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Opfer

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15.03.2004
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Opfer

Wer entscheidet über Leben oder Tod? Gibt es einen Gott, eine Göttin, irgendein höheres Wesen, das verantwortlich gemacht werden kann? Das Schuld daran ist, wer lebt und wie er lebt? Was ihm passiert oder eben nicht? Ich weiß es nicht. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich es überhaupt wissen möchte. Allerdings hätte ich da ein oder zwei Fragen an ihn. Sie. Es.

Der rote Strich läuft an meinem Arm entlang, rinnt zu Boden, wird zu einer sich rasch vergrößernden Lache. Ich beobachte die dicken Tropfen, die mich Stück für Stück in die Wirklichkeit zurückholen, die mich aufatmen lassen. Der Schmerz nimmt mir die Angst und dankbar empfange ich seinen Trost.

Manchmal denke ich, ich werde verrückt. Vielleicht bin ich es schon.
Ich weiß, mein Leben ist nicht mehr mein Leben. Wurde mir aus der Hand genommen und in den Dreck geworfen. Ich überlebe mühsam jeden Tag nur grade so und meine Angst vor der Nacht, vor der Dunkelheit, lähmt mich schon am Morgen. Raubt mir den Atem. Lässt mich verzweifeln. Tötet mich, Stück für Stück.

Während sich mein Blut auf dem Boden sammelt, erinnere ich mich. Wie immer, bevor mich der Schmerz daraus erlöst. Es war ein Donnerstag, Mitte Januar.

Ich war zu einem Lehrgang angemeldet, bei der Abfahrt schon spät dran gewesen, hatte immerhin noch über vier Stunden Autobahnfahrt vor mir. Ich war in Gedanken schon bei den Themen der nächsten Tage. Zwei Bekannte von früheren Lehrgängen waren auch angemeldet und ich freute mich, sie wieder zu sehen.

Kurz vor Pforzheim spürte ich einen Druck auf der Blase und ich sah auf die Uhr. Fast 19 Uhr. Bis Karlsruhe war's bestimmt noch eine Stunde Fahrt. Kurzentschlossen setzte ich den Blinker und rollte auf den nächsten Parkplatz mit Toilette. Zwei, drei Autos parkten dort bereits, auch LKWs. Ich beachtete sie nicht weiter, und ging zügig zum Häuschen. Die Toilette war leidlich sauber und ich beeilte mich. Draußen war es kalt, aber ich mochte den Winter immer. Mit raschen Schritten ging ich zu meinem Auto. Ich suchte gerade nach dem Schlüssel, als aus dem Dämmerlicht plötzlich drei Kerle auftauchten. Noch bevor ich sie richtig erkennen konnte, packte mich einer rechts, einer links und der dritte hielt mir von hinten den Mund zu. Seine Hand stank nach Zigaretten.
„Wenn du Theater machst, Süße, bring ich dich um!“ Theater? Ich war viel zu erschrocken, um überhaupt reagieren zu können. Die zischende Stimme dröhnte in meinen Ohren. Sie zerrten mich in die Finsternis außerhalb des schmalen Lichtbandes des Klohäuschens zu einem Laster, der nicht mal weit weg stand.

Der Laster war dunkel, dunkelrot? Irgendetwas stand auf dem Auflieger, aber was, konnte ich in meinem Entsetzen nicht entziffern. Der rechts von mir hantierte an der hinteren Tür des Aufliegers und ich nützte die Gelegenheit, um mich erstmals zur Wehr zu setzen. Ich versuchte es zumindest. Drehte mich weg, riss an meinen Armen, trat nach hinten. Da rein? Niemals!
Der Typ hinter mir, dessen Hand ich immer noch widerwärtig auf meinem Mund spürte, packte mich in den Haaren und zerrte meinen Kopf brutal in den Nacken. Der andere trat mir gegen die Beine, so, dass ich stürzte, dann kam der dritte und gemeinsam warfen sie mich in den Anhänger.

Ich schrie, laut, so laut ich konnte. Hilfe? Ihr Schweine? Ich weiß es nicht mehr. Im Nu war einer neben mir, kniete sich auf mich und schlug mir ins Gesicht. Mein Kopf flog zur Seite, krachte auf den Boden und ich sah Sterne. „Halt dein Maul!“ Es war dieselbe Stimme wie vorher. Ich hörte ein Geräusch und ein Lachen, dann drückte mir einer Paketband über die Lippen. Ich versuchte wieder zu schreien, aber nur eigenartige Geräusche kamen aus meinem Hals.

Mittlerweile war die Tür wieder zu, abgeschlossen, und ich sah mich den dreien gegenüber. Auf dem Rücken rutschte ich nach hinten. Als ich gegen eine Wand stieß, fingen die drei an zu lachen und kamen näher. Im Licht der funzeligen Leuchten im Inneren musterte ich sie. Drei ganz normale Männer, einer etwas jünger als ich vielleicht, die anderen beiden älter. Einer mit Schnurrbart. Einer in Blond, mit Bauch.
Ich blickte mich um, gab es hier irgendwo einen Ausgang? Einen Ausweg? Wie konnte ich nur aus diesem Albtraum entkommen?

Nun, es gab kein Entkommen für mich. Das Blut, das aus meinem Körper fließt, gönnt mir heute ein Entkommen. Der Schmerz, der mich neu gestaltet. Der mich wieder aus mir herausführt. Oder in mich hinein. Ich kann es nicht sagen. Habe so wenig Verbindung zu mir. Manchmal komme ich mir vor, als wäre ich in einer eigenen Welt, von den Anderen durch eine Wand getrennt. Von mir selbst getrennt. Ich fühle mich ... schuldig. Schäme mich. Ich hätte härter kämpfen sollen. Auch wenn meine Therapeutin sagt, dass es nicht gegangen wäre, dass es nichts geändert hätte. Vielleicht hätte ich in dem Moment, in dem ich am Boden lag und keine Kraft mehr hatte, um überhaupt schreien zu können, mich verweigern sollen, als sie mit brennenden Zigaretten über meiner nackten Haut knieten und fragten, ob es mir gefiel. Ich sagte ja. Ich sagte: ja! Ich hätte es geschrien, wenn ich es hätte können. Ja, weil ich dachte, sie bringen mich um. Ja, weil ich leben wollte. Ja, weil ich mich fragte, warum lebe ich noch? Heute wünschte ich mir, sie hätten es geschafft. Sie hätten es zu Ende gebracht, was sie so hoffnungsvoll begannen. Wünschte, sie hätten meinen Körper genauso getötet, wie meine Seele.

Ich wünsche mir oft, ich wäre tot.

In jeder Nacht, in der mich das Ungeheuerliche einholt, in der ich wach bin und doch träume, in der ich mich wiederfinde in diesem verdammten Laster. Nackt an Wände gefesselt. Voller Ekel und Entsetzen gegen mich selbst. Was habe ich getan, dass ich hier zum Opfer wurde? Was habe ich diesen Kerlen getan, dass sie mich - oder überhaupt eine Frau - derartig misshandeln?

Ich lag am Boden, konnte noch nicht mal mehr wimmern, als mich einer anstieß, mit der Schuhspitze.
„Geh!“, sagte er, „Geh!“
Gehen konnte ich nicht mehr, aber kriechen. Ich kroch zu meinen Sachen. Klaubte alles zusammen, kroch zur Tür, die er mir aufgemacht hatte.
„Bis zum nächsten Mal, Süße!“, johlten die anderen mir hinterher. Ich glaube, er, der Jüngste, der, der mich gehen ließ, warf mir einen mitleidigen Blick zu, als ich nach draußen auf den Boden fiel. Tränen hatte ich keine mehr. Ich hatte gar nichts mehr.

Irgendwie rappelte ich mich auf. Taumelte zu meinem Auto. Verlor einen Teil meiner Kleidung dabei, als ich mich in meiner Jacke verkroch. Ich fand meinen Autoschlüssel. Schloss auf. Stieg ein. Ich konnte nur denken: Weg hier, weg hier!
Heute kann ich es immer noch nicht glauben, aber scheinbar fuhr ich wie in Trance nach Karlsruhe. Parkte dort auf dem Parkplatz. Und blieb im Auto sitzen. Als man mich fand, war es nach Mitternacht. Um sieben war ich auf der Toilette gewesen.

Die Frau, die heute auf meinen Namen hört, ist nicht mehr die, die ihn davor getragen hat. Die ist tot. Gestorben unter den Händen, den Schwänzen, den Stiefeln und den Schlägen dreier Männer, an einem Donnerstag Abend im Januar. Und ich wünschte, ich wäre es auch.
Jeder Tag ist eine Anstrengung. Manchmal glaube ich, jeder neue Tag ist schrecklicher wie der zuvor. Aber es gibt auch Tage, an denen ich wieder gerne lebe. Leben will. Vielleicht werden sie einmal häufiger sein, wie die schwarzen, an denen nur mein Blut mich in die Welt zurückholen kann. Wenn ich mich gleich verbinde, nachdem ich dieses Tagebuch geschlossen habe, dann bin ich fast froh. Ich habe es geschafft, ich bin raus aus dem Laster. Meine Narben gehören nun zu mir. Ob ich will oder nicht.

 

Haben wir jetzt genug über mich geredet und können wir uns wieder auf die Story konzentieren?
Deine Geschichte war durchaus Inhalt meines Postings.

Wenn Ihr alle zwischen beiden Ansätzen keinen Unterschied erkennt, dann schreibe ich schlechter, als ich selbst gedacht habe.
Da du deinen Ansatz scheinbar kritiklos als vollkommen integer ansiehst, wäre ich dir dankbar, wenn du vielleicht doch noch Stellung dazu beziehen würdest, was Lakita und ich kritisch hinterfragt haben:
Daß nämlich deine Story eine gegenteilige Wirkung auf bestimmte Rezipienten haben könnte und insofern vielleicht auch nicht gerade der glücklichste Ansatz ist.

Das ist ein Aspekt, der nicht mit deiner Person, sondern mit der von dir immer wieder verlautbarten Intention deiner Geschichte zusammenhängt. Bislang hast du dich dazu nicht geäußert, und doch ist mir gerade dieser Punkt sehr wichtig.

 

Ich dachte, ich hätte das schon gesagt. Vielleicht verliere ich mittlerweile ein wenig den Überblick.

Darüber hinaus frage ich mich, wer mit dieser Geschichte erreicht werden soll?

Erreicht werden sollten -neben allen Lesern natürlich- explizierte jene, die dafür voten, dass unabhängig von irgendeiner Gesetzgebung jegliche Art von sexueller Stimulation in Kurzgeschichten erlaubt sein soll. Bezugnehmend auf 'slavengeschichten' mit extremer Machtausübung, erniedrigendem Sadismus und verstümmelnder Gewaltanwendung. Inhaltlich gegen Geschichten, in denen das propagiert wird, was einer meiner Freundinnen in Echt geschehen ist. Erreichen wollte ich ein Innehalten in: des Menschen Wille ist dessen Himmelreich, wenn damit Gewalt gegen andere verniedlicht wird, gepusht wird, als normal angesehen wird. Ein kurzes Nachdenken darüber, was mit jenen geschieht, denen ungewollte Gewalt angetan wird.

Ich sehe meinen Ansatz nicht kritiklos als integer. Warum auch. Es ist mein Ansatz. Ich fühle mich berechtigt, zu sagen, dass ich einen Ansatz aus Tätersicht nicht gut finde. Aus angegebenen Gründen. Mehrfach wiederholten. Ich habe versucht, aus jugendschutzrechtlichen Gründen einen Konsens zu finden, indem ich die Gewalt andeuten aber nicht ausführlich beschreiben muss. Ich wollte direkten Bezug zum OPFER schaffen. Wenn sich wer am Wort Opfer stößt, so kann es auch sein, dass ich (persönlich, regional anders gebräuchlich, anerzogen, ...) den Begriff anders verstehe oder verwende.
Wen wollte ich noch damit erreichen? Jene, die sagen: son Quatsch, Gewalt gegen andere auf Parkplätzen oder anderen gemeinüblichen Plätzen gibt es nicht.
Ob sich ein Täter von der Geschichte angesprochen fühlt? Keine Ahnung, ich weiß nicht, wie solche Täter denken. Ich kenne bewußt keinen, der seine Gewalt in so einer Art und Weise ausgeübt hat.
Vielleicht habt ihr ja alle mehr Ahnung wie ich. Die Täter, die ich kenne, agieren in einem anderen Umfeld. Die, die ich kenne, sind aber zur Reue bereit. Die fühlen sich durch so eine/meine Geschichte angesprochen. Denen geht es nämlich um den Inhalt, nicht um die stilistischen Feinheiten.
Will ich den Unwissenden ansprechen? Lakita sagt, die gibt es nicht. Ich verweise einfach auf Dions Beitrag. Mehr brauch ich dazu nicht sagen.
Möchte ich warnen? Ja, ich möchte. Ich möchte es auch, weil meine Freundin das wollte, als sie mit uns allen darüber gesprochen hat und in der tageszeitung eine große Beilage gefüllt hat. Damit, dass sie eine Selbsthilfegruppe geschaffen hat. Ich wollte mich selbst warnen, mich in einer trügerischen Sicherheit einlullen zu lassen. Nicht aus Versehen das Handy zu Hause zu lassen. Nicht aufmerksam genug zu sein, und weg zu hören, zu sehen.
Ob sich einer an dieser Story erregt? Ich weiß es nicht. Eher an dieser Horrorgeschichte, ein minderjäriges Wochenende. Aber ich will nicht, dass sich Leute an Geschichten erregen, die darauf ausgelegt sind, dass sie erregen soll. Menschen ziehen sich Erregung aus allem möglichen. Ob man darüber schreibt, dass kleine Mädchen in Badebecken planschen. Oder ob man von, was weiß ich, von Behinderungen schreibt, was, wie ich gehört habe, ganze Gruppen von Menschen erregt. Keine Ahnung. Wenn ich mir darüber anfange, Gedanken zu machen, kann ich nicht mehr schreiben. Kann ich nur noch meine Haare bedecken und in Kutten rumlaufen, weil alleine meine weibliche Gestalt wen erregen könnte.

NEIN, ich wollte mit dieser Geschichte niemanden erregen. Tut es das, tut es mir leid.

Habt ihr so eine hexyjagd eigentlich schon mal mit jemandem andren gemacht? Genau getüftelt, warum wer welche Geschichte geschrieben hat? Können wir sowas wiederholen, mit Cerberus und seiner Vergewaltigungsgeschichte?

Ich gestehe: ich hatte eine willige Intention, anderen an den Karren zu fahren. Ich hatte die Intention, mit der Geschichte ein wenig aufzurütteln. Ich hatte die Intention, für mich etwas zu verarbeiten.

Meine Zielgruppe hatte ich im anderen Board erreicht. Hier anscheinend nicht. Das tut mir leid. Aber eigentlich wollte ich Hilfe von Stil her und von der Aufbereitung. Die habe ich durch einige sehr gute Kritiken bekommen. Vielen Dank dafür.

Vielleicht solltet Ihr einen Fragebogen einführen, bevor eine Geschichte veröffentlicht wird, indem nach Zielgruppe, Intention und möglichen Gefahren fragt.

Sorry, ich bin ein wenig genervt.

maike

 

Ich schlage vor, jetzt ruht der Thread erstmal, bis hexy die Geschichte überarbeitet hat, und dann sehen wir weiter :).

Der eine Runde Cool-Z austeilende
FLoH :cool:.

 

Freiheit ist die Freiheit des anders denkenden

Eigentlich wollte ich mich zu dieser Geschichte nicht mehr äußern - alles was es von meiner Seite zu sagen gab, habe ich zu jenem Zeitpunkt gesagt.

Nun hat aber die Autorin die Geschichte geändert und die von mir monierten Stellen eliminiert oder abgeschwächt – ich halte daher meinen Vorwurf, die Geschichte sei reißerisch aufgebaut, nicht mehr aufrecht.

Gleichwohl herrscht in dieser Geschichte ein Grundtenor: Männer sind Schweine. Und aus Kommentaren nicht nur der Autorin: wie können sich Menschen bloß an Vergewaltigungsgeschichten aufgeilen! Dazu ist zu sagen: nicht nur Männer sind Schweine, auch Frauen sind das in nicht minderen Maßen – siehe die jüngste Berichterstattung aus dem Irak* -, was uns Menschen sexuell erregt und was nicht, können wir nicht beeinflussen: es ist wie es ist.

Es gibt aber einen gravierenden Unterschied zwischen der Fantasie – in der Regel in den Romanen und eben auch in Kurzgeschichten vorhanden - und der Realität, wo die Täter früher oder später gefasst und für ihre Taten bestraft werden. Selbst wenn eine Geschichte einen realen Hintergrund hat, kann sie trotzdem nur Dichtung sein, denn niemand kann allen Aspekten einer Tat gerecht werden, das kann auch gar nicht anders sein, der Dichter ist ja ein Subjekt, es kann von ihm nur seine, subjektive Sicht der Dinge kommen, mag er sich noch so anstrengen.

Daher müssen wir uns Menschen in der Realität an unsere selbst gestellten Gesetze halten – anders ist ein Zusammenleben nicht oder nur sehr schwer möglich -, in der Fantasie aber können wir tun und lassen, was wir wollen, Probleme gibt es in der Regel erst, wenn diese Fantasien niedergeschrieben oder in Bildern festgehalten und veröffentlicht werden.

Dies geschah zu allen Zeiten und geschieht auch heute: es gibt immer Menschen, die meinen, dass es Dinge gibt, über die man besser schweigen soll, und würden sich Schriftsteller und andere Künstler daran halten, gäbe es keinen Fortschritt in der Kunst und Namen wie Kant, Sartre, Voltaire, Gide, Balzac, Zola, Flaubert, Kleist, Hugo, Zuckmayer, Hauptmann, Wedekind, Miller, Genet und Grass, deren Werke zuerst verboten, dann aber zu Weltliteratur erklärt wurden, würden uns heutigen unbekannt sein, es war Picasso, der mal gesagt hat, der größte Feind der Kreativität ist der gute Geschmack., ich nehme an, er hat die so genannte Schere im Kopf gemeint. Der gute Geschmack ist ohnehin keine feste Größe, er ändert sich mit der Zeit, was gestern noch verpönt, ist heute guter Stil, was heute verdammt, ist morgen vielleicht Nobelpreiswürdig.

Aber zurück zu dieser Diskussion und zu einem Zitat von mir: Dass Frauen auf dunklen Parkplätzen überfallen werden ist ein weit verbreitetes Vorurteil, es wundert mich nicht, dass deine Geschichte diese Erwartungen des Publikums bedient. Ich gebe zu, dass ist missverständlich formuliert, denn was ich damit sagen wollte ist dies: an diesen Plätzen werden viel weniger Frauen zu Opfer als woanders – dazu habe in einem zweiten Posting aus Polizeistatistiken zitiert, ich dachte, damit wäre jedem klar geworden, was ich meinte – und vorgestern hat Heribert Prantl, ein ehemaliges Staatsanwalt, in der Süddeutschen Zeitung auf Seite 1 u.a. zu diesen Statistiken im Prinzip das Gleiche gesagt:

„Der gefährlichste Ort in Deutschland ist die Wohnung. Auf zwei Frauen, die außerhalb der Wohnung Opfer von Gewalt werden, kommen 13,8 Frauen, denen zu Hause Gewalt angetan wird. Kurz: Es gibt hier keinen Anstieg der Gewalttaten, sondern einen Anstieg der Anzeigen. Das Dunkelfeld ist kleiner geworden. Ähnliches gilt für Gewalt an der Schule: Die Schuldirektoren sind sensibler geworden, greifen schneller zum Telefon, um die Polizei an die Schule zu holen, was noch vor ein paar Jahren verpönt war.

Der statistische Anstieg der Gewaltdelikte ist also befriedigend zu erklären. Zur Hysterie besteht kein Anlass, zur Sorge schon. Die Sorge muss sich auch darauf beziehen, dass das Bild der Bürger von der Kriminalität viel dramatischer ist als die Wirklichkeit: Nach einer Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) glauben vier Fünftel der Bürger, die Zahl der Straftaten sei in den vergangenen zehn Jahren explodiert. Die Befragten unterstellten im Durchschnitt der Antworten, die Zahl sei zwischen 1993 und 2003 um 34,5 Prozent gestiegen. Tatsächlich blieb sie mehr oder minder gleich. Bei Wohnungseinbrüchen wird vermutet, dass sie doppelt so häufig vorkommen wie vor zehn Jahren. Tatsächlich sind sie in diesem Zeitraum um 40 Prozent zurückgegangen, 2003 noch einmal um 5,6 Prozent. Bei Bankraub und Autodiebstählen ist es ähnlich. Die krasseste Fehleinschätzung bezieht sich auf vollendeten Sexualmord: Die Bürger glauben, dass sich die Zahl von 32 auf 208 vervielfacht habe. Die Statistik dokumentiert aber eine Abnahme auf 18 solcher Morde.

Das ist das Ergebnis des Boulevardjournalismus in bestimmten Zeitungen und Fernsehsendern und mein Vorwurf an hexy war exakt dieser Natur, denn in der ursprünglichen Fassung tat sie es diesen Journalen gleich.

Ich betone: jeder kann schreiben, was er will, doch er muss auch die Kritik ertragen – mir erging es nicht anders mit meiner Geschichte „Sie ließen ihn nicht gehen“, sie war bloß anders gepollt.

Dion


* obwohl zahlenmäßig unterrepräsentiert, taten sich die amerikanische Wärterinnen des schon zu Saddamzeiten berüchtigten Gefängnisses besonders hervor: sie zwangen die Männer sich auszuziehen, brachten sie eigenhändig zu Erektion und zwangen sie danach, andere Männer oral und anal zu penetrieren. Besonders pikant: das Gefängnis stand zu diesem Zeitpunkt unter dem Kommando einer Generalin.

 

@hexy:

Ich hatte die Intention, mit der Geschichte ein wenig aufzurütteln
Das macht Dir auch niemand streitig, liebe hexy. Aber: Viele Deiner Kritiker sind eigentlich Gleichgesinnte, die nichts anderes wollen, als Dir klar zu machen, daß unser gemeinsames Ziel einen anderen Weg erfordert. Nicht immer ist die erst-beste Lösung wirklich die beste, oft eben genau das Gegenteil.
Es geht nicht darum, daß jemand sagen würde, Du sollst nicht aufrütteln - es geht mehr nur um die Wahl der Waffen. Statt der Steinschleuder empfiehlt sich vielleicht eher Pfeil und Bogen...;)

Außerdem könnte ein Problem für Dich sein, daß Du zwei große Ziele auf einmal verfolgst, die vielleicht doch schwer unter einen Hut zu bringen sind: Du willst zugleich aufrütteln und verarbeiten. - Vielleicht solltest Du das trennen und zwei verschiedene Geschichten schreiben. - Nur so als Vorschlag.
Fürs Verarbeiten könnte es übrigens auch ganz gut sein, der Geschichte einen anderen Schluß zu geben als den realen, einen, den man sich wünscht, der vielleicht auch erst in der Zukunft liegt. Beispielsweise könnte sie Monate oder Jahre später in der Zeitung einen Bericht lesen, wo einer Frau nicht geglaubt wird, sie die Täter aber als die selben erkennt und sich daraufhin meldet und die Täter dann aufgrund ihrer Aussage doch noch ins Gefängnis wandern. - Wer weiß, wenn Du es erst einmal so schreibst, ob es dann nicht auch eines Tages für Deine Freundin wahr wird? ;)

Der Vorteil im Trennen in eine Geschichte die anklagt und eine, die der Verarbeitung dient, liegt auch darin, daß Du dann in der Anklage freier wärst und Dich weniger an die Tatsachen binden müßtest. - Überlegs Dir mal. :)

@Dion:

nicht nur Männer sind Schweine, auch Frauen sind das in nicht minderen Maßen
Da stimme ich Dir absolut zu, und dafür muß ich nicht in den Irak: Bei uns wurde diese Woche eine Lehrerin freigesprochen, die einen Schüler während Nachhilfestunden mißbraucht haben soll - dem Richter erschienen die Vorwürfe aber nicht glaubwürdig, in den Kommentaren im Netz fand man Aussagen wie "Der hat wenigstens was gelernt bei ihr" - es wird also nicht nur auch von Frauen mißbraucht, sondern man nimmt den Mißbrauch an Buben und Männern auch weniger ernst, so, als müßte ihnen das ja ohnehin gefallen...

in der Fantasie aber können wir tun und lassen, was wir wollen, Probleme gibt es in der Regel erst, wenn diese Fantasien niedergeschrieben oder in Bildern festgehalten und veröffentlicht werden. ...
Bist Du also der Meinung, Erotisches über Vergewaltigungen zu schreiben und zu veröffentlichen, sollte erlaubt sein, weil manche davon fantasieren und man die Moral (oder "den guten Geschmack") in einer konstanten Linie weiter nach unten schrauben sollte?
Ein anderes Beispiel: Findest Du, es ist dasselbe, ob jemand Drogen nur konsumiert oder sie auch weitergibt? Sollte man Heroin freigeben, nur weil es ohnehin immer mehr Süchtige gibt, oder sollte man besser schauen, daß sich die Süchtigen einer Therapie unterziehen?

Deinen Ausführungen zu dem Satz mit den dunklen Parkplätzen stimme ich zu. Durch solche Irreführungen (es geschehe hauptsächlich dort) fühlen sich Frauen nämlich bei Tageslicht oft vermeintlich sicher, und gerade davor sollte man warnen.
Ich bin nicht so mutig wie die Protagonistin und wäre in der Situation zum Beispiel nicht auf den dunklen Parkplatz gefahren, sondern hätte die nächste Ausfahrt genommen - meistens sieht man dann gleich einen McDonald oder so, wo man wesentlich sicherer und sauberer aufs Klo gehen kann. - Tagsüber hingegen hätte ich mir jede Angst mit einem "Na der wird grade auf dich warten" ausgeredet...

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein

Von Häferl:
Bist Du also der Meinung, Erotisches über Vergewaltigungen zu schreiben und zu veröffentlichen, sollte erlaubt sein, weil manche davon fantasieren und man die Moral (oder "den guten Geschmack") in einer konstanten Linie weiter nach unten schrauben sollte?
Moral weiter nach unten schrauben? In deiner Frage unterstellst du, unsere heutige Moral sei niedriger ist als die vor 10 oder 100 oder 1000 Jahren - in welcher Welt lebst du? Habe ich mich so missverständlich geäußert, kann man Picassos Worte auch so deuten, wie du es offenbar tust?

Man sollte über alles schreiben dürfen, niemand hat das Recht, sich über andere moralisch zu erheben – du, Häferl, könntest die nächste sein, die in einem Experiment versagt.*

Und ja, ich bin für Freigabe aller Drogen. Der Prozensatz der Drogenabhängiger in einer Gesellschaft ist durch Jahrhunderte nahezu konstant geblieben, nur gab es früher nur die eine Droge Alkohol. Will sagen, früher hat es mehr Alkoholismus gegeben, heute hat man mehr Auswahl.

Dion


* Aus der SZ von heute:

Abu Ghraib ist kein Zufall
Binnen fünf Tagen wurden normale Studenten bei einem psychologischen Experiment zu Folterern

Von Christopher Schrader

Ein Gefangener. Eine schwarze, unförmige Kutte. Ein Sack über dem Kopf. Dieses Bild, aufgenommen im Abu-Ghraib-Gefängnis bei Bagdad, ist zum Symbol der Unmenschlichkeit geworden - und der Krise, in die die amerikanische Regierung mit ihrer Irakpolitik geraten ist. Das sei das Werk Einzelner, versuchte die Bush-Administration die Vorfälle zunächst zu entschuldigen.

Doch nun hat sich auch ein berühmter Psychologe zu Wort gemeldet, um dieser Deutung aus Washington zu widersprechen. Phil Zimbardo ist Professor an der kalifornischen Elite-Universität Stanford. ¸¸Ich war überhaupt nicht überrascht über die Bilder", sagte er der New York Times. ¸¸Ich habe ganz ähnliche Bilder aus einem meiner Experimente." Eines davon zeigt: Drei Gefangene. Weiße, unförmige Krankenhaus-Nachthemden. Papiertüten über den Köpfen.

Das Bild entstammt der Internet-Dokumentation des berühmten Stanford-Gefängnis-Experiments. 1971 hatte Zimbardo 24 Studenten angeworben, für 15 Dollar am Tag. Es war, schreibt er, eine ¸¸durchschnittliche Gruppe von gesunden, intelligenten Männern". Per Münzwurf wurden sie zu Wärtern oder Gefangenen bestimmt. Einen Kellerflur des Instituts verwandelten die Forscher zum Zellentrakt (www.prisonexp.org). Ein ähnliches Szenario lag 2001 dem Film ¸¸Das Experiment" zugrunde.

Der Anfang von Zimbardos Experiment war vorgeben: Zunächst neun der Gefangenen wurden in ihrer Wohnung verhaftet und abgeführt. Man nahm ihre Fingerabdrücke und brachte sie mit Augenbinde ins ¸¸Stanford County Jail", den Zellentrakt im Psychologie-Gebäude. Dort mussten sie sich zu einer Durchsuchung ausziehen. Statt der Namen wurden nur noch Nummern benutzt. Die Prozedur, so Zimbardo, ¸¸ähnelt den Szenen, die vom Fotografen Danny Lyons in einem texanischen Gefängnis aufgenommen wurden".

Die Wärter hatten eine Khaki-Uniform bekommen, Trillerpfeife, Gummiknüppel und verspiegelte Sonnenbrillen. Mehrmals pro Schicht riefen sie die Gefangenen zum Zählappell auf den Flur. Wer dann aus der Rolle fiel, musste Liegestütze machen. ¸¸Wir dachten zuerst, diese Form der Bestrafung sei unangemessen für ein Gefängnis. Später erfuhren wir jedoch, dass in Konzentrationslagern häufig Liegestützen als Strafe verhängt wurden", schreibt Zimbardo.

Doch irgendwann, erschreckend schnell, entglitt den Forschern das Experiment. Vier Gefangene bekamen einen emotionalen Zusammenbruch, es gab Hungerstreiks und psychosomatische Leiden. Etwa ein Drittel der Wärter entwickelte eine sadistische Ader, demütigte die Gefangenen und verhängte willkürliche Strafen. Schließlich, in der Nacht vom fünften zum sechsten Tag, begannen die Wärter, wie Zimbardo es zurückhaltend ausdrückt, mit ¸¸pornographischen und entwürdigenden Misshandlungen". Da brach der Professor das Experiment ab; die Bilder aus Abu Ghraib, die nackte Körper und grinsende Wärter zeigten, dürften ihm jetzt allzu bekannt vorgekommen sein.

Zimbardos Versuch ist nicht der einzige, an den Psychologen bei diesen Fotos denken. Anfang der 60er-Jahre lud Stanley Milgram an der Yale University zu einem Experiment, das angeblich die Rolle der Strafe beim Lernen erkunden sollte. Die Teilnehmer wurden als ¸¸Lehrer" eingesetzt, die ¸¸Schülern" bei Fehlern Stromstöße verabreichen sollten: 15 bis 450 Volt. Hinter dem Lehrer saß der Experimentator im weißen Kittel und versicherte, er übernehme die volle Verantwortung. Tatsächlich aber gehörte auch der ¸¸Schüler", der in einer abgeschirmten Kabine saß, zum Forschungsteam. Er spielte die Reaktion nur: Bei 180 Volt bat er um Gnade, dann schrie er um Hilfe, um bei 300 Volt zu verstummen. Trotzdem reizten zwei Drittel der Versuchspersonen die Spannungsskala bis zu den als lebensgefährlich gekennzeichneten Spitzenwerten aus. Keiner der ¸¸Lehrer" verweigerte vor 300 Volt den Gehorsam.

In der Psychologie gilt der Milgram-Versuch als Beweis, dass Menschen zu unglaublicher Grausamkeit fähig sind, wenn sie glauben, die Verantwortung auf Vorgesetzte abwälzen zu können. Auch diese Erkenntnis lässt sich womöglich auf den Irak anwenden, wo - wie die zuständige Generalin Janis Karpinski sagte - die Folterzellen unter Kontrolle des Militärgeheimdienstes standen.

¸¸Wenn es keine Kontrolle von außen gibt", sagte Craig Henley, Zimbardos Kollege beim Stanford-Experiment und heute Psychologie-Professor in Santa Cruz, der New York Times, ¸¸dann verändert sich mit der Zeit die Wahrnehmung, was angemessen sei. Die Wärter erkennen gar nicht mehr, wie schlecht sie sich verhalten." Zimbardo weist deswegen die Verteidigungslinie seiner Regierung zurück, es habe sich um die Taten einzelner, gestörter Individuen gehandelt. Tatsächlich sei die Situation des Krieges für die Exzesse verantwortlich. ¸¸Es waren nicht ein paar faule Äpfel im Fass. Wir haben gute Äpfel in ein schlechtes Fass gelegt. Dieses Fass des Krieges verdirbt alles, was es berührt."

 

Hallo Ihr Beiden,

die Wahl der Waffen war schon immer eine strittige Sache. Wie auch immer, die hierfür war meine Wahl. Was richtig ist oder nicht, entscheidet immer der Moment, in dem man sie wählt.

Dennoch muss ich nochmal was zu Dion und der Anzahl von Gewaltdelikten sagen.
Ich habe zu keiner Zeit gesagt, dass die Hauptzahl von Vergewaltigungen nachts auf Parkplätzen stattfindet. Ich habe auch schon Geschichten geschrieben, wo die Gewalt zu Hause stattfand.
Diese eine Szene war aber einfach auf einem Parkplatz, und das auch noch im Dunkeln, wobei sieben Uhr am Abend nicht wirklich Nacht bedeutet. Warum sollte ich den Tatplatz verlegen?

Ich muss Häferl zustimmen, auch ich würde nie alleine Nachts auf ein Parkplatzklo gehen. Wenn schon, dann ein Rastplatz oder eben ein MC, was immer erreichbar ist. Meine Freundin hats dennoch getan, weil sie, wie ich in der Ursprungsversion auch versucht habe, deutlich zu machen, immer eine selbstbewußte, unabhängige Frau gewesen ist, die allein durch ihr Äußeres dem Klischee einer Opfergestalt widerspricht. Und damit meine ich jetzt eine 'kleine, zarte, vorsichtige Frau, die sich verhuscht und verschreckt verhält' oder so. Keine 1meter80 große Frau mit guten 80 Kilo, die selbstbewußt durchs Leben geht. Wie auch immer. Der Ansätze sind viele. Viele sind bestimmt in Ordnung, manche kritsch zu betrachten.

Die Story wurde aus einem Affekt geschrieben, was ich ja auch schon erklärt habe.

Zur Moral von Vergewaltigungsgeschichten hab ich mich nun wohl genug geäußert.

Auch wenn Du, Dion, Dich hier mit Deinem letzten Posting versucht hast, zu relativieren, finde ich einige Deiner Aussagen immer noch bedenklich. Aber, that's not my job, Dich aufzuklären oder Dir eine Realität zu bieten, die sich außerhalb optimistischer Polizeiinformationen und Zeitungserklärungen befindet.
Ich weiß nicht, ob Du persönlich mit Überlebenden Kontakt hast, oder darüber gesprochen hast. Ich bin mit vielen Betroffenen aufgewachsen, weil meine Eltern ehrenamtliche Suchthelfer waren, seit ich 5 Jahre alt war. Nicht nur einmal saßen heulende Frauen/Kinder/Männer bei uns zu Hause. Ich weiß, dass viele Delikte nicht aufgeklärt werden (wie zb das aus meiner Story), oder Täter aufgrund Verfahrensfehlern straffrei ausgehen. Aber, glaub was Du willst. Schreib was Du willst. Klage an, was Du für richtig hälst.

Ich danke Dir noch einmal, Häferl, dass Du mir viele Denkanstöße gegeben hast.

Es grüßt, Maike

 

Huch, noch ein Kommentar.

Erste Frage, Dion, liegt dieser Zeitungsausschnitt irgendwo in einem Zusammenhang mit der Story, den ich irgendwie übersehen habe?

Du irrst Dich, wenn Du denkst, dass die Anzahl der Suchtkranken gleichgeblieben ist.
Fragt sich nur, wo Du mit der Suchtgefährdung anfängst. Aber das ist nun wirklich off-topic, oder nicht?

Und noch ein NEIN. Du liegst falsch damit, dass sich keiner über den anderen moralisch erheben darf. Sonst kannst Du nämlich alle Gesetze und dergleichen in den Gulli kippen, Dich mit Waffen in deiner Kammer verschanzen und um Dein Leben kämpfen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Dion, auch wenn es ein wenig off topic ist, möchte ich dein Zitat über die Stanford/Milgram-Experimente, diese Klassiker der experimentellen Sozialpsychologie, etwas ergänzen:

Es gibt die sog. autoritätere Persönlichkeit: Leute, die sich wohlfühlen innerhalb einer Hackordnung. Die bereit sind, nach oben hin Kotau zu machen und sich vorgegebenen Machthabern willig unterzuordnen. Die aber genauso bereit sind, die ihnen formell zugeteilte Macht in extenso auszuleben. Das sind Leute, die gerne andere für sich denken und entscheiden lassen und anfällig sind für Demagogie und einfache Lösungen. Solche Persönlichkeiten werden überzufällig oft Berufsmilitärs, Wärter, Sicherheitsleute.

Die zitierten Experimente sind insofern mit Vorsicht zu genießen, als meines Wissens niemals untersucht wurde, ob nicht gerade diese autoritären Persönlichkeiten sich auch besonders willig als Versuchsperson zur Verfügung stellen, denn die Situation des Experiments ist genau in ihrem Sinn: die Anordnungen einer Führungsperson erfüllen.

Problematisch ist meiner Ansicht nach die oft aus diesen Experimenten gezogene Folgerung, alle Menschen seien potenzielle Sadisten. Persönlich bin ich der Meinung, dass längst nicht jeder zum Folterer werden würde. Vielleicht zum Gewalttäter aus Affekt, Verzweiflung, Notwehr. Aber nicht zum kontrolliert handelnden Schergen. Dazu gibt es in der Geschichte einfach zu viele Beispiele von kleinem und großem Widerstand.

Drogen und Sucht: Beides geht nicht automatisch Hand in Hand. Die Frage ist, was jemand im Rausch sucht. Wer darin Vergessen, Frieden, Glück und Flucht finden möchte, taumelt fast unweigerlich in die Sucht. Wer den Rausch einer Droge sucht, um gelegentlich aus Neugier die eigenen Grenzen der Wahrnehmung und des Fühlens zu überschreiten, kann verantwortungsbewusst mit Drogen umgehen; -->z.B. indianische Schamanen, die zu zeremoniellen Zwecken Halluzinogene konsumieren. Diese Drogenkonsumenten sind aber sicher bei uns die Ausnahme. Die Freigabe von Drogen würde auf jeden Fall die medizinischen, sozialen, kriminologischen Negativfolgen in unterschiedlichem Maß verringern. Aber nicht das Leid der Angehörigen von Abhängigen, die sich trotz Legalität der Droge damit ruinieren, weil sie im Rausch etwas suchen, was er nicht geben kann.

Zur Problematik der Zensur: Ich teile mit Dion die Meinung, dass Zensur grundsätzlich ein falscher Weg ist. Um beim Beispiel zu bleiben: Fantasien von gewalttätiger Sexualität verschwinden nicht dadurch, dass sie nicht in Worte gefasst werden dürfen. Genauso wenig bekommt jemand, der diese Neigung vorher nicht hatte, Lust auf gewalttätigen Sex, nur weil er eine derartige Geschichte liest. Nur wer sich den eigenen Dämonen stellt, kann lernen, sie zu zähmen und unter Kontrolle zu behalten. In diesem Sinn kann das Lesen einer Snuff-Story Menschen mit Tendenz zur Verquickung von Sex und Brutalität sogar helfen, diese möglicherweise nur halbbewusste Vorliebe wahrzunehmen und sich damit so auseinanderzusetzen. dass die Neigung nicht in sozialschädliches Handeln mündet. Es verbleibt dann die Frage, welche Altersgruppen von Fiktion dieser Art ferngehalten werden muss.

Was die Frage der Moral angeht, halte ich es immer noch mit Kants Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft:
Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.
Damit ist die Notwendigkeit, sich über anderer Leute Moral zu erheben, überflüssig geworden. Denn die individuelle Moral ist dehnbar, wankel- und hochmütig und selbstverliebt. Überleg doch nur mal, hexy, wie viele Leute aus deinem persönlichen Umfeld ihre ethische Nase rümpfen, wenn sie erfahren, dass du (und ich genauso) in deiner Freizeit Geschichten schreibst, die zur Wichsvorlage taugen. ;)

GLG, Chica

 

Hm, ich hoffe, ich wer jetzt nicht gleich aus dem Forum geschmissen, weil mein allererster Beitrag derart off-topic ist :Pfeif:

@ Chica : Zu deinen Bemerkungen über das Milgram-Experiment möchte ich sagen, dass die (zugegebenermaßen wiet verbreitete) Interpretation, alle Menschen wären eigentlich Sadisten, nicht stimmt. Auch Milgram selbst hat das nie gesagt. Im Gegenteil, die Kontrollexperimente, die mit immer geringfügig veränderten Bedingungen herausfinden sollten, was die Menschen dazu treibt, so etwas zu tun, haben zum Teil heldenhaftes Verhalten hervorgebracht. Es geht eher um den offenbar angeborenen, unbewussten Drang, sich einer Autorität zu unterwerfen.

Zum Thema Zensur kann ich dir nur voll beipflichten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend jemand zum Vergewaltiger wird, nur weil er eine Geschichte über eine Vergewaltigung liest, genausowenig, wie ein normaler Mensch plötzlich zum Kinderschänder wird, weil er am Strand ein nacktes Kind rumlaufen sieht. Ich bin eher davon überzeugt, dass es ein Bärendienst für die Gesellschaft ist, über alles, was mit Sexualität oder auch nur mit Nacktheit zu tun hat, das Pfui-Mäntelchen zu breiten. Das erzeugt erst recht ein Klima, in dem die Perversen der nächsten Generation wie Pilze aus dem Boden schießen.
Natürlich darf man sexuelle Gewalt nicht verharmlosen oder gar verherrlichen, aber sie totzuschweigen, ist auch nicht richtig.

 
Zuletzt bearbeitet:

Höhö, Chica, darüber hab ich schon manche Diskussion geführt, nicht zuletzt mit meinem Mann, warum ich solche Geschichten schreibe, und wen ich damit erreiche oder erreichen will.

Die Sache mit dem kategorischen Imperativ Kants hast Du fabelhaft in Zusammenhang gebracht :)

Bleibt die Frage, wie weit Zensur gehen darf und eventuell auch muss. Zensur soll normalerweise zum Schutz angewandt werden. Problem 1: wer setzt die Zielgruppen fest, 2: wer legt die Maximen an, 3: wer sorgt dafür, dass sie auch angewandt wird? 4: was hält die Zielgruppe davon? Wäre ein lohnendes Thema für einen philosophischen Exkurs.

Nunja, für uns hier in D gelten gültige Gesetze. Ob es uns passt, oder nicht, wir sollen uns dran halten. Ob wir uns dran halten, ist im großen ganzen unsere Sache. Treten wir jedoch aus unserem kleinsten Umfeld nach außen -auf einer website, in einer Shortstory, ...- nehmen wir Einfluß auf andere. Und dann?

Greetings back (muss mein Englisch reaktivieren), Maike

PS:Welcome Woodwose!

Es geht eher um den offenbar angeborenen, unbewussten Drang, sich einer Autorität zu unterwerfen.

Angeboren oder anerzogen? Das frage ich mich jedes Mal, wenn ich meiner Tochter klar zu machen versuche, dass ICH die Mama bin und zu bestimmen habe. Wobei ich mich genauso oft nach Gelingen frage, wie sehr ich ihre Selbstbehauptungskräfte untergrabe, weil ich ihren Willen für Nutzen und Notwendigkeit (manchmal einfach auch nur zum Schutz meiner Nerven) hintenanstelle.

Um auf die Sexualität zurückzukommen, wird 'es' schwierig oder unter Umständen eben gefährlich, wenn ich mir nehme, was ich will, ohne Rücksicht zu haben auf jenen, von dem ich nehme. Sei es nun Vergewaltigung in der Ehe oder außerhalb, Missbrauch von Kindern (oder Tieren, grade heute habe ich Warnungen über Sodomie -zum Glück wurde der Täter gleich gefasst- erhalten) oder was auch immer. Natürlich muss auch aufgeklärt werden, damit ich weiß, was überhaupt passiert/passieren kann. Damit ich nicht naiv durchs Leben tappe.

 

Kleiner Einschub:

Allmählich ist in diesem Thread hier schluß mit lustig. Ich werde in den nächsten Tagen den Thread gründlich durchgehen und alles, was nicht in direktem Zusammenhang zur Geschichte steht, entfernen.
Was für die Leser und Kritiker soviel bedeutet wie: "Haltet euch ab sofort lediglich an den Text und unterlasst bitte alle Fremdgedanken hier niederzuschreiben."


Dieses Posting wurde rein zum Informationszweck erstellt und bedarf keiner Antwort.

 

Sehr traurig, aber interessant geschrieben.

David. PS. Ich habe schon lange nichts mehr hier geschrieben, aber die eine
Geschichte die ich damals hier veröffentlicht hatte - ist leider gelöscht worden,
hab aber ein backup - war echt nicht schlecht ;) im moment hab ich auch wenig
Zeit um was zu schreiben ;)

 

Kurz und prägnant. Ich danke Dir, Internet-News.

PS: Warum ist denn Deine Geschichte nicht mehr im Board?

hexy

 
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Dein Mittel zum Zweck ...

An Dijon


Ich bin mir dessen noch nicht ganz sicher, aber es ist wahrscheinlich deine larmoyante Art, die ich nicht mag.
Das ist bereits die erste Ungenauigkeit. Weil ein Autor sich vielleicht eines „larmoyanten Stil“ Stils bedient (warum schreibst du eigentlich nicht einfach weinerlich, so dass es jeder versteht?) darfst du ihm noch lange keine larmoyante Art unterstellen, denn das eine bezieht sich eben auf den Stil – den kannst du empfinden, wie du möchtest - während das Andere sich auf eine Eigenschaft des Autors bezieht, die du beim besten Willen nicht kennen kannst.

Oder deine Schwarz-Weiß-Malerei. Deine in die Geschichte eingebrachte Emotionalität verstellt dem Leser den Blick, er kann nicht umhin, er muss sich auf die Seite des Opfers stellen – so suggestiv arbeitet auch die Boulevardpresse.*
Opfer ist per defintionem jmd., der durch jmdn., etw. umkommt, Schaden erleidet. Nenne mir einen einzigen Grund, warum sich der Leser hier auf die Seite der Vergewaltiger stellen sollte oder noch besser: Beschreibe mir bitte diese Vergewaltigungsszene aus Hexys Story so neutral, dass ich mich als Leser selbst entscheiden kann, wie ich das Geschehen beurteile.

Es mag ja Dinge wie die von dir geschilderten geben - in der Fantasie, wohlgemerkt -, aber müsste das auf einem nächtlichen Autobahnparkplatz geschehen?
Wenn es - nicht in der Fantasie, wohlgemerkt -, möglich ist, dass man Mädchen jahrelang als Sexsklavinnen (siehe z. B. Fall Dutroix) in Kellerverliesen hält ist ein nächtlicher Autobahnparkplatz ach so unwahrscheinlich?

Auf dem zwei, drei Autos und mehrere LKWs parken und deren Insassen sich anscheinend in der Luft auflösten als drei Kerle eine große, kräftige und sich wehrende Frau zu einem der LKW zerrten.
Wenn ich als Insasse eines der herumstehende Fahrzeuge die Szene zufällig mitbekomme (wenn ich nicht tief und fest schlafe, denn warum sonst sollte ich dort geparkt haben) wäre die erste Reaktion: „Bitte Gott, mach dass sie mich nicht sehen“, weil ich nämlich kein Superheld (denn ich gehe ja davon aus, ein Mann zu sein) bin. Ich habe Angst und denke zuerst an mein Leben, das ich nicht im Kampf mit drei offensichtlich brutalen Männern riskieren werde. Das zeugt zwar nicht von der idealen Zivilcourage ist aber nichtsdestotrotz realistisch und wie ich nun zu behaupten wage: der Normalfall!

Dass Frauen auf dunklen Parkplätzen überfallen werden ist ein weit verbreitetes Vorurteil, es wundert mich nicht, dass deine Geschichte diese Erwartungen des Publikums bedient.
Und welche Statistik kannst du als Quelle anführen? Solange enthalte ich mich eines Kommentars …

Und wir, das Publikum, werden auch weiter bedient. Man/frau braucht nur die „richtigen“ Worte zu nennen Nackt an die Wände gefesselt. Beschmutzt, benutzt, gequält, verbrannt, gepeitscht, missbraucht „, schon weiß man/frau, die, die das gemacht haben, das können nur elende Sadisten sein, die zu dem noch so dumm sind und die Frau hinterher ruhig gehen lassen, sie wissen genau, die ist so fertig, die wird sich keine Gesichter merken oder Nummer aufschreiben, sie wird nur froh sein mit dem Leben davon zu kommen, im Zweifelsfalle wird sie sich auf ihr Privileg, wenig sinnvoll zu handeln, berufen …
ach, es sind zu viele Ungereimtheiten in dieser Geschichte, im Bestreben danach, alles möglichst grausam darzustellen, unterlaufen dir Dinge wie „an die Wände gefesselt“, klar, eine Wand ist zuwenig,
Es ist traurig genug, wenn ich nun auch darauf entgegnen muss. Ist dir eigentlich die Idee gekommen, dass die Täter in einer engen LKW-Kabine die rechte Hand des Opfers an die rechts von ihm gelegene Wand und die die linke Hand an die links von ihm gelegene Wand fesseln? Und traurig ist es auch, dass du auf diese lächerliche Weise versuchst, die logischen Fähigkeiten der Autorin zu untergraben.

Diese Rechfertigungsversuche sind überhaupt ein Ärgernis, um von deiner angeblichen Absicht, auf diese Dinge aufmerksam machen zu wollen, ganz zu schweigen, ich glaube, Chica hat Recht mit ihrer Vermutung, du wolltest mit dieser Geschichte schnell Aufmerksamkeit erregen, du selbst lieferst den Beweis dafür, dein Hinweis auf so und so viele Tausend Besucher, die deine Geschichte schon gelesen hätten, sagt alles.
Kein Autor dieser Welt kann verhindern, dass sein Leser das glaubt, was er glauben möchte, was wiederum diese Bemerkung von dir völlig überflüssig macht.

* Ich habe einmal per Zufall einen Prozessbericht in der Süddeutschen Zeitung und einen in der Bildzeitung gelesen usw ...
Hexy schreibt von Äpfeln und du führst ein Beispiel mit Birnen an, dazu noch ohne Quellenangabe.
Und so wie du Hexy eine larmoyante Art unterstellst, leiste ich mir mit gleichem Recht die Vermutung, du seist eine bösartige, frustrierte Natur, dein Beitrag hier erscheint mir wie ein Apfel mit glänzender Wachsschicht, der innen aber faul ist und in sich zusammenfällt.

Tintifax

 

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