den Gehältern dort, weiß von dem Tresor), die haben sicher auch ein Labor. Sicherheitshalber hat die Axt des Zweifels mal "forschen" entfernt.

Das waren wieder interessante, konstruktive Anregungen! Vielen Dank für deine Zeit, ich wünsche dir ein schönes, wunderbares, nein - glanzvolles Wochenende!

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Lieber @Woltochinon ,

der dritte Teil gehört eindeutig mit in diese anfängliche Geschichte, wenn auch er isoliert stehen könnte und trotzdem nicht unverständlich wäre.

Manuel hat jetzt eindeutig mehr Tiefe oder anders gesagt, es kommt einem so vor, dass man ihm ein Stück weit näher gerückt ist als Leser, weil er mit dieser schlimmen Ungerechtigkeit gepeinigt wird, dass vermutlich sein Schwager ihm dieses Ungemach beschert hat.
Wer da kein Mitgefühl mit diesem armen Teufel bekommt, ist wohl ziemlich herzlos.
Insoweit dreht sich mein Gefühl von "wie gewonnen, so zerronnen" natürlich in Richtung: "Und was macht er jetzt? Wie wird er sich wehren?"
Da gäbe es ja einige Möglichkeiten, nicht wahr?

Und hier setzt auch meine Kritik etwas an.
Er könnte zur Polizei gehen, oder sich einer Person bedienen, die ihn darin unterstützt, herauszufinden, ob der Schwager wirklich der Täter war. Es gibt immer Zeugen, die etwas wissen. Er könnte sich also mit Akribie oder Verve an die Aufklärung machen.
Er könnte aber auch wie ein Rambo gleich seinen Schwager angehen, wenn auch diese Tat vermutlich nur eher das Abladen seiner immensen Wut sein dürfte und nicht so zielführend ist, wie der Versuch, den Schwager zu überführen.

Er könnte auf jeden Fall endlich seine Frau ins Boot holen. Zumal, was hat bitte Mama Rodriguez am Krankenbett zu suchen und die sagt dann kein Wort wegen des Goldes? Das wäre doch nichts, was man verschweigen würde, sie weiß ja, was ihm geraubt wurde.

Seltsam. Dass also die Ehefrau nicht mal langsam einige Fragen stellt, ist nicht so ganz stimmig in deinem Plot. Sie scheint nicht völlig unterbelichtet zu sein. Sie wird wissen, dass man für gewöhnlich nicht ausgeraubt wird, wenn es nichts zu rauben gibt. Auch Täter gehen in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht auf gut Glück los und versuchen zu rauben.
Mir fehlen also ihre Fragen hierzu.
Falls du vorhast da noch was einzufügen, hättest du die Möglichkeit das Lügengebilde Manuels noch zu verdichten und damit den Druck, den sein schlechtes Gewissen in ihm erzeugt, hinzuzufügen. Er würde dadurch noch tragischer.
Er könnte aber auch mit dem Lügen aufhören.

. War er noch, oder wieder, in der Krankenstation?
Finde bei diesem Satz wäre ein winziger Hinweis, dass er sich in der Krankenstation von Mama Rodriguez befindet, gut. Ich hatte infolge des Hauptanliegens, das Gold wiegen zu wollen, ganz verdrängt, dass das alles in einer Krankenstation stattfand.
Der Verlust des Goldes, die dadurch verloren gegangenen Möglichkeiten, die Zerstörung seiner Zukunftspläne, seiner Hoffnungen hatten seinen Optimismus, seine Lebensfreude mit der bleiernen Schwärze der Entmutigung erstickt.
Eigentlich, auch wenn diese Sätze gut klingen, bringst du hier schon das komplette Resümee der Gedankenwelt Manuels. Ist das hier vielleicht nicht die richtige Stelle, es zu tun?

Hinzu kamen die zermürbenden, von tiefem Misstrauen genährten Gedanken, die immer wieder von ihm Besitz ergriffen: Wer hatte ihn überfallen? War es ein Zufall? Wer hatte etwas von dem Nugget wissen können?
Denn eigentlich geht es im Moment ja darum. Dass er zunächst versucht, nochmals Gold zu finden und seine Gedanken deutlich um das Problem mit seinem Schwager kreisen.

„Was ist mit dir los, Manuel? Du treibst dich ständig im Matsch am Fluss herum, grübelst den ganzen Tag mit böser Mine, bringst kaum ein paar lausige Aurongos nach Hause – obwohl der Schneider Arbeit für dich hat! Wovon soll ich Essen kaufen, sollen wir alle hungern?“
Ich könnte mir vorstellen, dass sein Dilemma noch weiter ausgeführt werden könnte. Er ist ja im Grunde seines Herzens ein guter Mensch, der jetzt komplett durch diese doppelten Enttäuschungen (Goldverlust, gegen ihn begangene Straftat) wie gelähmt ist. Mir fehlt ein Gedankengang von ihm, in welchem er sich von aussen sieht, also erkennt, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist für Aussenstehende, er aber gerade aus dieser Zwangsjacke nicht herausfindet. Er folglich seine Lähmung erkennt, aber hilflos bleibt.
„Du hast Abutu nie gemocht – aber weißt du was? Abutu ist jetzt Teilhaber an dem Dorfladen seines Onkels! Meiner Schwester Moya geht es jetzt gut mit ihm, die sitzt nicht mehr im Dorf in einer kleinen Hütte! Und was machst du?
Gute Steigerung des Problems. Der Protagonist tut einem richtig leid.

Manuel Bongesas Frau Martha hatte recht behalten, leider.
Nein, sie nicht, er ist derjenige, der das alles schon weiß, bevor seine Frau es äussert. Ihrer bedarf er nicht.
Es war interessant: Manche der Karrenbesitzer kümmerten sich gut um ihre Tiere, sorgten dafür, dass sie im Schatten warten konnten, bis sie an der Reihe waren. Andere waren schnell bereit, die Tiere schmerzhaft mit Stöcken anzutreiben. Da man ohnehin bis zur Beladung warten musste, war dies eigentlich unnötig, es schadete den Eseln mehr als es nutzte.
Das hier ist so ein Fall, ein Einschub, der die Geschichte nicht so richtig voranbringt. Du wirst ihn nicht löschen, das ist mir klar, aber er bringt nur ein bisschen Lokalkolorit und bereitet den nächsten Gedankengang Manuels vor. Das ginge auch anders.
. Goldfund hin oder her – auch ohne einen Glücksfall musste ein sorgenfreies Leben möglich sein!
Du gibst deiner Figur also diese Wendung. Nungut, meine Erwartungshaltung war eher die, dass er Überraschendes tut.
Hätte ich das Gold noch, würde mich jetzt niemand schikanieren, überlegte Manuel.
Dieser Satz ist gefährlich. Ich denke, du hast Manuel so angelegt, dass er ein grundgütiger Mensch ist. Mit dem Gold würde er dann aber nicht mehr reflektieren, was um ihn herum für Ungerechtigkeiten passieren. Weil er hätte ja dann ausgesorgt, also keine Sorgen mehr. Das willst du gewiss nicht mit seinem Satz mitteilen. Er könnte insoweit missverstanden werden.
Manuel Bonzega begriff, dass die Mächte, die das bewirkten, nicht irgendwelche schicksalsträchtigen Götter oder geheimnisvolle Kräfte des Universums waren, die ihre Willkür an den Erdenbürgern ausließen.
Hatte er denn vorher diese Gedanken? Ich meine, längst nicht so ausgeprägt, wie du es hier darstellst.
Ganz gleich welche Einflüsse sein Leben bestimmten – Manuel Bongesa, der Tagelöhner ohne Arbeit, fühlte sich als Spielball von Mächten, denen er ausgeliefert war.
Sein Problem, würde ich hier sagen. Er versucht ja noch nicht einmal, etwas dem entgegenzusetzen. An dieser Stelle fällt es mir schwer, deinem Protagonisten mit Empathie zu folgen. Er begibt sich, ohne wirkliche Gründe, in die Opferrolle. Aber hier hört die Geschichte ja dann auch bereits auf.

Der dritte Teil macht deine gesamte Geschichte eindeutig aussagekräftiger und runder.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo liebe @lakita!

Du hast voller Schwung einen Sturm an Gedanken und Fragen über das hitzegeplagte Land Manuels rasen lassen, ich hoffe, auf alles befriedigend reagieren zu können.

der dritte Teil gehört eindeutig mit in diese anfängliche Geschichte, wenn auch er isoliert stehen könnte und trotzdem nicht unverständlich wäre.
Das freut mich, so waren die Texte auch angelegt. Hätte nur besser gleich alles gepostet. Das Längenproblem habe ich überschätzt.

Er könnte zur Polizei gehen, oder sich einer Person bedienen, die ihn darin unterstützt, herauszufinden, ob der Schwager wirklich der Täter war. Es gibt immer Zeugen, die etwas wissen.
Einen Krimi wollte ich nicht schreiben. Abgesehen davon ist es in einem Entwicklungsland problematisch zur Polizei zu gehen. (Komplizierter als hier, wenn das nicht mit einem Chip markierte Fahrrad geklaut wird). Was soll er sagen? Abutu habe ich am Tag des Überfalls getroffen?
Ich will der Polizei in 'meinem' Aurongo-Land noch nicht mal Korruption unterstellen. Aber selbst für uns Einfaches kann eine Schwierigkeit darstellen: Er muss erst mal zu einer Polizeistation kommen ...

Er könnte aber auch wie ein Rambo gleich seinen Schwager angehen, wenn auch diese Tat vermutlich nur eher das Abladen seiner immensen Wut sein dürfte und nicht so zielführend ist, wie der Versuch, den Schwager zu überführen.
Wie gesagt: Er hat nichts in der Hand, niemand wird Interesse an den Befindlichkeiten Manuels haben. Notfalls zahlt Abutu einem Kumpel Geld für ein Alibi.


Zumal, was hat bitte Mama Rodriguez am Krankenbett zu suchen und die sagt dann kein Wort wegen des Goldes? Das wäre doch nichts, was man verschweigen würde, sie weiß ja, was ihm geraubt wurde.
Die Mama weiß nichts von dem Gold. Sie hat Sand gewogen. Das ist besonders schmerzlich für den Armen: Trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen, seiner Geheimhaltung steht er mit leeren Händen da.

Seltsam. Dass also die Ehefrau nicht mal langsam einige Fragen stellt, ist nicht so ganz stimmig in deinem Plot. Sie scheint nicht völlig unterbelichtet zu sein. Sie wird wissen, dass man für gewöhnlich nicht ausgeraubt wird, wenn es nichts zu rauben gibt. Auch Täter gehen in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht auf gut Glück los und versuchen zu rauben.
Das finde ich seltsam ;) : Selbst in reichen Ländern kann man einfach nach dem Motto 'Gelegenheit macht Diebe' überfallen werden. Ich wusste in Frankfurt oder SF ziemlich genau, welche Ecken man (nicht nur bei Dunkelheit) meidet. Wegen ein paar Mark wurden, vor den Sicherheitsvorkehrungen, sogar in Deutschland Taxifahrer ermordet.
Straßenkriminalität ist Gelegenheitskriminalität. Seine schlechte Laune erklärt sich auch durch seine Lage: Als sorgender Ehemann versagt er, mangels Jobs, die Goldchance hat er vermasselt (wie konnte er es nur mit sich rumtragen!), überfallen zu werden ist auch nicht gerade heldenhaft (da bekommt man in Deutschland u. U. monatelang Traumatherapie).

Eigentlich, auch wenn diese Sätze gut klingen, bringst du hier schon das komplette Resümee der Gedankenwelt Manuels. Ist das hier vielleicht nicht die richtige Stelle, es zu tun?
Es ist nicht das komplette Resümee, er befindet sich noch auf der Stufe des Phantomschmerzes. Die eigentliche Erkenntnis, die weit über sein persönliches Interesse hinausgeht, kommt noch. (Ich vermute, du hast zu diesem Lesezeitpunkt nicht gewusst, auf was das Ganze hinausläuft).

Denn eigentlich geht es im Moment ja darum. Dass er zunächst versucht, nochmals Gold zu finden und seine Gedanken deutlich um das Problem mit seinem Schwager kreisen.
Dieses nochmal Gold finden ist eher eine Übersprungshandlung, eigentlich ein unsinniger Versuch, die Vergangenheit zu 'reparieren'. Er verhält sich wie ein Roulettespieler, der auf eine Zahl setzt, die ihm einst Glück brachte.
Er wurde überfallen, alles Erhoffte ist nichtig – da ist es natürlich, dass die körperlichen Schmerzen von seelischen abgelöst werden.

Mir fehlt ein Gedankengang von ihm, in welchem er sich von aussen sieht, also erkennt, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist für Aussenstehende, er aber gerade aus dieser Zwangsjacke nicht herausfindet. Er folglich seine Lähmung erkennt, aber hilflos bleibt.
Er geht schon auf die Bedürfnisse Marthas ein, wenn auch, seiner Lage entsprechend, halbherzig. Er sagt über seine Rettung:

„Ja, darüber bin ich froh.“

Dann:
„Ja, es ist alles wieder gut.“

Manuel wusste, es war eine Lüge, ihm war bewusst, dass es für ihn niemals so sein würde wie früher – nur, eine andere Antwort war unmöglich."

Er Lügt für das Wohlbefinden Marthas. Selbst beim Schreiben dieses Textes war es für mich anstrengen, mich wirklich in die Lage Manuels hineinzuversetzen. Wir kennen eigentlich nicht so eine absolute Situation – entweder hast du das Gold oder dein Leben geht letztlich so chancenlos weiter, wie bisher. Studium nicht geschafft? Mach eine Lehre, mach dich selbständig ... Abi geschafft? Erstmal nach Australien oder Südamerika, natürlich für ein Jahr. Dann sehen wir weiter ...
Bei der Beschäftigung mit diesem Thema wurde mir bewusst, in welcher Sackgasse die meisten dieser Leute stecken. Eine Näherin in Bangladesch wird immer Näherin bleiben. Eine von hundert wird vielleicht mal Aufseherin (wer weiß, was sie für diesen 'Aufstieg' machen muss).
Letztlich passiert auch deshalb diese verzweifelte Suche nach wenigstens ein paar Goldkörnern, trotz der Unwahrscheinlichkeit eines Fundes.

Manuel Bongesas Frau Martha hatte recht behalten, leider.
Nein, sie nicht, er ist derjenige, der das alles schon weiß, bevor seine Frau es äussert. Ihrer bedarf er nicht.
Doch, sie hat recht behalten: Sie behauptet "alles ist wieder gut", weil es wieder so ist wie früher. Dann ist es so wie früher, was bedeutet, all die Sorgen, die Manuel dank des Goldfundes schon überwunden sah, existieren immer noch. Für die Frau ist alles gut, der Schneider hat Arbeit; für Manuel ist es nicht gut, weil er seine jetzige Lage mit der vergleicht, in der er mit dem Goldgeld wäre. Ich werde da noch etwas ändern, damit das deutlich wird, danke!
Das ist ein wesentlicher Punkt, der schon in Teil II aufgebaut wird: Vor dem Goldfund ist er einigermaßen zufrieden, dann könnte es ihm in Vergleich zu vorher besser gehen (der Schneider hat Arbeit), aber er bewertet seine Situation anders. Da gibt es interessante psychologische Erkenntnisse (und Alltagserfahrungen) wie die Selbsteinschätzung durch das Betrachten des Umfelds beeinflusst wird.


Es war interessant: Manche der Karrenbesitzer kümmerten sich gut um ihre Tiere, sorgten dafür, dass sie im Schatten warten konnten, bis sie an der Reihe waren. Andere waren schnell bereit, die Tiere schmerzhaft mit Stöcken anzutreiben. Da man ohnehin bis zur Beladung warten musste, war dies eigentlich unnötig, es schadete den Eseln mehr als es nutzte.
Das hier ist so ein Fall, ein Einschub, der die Geschichte nicht so richtig voranbringt. Du wirst ihn nicht löschen, das ist mir klar, aber er bringt nur ein bisschen Lokalkolorit und bereitet den nächsten Gedankengang Manuels vor. Das ginge auch anders.
Das ist kein Lokalkolorit. Ohne diese Beobachtung käme es nicht zu der späteren Erkenntnis.

Hätte ich das Gold noch, würde mich jetzt niemand schikanieren, überlegte Manuel.
Dieser Satz ist gefährlich. Ich denke, du hast Manuel so angelegt, dass er ein grundgütiger Mensch ist. Mit dem Gold würde er dann aber nicht mehr reflektieren, was um ihn herum für Ungerechtigkeiten passieren. Weil er hätte ja dann ausgesorgt, also keine Sorgen mehr. Das willst du gewiss nicht mit seinem Satz mitteilen. Er könnte insoweit missverstanden werden.
Das stimmt. Ein interessanter Aspekt. Wenn er die Wahl hätte: Gold und ein anderes Leben oder kein Gold aber Erkenntnis ... er hätte, ganz unidealistisch, wie wir alle (behaupte ich mal) das Gold genommen.
Es stellt sich im täglichen Leben immer wieder mal die Frage, wie konsequent man eine moralische Einsicht umsetzt, dem armen Kerl bleibt diese Zwickmühle in der beschriebenen Welt erspart.


Manuel Bonzega begriff, dass die Mächte, die das bewirkten, nicht irgendwelche schicksalsträchtigen Götter oder geheimnisvolle Kräfte des Universums waren, die ihre Willkür an den Erdenbürgern ausließen.
Hatte er denn vorher diese Gedanken? Ich meine, längst nicht so ausgeprägt, wie du es hier darstellst.
Vorher hatte er nicht diesen Gedanken. Durch das Beobachten der 'Eselsituation' in Verbindung mit seiner psychischen Konstellation erlebt er eine Epiphanie. Eine Kurzgeschichte mit reinem Epiphaniefocus sollte dieser Text aber nicht werden, es geht um das Gesamtpaket.


Ganz gleich welche Einflüsse sein Leben bestimmten – Manuel Bongesa, der Tagelöhner ohne Arbeit, fühlte sich als Spielball von Mächten, denen er ausgeliefert war.
Sein Problem, würde ich hier sagen. Er versucht ja noch nicht einmal, etwas dem entgegenzusetzen. An dieser Stelle fällt es mir schwer, deinem Protagonisten mit Empathie zu folgen. Er begibt sich, ohne wirkliche Gründe, in die Opferrolle. Aber hier hört die Geschichte ja dann auch bereits auf.
Sein Problem ist es nur rudimentär. Wir 'Westler' sind mit dem Gedanken 'du kannst es schaffen' und ähnlichen aufgewachsen (ganz prominent ist diese Denkart in den USA, ein starker calivinistischer Einfluss, der hier spürbar ist; wenn ich an 'Motivational Speaker' denke, dann :xxlmad:).
Wenn man mit wenig Bildung, einem armen Umfeld groß wird, ständig von der Hand in den Mund lebt, will man nur irgendwie durch den Alltag kommen. Unsere westliche Welt der Optionen ist vielleicht bekannt, aber weit hinter dem Horizont.
Es ist noch nicht lange her, da war es in Deutschland genauso. Als Kind hatte meine Mutter nie geglaubt, einmal ein Auto zu besitzen. Arbeiterkind, Studium? Ein vermessener Gedanke! (Ein Freund von mir war Autoschlosser in einem kleinen Kaff. Er hat es noch bis zum promovierten Physiker gebracht! Sein Kommentar: 'Die Leute sagten, das steht mir nicht zu.')
Noch jetzt diskutiert man beim Gendern den Aspekt der Prägung durch Sprache, die bei Mädchen dafür sorgen kann nicht Physik zu studieren, weil man nur von Physikern spricht (Physikvorlesung, Ende der 70iger: eine Frau; jetzt nicht viel besser, zumindest in der Experimentalphysik). Die Welt im Kopf kann Grenzen setzen, genauso wie die Grenzen der Welt Möglichkeiten limitieren.

Du siehst, dein Gedankensturm hat bei mir die entsprechende Flut hervorgerufen. Prima, interessant und anregend! Man muss halt immer wieder alles hinterfragen.

Ohne dein Engagement wäre diese Geschichte schon längst in der Versenkung verschwunden, danke für deine Zeit, deine ausführlichen Repliken! (Sie sind keine Selbstverständlichkeit).

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Lieber @Woltochinon ,


da bin ich wieder und habe mit Interesse deine Antworten und ähm... Ausflüchte (Scherz!) gelesen. Im einzelnen:

Was soll er sagen? Abutu habe ich am Tag des Überfalls getroffen?
Ich will der Polizei in 'meinem' Aurongo-Land noch nicht mal Korruption unterstellen. Aber selbst für uns Einfaches kann eine Schwierigkeit darstellen: Er muss erst mal zu einer Polizeistation kommen ...
Na. Da hast du ja gleich einen ganzen Zettelkasten an Ausreden für deinen Protagonisten dabei, um ihn vor meinen wüsten Fragen in Schutz zu nehmen. Deine Antworten zu diesem Thema, Hilfe suchen, wenigstens versuchen, überzeugen mich nicht. Auch ein korrupter Staat hat vielleicht mit einem wie Manuel durchaus Erbarmen. Man kann das nie wissen. Das würde ich dagegen halten. Es ist ja nicht sicher, dass es sein Schwager war. Es könnte auch eine der Polizei allbekannte Bande sein, die jetzt endlich mal verhaftet wird. Nie, nie kann es hier ja gar nicht geben. Ich halte dem Autor vor, dass er dem Manuel nicht wenigstens eine kleine Chance einräumt und ihm und dem Leser Hoffnung.
Wie gesagt: Er hat nichts in der Hand, niemand wird Interesse an den Befindlichkeiten Manuels haben. Notfalls zahlt Abutu einem Kumpel Geld für ein Alibi.
Das hast du so entschieden. Was kann dagegen sagen? Gar nichts.
Die Mama weiß nichts von dem Gold. Sie hat Sand gewogen.
Stimmt, das war mir echt entfallen. Bitte entschuldige diese Nachlässigkeit.
Das ist besonders schmerzlich für den Armen: Trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen, seiner Geheimhaltung steht er mit leeren Händen da
Das ist klar und das vermittelt der Text auch.
überfallen zu werden ist auch nicht gerade heldenhaft (da bekommt man in Deutschland u. U. monatelang Traumatherapie).
Stimmt.
Dieses nochmal Gold finden ist eher eine Übersprungshandlung, eigentlich ein unsinniger Versuch, die Vergangenheit zu 'reparieren'. Er verhält sich wie ein Roulettespieler, der auf eine Zahl setzt, die ihm einst Glück brachte.
Ich finde, das ist absolut nachvollziehbares Verhalten.
Er wurde überfallen, alles Erhoffte ist nichtig – da ist es natürlich, dass die körperlichen Schmerzen von seelischen abgelöst werden.
Gut gesagt. Damit habe ich auch keine Probleme in deiner Darstellung.
„Ja, darüber bin ich froh.“ Dann:
„Ja, es ist alles wieder gut.“
Hm ... ok.
Eine Näherin in Bangladesch wird immer Näherin bleiben.
Ist leider wahr.
Doch, sie hat recht behalten: Sie behauptet "alles ist wieder gut", weil es wieder so ist wie früher. Dann ist es so wie früher, was bedeutet, all die Sorgen, die Manuel dank des Goldfundes schon überwunden sah, existieren immer noch.
Jetzt versteh ich es besser.
Das ist kein Lokalkolorit. Ohne diese Beobachtung käme es nicht zu der späteren Erkenntnis.
Och, auf dieses Bild mit den Eseln hätte Manuel auch ohne dieses Lokalkolorit kommen können. Aber ist ja nicht schlimm, dass es da drin steht.
Es stellt sich im täglichen Leben immer wieder mal die Frage, wie konsequent man eine moralische Einsicht umsetzt, dem armen Kerl bleibt diese Zwickmühle in der beschriebenen Welt erspart.
Aber wäre, um es mal diabolisch zu sagen, eine feine Wendung, die diese Geschichte noch nehmen könnte, nicht wahr? Zum Beispiel könnte er noch einen Nugget finden. Was macht er dann? Wird er dann zum Monster?
Die Welt im Kopf kann Grenzen setzen, genauso wie die Grenzen der Welt Möglichkeiten limitieren.
Ja, kann.
Du siehst, dein Gedankensturm hat bei mir die entsprechende Flut hervorgerufen. Prima, interessant und anregend! Man muss halt immer wieder alles hinterfragen.
Jo, hätte ich mir denken können. :D
Ohne dein Engagement wäre diese Geschichte schon längst in der Versenkung verschwunden,
Ach, was, den Schuh zieh ich mir nicht an. Aber wenn du unbedingt meine Kontodaten willst, damit du was überweisen kannst, dann sag ich sie dir gern.
danke für deine Zeit,
Sehr gern geschehen!

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo liebe @lakita,

ich beginne den Anfang mal mit dem Ende:

Ach, was, den Schuh zieh ich mir nicht an. Aber wenn du unbedingt meine Kontodaten willst, damit du was überweisen kannst, dann sag ich sie dir gern.
Eine Frau, die sich keinen Schuh anzieht? Unter zweien machst du es nicht?
Ja, sag mir die Nummer! Ach, soeben habe ich festgestellt, dass ich unter Zahlenlegasthenie leide, echt schlimm :silly: .

da bin ich wieder und habe mit Interesse deine Antworten und ähm... Ausflüchte (Scherz!) gelesen.
Auch wenn ich mich wiederhole: Danke für dein Interesse, deine Herausfoderung. Das Geschriebene sind keine Ausflüchte :Pfeif:! Es geht um einen verzweifelten Verteidigungskampf gegen eine eiserne, erfahrene Kritikerin!

Es könnte auch eine der Polizei allbekannte Bande sein, die jetzt endlich mal verhaftet wird. Nie, nie kann es hier ja gar nicht geben. Ich halte dem Autor vor, dass er dem Manuel nicht wenigstens eine
kleine Chance einräumt und ihm und dem Leser Hoffnung.
Für die (nachvollziehbaren) "Hoffnungen" der Leser bin ich nicht zuständig ;) . Darf ich? So eine kleine Ausflucht? Der Manuel bekommt stellvertretend für die, die im richtigen Leben (obwohl verdient) keine Chance bekommen, auch keine.

Wie gesagt: Er hat nichts in der Hand, niemand wird Interesse an den Befindlichkeiten Manuels haben. Notfalls zahlt Abutu einem Kumpel Geld für ein Alibi.
Das hast du so entschieden. Was kann dagegen sagen? Gar nichts.
Da sprichst du etwas sehr Grundlegendes an: Solange etwas in einem Text nicht gegen die Naturgesetze (nicht nur die physikalischen) und die gesellschaftliche Realität verstößt, hat der Leser keinen Grund, an dem Geschilderten zu zweifeln (ein Sondefall ist SF, Fantasy; eigentlich Fantastik). So ist zumindest mein Ansatz, um Glaubwürdigkeitsdiskussionen auf eine gewisse Grundlage beziehen zu können. Seit Büchern wie 'Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte' und 'Schuld', 'Verbrechen' (Schirach), bin ich sehr vorsichtig geworden, Mögliches oder Unmögliches zu beurteilen.


Es stellt sich im täglichen Leben immer wieder mal die Frage, wie konsequent man eine moralische Einsicht umsetzt, dem armen Kerl bleibt diese Zwickmühle in der beschriebenen Welt erspart.
Aber wäre, um es mal diabolisch zu sagen, eine feine Wendung, die diese Geschichte noch nehmen könnte, nicht wahr? Zum Beispiel könnte er noch einen Nugget finden. Was macht er dann? Wird er dann zum Monster?
Man sagt, 'Geld verdirbt den Charakter' (vielleicht offenbart es auch den wahren Charakter), insofern ist die Monstertheorie nicht abwegig. Vielleicht nimmt er eine ähnliche Entwicklung, wie der die Leute schickanierende 'Emporkömmling' in Gestalt des Aufsehers. In der gesellschaftlichen Realität wäre es auch möglich, dass er zum hilfbereiten (Klein-)Arbeitgeber wird. Ein Nugget als Charaktertest ...
Diabolisch wäre es auch, wenn er mit dem Geld in die Stadt abhaut, die Familie im Stich lässt.
Leider habe ich keinen Kontakt mehr mit dem ausgedachten Manuel, mich hat er also schon im Stich gelassen. Ich hoffe, es geht im gut –

nicht nur ihm, auch dir! (Viel wichtiger!).

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Hallo @Woltochinon

Auch die zweite Geschichte, die ich von dir lese, packt ein wichtiges und aktuelles Thema an: Die ungleiche Vermögensverteilung unserer Welt. Die reichsten 10% der Weltbevölkerung besitzen 3/4 des weltweiten Vermögens und sind zugleich für einen Großteil der Emissionen und damit dem Klimawandel verantwortlich. Das ist eine Tatsache, die man fast nicht glauben kann. Und doch ist es real.

In deiner Geschichte schaffst du an manchen Stellen sehr gut, diese Problematik literarisch zu verarbeiten. Andere Abschnitte finde ich leider nicht ganz so gelungen. Dazu gleich mehr. Vorab möchte ich bemerken, dass ich auch diesen Text sehr gut lesbar fand. Sauber gearbeitet und gut geschrieben. Wieder einmal konnte ich bei dir alles in einem Rutsch lesen.

Jetzt zu den einzelnen Punkten:

Manuel Bongesa lehnte am schiefen Türrahmen, der notdürftig aus verblichenen Holzresten gezimmert war. Der große, hagere Mann beobachtete seine Frau Martha in ihrem weiten, blauweiß getupften Kleid.
Den Einstieg finde ich sehr gelungen. Als Leser kann ich mir das stickige, sozial schwache Dorf sofort vorstellen. Auch Manuel charakterisierst du geschickt mit wenigen Sätzen.

Manuel Bongesa zog die Sandalen aus, er hatte sie aus einem abgefahrenen Motorradreifen hergestellt. Er roch Dieselabgase, die von einem Windhauch zu ihm getragen wurden. Die Luft hier war feucht, fast klebrig, Schweißtropfen sammelten sich in den Furchen seiner Stirn.
Auch das ist sehr gut beobachtet. Hervorragende Beschreibung einer Welt in der man eben keinen Luxus genießt. In der das nackte Überleben zählt. Vielleicht nicht ganz so extrem wie in einer Krisenregion, aber trotzdem schon lebensbedrohlich.

Ungeheurere Staubmassen, wabernd, irgendwo im Dunkel Kraft – klein beharrlich, zäh und ziellos, dann: kollabierender Strudel, Masse. Zirkulierend, rotierend – nur noch ein Gesetz, ein Vorhaben, ein Zweck im Zwecklosen: Gieriges Aufsaugen, ein ‚An sich Reißen‘, zweier Giganten, bis dieses ungeheuerliche, unvorstellbare Ungetüm unter seiner Last zusammenbrechend glutheiß reagiert, sich selbst aufbrauchend, dann, in die gleichgültigen Äonen aberwitzige Energie ausspeiend, auseinanderfällt, auseinanderreißt, auseinanderbricht, rasender Taumel, Energieexzess, glutbrütend, Element schleudernd, Himmelskörper bombardierend – anreicherndes, verdichtendes Materiespektakel.
Das ist jetzt einer meiner Kritikpunkte. Ich habe leider nicht verstanden, was du mit diesen Konstruktionen bezweckt hast. Beschreibung des Innenlebens? Stream of Consciousness? Vielleicht wolltest du damit auch mehr Atmosphäre in den Text bringen. Leider hat es bei mir genau zum Gegenteil geführt. Ich wurde aus der Geschichte gerissen, weil ich diese Abschnitte einfach nicht einordnen konnte.

Was würde Martha dazu sagen? Die Nachbarn, wenn der Tagelöhner plötzlich etwas Wohlstand genoss?
Seit der Krankenstation war der Tagelöhner keiner Person mehr begegnet. Ein paar schmutzig-braune Affen turnten noch in den Bäumen am Straßenrand herum,
Auch das hat mich etwas raus geworfen. Natürlich wird Manuel keine hohe Bildung genossen haben. Dennoch kommt mir das hier ein wenig unglaubwürdig vor. Er hat sich seit dem Goldfund sehr umsichtig verhalten. Er weiß um die höllischen Gefahren, die in dieser Ortschaft lauern.

Und dann verliert er sich in Tagträumen und lässt sich einfach überfallen. Das konnte ich nicht schlucken, tut mir leid. Wäre er z.B. ein ausländischer Tourist, der sich einfach naiv durch die Straßen bewegt wäre es verständlich.

Aber nicht bei einem Mann, der hier schon lange lebt und womöglich jede Ecke kennt. Aber bitte sei mir nicht böse, dass ist halt meine Meinung.

„Ce n’est pas croyable!“, flüsterte eine raue Männerstimme, dann rief jemand „Boah, wirklich, unfassbar! Gib her!“
Ich würde komplett in Französisch bleibe . Das bringt dann auch mehr Stimmung. Wenn ich die Bedeutung wissen will, kann ich ja gut selber nachschlagen. Aber so ist es verwirrend. Oder spricht nur einer französisch und Manuel versteht den anderen? Aber das verwirrt zusätzlich.

Einen Namen bekam Manuel nicht aus seinem Kopf, den seines Schwagers Abutu. Der lungerte oft am Hafen bei den Arbeitern herum, um Karten zu spielen oder seine zwielichtigen Geschäfte zu betreiben. Er hätte den Goldfund trotz aller Vorsicht zufällig beobachten können. Warum war Abutu trotz der Nachmittagshitze aufgetaucht, gerade als Manuel zur Krankenstation aufbrach?
„Du hast Abutu nie gemocht – aber weißt du was? Abutu ist jetzt Teilhaber an dem Dorfladen seines Onkels! Meiner Schwester Moya geht es jetzt gut mit ihm, die sitzt nicht mehr im Dorf in einer kleinen Hütte! Und was machst du? Du tust so, als hättest du gar keine Verpflichtungen!“
Der Schwager taucht für mich zu spät auf. Es passt zwar zur Logik, dass er den Überfall begangen hat. Aber dadurch, dass ich erst jetzt etwas über ihn erfahre, wirkt das ganze nicht mehr so gut.

Wenn du den Konflikt zwischen beiden von Anfang an beschreiben würdest, brächte das einen Hauch mehr Dramatik in das Ende. Natürlich darf man die Fährte dann nicht zu früh auslegen. Ist schwierig, ich weiß.

Alternativ könntest du den Schwager natürlich ganz rausnehmen. Dann wäre es vielleicht nur eine Straßengang, die den armen Mann überfallen hat.

Sollte nicht jeder anständige, tatkräftige Mensch etwas erreichen können in einer Gemeinschaft, den Platz einnehmen, den er verdiente?

Ganz gleich welche Einflüsse sein Leben bestimmten – Manuel Bongesa, der Tagelöhner ohne Arbeit, fühlte sich als Spielball von Mächten, denen er ausgeliefert war. In seiner Umgebung, konnte er überall weitere menschliche Spielbälle beobachten, die hier Zementsäcke schleppten, dort ackerten, bauten, in Büros saßen; kämpften, stritten, lachten, liebten – alles nur, um einen Anteil von dem Glück zu erhaschen, das es überall auf der Welt gab, doch offensichtlich nicht für jeden.
Das dampft die ganze Problematik auf wenige Sätze ein. Sehr gelungen. Denn gerade darum geht es ja. Ob du im Leben Erfolg und Wohlstand erreichst hängt nun mal sehr wenig vom Fleiß ab. Sondern davon, auf welchem Fleck der Erdkugel man geboren wird. Ein starker letzter Absatz!

Nimm meine Kritik bitte nicht krumm. Trotz allem habe ich die Geschichte sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo @Rainbow Runner,

um am Anfang das Ende zu zitieren:

Nimm meine Kritik bitte nicht krumm. Trotz allem habe ich die Geschichte sehr gerne gelesen!
Auf keinen Fall nehme ich dir deine sachliche, freundliche Kritik krumm! :anstoss:

Ich freue mich wirklich, dass du den doch recht langen Text gelesen hast und den Kern der Geschichte, dieses schicksalhafte an die Armut Ausgeliefertsein so umfassend miterlebt hast!

Die reichsten 10% der Weltbevölkerung besitzen 3/4 des weltweiten Vermögens und sind zugleich für einen Großteil der Emissionen und damit dem Klimawandel verantwortlich.
Schon eine grausame Welt!

Vorab möchte ich bemerken, dass ich auch diesen Text sehr gut lesbar fand. Sauber gearbeitet und gut geschrieben. Wieder einmal konnte ich bei dir alles in einem Rutsch lesen.
Oh, vielen Dank dafür!

Vielleicht nicht ganz so extrem wie in einer Krisenregion, aber trotzdem schon lebensbedrohlich.
Ganz bewusst habe ich kein Kriegs- oder Krisengebiet gewählt: Das lenkt nur von der alltäglichen Armut ab, die eben nicht einer Ausnahmesituation geschuldet ist. Vielleicht dient die übliche Fokussierung auf besondere Zustände auch der Beruhigung des kollektiven Gewissens – ist eine Ausnahme, vorübergehend ...

Das ist jetzt einer meiner Kritikpunkte. Ich habe leider nicht verstanden, was du mit diesen Konstruktionen bezweckt hast. Beschreibung des Innenlebens? Stream of Consciousness? Vielleicht wolltest du damit auch mehr Atmosphäre in den Text bringen. Leider hat es bei mir genau zum Gegenteil geführt. Ich wurde aus der Geschichte gerissen, weil ich diese Abschnitte einfach nicht einordnen konnte.

Da triffst du einen wunden Punkt: Ich stand vor der Entscheidung dieses Element in den Text aufzunehmen und berechtigte Lesbarkeits-Kritik zu riskieren, oder etwas Ungewöhnliches auf ungewöhnliche Art zu beschreiben. Eigentlich sind die Vorgänge, die ich so darstelle, mit normalen Worten nicht erfassbar.
Beim ersten Einschub geht es um die kosmische Entstehung von Gold, dadurch die doppelte Bedeutung von "Himmelsgeschenk". Manuel sieht das religiös, der Erzähler sieht den physikalischen Hintergrund.
Natürlich spielt auch der Wunsch stilistisch etwas zu wagen eine Rolle, aber der sollte nicht Selbstzweck sein. Vielleicht macht dieser Gedanke die Sache für dich akzeptabel oder gar interessant?

lässt sich einfach überfallen.
Das ist etwas anders: Er versucht eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen, nimmt den Fußmarsch notgedrungen auf sich. Kommt das nicht rüber, dass er keine Wahl hat?


Ich würde komplett in Französisch bleibe . Das bringt dann auch mehr Stimmung. Wenn ich die Bedeutung wissen will, kann ich ja gut selber nachschlagen. Aber so ist es verwirrend. Oder spricht nur einer französisch und Manuel versteht den anderen? Aber das verwirrt zusätzlich.
Einer der Täter fällt in der Erregung in seine Muttersprache zurück – dann musste ich entscheiden, ob ich dem Leser das Nachschlagen zumute (und ihn aus dem Text entlasse) oder möglichst unauffällig die Übersetzung liefere. Weiß nicht, bin noch unschlüssig.

Es passt zwar zur Logik, dass er den Überfall begangen hat.
Der Leser soll mit Manuel die Unsicherheit über die Täterschaft teilen. Einiges spricht schon dafür, aber ohne Beweise ...
Wenn man den Schwager ganz rausnimmt, geht zu viel psychologische Dynamik verloren.

Ist schwierig, ich weiß.
Ja, es ist erstaunlich, wie viel Arbeit so ein paar Seiten Text machen können. Ich habe mir das jetzt nochmal angesehen: Manuel meidet Abutu, weil er zwielichtigen Geschäften nachgeht. Der Abutu taucht dann auf, als die Gold-Aneigungsbestrebungen von Manuel beginnen (indirekt taucht Abutu sogar früher auf – durch die Erwähnung des Rumtreibens am Hafen kann man schließen, dass er vielleicht auch am Hafen war, als Manuel das Gold fand).

Also: Ich muss das mit dem Französisch überprüfen und ob man den Abutu früher erscheinen lassen kann.
Die Einschübe riskier ich ...

Das dampft die ganze Problematik auf wenige Sätze ein. Sehr gelungen.
:bounce:
Freut mich besonders: Ich habe nämlich befürchtet, dies wird als belehrende Sequenz aufgefasst (theoretisch könnte man sich dieses Fazit selbst ableiten).


Ob du im Leben Erfolg und Wohlstand erreichst hängt nun mal sehr wenig vom Fleiß ab. Sondern davon, auf welchem Fleck der Erdkugel man geboren wird. Ein starker letzter Absatz!

Das trifft es! Entgegen der Versprechungen mancher geisteswissenschaftlichen Strömungen ist Fleiß keine Wohlstandsgarantie. Herkunft garantiert immer mehr das weitere Wohl- oder Nicht-Wohlergehen.

Herzlichen Dank für deine Zeit und Anregungen!

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Hallo @Woltochinon,


ich fühlte mich in deiner Geschichte eingetaucht, in eine israelische Hafenstadt Haifa oder Askalon. Mein Gehirn verknüpfte diese Geschichte mit einen biblischen Hintergrund.

Beim Schneider gab es nur wenig Arbeit, dann am späten Nachmittag einen Hühnerstall säubern – viel hatte er nicht erreicht.
Ich habe es so verstanden, dass es beim Schneider nur wenig Arbeit gab und er erst am späten Nachmittag woanders einen Hühnerstall säubern durfte. Frage mich dann aber, – warum du: Beim Schneider gab es nur wenig Arbeit. Keinen Punkt gemacht hast?

Einige Arbeiter entluden eine (schon) halbleere Barkasse, Hilfe würden sie ()wohl nicht mehr benötigen
Würde ich weglassen. Ich finde deinen Text etwas Adverb und Adjektiv lastig. Ist sicher Geschmackssache.

Manuel Bongesa zog die Sandalen aus, er hatte sie aus einem abgefahrenen Motorradreifen hergestellt
Tolle Idee, so funktioniert Recycling.
hob seinen linken Fuß – ein kleiner Schritt für einen Mann … und stellte ihn auf das Goldstück. Es war als hätte er, wie einer der alten Entdecker, neues Land betreten, einen Kontinent in Besitz genommen, einen Kontinent voller ungeahnter Möglichkeiten, voll neuer Wege und Aussichten: Vielleicht ein kleines gebrauchtes Motorrad, auf alle Fälle die Nähmaschine von der er schon so lange träumte, seine Tochter in grauer Schuluniform –
So viel Hoffnung.
Ungeheurere Staubmassen, wabernd, irgendwo im Dunkel Kraft – klein beharrlich, zäh und ziellos, dann: kollabierender Strudel, Masse. Zirkulierend, rotierend – nur noch ein Gesetz, ein Vorhaben, ein Zweck im Zwecklosen: Gieriges Aufsaugen, ein ‚An sich Reißen‘, zweier Giganten, bis dieses ungeheuerliche, unvorstellbare Ungetüm unter seiner Last zusammenbrechend glutheiß reagiert, sich selbst aufbrauchend, dann, in die gleichgültigen Äonen aberwitzige Energie ausspeiend, auseinanderfällt, auseinanderreißt, auseinanderbricht, rasender Taumel, Energieexzess, glutbrütend, Element schleudernd, Himmelskörper bombardierend – anreicherndes, verdichtendes Materiespektakel.
Willst du damit beschreiben, was in ihm vorgeht? Ich fand es irritierend.

Natürlich, ihr jungen Leute zu wenig trinken, unnötig in Hitze laufen! Ich Sand wegschmeißen?“
Hier war ich irritiert, würde ich weglassen.
Mama Rodriguez kümmerte sich um das Getränk, aus ihrer Erfahrung wusste sie: Wasser trinken ist eigentlich immer eine gute Sache – wie der Bursche geguckt hatte … diese Augen
Ebenso hier, denn bis jetzt bin ich von einem ich Erzähler ausgegangen.
Misstrauens-Schlangenbrut, sich windend, beißend, tausendköpfiges Rumoren, Seele zerfressendes, Hoffnung lähmendes Gift. Urangst, Paranoia, phlegmatische Paralyse, zermürbende Zerrüttung – Enttäuschungs-Elend: Endlos drehende, wirbelnde Unglücksobsession.
Das mag alles in seinem Kopf vor sich gehen. Doch mir ist das zu viel.
Eine erstickende Schwüle füllte ihre kleine Hütte, die kaum auszuhalten war – oder erdrückte ihn nur seine Mutlosigkeit, sein quälender Vorwurf, das erfahrene Glück verpasst zu haben?
Was ist denn nun besser, das Glück für kurze Zeit in Händen zu halten und Träumen zu dürfen, von einer besseren Zukunft oder diese Träume nie zu haben?
Du hast Abutu nie gemocht – aber weißt du was? Abutu ist jetzt Teilhaber an dem Dorfladen seines Onkels! Meiner Schwester Moya geht es jetzt gut mit ihm, die sitzt nicht mehr im Dorf in einer kleinen Hütte! Und was machst du? Du tust so, als hättest du gar keine Verpflichtungen!“
Des einen Glück, des anderen Leid!
Andere waren schnell bereit, die Tiere schmerzhaft mit Stöcken anzutreiben. Da man ohnehin bis zur Beladung warten musste, war dies eigentlich unnötig, es schadete den Eseln mehr als es nutzte.
Da kann man zwei Esel sehen. (Wobei der geschlagene Esel wohl der Klügere ist)
Eigentlich sollte das Wohlergehen von Mensch und Tier vom Zufall, der Gunst anderer, unabhängig sein. Goldfund hin oder her – auch ohne einen Glücksfall musste ein sorgenfreies Leben möglich sein! Sollte nicht jeder anständige, tatkräftige Mensch etwas erreichen können in einer Gemeinschaft, den Platz einnehmen, den er verdiente?
Leider führt sozialkritisches Denken nicht zum Erfolg.
Ganz gleich welche Einflüsse sein Leben bestimmten – Manuel Bongesa, der Tagelöhner ohne Arbeit, fühlte sich als Spielball von Mächten, denen er ausgeliefert war. In seiner Umgebung, konnte er überall weitere menschliche Spielbälle beobachten, die hier Zementsäcke schleppten, dort ackerten, bauten, in Büros saßen; kämpften, stritten, lachten, liebten – alles nur, um einen Anteil von dem Glück zu erhaschen, das es überall auf der Welt gab, doch offensichtlich nicht für jeden.
Würde diesen letzten Absatz weglassen.

Mir hat dein Text gut gefallen. Was benötigt der Mensch zum Glücklichsein?
Wir arbeiten immer mehr, um uns immer mehr kaufen zu können und immer weniger Freizeit zu haben …
War Manuel vor seinem Fund nicht glücklicher! War er zunächst ein Fatalist, um dann sein Leben zu hinterfragen?

Vielleicht sind ja meine Gedanken zu etwas nütze.
Liebe Grüße
CoK

 

Hallo @CoK,

ich bin schon so lange bei den Wortkriegern – es ist immer wieder überraschend, wie verschieden eine Geschichte gelesen wird und was die Kritiker alles entdecken, für das man selbst keine 'Antenne' hatte. Herzlichen Dank für deine vielen Anmerkungen!

ich fühlte mich in deiner Geschichte eingetaucht, in eine israelische Hafenstadt Haifa oder Askalon. Mein Gehirn verknüpfte diese Geschichte mit einen biblischen Hintergrund.
Da mein Text nicht in einem speziellen Land spielt, ist der Nahe Osten als Ort möglich, es fehlt dort aber an einem großen Fluss.
Das Biblische war keine Absicht, doch gewisse Überschneidungen zu einer alttestamentarischen Lehrgeschichte hat der Text durchaus, weil es um ein allgemeingültiges Prinzip, dargestellt an einer Person geht. Ein interessanter Hinweis!


Ich habe es so verstanden, dass es beim Schneider nur wenig Arbeit gab und er erst am späten Nachmittag woanders einen Hühnerstall säubern durfte. Frage mich dann aber, – warum du: Beim Schneider gab es nur wenig Arbeit. Keinen Punkt gemacht hast?
Den Punkt habe ich unterlassen, weil das Geschehen für Manuel kontinuierlich ist: Einfach ein Tag mit wenig erfolgreicher Arbeitssuche, von morgens bis abends. Dass du sogar auf Punkte achtest! :thumbsup:

Einige Arbeiter entluden eine (schon) halbleere Barkasse, Hilfe würden sie ()wohl nicht mehr benötigen
Würde ich weglassen. Ich finde deinen Text etwas Adverb und Adjektiv lastig. Ist sicher Geschmackssache.

Guter Hinweis, "schon" habe ich gestrichen, "wohl" nicht, da es sonst nicht richtig klar ist, dass er das nur vermutet.

Tolle Idee, so funktioniert Recycling.
Ich gebe das Lob an die Leute weiter, die sich tatsächlich in dieser Weise behelfen.

hob seinen linken Fuß – ein kleiner Schritt für einen Mann … und stellte ihn auf das Goldstück. Es war als hätte er, wie einer der alten Entdecker, neues Land betreten, einen Kontinent in Besitz genommen, einen Kontinent voller ungeahnter Möglichkeiten, voll neuer Wege und Aussichten: Vielleicht ein kleines gebrauchtes Motorrad, auf alle Fälle die Nähmaschine von der er schon so lange träumte, seine Tochter in grauer Schuluniform –
So viel Hoffnung.
"ein kleiner Schritt für einen Mann" – eine kleine Anspielung auf die Mondlandung, schließlich kommt das Gold (ursprünglich) aus dem Weltall.
Tja, in dieser Phase ist Manuels Welt plötzlich voller Möglichkeiten ...

Ungeheurere Staubmassen, wabernd, irgendwo im Dunkel Kraft – klein beharrlich, zäh und ziellos, dann: kollabierender Strudel, Masse. Zirkulierend, rotierend – nur noch ein Gesetz, ein Vorhaben, ein Zweck im Zwecklosen: Gieriges Aufsaugen, ein ‚An sich Reißen‘, zweier Giganten, bis dieses ungeheuerliche, unvorstellbare Ungetüm unter seiner Last zusammenbrechend glutheiß reagiert, sich selbst aufbrauchend, dann, in die gleichgültigen Äonen aberwitzige Energie ausspeiend, auseinanderfällt, auseinanderreißt, auseinanderbricht, rasender Taumel, Energieexzess, glutbrütend, Element schleudernd, Himmelskörper bombardierend – anreicherndes, verdichtendes Materiespektakel.
Willst du damit beschreiben, was in ihm vorgeht? Ich fand es irritierend.
Diese Einschübe sind ein stilistisches Wagnis. Ich suche nach Ausdrucksformen die das Unbeschreibbare annähernd Beschreiben. Es geht um einen kosmischen Prozess (Goldentstehung im Weltall, Neutronensternverschmelzung), eine physiologische Extremsituation ('Glückstaumel') und psychische Qual ('Misstrauen, Ausgebrannt-Sein'). Klar, das ist schwierig, aber nicht Selbstzweck. (Einen Innovationspreis werde ich dafür nicht bekommen).:D


Natürlich, ihr jungen Leute zu wenig trinken, unnötig in Hitze laufen! Ich Sand wegschmeißen?“
Hier war ich irritiert, würde ich weglassen.
Mama Rodriguez kümmerte sich um das Getränk, aus ihrer Erfahrung wusste sie: Wasser trinken ist eigentlich immer eine gute Sache – wie der Bursche geguckt hatte … diese Augen
Ebenso hier, denn bis jetzt bin ich von einem ich Erzähler ausgegangen.
Ich denke, das mit dem Sand geht in Ordnung: Sie wiegt, er braucht Wasser, sie fragt sich (nach der Unterbrechung durch das Getränk), was sie mit dem Sand machen soll.
Du hast recht, da ein Erzähler berichtet, muss ich bei den Augen etwas ändern, mach ich.

Eine erstickende Schwüle füllte ihre kleine Hütte, die kaum auszuhalten war – oder erdrückte ihn nur seine Mutlosigkeit, sein quälender Vorwurf, das erfahrene Glück verpasst zu haben?
Was ist denn nun besser, das Glück für kurze Zeit in Händen zu halten und Träumen zu dürfen, von einer besseren Zukunft oder diese Träume nie zu haben?
Ohne Goldfund würde es Manuel besser gehen (denk ich). Wenn man einmal (um das von dir erwähnte Biblische anzusprechen) vom Baum der Erkenntnis genascht hat, ist es schwer, den Mangel an Möglichkeiten zu akzeptieren.

Andere waren schnell bereit, die Tiere schmerzhaft mit Stöcken anzutreiben. Da man ohnehin bis zur Beladung warten musste, war dies eigentlich unnötig, es schadete den Eseln mehr als es nutzte.
Da kann man zwei Esel sehen. (Wobei der geschlagene Esel wohl der Klügere ist)
Das stimmt, trotz der ernsten Situation sind die zwei Esel eine amüsante Vorstellung.

Leider führt sozialkritisches Denken nicht zum Erfolg.
Ja, ohne praktische Konsequenzen hilft keine noch so gute Theorie. Eigentlich banal, in der Praxis leider immer noch relevant.


Ganz gleich welche Einflüsse sein Leben bestimmten – Manuel Bongesa, der Tagelöhner ohne Arbeit, fühlte sich als Spielball von Mächten, denen er ausgeliefert war. In seiner Umgebung, konnte er überall weitere menschliche Spielbälle beobachten, die hier Zementsäcke schleppten, dort ackerten, bauten, in Büros saßen; kämpften, stritten, lachten, liebten – alles nur, um einen Anteil von dem Glück zu erhaschen, das es überall auf der Welt gab, doch offensichtlich nicht für jeden.
Würde diesen letzten Absatz weglassen.
Warum? Ich hatte Bedenken, dass dies zu viel 'Tell' ist. Da ich bei einem Text mit reinem 'Show' ziemlich auf die Nase gefallen bin, schrecke ich nicht mehr vor 'Tell' zurück. Aber ich finde die Aussage ziemlich essentiell: Es geht eben nicht nur um Manuel, sondern um einen sozialen Wirkmechanismus (graduelles Ausgeliefertsein), der in verschiedener Ausprägung viele Menschen betrifft.

Mir hat dein Text gut gefallen.
Danke, weiß ich zu schätzen, immerhin trotz der schwierigen Passagen ... :)
War Manuel vor seinem Fund nicht glücklicher! War er zunächst ein Fatalist, um dann sein Leben zu hinterfragen?
Na ja, manche sagen, nur Dumme können glücklich sein, vielleicht trifft es 'was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß', besser. Andererseits: Ohne eine gewisse kritische Erkenntnis gibt es auch keine Veränderung.


Vielleicht sind ja meine Gedanken zu etwas nütze.

Ich hoffe, du hast gemerkt, dass sie nützlich waren!?
Danke fürs Lesen dieses doch recht langen Textes, deine Zeit und die Anregungen.

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

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