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Noah, der Deutsche

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02.01.2011
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Noah, der Deutsche

1

»D-Die Amerikaner«, sagt Tarek, und blickt vom flackernden Fernsehbildschirm auf, »i-ich will, dass die Amerikaner kommen!«
Ständig redet Tarek von den Amerikanern. Dass es das Größte wäre, gegen die Amerikaner zu kämpfen, hier, auf muslimischem Boden. Wir sind nicht mal seit drei Monaten raus aus Deutschland, und trotzdem bin ich fast erschrocken, wie sehr sich Tarek verändert hat. Nichts mehr übrig von dem schüchternen, blassen Jungen, dem neben mir in der Schule der Schweiß ausgebrochen ist, wenn ihn die Lehrerin aufgerufen hat; nichts mehr übrig von dem Counterstrike-Zocker, dem Kiffer, der sich bei jeder Gelegenheit über seinen Vater aufregt, wenn der ihm mal wieder ’ne Standpauke gehalten hat, wenn der ihm mal wieder gesagt hat, dass er doch endlich mal sein Leben auf die Reihe kriegen soll, dass er sich ’ne ordentliche Ausbildung suchen soll und das alles.
Jetzt liegt Tarek neben mir, auf dem Teppichboden, in seinem blauen, arabischen Gewand, mit dem schwarzen Tuch um den Kopf gebunden, und zappt durch die Fernsehsender, von denen wir nur einzelne arabische Fetzen verstehen.
»D-Die A-Amerik-kaner«, sagt Tarek wieder, deutet auf den Fernseher und beginnt dabei, diebisch zu grinsen. Bloß das Stottern hat ihm Allah, subhanahu wa ta’ala, noch gelassen, denke ich mir, dann drehe ich mich auf die Seite, ziehe mir die Decke über die Schultern und schließe meine Augen.


2

Nachts bombardieren die Amerikaner. Die Explosion kommt sehr unerwartet – der Knall reißt uns alle schlagartig aus dem Schlaf: Das ganze Haus wackelt, die Fensterscheiben platzen, Glas, Staub und heiße Asche fliegen uns sofort um die Ohren. Der Einschlag muss sehr nah gewesen sein, das ist mir gleich klar. Als Tarek und ich zehn Minuten später zum Fenster robben, sehen wir das zerstörte Haus am Ende der Straße; das ganze Gebäude ist ein einziger Schutthaufen, grelle Flammenzungen lecken aus den Trümmern hervor, zwischen Stahlträgern und einzelnen, noch stehenden Wänden. Jetzt rennen unten die ersten Leute auf die Straße, weißhaarige, alte Irakis und hysterische Frauen, die vor lauter Schreck vergessen haben, sich das Haupt zu bedecken; sie fluchen und schreien, schlagen sich die Hände über dem Kopf zusammen – ich winke ihnen zu, dass sie wieder reingehen sollen, rufe in meinem schlechten Arabisch: »Yallah, yallah, bayt, bayt!«, aber sie verstehen es nicht; jederzeit kann noch eine zweite Bombe einschlagen – vor ein paar Wochen haben die Amerikaner gewartet, bis die ersten Frauen auf die Trümmer gestiegen sind, um nach ihren Verwandten zu graben – und dann haben sie die zweite, die heftigere Bombe abgefeuert, die Schweine, die Kufar.
Ein Dutzend Alte und Frauen sind in dieser Nacht gestorben.

»D-Die Amerikaner!«, sagt Tarek wieder, diesmal mit weit aufgerissenen, irren Augen; jetzt kommt auch der Pakistani ans Fenster gerannt, der sich mit uns das Zimmer teilt, und ich sage zu Tarek, dass er keine Angst haben braucht, dass Allah, subhanahu wa ta’ala, den Zeitpunkt bestimmen wird, an dem wir sterben, dass auf uns der Himmel wartet, dass wir direkt ins Paradies kommen, dass Gott die liebt, die sich für ihn hingeben. Ich spule das alles so herunter, wie es mir Ibrahim Caftici gelehrt hat, damals, vor Jahren, in unserer Hinterhof-Moschee in Mönchengladbach; und während all die Worte aus meinem Mund laufen und sich mein Atem langsam wieder beruhigt, starre ich weiter auf das brennende Haus: Ich rieche den schwarzen Dunst des Feuers, ich höre die Schreie der weißhaarigen Irakis, der aufgebrachten Frauen – diese hohen, verbitterten Schreie, ich spüre die Hitze auf meinem Gesicht.


3

Es fallen keine weiteren Bomben mehr. Nach zwei Stunden legen wir uns wieder auf den Boden und wollen etwas schlafen, aber es geht nicht: Die Fensterscheiben sind hinüber und es ist kalt, stinkend und laut: Kalt, wegen der frischen Nachtluft, die durchs kaputte Fenster zieht, stinkend, wegen der ganzen Asche, die in unserer Wohnung hängt, und laut, wegen den Menschen, die auf den Trümmern stehen, die schreien, fluchen, flehen; und auch laut wegen den Drohnen, die immer nach den Bomben kommen: Sie kreisen jetzt direkt über uns, mit diesem Surren, diesem alles durchdringenden, monotonen Surren. Wir wissen nie, was die Amerikaner mit ihren Drohnen da oben vorhaben, wir wissen nie, wann die nächste Bombe fällt. Ich schalte den Fernseher ein und lasse ihn die ganze Nacht laufen, es ist das Einzige, was wirklich gegen dieses gottverdammt Surren hilft. Gegen die Kälte, die durch die kaputten Fenster zieht, und den Ruß und den Rauch, der in unserer Wohnung hängt, können wir nichts machen, außer uns unsere Decken bis zur Nase hochzuziehen.
Ich kriege kein Auge zu.


4

Am nächsten Morgen steht Abu al-Chattab vor uns, dieser Bär von einem Mann, breit grinsend und mit frischem Fladenbrot und Kiri-Käse in den Händen.
»Alles gut? Wie geht’s?«, fragt er mich mit seinem bosnischen Akzent, als ich noch unter meiner Decke auf dem Boden liege. Ich erzähle ihm vom Angriff letzte Nacht, und ob er das zerstörte Haus gesehen hätte. Abu al-Chattabs Grinsen verschwindet. Er holt tief Luft, schüttelt den Kopf, und dann zitiert er einen Koranvers auf Arabisch, den ich nicht kenne.
»Wir los müssen«, sagt er schließlich, »geben viel zu tun heute, much work


5

Ich war noch nie an der Front. Nachdem wir die türkische Grenze bei Kilis passiert hatten, haben sie mich und Tarek vier Wochen lang in so ein Ausbildungslager gesteckt. In den ersten beiden Wochen haben wir den Koran gelesen, in den letzten beiden gelernt, wie man schießt, wie man kämpft – hauptsächlich an »der Russischen«, an der Kalaschnikow: wie man sie auseinander- und zusammenbaut, wie man mit ihr auf fünfzig Meter Entfernung einem Mann das Gehirn aus dem Schädel schießt, wie man mit der Schulterstütze zuschlagen muss, um zu töten.
Nach diesen vier Wochen ist Abu al-Chattab auf mich zugekommen, weil er davon gehört hatte, dass ich drei Semester lang Maschinenbau studiert habe, in Aachen – »Deutschland«, »studiert«, dann noch etwas mit Maschinen: Das beeindruckt hier. Tarek war damals schon nicht mehr Tarek – er hieß fortan Abu Nuh al-Almani, »Abu Noah, der Deutsche«, und ging gleich los, an die Front, um Gottes Willen zu vollstrecken, um gegen die Ungläubigen, die Kufar, zu kämpfen, um die Muslime vor ihren Schlächtern zu beschützen, vor Assad und den Amerikanern.
Ich habe keine Angst davor, zu sterben – denn alhamdulillah, inschallah, wenn meine Absicht rein ist, dann sterbe ich für Allah. Der größte Beweis, dass du Allah liebst, sagt Gott im Koran, ist der Dschihad. Und ein guter Muslim liebt Allah mehr als sich selbst, ein guter Muslim liebt Allah mehr als sein Essen oder seinen Schlaf, oder seinen Körper oder sein Leben.
Und ich will ein guter Muslim sein, ich will Gutes tun.


6

Ich bin mir sicher, dass der Westen die Muslime unterdrückt. Nicht diese Wischi-waschi-Muslime, die lieber Schweinefleisch fressen und Alkohol trinken, anstatt in die Moschee zu gehen – sondern die echten Muslime, die wahren Gläubigen, die so leben wollen, wie der Prophet es vorgelebt hat.
Wieso sonst hat der Direktor Tarek und mir in der Oberstufe keinen Gebetsraum gegeben? Wieso sonst wurde Tarek gleich mit von der Schule verwiesen, obwohl es bloß ich gewesen war, der jeden Tag um 12 Uhr seinen Gebetsteppich im Klassenzimmer ausgebreitet hat? Wieso sonst werden überall auf der Welt Muslime erschossen, Muslime von Drohnen weggebombt? Wieso sonst ist der Westen in den letzten hundert Jahren mehr als fünfzig Mal in muslimische Länder einmarschiert? Wieso sonst sind unter Bush und Blair eine Millionen Muslime getötet worden?
Ich hasse die heuchlerische Art des Westens, wie er von Freiheit redet; aber was Freiheit wirklich bedeutet, davon hat der Westen keine Ahnung: Freiheit bedeutet eben nicht, alles tun und lassen zu können, was man will, sondern Freiheit bedeutet, frei von weltlichem Verlangen zu sein, frei von der Gier zu sein: der Gier nach Sex, nach Geld, nach Besitz, nach Status. Freiheit bedeutet, nur für Gott leben zu können. Freiheit bedeutet, für Gott sterben zu können, wenn man das will.
Ich weiß, dass wir siegen werden. Die USA sind keine Supermacht, Gott ist eine Supermacht. Und egal, wie viele Drohnen die Ungläubigen, die Kufar, uns noch auf den Hals hetzen, egal, wie viele unserer Frauen und Kinder sie töten – wir werden siegen. Da bin ich mir ganz sicher. Das Leben ist ein Test, bei dem wir Gott zeigen müssen, dass wir wahre Muslime sind, dass wir so leben, wie er es uns im Koran vorgeschrieben hat. Ich fürchte den Tod nicht, ich fürchte bloß die Hölle, in die ich einkehren werde, wenn ich jetzt kein guter Muslim bin.
Gott ist mit uns, ich spüre es jeden Tag, und das ist alles, was zählt.


7

Wir fahren mit Abu al-Chattabs Toyota aus der Stadt raus, durch karges, felsiges, ödes Land, bis wir schließlich in diesem kleinen Ort ankommen. Ich sitze die ganze Zeit auf dem Rücksitz, neben Tarek, und habe nichts Besseres zu tun, als ihn zu beobachten; er hat sich verändert, seitdem ich ihn vor ein paar Wochen das letzte Mal gesehen habe, im Trainingscamp, da bin ich mir ganz sicher. Die ganze Fahrt über habe ich darüber gegrübelt, was es denn genau ist, das sich so sehr an ihm verändert hat: Ist es seine neue, gerade, selbstbewusste Haltung, oder der dichte, schwarze Vollbart? Als wir im Ort ankommen und vor einer kleinen Scheune aussteigen, fällt es mir auf: Es ist sein Blick, es ist dieses diebische Grinsen; da ist irgendetwas an ihm, das neu ist, das irgendwie nicht zu Tarek gehört, das mir vorkommt, als sei es wie ein Dschinn, wie ein schlechter Geist, der in ihn eingekehrt ist, und der von ihm Besitz ergriffen hat. Tarek grinst, kratzt sich an der Nase, dann blickt er mich an, mit diesem neuen, mit diesem unheimlichen, wahnsinnigen Blick.
»Alles klar bei dir, Mann?«, sagt er zu mir. »Glotzt mich aber heute ganz schön komisch an«, sagt er, dann lacht er, und ich lache mit.


8

Abu al-Chattab ist von der Medienabteilung des Kalifats, und da gibt es diesen einen Panzer, einen amerikanischen Abrams, den die Brüder voriges Jahr bei der Einnahme von Mossul erbeutet haben; Mann, war das eine Aktion: 300 Mudschahidin stürmen auf Mossul zu, und zwanzigtausend dieser schiitischen Feiglinge rennen Hals über Kopf aus der Stadt, und lassen uns all das Gerät da, all die Panzer, all die Gewehre und Raketen. Nur dumm, dass das Kalifat viel zu wenige Panzerfahrer hat, es dürften nur eine Handvoll sein, und die sind alle im Kampf, in Kobane und bei Homs; aber Abu al-Chattab will der Welt zeigen, dass wir eine schlagkräftige Armee sind, dass wir ’ne Menge Panzer haben, die wir auch fahren können – deswegen hat er mich dazu abkommandiert, dass ich herausfinde, wie man dieses verdammte Ding fährt, damit wir ein kleines Video drehen können, für das Internet, ich habe das ja drei Semester lang studiert, Maschinen. Einen Bruder sollte ich mir noch aussuchen, der das Geschütz steuert, und da in meiner Einheit kaum einer Englisch oder Deutsch spricht, ist mir auf die Schnelle kein anderer als Tarek eingefallen – der war am Anfang natürlich ganz schön angepisst, weil er hier weg von seiner Einheit ist; aber als ihm Abu al-Chattab gesagt hat, der Kalif höchstpersönlich hätte das angeordnet, und Allah, subhanahu wa ta’ala, würde ihm seine Verdienste hinter der Front hoch belohnen, da hat er sich damit abgefunden.


9

Zum Glück ist es wolkig. Bei bedecktem Wetter kommen keine Bomben, die Amerikaner sehen nichts durch die Wolkendecke hindurch, und so tief fliegen, dass sie etwas sehen könnten, trauen sich diese Feiglinge dann doch nicht.
Der Panzer steht in der Scheune, ’ne Menge Benzin-Kanister stehen daneben, genug, dass wir einmal nach Kobane und zurück fahren könnten.


10

Wir bekommen das mit dem Panzer nicht hin. Das Ding springt an, aber irgendetwas stimmt mit der Lenkung nicht, ich kann immer nur geradeaus fahren. Abu al-Chattab ist ganz schön verärgert. Er und zwei andere Brüder, die hier beim Panzer stationiert sind, wollen endlich filmen, draußen, in den Sanddünen, aber es geht nicht, wir kommen nicht mal aus der Scheune raus. Die Stimmung ist gereizt, Abu al-Chattab brüllt irgendetwas auf Bosnisch, das ich nicht verstehe, dann wirft er die Kamera durch die Gegend und stampft davon.

Später beten wir und essen wieder Fladenbrot mit Kiri-Käse, dazu gibt es für jeden eine Flasche Pepsi, die kriegt man hier trotz des Krieges an jeder Straßenecke. Als es dämmert, fahren wir zurück in die Stadt, ohne auch nur eine Minute gedreht zu haben. Niemand sagt ein Wort, bloß die Naschids, die islamischen, hypnotischen A-capella-Gesänge, schallen aus dem Autoradio.


11

Als wir zurück nach Mossul kommen, herrscht dort großes Treiben. Überall Leute, die Straßen sind voll mit Autos und Motorrädern, fast jeder Laden hat noch geöffnet; Eis, Kaffee, Nüsse, Rosinen und Trockenfrüchte gibt es zu kaufen. Das ist nicht ungewöhnlich für einen Tag wie heute, an dem die Wolken so dicht über uns hängen, dass die Leute keine Angst haben, auf die Straßen zu gehen; plötzlich bleiben wir im Verkehr stecken.
Eine aufgebrachte Menschentraube hat sich drei Autos vor uns gebildet. Abu al-Chattab steigt aus und läuft in Richtung der Menschentraube, und als er zwei Minuten später nicht wieder da ist, steigen auch Tarek und ich aus. Sofort sehe ich den Typen, der auf der Ladefläche des weißen Pick-Up-Vans inmitten der Menschenmasse steht: ein schwarzhaariger, dünner Kerl, in meinem Alter, mit zugeschwollenem, blaugeschlagenem Gesicht; seine Arme sind seitlich ausgestreckt und mit Kabelbindern an eine Holzlatte gebunden, und sein Blick ist müde nach unten gerichtet, auf seine Füße. Ein Kurde, ein YPG-Kämpfer, denke ich gleich. Auf dem Van stehen auch noch fünf, sechs andere Jungs, ganz in schwarz gekleidete Kämpfer, Mudschahidin , mit Sturmmasken und Kalaschnikows, die sie in die Luft strecken. Einer der Mudschahidin hat das Mikrofon in der Hand, er heizt die Menge an. Ich verstehe bloß einzelne Worte, Worte wie: »Kurde«, »Kobane«, »Abtrünniger«, »Allah«, »tot«, und »Allahu akbar!«
Die Menge pfeift und klatscht, immer wieder strecken sie ihren Zeigefinger in die Höhe – der islamische Gruß, der bedeutet, dass man nicht vergessen soll, dass dort oben jemand ist, im Himmel; viele Kinder und Halbstarke sind dabei, auch einige Alte, keine Frauen; manche sind eifriger und steigen auf die »Takbir!«-Rufe des Vorsprechers ganz energisch mit »Allahu akbar!«-Schreien ein und strecken immer wieder den Finger nach oben – andere sind verhaltener, skeptischer, stiller, aber niemand verlässt den Platz.
Auch ich brülle mit, auch ich strecke meinen Finger nach oben, in Richtung Himmel, in Richtung Gott.
»Komm«, sagt Tarek auf einmal zu mir, »lass’ weiter vorgehen!«
Wir quetschen uns durch die Menschenmasse, und als wir schließlich fast in der ersten Reihe stehen, blicke ich noch einmal hoch zu dem Kurden, der auf dem weißen Pick-Up steht, der ganz blass auf seine Füße starrt, dessen Arme an die Holzlatte gebunden sind, und hinter dem schon einer der Mudschahidin mit seinem Messer herumspielt. Ich blicke diesem Kurden ins Gesicht, noch mal und noch mal, und auf einmal kommt mir da etwas vertraut vor, auf einmal habe ich das Gefühl, diesen Kerl schon mal gesehen zu haben, irgendwann, irgendwo; ich denke noch weiter darüber nach, dann tippe ich Tarek auf die Schulter und sage: »Sag’ mal, ist das nicht Boran
Jetzt blickt auch Tarek dem Kurden ins Gesicht.
»Scheiße«, sagt er, »ja, das könnte er sein, oder?«
Wir gehen noch ein Stück vor, und jetzt sind wir uns ganz sicher: Ja, das ist er, Boran, der Kurde aus der Oberstufe, der Basketball-Star unserer Schule, der Frauenheld; eine dieser Figuren, von dem die Mädchen im Pausenhof schwärmen, und mit dem jeder Typ befreundet sein will. Tarek und ich können es nicht fassen. Boran. Hier. In Mossul.
Plötzlich steht Abu al-Chattab neben uns.
»Ihr ihn kennen?«, fragt er uns in brüchigem Englisch, und nickt in Richtung des weißen Vans. Wir nicken, dann versuchen wir ihm klarzumachen, dass wir auf der gleichen Schule gewesen waren und das alles. Abu al-Chattab ist plötzlich ganz aus dem Häuschen. Sofort rennt er zurück zum Toyota, und zwei Minuten später steht er auch schon wieder neben uns, mit der Kamera in den Händen. Dann geht er vor, zu den Jungs auf dem Pick-Up, spricht mit ihnen, hebt die Kamera hoch und deutet auf uns.
»You will kill him«, sagt Abu al-Chattab, als er wieder vor uns steht, und grinst breit dabei. »You will kill him and I will film it.«
Ich schlucke. Ja, klar, wir werden ihn töten. Wir müssen ihn töten. Als ich hierher gekommen bin, war mir klar, dass ich töten werde. Um all meine Brüder und Schwestern zu schützen, vor dem Schlächter Assad und dem Bombenteufel Amerika. Boran, dieser Kurde, hat sich gegen uns gestellt, und wer gegen uns ist, muss sterben.
Ich weiß nicht, wieso ich jetzt an den alten tunesischen Imam denken muss, der in meiner ersten Moschee in Mönchengladbach gepredigt hat, noch vor meiner Zeit bei Ibrahim Caftici. Ich weiß nicht, wieso ich jetzt an all die Streite denken muss, die wir jungen Konvertiten damals mit diesem alten, tunesischen Imam hatten: Wir wollten die besten Muslime sein, wir wollten leben wie der Prophet höchstpersönlich, und deswegen haben wir uns Tag für Tag mit ihm angelegt, mit dem Imam: wegen der Digitaluhr, die im Gebetsraum hing, die aber in unseren Augen unislamisch war, weil der Prophet unmöglich selbst eine Digitaluhr benutzt haben kann; und hätte Gott gewollt, dass wir Digitaluhren benutzen, hätte sie der Prophet doch benutzt – er hat es nicht getan, also will Gott auch nicht, dass wir es tun, so einfach ist das. Wir haben uns auch wegen dem Schaf gestritten, das einige Gemeindemitglieder zur Feier unserer Konvertierung schlachten wollten, weil das unserer Meinung nach Bid’a war, ein neuer religiöser Akt, der in den Überlieferungen über das Leben Mohammads nicht vorkomme; und wir wollten doch genauso leben wie Mohammad, weil wir darin die einzige Chance gesehen haben, vor Gott nichts falsch zu machen, und mit Sicherheit ins Paradies zu kommen – und letztendlich haben wir uns täglich mit dem Imam gestritten, haben ihn als Heuchler beschimpft, haben ihm vorgeworfen, dass er kein wahrer Muslim sei – also sind wir rausgeflogen, aus der Moschee. Irre hat uns der Imam genannt, Wahnsinnige und Ungebildete, und ein Großteil der Gemeinde stand auch noch hinter ihm, hinter diesem Murtad, hinter diesem Abtrünnigen.
Aber das ist jetzt egal – denn jetzt sind wir hier, in Mossul, und Abu al-Chattab steht vor uns, und der graue Himmel spannt sich über uns, und die schnaufende, schreiende und schwitzende Menschenmasse steht hinter uns, vor uns, neben uns, und Boran, der Basketballer, ist fünf Meter vor mir auf dem Pick-Up, und jetzt blickt er mich an, und er ist kreidebleich, und Tarek und ich sind nicht mehr Tarek und ich, wir sind Abu Nuh al-Almani und Abu Musa al-Almani, und Abu al-Chattab steht vor uns und sagt, dass wir Boran töten sollen, und dass wir davor auf Deutsch sagen sollen, dass wir ihn kennen, dass auch wir früher Deutsche gewesen wären, aber dass wir nun zum Islam gefunden hätten, und dass alle deutschen Muslime es uns gleich tun sollen, und jedem die Kehle durchschneiden sollen, der sich gegen das Kalifat, der sich gegen Allah, subhanahu wa ta’ala, stellt.

Meine Beine werden weich und zittrig, ich stehe wie versteinert da. Plötzlich wird mir speiübel – aber nein, ich muss, ich will kämpfen, ich will Gutes tun; auch der Prophet ist in den Krieg gezogen, auch der Prophet hat das Schwert gegen seine Feinde gerichtet.
Als mein Studium immer schlechter lief, als ich die ganzen Berichte über das Kalifat und die Hinrichtungen gesehen habe, da war mir klar, was auf mich zukommt; da war mir klar, dass ich erst töten werden müsse, um dann ein gottgerechtes Leben führen zu können, im Kalifat, im einzigen islamischen Staat. Doch wieso muss es jetzt Boran sein, den ich töten muss? Wieso muss es Boran sein – Boran, der Schülersprecher, Boran, der einer der Wenigen gewesen war, die sich für meinen Gebetsraum eingesetzt haben? Boran, der mich immer nett grüßte, wenn wir im Gang aneinander vorbeigelaufen sind? Boran, Boran ...
»Was ’n los mit dir?«, sagt Tarek plötzlich von der Seite zu mir, er lacht, dann klopft er mir auf die Schulter. »Auf geht’s!«, sagt er. »Wollen wir dieses Schwein mal schlachten, oder?«
Ich nicke, sage: »Ja, los geht’s«, und dann klettern wir auch schon rauf, auf den Pick-Up; vor mir Abu al-Chattab, der jetzt die Kamera auf das Stativ setzt und sie auf uns positioniert, vor mir die aufgebrachte, schnaufende Menschenmenge – die Mudschahidin heizen ihnen jetzt wieder ordentlich ein, »Takbir!«, schreien sie, »Allahu akbar!«, schallt es zurück, »Takbir!«, »Allahu akbar!«
Jetzt wird es plötzlich still. Abu al-Chattab nickt uns zu, dann fängt Tarek das Reden an: Was er genau sagt, bekomme ich nicht mit, so schwindelig ist mir. Ich beiße mir auf die Zunge, krampfe meine Fäuste zusammen; all die Menschen, sie starren uns an, und ihre Gesichter sind nicht voller Hass oder voller Zorn oder Neugier, ihre Gesichter kommen mir vor wie die von Besoffenen: aufgedunsen, müde, zerschunden, mit glasigem Blick.
Als Tarek fertiggeredet hat, schauen alle auf mich. Aber ich schaue bloß Boran an, und auch sein Gesicht ist aufgedunsen, müde und zerschunden; aber seine Augen sind so grün und so stechend, wie sie schon immer gewesen waren.
Dann schüttelt Boran auf einmal den Kopf, atmet tief ein und blickt auf die Menschenmasse vor uns – und plötzlich kommt diese Stimme aus ihm heraus, diese tiefe, kräftige, bebende Stimme: »Ihr Schweine!«, schreit er auf Deutsch, und die Leute blicken sich fragend an, sie verstehen es nicht. »Ihr dreckigen Hunde! Das verzeiht euch Allah nicht! Allah liebt die, die Gutes tun! Allah liebt die, die Frieden stiften! Und Allah hasst euch Schlächter! Er hasst euch, ihr dreckigen Sadisten! Ihr werdet schon noch sehen, mit wem Allah ist! Ihr werdet schon sehen, was er euch antun wird, ihr –«
Plötzlich versagt Boran die Stimme, ich höre ihn neben mir röcheln, und als ich mich umdrehe, sehe ich Tarek, wie er breit grinsend das Messer in der Hand hält, wie er Boran an den Haaren hält und den Schnitt langsam und sauber durch seine Kehle führt; dunkles, schwarzes Blut strömt aus der Wunde, dann läuft es Boran auch aus dem Mund, er hustet, spuckt es heraus, zappelt herum – dann wird Boran ruhig und still, sein Körper sackt in sich zusammen, seine grünen, stechenden Augen drehen sich in den Schädel. Die Menge tobt, sie strecken die Finger wieder nach oben und schreien: »Allah! Allahu akbar!«
Tarek brüllt: »Takbir!«, »Takbir!«, und dann grinst er bis unter beide Ohren und hält das blutige Messer in Siegerpose hoch. »Takbir!«, schreit er, »Takbir!« – und da ist es wieder, dieses Neue an Tarek: diese diebisch-strahlenden Augen, die selbstbewusste Körperhaltung, das Blut an seinen Händen, auf seinem Gewand. Tarek schreit und die Menge tobt.


12

Ich gebe zu, ich kenne nicht den ganzen Koran. Aber das meiste. Ich kenne die Suren, die das Töten erlauben, ich kenne die Aussprüche über den Dschihad, über den Heiligen Krieg. Ich bin hierher gekommen, um ein besseres Leben anzufangen, um Buße zu tun, um all die Sünden meines früheren Lebens wiedergutzumachen. Ibrahim Caftici hat damals, in der Hinterhof-Moschee in Mönchengladbach, immer gesagt: Eine Stunde Dschihad auf dem Schlachtfeld sind mehr wert als 60 Jahre in der Moschee. Ich glaube ihm. Ich will ihm glauben. Ich laufe hin und her, in der Wohnung. Ich bete, lange und intensiv, aber dieses Gefühl in mir, es verschwindet nicht, es wächst weiter an, bringt mich um den Verstand. Ich sehe Boran vor mir, wie er mich mit seinem blaugeprügelten Gesicht ansieht; und dann sehe ich Tarek, wie er grinsend den Schnitt ansetzt, wie das ganze Blut da herausläuft, wie Boran röchelt, hustet, und schließlich sein eigenes Blut auskotzt. Ich laufe hin und her. Ich will ein guter Mensch sein, ich will ein guter Muslim sein. Ich will leben, wie es mir der Prophet vorgelebt hat, in einer rein islamischen Gesellschaft, fernab jeder westlichen Verführung. Ich will die Menschen vor Assad schützen. Ich will die Menschen vor ihren Schlächtern schützen.
Tarek bekommt nichts von alldem mit. Er liegt schon wieder in seiner Decke gehüllt vor dem Fernseher und schläft. Immer und überall einschlafen zu können, das lernt man an der Front, hat Tarek noch zu mir gesagt.
Ich frage mich, was er noch alles gelernt hat, an der Front.


13

Es vergeht keine Stunde, da fallen auf einmal wieder Bomben – grelles Licht blitzt für den Bruchteil einer Sekunde durch die kaputten Fenster, bumm, bumm, die Einschläge sind so laut, dass sie mir bis ins Mark fahren, das ganze Haus fängt zu Beben an; auf einmal steht Tarek vor mir, ganz aufgebracht – er packt mich am Arm und schreit: »Los! Raus! Raus hier!«
Wir rennen die Treppen hinunter, das ganze Haus wackelt so sehr, dass es uns gegen die Wände wirft. »Raus! Raus!«, schreit Tarek, die Beleuchtung des Treppenhauses flackert, erlischt – schließlich rennen wir durch Dunkelheit, bloß die Blitze der Bomben erhellen kurz das Treppenhaus.
Als wir schließlich im Erdgeschoss stehen, zittere ich am ganzen Körper – bumm! bumm!, eine Bombe nach der anderen schlägt vor uns, neben uns, über uns ein; Helligkeit, Dunkelheit, dieser Lärm, ich verstehe nicht, was Tarek sagt, ich sehe bloß sein Gesicht, seinen Mund, der sich bewegt, die weit aufgerissenen Augen – dann kracht es direkt über uns, und das ganze Haus bebt so arg, dass ich sofort auf dem Boden liege – und, ich weiß nicht, wie das möglich ist; ich weiß nicht, wie das sein kann, dass ich plötzlich wieder seine Stimme höre: Aber zwischen all diesem Donnern und dem Blitzen und Beben kann ich ihn wieder hören: Boran, mit seiner tiefen, kräftigen Stimme: »Ihr werdet schon noch sehen!«, brüllt er, »ihr werdet schon sehen!«, brüllt er, »ihr werdet –«

 

Hallo zigga,

ich bin durch die Empfehlungen auf diese Geschichte gestoßen und finde sind sind zurecht ausgesprochen worden. Die Geschichte ging mir echt unter die Haut, gerade weil die Bilder, die du beschreibst einem durch die Nachrichten so vertraut sind und sie hier plötzlich zum Greifen nahe sind.

Das einzige, was ich mir noch gewünscht hätte, wäre ein Bezug zu der Familie, immerhin hat der Erzähler diese ebenfalls zurückgelassen und vermutlich von dieser sich abgewandt, als er den Radikalismus auf den Leim ging, gerade das hätte mich interessiert, weil es ein solch unverständliches Verhalten ist.

Besonders gelungen fand ich den Abschnitt, indem du beschreibst, wie er sich vom friedlichen Islam abwendet, weil es ihm nicht weit genug geht. Er zeigt in meinen Augen gut, wie hoffnungslos es ist mit diesen Menschen umzugehen, haben sie erstmal begonnen sich in ihre Ideen reinzusteigern, denn es wirkt nicht so, als könnte irgendetwas in Deutschland den Erzähler zurückbringen, sondern es ist allein die extreme Konfrontation mit Boran, die ihn zum Nachdenken anregt.

Vielen Dank für diesen Lesegenuß,
Mitra

 

Hey Zigga,

du hast einiges an Lob bekommen, ich denke, du verträgst ein bisschen Genörgel meinerseits.

Mir hat die Geschichte nicht viel geboten, ich finde, sie ist eine sauber ausgearbeitete fiktive Reportage - weder die Charaktere noch ihr Handeln noch ihre Motivation wurden mir in dieser Geschichte nahe gebracht. Es hat auch nichts damit zu tun, dass sie Terroristen sind. Ich habe überhaupt nichts über diese zwei Menschen erfahren, nichts über ihre Wünsche und Träume und warum sie sich einem Gott unterwerfen, der zuvor in ihrem Leben keine Rolle gespielt hat und streng genommen immer noch keine Rolle spielt - sie haben sich einer terroristischen Organisation angeschlossen - aber warum diese Radikalität, das wird mir hier nicht überzeugend dargeboten.

Plakativ wird es dann, als sie einen Schulkameraden umbringen sollen. Ich denke, einen Menschen die Kehle durchzuschneiden würde deinen Erzähler auch prägen, dass es der Boran, der Basketballstar sein muss, ja - das ist dann over the top, ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, bisschen zu dramaturgisch eingegriffen, zu künstlich, zu gewollt.
Auch die Aussagen:

»Ihr dreckigen Hunde! Das verzeiht euch Allah nicht! Allah liebt die, die Gutes tun! Allah liebt die, die Frieden stiften! Und Allah hasst euch Schlächter! Er hasst euch, ihr dreckigen Sadisten! Ihr werdet schon noch sehen, mit wem Allah ist! Ihr werdet schon sehen, was er euch antun wird, ihr –«

Das fühlt sich nicht natürlich an. Ich habe hier das Gefühl, du willst die "guten" und die "bösen" Muslime darstellen, ohne aber die Religion irgendwie anzugreifen und deswegen brauchst du dann Baran und dieses Statement. Wie gesagt, es fühlt sich wie eine Reportage an, ich als Leserin bin da nie im Geschehen drin, ich weiß genau, mit welcher Intention die jeweiligen Abschnitte geschrieben worden sind. Ich finde gerade bei so politischen Texten ist es wichtig, dass sie auch mal bisschen weh tun, dass sie auf keinen Fall meine Meinung bestätigen dürfen. Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, dass du diese zwei Würstchen, vor allem so einen Tarek nicht als den Oberloser darstellst, sondern als charismatischen Typen oder dass sie sich in der Moschee nicht wegen einer Digitaluhr streiten, sondern andere essentielle Dinge wie Identität, Kultur, Verhalten verhandelt werden.

Kann auch sein, dass ich vielleicht zu sehr im Thema drin bin, als dass ich etwas Neues daraus mitnehmen kann, für mich ist das setting eben nicht exotisch, dementsprechend nicht ausreichend, um die Geschichte gut zu finden. "Hochbrisante" Themen sind für mich auch kein Gütekriterium einer Kg.
Die Geschichte hätte sich tatsächlich in der Hinterhofmoschee abspielen können, wenn die Figuren ambivalenter wären, ausgereifter, dem Leser schmerzhaft dieses westliche Paradoxon vor Augen geführt hätten, hätte ich möglicherweise mehr Gewinn daraus ziehen können.

 

Hi Kanji,

zuallerletzt herzlichen Glückwunsch zur Empfehlung.
danke

Zudem kam mir die Erinnerung an einen Film, den ich 2014 gesehen habe: "Good Kill" mit Ethan Hawke.
Ja, das ist ein krasser Film, ich kenne ihn auch ... wie er da tagsüber in seiner Box Leute aus Drohnen abknallt und abends mit seiner Familie am Esstisch sitzt. Sehr hart.

Ansonsten lese ich die gut geschriebene Geschichte und erfahre nichts, was ich nicht schon wusste. Das ist natürlich nicht so schlimm, aber ich hätte gerne. Ich hätte gerne hier erfahren, wie sehr es diese deutschen Muslime quält, um sich und andere töten zu wollen.

So erfahre ich lediglich ein weiteres Mal etwas über die Missverständnisse und den Wahnsinn.


Mhm, ja, ich wüsste gerade nicht, was ich darauf sagen soll :D Ist halt eine andere Geschichte, die du hier wünschst. Ich denke, wenn man schon sich ausreichend mit dieser Thematk auseinandergesetzt hat, kommt einem vieles hier bekannt vor - ich denke, bei Leuten, die das Thema lediglich aus den Nachrichten kennen, da ist noch mehr Potential für gebanntes Lesen.

Ich danke dir für deine Rückmeldung Kanji!


Hi Isegrims,

Sprachlich und dramaturgisch ist er hammergut, sehr dicht, ausgewogen, wohlüberlegt. Klar: auich gut recherchiert.Der Ich-Erzähler ist haarscharf getroffen, ein Junge, der sich selbst betrügt und am Ende womöglich aufwacht. Tarek und dieser Bosnier sind scharf und real gezeichnet. Alles super gemacht. Rextstellen habe ich mir keine einzige zweifelhafte notiert, Insofern glaube ich auch, dass es ein starker Text ist.
vielen Dank dir.

Dennoch ist der Text trügerisch, bietet ein klischeebehaftetes Erklärungsmuster, gerade weil er so gut recherchiert ist. Je näher diese reportagenhafte Handlung an eine potentielle Realität heranreicht, desto illusorischer wird er, weil er eben mit Mitteln der Literatur und nicht mit denen des Journalismus geschrieben ist, Man könnte den Text sogar gefährlich nennen, weil er versucht eine Wirklichkeit zu schildern, die es in den Details so wahrscheinlich nicht gibt und eher der Vorstellungskraft des Autors entspringt. .
Ja, mhm ... also ich weiß nicht, was ich zu dem Vorwurf der "Gefahr" sagen soll. Ich denke, dass sich das Ganze hier genau so abspielen könnte, in der Wirklichkeit. Ich halte auch das Radikalisierungsmuster bzw. die Figurenentwicklung für realistisch. Ich denke, so ein Text kann nur gefährlich werden, wenn man wirklich viele Details und viel Faktenwissen einbaut, und dann aber eine Aussage mit der Handlung trifft (also so etwas wie: Islam ist böse, alle Araber hassen den Westen, im Subtext, herausgehend aus der Handlung), die nicht die Realität ist - oder anders gesagt: die dem Leser eine verzerrte Realität darbietet. Ähnlich ist das bei z.B. 2. WK-Romanen, da gibt es die Landser-Heftchen, mit Storys, bei denen Krieg als Abenteuer, als Mannmachungserfahrung, als Härtetest dargestellt ist. Wenn man das mit 12 liest, gerade auch durch das viele Detailwissen und der Vorgabe, dass das "Realität" gewesen sei, denkt man sich: Ja, Krieg ist hart und Leute sterben ... aber es ist irgendwie reizvoll, cool, hart, gut.
Ich finde nicht, dass ich das in diesem Text mache. Die Hinrichtungen finden so statt, wie ich sie gezeigt habe, in der Bevölkerung gibt es den Teil, der pro IS ist und der, der gegen IS ist, der Westen spielt eine nicht unerhebliche Rolle bei Hass und Frustration in der Bevölkerung ... also das ist mein neutrales Bild, das ich mir gemacht habe. Klar, da steckt meine eigene Meinung drin. Aber ich finde das nicht verwerflich, ich sehe da ehrlich gesagt keine Gefahr, muss ich sagen.

Ja, die Klischees, ich muss da noch mal drübergucken. Den Figuren evtl mehr Eigenes geben. Ich schaue mal, was ich tun kann! Ich habe irgendwie ein Problem mit Klischees. Klar, ich will keine Abziehbildchen aus Figuren. Aber ein Teil von Klischees ist immer berechtigt, und manchmal denke ich mir, eine Figur muss auch (zumindest einen klitzekleinen) Anteil an Klischee haben, ansonsten wirkt sie zu aufgesetzt, zu unrealistisch. Klar, ich könnte hier auch einen ehemaligen Clown, der sich abends heimlich Frauenkleider anzieht zu IS schicken ...aber naja :D Du weißt schon, was ich meine. Aber ja. Deine Kritk ist angekommen.

Dann kommt die Teufelsfratze Tareks und die Hinrichtung und da haut es mich raus, kommt mir wie ein Effekt vor. Anstatt zart und nah zu bleiben, kommt es zum Fanal.

Das hast du noch geschrieben. Ja ... das Aufgesetzte dieser Szene haben schon viele bemängelt :D Ich finde halt, dieser innere Bruch in meinem Prot kann nur dann zustanden kommen, wenn der zu Tötende ein Gesicht, einen Namen hat, und nicht bloß ein x-beliebiger Feind ist.
Kubus und Achillus noch kurz, zu der Diskussion. Ich sehe das ähnlich wie ihr beide, dass egal welche Art von Text man "konstruiert", dass da so gut wie immer eine eigene Weltsicht/eine eigene Deutung der Realität drin stecken wird. Ich finde das auch nicht negativ, muss ich sagen. Genau das ist es doch, was Leute von einer Geschichte erwarten. Dass die ihnen die Welt "ordnet", dass sie ihnen eine Aussage, eine Konklusion bietet. Mein Text hat seine eigenen Schlussfolgerungen, ich fände es auch nicht verwerflich, wenn ein Text mit ähnlicher Thematik (und ähnlichen wirklichkeitstreuen Gegebenheiten) zu einer anderen Schlussfolgerung kommt. Solange man keine Gegebenheiten konstruiert und erfindet, solange das alles auf solidem "Boden" passieren lässt, sehe ich in keiner Konklusion eine Gefahr. Das, woran man jetzt beim Lesen meiner Sätze sofort denkt, ist natürlich z.B. eine rassistische Haltung gegenüber der Welt, eine rassistische Weltsicht. Aber wenn man eine (literarische) Geschichte schreibt, die zur Konklusion kommt, die meisten Araber seien Vergewaltiger, dann hat man als Autor eben nicht seine Hausaufgaben gemacht und ordentlich recherchiert. Also so sehe ich das.

Isegrims, ich danke dir vielmals fürs Lesen und Kommentieren!


Hey Fliege,

Jaja, so ein Kommentar geht natürlich runter wie Öl, das ist natürlich das, was man sich als Autor immer wünscht und dann fünfmal durchliest. :D Also, ich danke dir vielmals für deine netten Worte, ich habe mich sehr darüber gefreut.

Was ich wirklich schräg finde, so in der Denke dieser Fanatiker, eine Digitaluhr ist ein Kapitalverbrechen, aber Mord ist okay. Das ist so krank und von daher liebe ich diese Uhr in deiner Geschichte!
Ich liebe sie auch!

Ich habe jetzt bisschen die Kommentare quergelesen, es muss Boran sein!
Ich sehe das auch so. Es muss Boran sein. Ich schaue gerade noch, dass ich das so einen Tick anders hinbiegen kann, dass es nicht allzu sehr nach Autor riecht, was da passiert ... aber ich sehe keine andere Möglichkeit, diesen Bruch im Prot zu erzielen, dieses Nachdenken - da muss es ein Kerl wie Boran sein.

Mir hat nichts gefehlt. Für mich ist das total rund.
Das freut mich einerseits, andererseits komme ich immer mehr zu der Erkenntnis, dass man es einfach niemals allen Lesern recht machen kann. :D Egal, was man schreibt. Das soll jetzt keine Negativrede ggü. meinen Kritikern hier sein, aber die 100%ige Geschichte, die man als Autor natürlich immer schreiben will, ach, gibt's die überhaupt? Ich werde an der Story auf jeden Fall noch bisschen rumbasteln und sehen, was geht, aber mit einer Aussage wie dieser hier im Hinterkopf ist man natürlich immer beruhigter, dass der Text auch bei vielen in der jetzigen Form funktionieren könnte.


Fliege, ich habe mich gefreut, von dir zu hören und danke dir für deinen netten Kommentar!


Hallo Mitra,

ich bin durch die Empfehlungen auf diese Geschichte gestoßen und finde sind sind zurecht ausgesprochen worden.
danke!

Die Geschichte ging mir echt unter die Haut, gerade weil die Bilder, die du beschreibst einem durch die Nachrichten so vertraut sind und sie hier plötzlich zum Greifen nahe sind
das freut mich natürlich.

Das einzige, was ich mir noch gewünscht hätte, wäre ein Bezug zu der Familie, immerhin hat der Erzähler diese ebenfalls zurückgelassen und vermutlich von dieser sich abgewandt, als er den Radikalismus auf den Leim ging, gerade das hätte mich interessiert, weil es ein solch unverständliches Verhalten ist.
Ja, mehr Hintergrund, das hatten sich auch einige Vorkommentatoren gewünscht, ist im Hinterkopf gespeichert bei meiner Überarbeitung, danke!

Besonders gelungen fand ich den Abschnitt, indem du beschreibst, wie er sich vom friedlichen Islam abwendet, weil es ihm nicht weit genug geht. Er zeigt in meinen Augen gut, wie hoffnungslos es ist mit diesen Menschen umzugehen, haben sie erstmal begonnen sich in ihre Ideen reinzusteigern, denn es wirkt nicht so, als könnte irgendetwas in Deutschland den Erzähler zurückbringen, sondern es ist allein die extreme Konfrontation mit Boran, die ihn zum Nachdenken anregt.
Das freut mich natürlich, dass das so gut bei dir funktioniert hat!

Mitra, vielen lieben Dank fürs Kommentieren und Lesen!



Wird fortgesetzt ...

 

Hi Thursday,

ich habe aufgrund des Titels und der Beschreibung bei der Empfehlung erst einmal an eine ganz andere Geschichte gedacht. Ich dachte eher so in Richtung Rechtsradikalismus und Bandenkriege unter Jugendlichen etc. Wolltest du den Leser mit diesem Titel erst einmal in die Irre führen, andeuten, dass es sich beim Islamischen Staat eigentlich um eine genauso intolerante Bewegung wie die Nazis handelt? Das würde mich interessieren. Ich habe jedenfalls diese Parallelen gezogen.
Also ich wollte damit tatsächlich niemanden in die Irre führen :D Allerdings, ja, ich persönlich finde, zwischen dem totalitären System, das Islamisten anstreben, und einem nationalsozalistischen totalitärem System bestehen große Gemeinsamkeiten, nicht nur bei Gründen der "Entstehung", sondern auch die Selbstsicht, die Sicht auf die Anderen, u.a.

Ich glaube, Novaks Beschreibung in der Empfehlung könnte dich evtl. auf die Falsche Fährte geführt haben?

Deine Geschichte hat mich so wie andere vor mir, in den Bann gezogen. Im Zuge des Lesens konnte ich nicht anders als auch Parallelen zu Psychosekten zu ziehen, deren Anhänger genauso wie Tarek in ihrem ganzen Glaubenssystem umgedreht werden und intensive als auch irrationale Feindbilder entwickeln, ob das nun der Westen, der Teufel und seine Agenten, oder der Kommunismus ist. Der Ich-Erzähler scheint mir reflektierter, doch auch er ist schon völlig infiltriert; er hält sich am Koran fest, welcher ihm das Morden zu rechtfertigen scheint, weil es Gott dient.
Vielen Dank dir, das freut mich natürlich, wenn das so geklappt hat!

Dennoch bedienen sich die Islamisten der Waffen des Feindes, sie trinken auch Pepsi, völlig ungeachtet der Tatsache, dass sie fernab "westlicher Verführung" leben wollen.. sie nennen sich gegenseitig Brüder und Schwestern, sind sich aber nicht einig, sie fangen zB Streitereien aufgrund einer Digitaluhr an, Haarspaltereien, wie man so schön sagt. Widersinnig ist das alles: Jede Behauptung, jedes Anliegen der Islamisten wird ad Absurdum geführt. Im Endeffekt geht es doch nur darum: Besser sein als die anderen; nur der gemeinsame Feind vereint.
Ja, da bestehen natürlich eintausend Widersprüche, die alle im Detail interessant sind, sehe ich auch so

Was die Hinrichtung Borans angeht, hat die mich echt erschreckt. Ich habe nie eines dieser Videos vom IS gesehen und werde es wohl auch nicht. Aber das war erschütternd. Wie Menschen es fertig bringen, zu töten, ihre Skrupel im Namen Gottes beerdigen.. ist ein Wahnsinn. Das kann man nicht erklären. Zumindest nicht anhand einer psychologischen Entwicklung des Individuums, das auf diese Weise handelt. Denn solche Erklärungen neigen dazu, demjenigen Individuum zumindest eine Teilschuld abzunehmen, sein Tun zu relativieren.
Das ist ein ziemlich interessanter Gedanke, den hat hier so noch niemand gehabt, dass man eine solche Entwicklung nicht erklären kann, und würde man es versuchen, würde man der Figur eine Teilschuld abnehmen. Da ist auf jeden Fall was dran, finde ich. Allerdings finde ich trotzdem, wenn man eine Entwicklung zeigen will (darauf liegt aber in diesem Text nicht der Schwerpunkt), dann sollte man die als Leser/Zuschauer schon nachvollziehen können. Ich habe gestern Mitten in Deutschland: NSU gesehen, und war richtig positiv überrascht, wie gut das vom Drehbuch her gemacht ist. Es geht um die Entwicklung von Zschäpe etc. zum Nazi-Trio - und ich kann da jeden Schritt, jede Entwicklung nachvollziehen, auch wenn ich die Nazis in jedem Augenblick abstoßender und unsympathischer finde, und eine Teilschuld nimmt ihnen die Entwicklung auch nicht ab, das ist wirklich gekonnt gemacht, gibt ja echt nicht viele gute deutsche Drehbuchautoren, aber Thomas Wendrich hat das echt super hinbekommen.

Das wäre so mein Leseeindruck. Ich hoffe, du kannst damit was anfangen. Ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen, sie war beeindruckend detailliert. Ich habe hier neues erfahren, habe einige Parallelen ziehen können.
Vielen Dank, konnte ich auf jeden Fall! Hat mich sehr gefreut, deine lobenden Worte natürlich, Thursday, danke dir fürs Lesen und Kommentieren!


Hallo JoBlack,

du hast einiges an Lob bekommen, ich denke, du verträgst ein bisschen Genörgel meinerseits.
nur her mit dem Genörgel! :D

Mir hat die Geschichte nicht viel geboten, ich finde, sie ist eine sauber ausgearbeitete fiktive Reportage - weder die Charaktere noch ihr Handeln noch ihre Motivation wurden mir in dieser Geschichte nahe gebracht. Es hat auch nichts damit zu tun, dass sie Terroristen sind. Ich habe überhaupt nichts über diese zwei Menschen erfahren, nichts über ihre Wünsche und Träume und warum sie sich einem Gott unterwerfen, der zuvor in ihrem Leben keine Rolle gespielt hat und streng genommen immer noch keine Rolle spielt - sie haben sich einer terroristischen Organisation angeschlossen - aber warum diese Radikalität, das wird mir hier nicht überzeugend dargeboten.
Jau mehr Figur, das wurde von vielen gewünscht. Allerdings wollte ich hier (auch wenn es ein wenig wie eine Ausrede klingt) nichts über eine Radikalisierung schreiben, sondern wollte mich auf den Bruch fokussieren, den der Erzähler bei der Hinrichtung Borans hat. Ich denke, dieser Text klappt v.a. bei Leuten sehr gut, die halt ein bisschen Nachrichten schauen und das so am Rande mitbekommen, sich aber nie wirklich mit der Thematk Dschihadismus/Islamismus auseinandergesetzt haben, die können dann wirklich neue Infos mitnehmen und das ist dann beim Lesen so erträglich, dass man praktisch schon satt davon ist, und sich gar nicht nach mehr Stoff/Info sehnt ... so zumindest ist das geplant. Ich werde aber versuchen, noch mal bei den Figuren nachzuholen, nachzuzeichnen

Plakativ wird es dann, als sie einen Schulkameraden umbringen sollen. Ich denke, einen Menschen die Kehle durchzuschneiden würde deinen Erzähler auch prägen, dass es der Boran, der Basketballstar sein muss, ja - das ist dann over the top, ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, bisschen zu dramaturgisch eingegriffen, zu künstlich, zu gewollt.
Ja, es wirkt etwas künstlich, das weiß ich. Allerdings halte ich es für einen großen Zufall, aber nicht für unmöglich. Wäre es nicht Boran, dann würde eben nicht dieser Bruch im Prot entstehen, dann hätte die Geschichte auch viel weniger Bedeutung an sich, man würde viel weniger über diesen Konflikt erfahren, der mit dem ganzen Krieg in Syrien/Irak zusammenhängt, der Konflikt junger Muslime, im Westen geboren und aufgewachsen, die sich dort aber nicht zuhause fühlen, der Konfessonskonflikt zwischen Schiiten/Sunniten, all das.

Auch die Aussagen:
»Ihr dreckigen Hunde! Das verzeiht euch Allah nicht! Allah liebt die, die Gutes tun! Allah liebt die, die Frieden stiften! Und Allah hasst euch Schlächter! Er hasst euch, ihr dreckigen Sadisten! Ihr werdet schon noch sehen, mit wem Allah ist! Ihr werdet schon sehen, was er euch antun wird, ihr –«
Das fühlt sich nicht natürlich an. Ich habe hier das Gefühl, du willst die "guten" und die "bösen" Muslime darstellen, ohne aber die Religion irgendwie anzugreifen und deswegen brauchst du dann Baran und dieses Statement.
Ja, klar versuche ich das hier. Ich fände es falsch, eine Geschichte über Islamismus bzw. Islam zu schreiben, ohne dem Leser alle Seiten und Facetten zu zeigen. Im dümmsten Fall, wenn man dann eine Islamistengeschichte gelesen hat, hat man als wenig Informierter den eindruck: Ah, klar, sind ja alles Terroristen, DAS ist also der Islam, hab ich doch gewusst! Ja, ich weiß das schon, das wirkt etwas künstlich, ich schaue noch mal, dass ich da bisschen dran rum bastle, das besser hinbiege ... aber gut, ist jetzt mal so.


Wie gesagt, es fühlt sich wie eine Reportage an, ich als Leserin bin da nie im Geschehen drin, ich weiß genau, mit welcher Intention die jeweiligen Abschnitte geschrieben worden sind. Ich finde gerade bei so politischen Texten ist es wichtig, dass sie auch mal bisschen weh tun, dass sie auf keinen Fall meine Meinung bestätigen dürfen. Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, dass du diese zwei Würstchen, vor allem so einen Tarek nicht als den Oberloser darstellst, sondern als charismatischen Typen oder dass sie sich in der Moschee nicht wegen einer Digitaluhr streiten, sondern andere essentielle Dinge wie Identität, Kultur, Verhalten verhandelt werden.
Mhm ja, ich finde schon, dass diese Story ein wenig weh tut ? Ja, deine Vorschläge, würde die Story wahrscheinlich eigener machen, aber gut, ist jetzt nun mal so :D Also das wäre eine ganz neue Geschichte ...

Kann auch sein, dass ich vielleicht zu sehr im Thema drin bin, als dass ich etwas Neues daraus mitnehmen kann, für mich ist das setting eben nicht exotisch, dementsprechend nicht ausreichend, um die Geschichte gut zu finden.
Will ich dir nicht vorwerfen, aber kann ich mir vorstellen. Wenn du in der Marterie drin bist, dann ist das natürlich nichts Brandneues, was dir vieles zeigt, was du nicht kanntest, und dementsprechend gehst du mit einer ganz anderen Erwartung an so einen Text, willst etwas erfahren, was du so noch nicht wusstest, mehr Interesse an den Figuren, exotischer ... vllt fällst du tatsächlich etwas aus der Zielgruppe heraus, liebe Jo :p

"Hochbrisante" Themen sind für mich auch kein Gütekriterium einer Kg.
Das finde ich auch.

Die Geschichte hätte sich tatsächlich in der Hinterhofmoschee abspielen können, wenn die Figuren ambivalenter wären, ausgereifter, dem Leser schmerzhaft dieses westliche Paradoxon vor Augen geführt hätten, hätte ich möglicherweise mehr Gewinn daraus ziehen können.
All right, ja, also danke dir für deine Meinung und fürs Lesen, bin ich dir dankbar für, auch wenn du es mir vllt jetzt nicht ganz abnimmst, aber es ist wirklich so. Ist ein wichtiger Lesereindruck, du bist tiefer in der Marterie, du kannst dich nicht von den "Hightlights", die ich hier eingebaut habe, beeindrucken lassen, weil du sie in irgendeiner Form schon kennst oder sie dir bekannt vorkommen. Ich bin gerade an einer Geschichte dran, die spielt in einem ähnlichen Milieu, da wird der Fokus auf den Figuren liegen, ich werde deine Ratschläge im Hinterkopf behalten.


Merci!


Viele Grüße,
zigga

 

Hey zigga,

Ja, klar versuche ich das hier. Ich fände es falsch, eine Geschichte über Islamismus bzw. Islam zu schreiben, ohne dem Leser alle Seiten und Facetten zu zeigen. Im dümmsten Fall, wenn man dann eine Islamistengeschichte gelesen hat, hat man als wenig Informierter den eindruck: Ah, klar, sind ja alles Terroristen, DAS ist also der Islam, hab ich doch gewusst! Ja, ich weiß das schon, das wirkt etwas künstlich, ich schaue noch mal, dass ich da bisschen dran rum bastle, das besser hinbiege ... aber gut, ist jetzt mal so.

Wir stehen doch als Autoren nicht in der Bringschuld den Leser über irgendwelche politischen Gegebenheiten oder Ideologien zu informieren - das einzige, was du als Autor erbringen musst, ist, die Figuren glaubhaft in dem Setting handeln/denken/fühlen zu lassen - mehr nicht.
Wenn jemand seine Infos über eine Geschichte bezieht, ist dieser Mensch sowieso nicht mehr aufzuklären, als ob ich jetzt meine Ansichten zu einem bestimmten Thema grundlegend ändere, weil ich eine Geschichte gelesen habe. Das ist quatsch.
Wenn jemand denkt, der Islam stehe für Terror, dann wird er auch denken, wenn du ihm das Gegenteil beweist und vice versa. Deswegen meinte ich, dass du mal ruhig gegen die Erwartungen der Leser anschreiben sollst.
Will ich dir nicht vorwerfen, aber kann ich mir vorstellen. Wenn du in der Marterie drin bist, dann ist das natürlich nichts Brandneues, was dir vieles zeigt, was du nicht kanntest, und dementsprechend gehst du mit einer ganz anderen Erwartung an so einen Text, willst etwas erfahren, was du so noch nicht wusstest,
Nein, Mann. Ich lese Geschichten nicht, um mich zu informieren. Dafür lese ich die Zeitung. Ich lese Geschichten aus dem oben genannten Gründen. Vielleicht habe ich in meinem ersten Posting mich missverständlich ausgedrückt: Ich wollte die Motivation der Figuren kennen, ihr Innenleben.
mehr Interesse an den Figuren,
Ja.
vllt fällst du tatsächlich etwas aus der Zielgruppe heraus, liebe Jo
Du kannst dir dein Publikum nicht aussuchen.
All right, ja, also danke dir für deine Meinung und fürs Lesen, bin ich dir dankbar für, auch wenn du es mir vllt jetzt nicht ganz abnimmst, aber es ist wirklich so.
Stell dir vor, ich glaube dir.

Ich bin gerade an einer Geschichte dran, die spielt in einem ähnlichen Milieu, da wird der Fokus auf den Figuren liegen, ich werde deine Ratschläge im Hinterkopf behalten.
Mach das, ich freu mich drauf!

 

Ja, klar versuche ich das hier. Ich fände es falsch, eine Geschichte über Islamismus bzw. Islam zu schreiben, ohne dem Leser alle Seiten und Facetten zu zeigen. Im dümmsten Fall, wenn man dann eine Islamistengeschichte gelesen hat, hat man als wenig Informierter den eindruck: Ah, klar, sind ja alles Terroristen, DAS ist also der Islam, hab ich doch gewusst! Ja, ich weiß das schon, das wirkt etwas künstlich, ich schaue noch mal, dass ich da bisschen dran rum bastle, das besser hinbiege ... aber gut, ist jetzt mal so.
Wir stehen doch als Autoren nicht in der Bringschuld den Leser über irgendwelche politischen Gegebenheiten oder Ideologien zu informieren - das einzige, was du als Autor erbringen musst, ist, die Figuren glaubhaft in dem Setting handeln/denken/fühlen zu lassen - mehr nicht.
Nee, Bringschuld nicht. Aber ich hatte in diesem Text halt Bock darauf, deswegen habe ich ja auch geschrieben "Ich fände es falsch, ..."

Wenn jemand seine Infos über eine Geschichte bezieht, ist dieser Mensch sowieso nicht mehr aufzuklären, als ob ich jetzt meine Ansichten zu einem bestimmten Thema grundlegend ändere, weil ich eine Geschichte gelesen habe. Das ist quatsch.
Nein, Mann. Ich lese Geschichten nicht, um mich zu informieren. Dafür lese ich die Zeitung.
Nee, mir ging es hier nicht darum, irgendwelche Meinungen zu ändern. Ich habs schon mal geschrieben, ich denke, so ein Text kann für Leute interessant sein, denen das Neuland ist, die nichts wirklich darüber wissen. Das mit der Figurensache lass ich jetzt mal außen vor, dass das ein Schwachpunkt der Story ist, weiß ich seitdem mich der 9. Kommentator hier drauf aufmerksam gemacht hat. :D Ist ja jetzt nicht so, dass der Text reiner Infodump ist. Er hat ja eine Handlung, die Infos werden nebenbei reingestreut. Empfinde ich zumindest so. Es ist ein Blick in eine andere Welt, in eine andere Weltsicht, und diese Weltsicht ist eben auch Teil des Charakters/der Gedankenwelt des Prots. Ja, vielleicht ist das eher ein fiktive Reportage, aber warum nicht? Denke schon, dass das Leuten reichen kann, verstehe aber auch, wenn das wem nicht reicht, zu wenig Figur ist. Mir persönlich, als Leser, wäre der Text nicht von mir, hätte das in der Form gereicht, die Figurenentwicklung hin zum Zweifeln, das wäre für mich genug Figur gewesen für eine Kurzgeschichte. Aber ich stecke gerade ziemlich tief drin, in diesem Text, vielleicht sehe ich das in 6 Monaten wieder ganz anders.

 
Zuletzt bearbeitet:

Der Titel,

lieber zigga,

ich schon wieder und dann noch weitausholend. Lästig, der Kerl!, der Titel also gestaltet gesellschaftliche, nicht alltägliche und somit zeitgeschichtliche Ereignisse in Prosaform, fällt also nicht nur unter die Rubrik „Gesellschaft“, sondern auch „Historik“, eine der schwierigsten Rubriken überhaupt, weshalb sie offensichtlich auch gemieden wird. Da muss das kriminelle Gegenstück an Rubrik ja naturgemäß mehr Zulauf haben, geht es doch von der falschen Prämisse aus, dass ein Verbrechen geschähe, um aufgeklärt zu werden. Das Gegenteil ist der Fall - alles andere wäre wie bei der Bekanntgabe eines geplanten Selbstmordes ein Hilfeschrei.

Hierorts wurde vor einer kleinen Weile der Vorschlag gemacht, „Zeitgeschichte“ als Genre einzuführen, „Zeitgeschichte“ definiert von der Dudenredaktion als „Geschichte der gegenwärtigen und gerade vergangenen Zeit“, worunter die Bundeszentrale für politische Bildung den Zeitraum der letzten 5 ½ Jahrzehnte versteht, was Deiner Geschichte nicht näherungsweise gerecht würde - man lese die "sieben Säulen der Weisheit" des Thomas Lawrence (genau der- Lawrenc of Arabia) und betrachte die mit dem Lineal gezogenen Grenzen durch Kolonialmächte, wie sie auch in Afrika zu Problemen führen mussten.

Kein Wunder, dass Lawrence sich gegenüber seinen arabischen Freunden schämte und den Tod suchte ...

Die Schwäche des zeitgeschichtlichen Begriffs besteht darin, dass Geschehnisse der 1960-er Jahre und der Folgejahrzehnte nicht zu verstehen sind, wenn man die 1950-er Jahre, die Nachkriegszeit und vor allem den Zwoten Weltkrieg ausschließt, der wiederum auch eine Folge des Ersten Weltkrieges (Lawrence!) ist, der hinwieder ohne die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen des 19. Jh. nicht zu begreifen ist usw., usf. – worauf gleich zurückzukommen ist.

Wie sagt der Volksmund: Von nix kütt nix, denn nichts komme aus heiterem Himmel, nicht mal Kyrill und Ela, Rhein und Elbe als Rinnsal auf dem Weg zum Wadi und als Sturmflut, das Eigentum des kleinen Mannes nahe der Ufer ersäufend.

Das Wort „Geschichte“ (ahd. gisciht) ist vom Verb „geschehen“ (ahd. giskehan) abgeleitet und meint zunächst „Begebenheit / Ereignis /Geschehnis“, um bereits im mhd. (= geschiht) nun zugleich in der Bedeutung „Angelegenheit, Ding und Sache, Eigenschaft, Art und Weise“ die Folge(n) des Ereignisses einzubeziehen und liegt nahe beim nhd. „Geschick“ (das mancher mit dem „Schicksal“ gleichsetzt und es gottergeben hinnimmt, als sei des Menschen Schicksal nicht eben der Mensch selbst, der ja selbst durch seine Lebensweise die Natur beeinflusst). Im 15. Jh. umfasst dann das Wort Geschichte zudem die Erzählung / den Bericht über dieses Geschehen und wird historia. Erst mit Herder wird Geschichte zur Wissenschaft und erst mit dem Durchbruch des Geschichtsbewusstseins der Romantik(er) entsteht die historische Erzählung, wenn wir denn die Epen ausschließen wollen - im deutschsprachigen Raum verknüpft mit den Namen der Arnim, Hauff (Liechtenstein, aber auch Jud Süß!) und Novalis und mit einem Höhepunkt im bürgerlichen Realismus eines C. F. Meyer, der auch ein Problem auf schlichte Art gelöst hat, indem sein Personal die Sprache des Publikums vor Ort spricht, was aber genug Fußfallen birgt in Dingen, die es „früher“ nicht gab. Zebrasteifen im Straßenverkehr werden halt nix Natürliches, weil‘s jemand glaubt.

Für alle Formen „historischen“ Erzählens – selbst für die (Auto-)Biografie gilt, dass es eine Annäherung bleibt (Helmut Schmidt lehnte sie wegen potenzieller Schönfärberei ab), ein Bild, dass sich der Autor von der/den Person/en, dem/den Ereignis/sen macht. Aber zwischen Belletristen, Journalisten und Wissenschaftlern besteht ein entscheidender Unterschied: Müht sich der Belletrist gemeinhin allzu selten, Archive aufzusuchen, um Handschriften zu lesen, die er vielleicht gar nicht entziffern und/oder erst recht nicht verstehen kann oder will, selbst wenn sie in einer alten Fassung seiner Muttersprache verfasst sind, verlässt er sich auf Spezialisten, und wär's der eigene Großvater, die ihm das aufwändige Studium abnehmen (im anderen Falle wär er buchstäblich von allen guten Geistern verlassen und Fantasy). Und obwohl er nicht unbedingt sein Wissen erweitert, schmückt er Vorgekautes aus und deutet es nach seiner Interessenlage. Die Mühe des dokumentarischen Puzzles überlässt er dem/den Spezialisten – was ich Dir nicht unterstelle!, und je begrenzter die Datenlage, umso größer der freie Raum der belletristischen Fantasie. (Zum Problem ausführlicher: http://www.wortkrieger.de/showthread.php?54797-War-Karl-der-Große-ein-Selfmade-Man)

Das ist Dir,

lieber zigga (Du siehst, das Adjektiv ist nicht veschütt‘ gegangen und erst recht nicht nur einmalig),

großartig gelungen, dass es da m. E. nix zu mäkeln gibt. Was mich aber zu diesem Ausflug (keine Bange, war kein großer Aufwand, liegt der kleine Aufsatz zum historischen „Roman“ in einer unwesentlich anderen Fassung schon seit einiger Zeit hierorts an anderer Stelle vor) veranlasst, ist ein Beitrag von Achillus am 1. d. M., wo er behauptet:

Der Erzähler weist in seiner Kritik des Westens auf Phänomene hin, die sich zusammengefasst als Dekadenz beschreiben lassen. Und obwohl ich kein Muslim bin, stimme ich dieser Kritik zu: Es gibt ein Problem mit dem westlichen Freiheitsbegriff, mit Konsumismus, mit Übersexualisierung, mit Rassismus, Gier und religiösem Dünkel. Die westlichen Gesellschaften haben bislang keine zukunftsfähige Perspektive erarbeitet, insbesondere, was die Themen der sozialen Gerechtigkeit und der ökologischen Verantwortung betrifft. Und das Paradigma, das einer zukunftsfähigen Perspektive im Wege steht - das Gift in den Köpfen der Menschen, um es mal drastisch auszudrücken - wird bislang von kaum jemandem infrage gestellt: Es ist die Wahnvorstellung von unbegrenztem wirtschaftlichen Wachstum, das den Westen und die ganze Welt ruinieren wird.

Es geht da nicht um Elemente wie „Rassismus, Gier und religiösem Dünkel“, die es in allen Gesellschaften gibt, wobei dem Monotheismus noch eine ganz bestimmte Rolle zukommt , oder Ausbeutung von Mensch und Natur - das Pferd z. B. gab es in Amerika lange, bevor es mit den Spaniern wieder zurückkehrte: Es war buchstäblich von den Indigenen lange vor der Ankunft der Europäer ausgerottet – und trotzdem waren die fünfhundert indigenen Nationen näher bei und mit der Natur als die Kolonisatoren und Eroberer in der Nachfolge Roms, sondern um die Passage,
Die westlichen Gesellschaften haben bislang keine zukunftsfähige Perspektive erarbeitet, insbesondere, was die Themen der sozialen Gerechtigkeit und der ökologischen Verantwortung betrifft.

Doch, doch, die herrschende Wirtschaftsideologie weiß nicht erst seit Piketty und den 40 Jahren zuvor erschienen „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome (1972), wo die Wachstumsideologie hinführt, an deren Errungenschaften selbst arg benachteiligte Afrikaner nach dem Wort eines Alt68-ers ihr kindliches Vergnügen haben, aber selbst 3.000 Jahre zuvor im bereits brennenden Troia – Blutzoll eines Wirtschaftskrieges - galt Kassandra als Außenseiter und ging so als Kriegsbeute nach Hellas und Aeneas, der Vetter des Hektor wie des Paris und der Kassandra, gleich einem Odysseus auf neue Abenteuer auszog über Phönizien und deren Kolonie Karthago an den Albaner See verschlagen zu werden und dort zum Gründungsvater Roms aufzusteigen, das Phöniziern und deren Kolonien die Grenzen ihres Wachstums aufzeigen wird.

Die Adenauer-Ära mag nicht das Paradies auf Erden gewesen sein, aber bis ans Ende der sozialliberalen Koalition wurde der soziale Ausgleich gepflegt und eine durchlässige Mittelstandsgesellschaft geschaffen, die seit 1970 von den Handlangern der School of Chicago beginnend mit der Ära Reagan und der Iron Lady gegen Ansätze des Rheinischen Kapitalismus anzugehn und Errungenschaften aus 150 Jahren Arbeiterbewegung wieder rückgängig zu machen und die Sozialdemokratie passt sich an, vergisst ihre Herkunft.

Nicht umsonst kann Piketty das aktuelle gesellschaftliche Geschehen in Zitaten frz. Romane des bürgerlichen Realismus des 19. Jh. nachzeichnen.

Oliver Twist wie David Copperfield des Charles Dickens sind aktueller, als mancher glauben mag. Die ökonomischen Erkenntnisse und der Weg der Ökonomen Eucken und Röpke zwischen Kapitalismus und Sozialismus in der Durchführung von Erhardt über Karl Schiller bis Helmut Schmidt wird seit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus auf den Misthaufen der Geschichte eingemottet, so sehr, dass die Sozialdemokratie ihre Herkunft vergisst und das Mantra der marktkonformen Demokratie der neoliberalen Ideen des Nazi-Freundes Hayek* und der Friedman und co. Chicagoscher Prägung nachbeten. Troia ging unter, weil es den alten Griechen die Handelswege nach Kleinasien und ins Schwarze Meer und somit des wirtschaftlich-politischen Wachstums versperrte, Karthago, weil es ein lästiger Wettbewerber war, und wo wir gerade von Wirtschafts-Kriegen sprechen

Jemand, der in Deutschland, Frankreich, Spanien oder Norwegen Soldat wird, hat nicht zwangsläufig die Idee, die Absicht oder gar den Wunsch, in den Krieg zu ziehen.

Aber,

lieber Achillus,

ist es nicht so, dass jemand, der Berufssoldat werden will, eine gewisse Neigung zu diesem Mordshandwerk haben muss? Ich schließe mit der Behauptung Biermanns,"Soldaten sind sich alle gleich, lebendig und als Leich".

Gruß

Friedel,
der vorsorglich noch ein schönes Wochenende wünscht

* Es ist halt kein Zufall, dass die AfD in ihrem Parteiprogramm neoliberalen Prämissen folgt. Und wenn es einen Hartz IV Empfänger interessiert, wo das Existenzminimum eines einzelnen Erwachsenen liegt, so setze er 9.000 €/Jahr an und rechne mal seine lumpigen 400 € x 12 dagegen und beachte auch das, was besonders seine Nerven kostet, um alles andere betteln zu müssen. Das gilt auch für Empfänger von anderen Transfergeldern wie auch des Mindestlohnes - da freut sich die Alleinerziehende jetzt schon auf monatliche zwo Euro mehr Kindergeld im Monat.

 

Hey Friedrichard,

über die Sozialdemokratie will ich gar nicht erst anfangen, aber selbst die Linke scheint die „Grenzen des Wachstums“ vergessen zu haben oder haben die es überhaupt nie zur Kenntnis genommen, keine Ahnung.

Dass jemand, der Berufssoldat werden möchte, zwangsläufig einen Killer in sich trägt, glaube ich nicht. Oder andersherum. In jedem Menschen steckt das Zeug zum Killer.

Insbesondere die Vergleichbarkeit der Motivation von Berufssoldaten und IS-Kämpfern, die Novak angedacht hatte, stelle ich in Frage.

Gruß Achillus

 

Hallo,

Achillus,

Halbgott und - relativ fairer - Held vor Troja,

was lauerstu wie ein Kätzchen vorm Mauseloch vorm worldwildmousehole, Disney's incorporated, nix besseres to do (nhd = neuhochdeutsch)?

Über den Sündenfall von Schröder - nicht zu verwechseln mit dem Beethovenverehrer Schroeder der Peanuts - und dem Ganoven Hartz nebst dem Archanglosäxischen Gabriel - schweigen wir mal, aber ob eine studierte Ökonomin die Grenzen des Wachstums trotz ihres an sich sozialdemokratischen Lebensgefährten hugenottischen Ursprungs den Club of Rome vergessen haben könnte, spräche schon für arge Flüchtigkeit, die ich eher den vom WeltWeitengeWerbe-Verseuchten zuordnen würde. Da bin ich mal ohne der mir eigenen Ironie.

Dass jemand, der Berufssoldat werden möchte, zwangsläufig einen Killer in sich trägt, glaube ich nicht. Oder andersherum. In jedem Menschen steckt das Zeug zum Killer.
Recht hastu, wenn mich einer reizt, bin ich schon froh, unbewaffnet zu sein - mit Ausnahme der Fäuste und ggfs. der Füße, Haut und Knochen, als Totschläger eigentlich waffenscheinpflichtig - was für eine Zusammenstzung!, Mark Twain hätte seine Freude daran.

Insbesondere die Vergleichbarkeit der Motivation von Berufssoldaten und IS-Kämpfern, die @Novak angedacht hatte, stelle ich in Frage.
KLar, die Superreichen stellen Urchristen zur Verteidigung ihrer Villen und ummauerten Viertel ein, die bekanntermaßen dieandere Wange hinhalten, wenn's ernst wird. Schließlich spenden sie lieber, statt Steuern zu zahlen, denen sich der abhängig Beschäftigte nicht näherungsweise entziehen kann.

Nix für ungut

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Achillus

Jemand, der in Deutschland, Frankreich, Spanien oder Norwegen Soldat wird, hat nicht zwangsläufig die Idee, die Absicht oder gar den Wunsch, in den Krieg zu ziehen.
Vielleicht hätt jemand sie ein bisschen besser über ihre Berufswahl aufklären müssen, die armen blauäugigen Jungs, denn stimmt, die fahren immer nur in die Sommerfrische, wenn sie einen Auslandseinsatz haben. :)

Insbesondere die Vergleichbarkeit der Motivation von Berufssoldaten und IS-Kämpfern, die @Novak angedacht hatte, stelle ich in Frage.
Ich hatte nicht die Motivation beider am Wickel, die dürfte sich durchaus unterscheiden, ziehen sie doch aus ganz unterschiedlichen Gründen in den Krieg.
Ich habe mir nur das Recht herausgenommen, das Kriegs"handwerk" an sich, also auch hierzulande oder in den USA infrage zu stellen.
Und ich habe mich gefragt, ob die Verrohungen, die anscheinend zu jedem Kriegseinsatz dazugehören, also auch bei den Guten, nicht etwas mit diesem Kriegshandwerk an sich zu tun haben und mit dem Bild, das jede Gesellschaft vom jeweiligen Gegner ausmalt. Denn jede Gesellschaft glaubt, sie sei moralisch im Recht und der Gegner moralisch im Unrecht.
PS: Das war nur noch mal zur Klarstellung, wie ich das meinte. Wollte jetzt keine offtopic-Diskussion anzetteln.

 

Boah Zig,

was für ein Text. Krass, dass mir der entgangen ist. Ich lese mich gerade durch die top16 und muss sagen, dass hier ist echt ein klarer Anwärter auf den Thron. Sind viele gute Geschichten dabei, zugegeben, aber der Mut zu diesem Text, der ringt mir echt Achtung ab.
Das Rauswinden am Schluss verzeihe ich der Geschichte gerne. Mehr wäre der Geschichte auch nicht dienlich gewesen. Zweifel sind gesäht, die jetzt auszuwalzen könnte schnell in die Hose gehen. Nein, gefällt mir so.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hi weltenläufer!

Vielen Dank dir fürs Lesen und Kommentieren, hat mich gefreut! Danke dir auf jeden Fall auch fürs Kompliment und die netten Worte - das ist eins-A Motivation!

Das Rauswinden am Schluss verzeihe ich der Geschichte gerne. Mehr wäre der Geschichte auch nicht dienlich gewesen.

Ich weiß, dass es hier nicht gesehen ist, wenn ein Autor seine Geschichte totdeutet, aber ich sage trotzdem mal, was ich mir dabei gedacht habe. Also für mich ist das einfach ein konsequent erzählter Tod. Die Erzählperspektive ist ja Ich-Präsens, direkt aus dem Kopf des Prots sozusagen. Und ich frage mich bei der Erzählperspektive immer: Wenn der Prot umkommt, sehr schnell, sei es durch Kopfschuss oder herabfallende Gebäudeteile in einem einstürzenden Haus, dann müsste der Erzählfaden doch konsequenterweise einfach abbrechen? Also das ist meine Intention, und ich dachte ehrlich gesagt auch, dass das schon so gesehen werden könnte von einigen Lesern, aber es scheint etwas uneindeutiger zu sein als damals geplant, und die meisten haben das tatsächlich als abrupter Abbruch der Geschichte gelesen. Geht dann eher auf meine Kappe, das Uneindeutige hier am Ende, eine Geschichte sollte ja schon selbsterklärend sein. Aber gut!
Dann gibt es auch noch das Element von Borans Stimme, der vor der Menschenmenge mit ungewöhnlich tiefem Tonfall sagt, Allah würde sich rächen, und zum Schluss, kurz vor dem "Tod" oder dem Ende des Erzählfadens, taucht wieder diese Stimme auf, praktisch so ein unterschwelliges Element von möglichem Gott, der durch Boran spricht und zum Schluss die Rache ausführt ... Also so war das damals geplant gewesen, natürlich muss man als Leser das nicht alles so verstehen bzw. sehen, solange es irgendwie im Lesegefühl mitschwingt, ist alles erreicht, das war eher für den Subtext geplant. Nur so viel zum Thema Ende hier - das wollte ich schon damals mal in einen Kommentar schreiben, hat mich aber keiner gefragt, deswegen erzähl ichs dir jetzt! :D ;)

Ja, gibt noch Schwachstellen, sehe ich genauso, ich bin auch immer irgendwo unzufrieden, aber ich hab auch Schiss, da noch dran rumzubasteln, könnte mehr kaputt machen als es pushen würde, sehe ich auch so. Insgesamt mag ich das Teil aber echt gerne, hat Bock gemacht zu schreiben und kommt irgendwie gut an bei den Leuten, und das freut mich am meisten.

Also danke dir und alles Gute dir, weltenläufer!

Gruß
zigga

 

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