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Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo.

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24.01.2009
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Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo.

Vor der Rettungsschwimmerstation sitzen drei Morgenmuffel und klammern sich an ihre Kaffeetassen. Nina betrachtet das Bild und schmunzelt.
„Sieht ganz so aus, als wäre die erste Schicht meine“, sagt sie, zieht sich um, setzt sich auf den Steg und lauscht der Stille, die nur noch ein paar Minuten anhalten wird. Die erste Schicht ist Nina die liebste.
Eine halbe Stunde später kommt Rike zur Ablösung. Die ersten Urlauber haben das Frühstücksbuffet im Speisesaal abgeweidet, nun falten sie Decken auseinander, blasen Luftmatratzen auf und schmieren Rücken und Schultern mit Sonnencremé ein.
„Ich glaub, Max steht auf dich“, sagt Rike, als sie mit Nina zum Dienstwechsel abklatscht.
„Wieso?“
„Keine Ahnung.“
„Ich mein, wie kommst du darauf?“
„Bauchgefühl.“
Nina zieht sich das Wasserwacht-Shirt aus, wirft es auf den Steg neben Rike.
„Ich wette ein Stück Käsekuchen drauf.“
„Nimmst du nachher mein Shirt mit vor?“, bittet Nina und springt ins Wasser. Nach zwei, drei Zügen ruft sie: „Ich halte zwei dagegen!“
Rike hält den Daumen hoch. Dann zieht es Nina auf den See hinaus, weg von dem Gewimmel, Gejaule, Gejuchze und Gekreische der Kinderhölle. Da ist nur noch das Wasser und ihr Körper. Normalerweise. Heute sind da auch noch Rikes Worte.

Auf dem Steg gibt es keine Chance, der Sonne zu entkommen. Sie kocht einem direkt das Hirn weich. Es herrscht Hochbetrieb im Wasser, deshalb schieben sie jetzt zu zweit Wache. Max in der rechten, Nina in der linken Ecke des Stegs, der in U-Form den bewachten Badebereich umschließt. Neben ihr knutschen Teenager. Sie geht ein paar Schritte weiter. Ein älteres Pärchen kommt ihr entgegen, Hand in Hand. Zwei Frauen sitzen auf dem Steg und lästern über schwarze Kondome. Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser und glotzt den Frauen hinterher.

Es ist fast dunkel, als Nina nach ihrer Abendrunde im See zur Unterkunft kommt. Der Wind ist kühl und sie wickelt das Handtuch fester um den Körper. Sie freut sich auf eine warme Dusche und den Rotwein, für den sie nach Feierabend extra zum Supermarkt in die Stadt gefahren ist.
Max sitzt vor dem Nachbarbungalow, trinkt Bier, isst Chips und klimpert auf seiner Gitarre.
„Ich würde da jetzt nicht reingehen“, ruft er ihr zu.
„Weil?“
„Bist du taub?“
Nina lauscht. Doch, sie hört es. Eigentlich ist es überhaupt nicht nicht zu hören.
„Ist nicht wahr, oder?“, sagt sie zu Max.
„Hört sich sehr wahr an, wenn du mich fragst.“
„Kann ich eure Dusche benutzen? Mir ist saukalt.“
„Klar. Fühl dich wie zu Hause.“
Als sie fertig ist, bietet ihr Max eins seiner Sweatshirts an: „Hab es erst einmal angehabt.“
„Danke“, sagt sie. „Aber die beiden werden ja wohl nicht ewig vögeln.“
„Wer weiß?“ Er klimpert weiter auf seiner Gitarre. Nina schaut zu, wie seine schmalen Finger über die Bunde gleiten. Ihn bringt nichts aus der Ruhe. Vielleicht hat es mit seinem richtigen Job zu tun. Er pflegt im Zoo die Wollschweine. „Die coolsten Tiere, ever“, sagt er. Wollschweine, das hört sich gemütlich an, findet Nina.
„Willste ein Bier? Steht im Kühlschrank.“
„Ich habe Rotwein drüben. Danke.“
„Wie du meinst.“
Es ist keine wirkliche Melodie, die er spielt und trotzdem klingt es schön. Irgendwann stellt er die Gitarre weg und schaut Nina an. Einfach so, ohne ein Wort zu sagen, ohne seinen Blick wieder von ihr zu lösen. Es macht sie nervös.
„Vielleicht will ich doch ein Bier“, sagt sie und steht auf.
Max erzählt von seinem Bruder, der nach Alaska ausgewandert ist. Beim nächsten Bier von seiner ersten Freundin, seinem ersten Mal. „Und bei dir?“
„Ivo. Keine aufregende Geschichte.“ Das stimmte. Es gab keine Ameisenarmee auf ihrer Haut, keinen Wirbelsturm, der durch sie hinwegfegte, keinen Himmel und keine Hölle, Nina spürte einfach: Nichts. Dabei hatte sie ihn so geliebt. Irgendwann fuhr Ivo nach Italien, dort lernte er Layla kennen, eine Königin der Nacht. Danach holte er seine Sachen bei Nina ab. Ein T-Shirt vergaß er, und sie weinte hinein.
„Ich hatte mal eine, die stand total auf Wald. Total schräg war das“, sagt Max.
Nina lächelt höflich, nickt. Sie fand den Alaskabruder und die Wollschweine interessanter. Wieder ruht Max‘ Blick auf ihrem Gesicht.
„Was?“, fragt sie.
„Nichts. Nur so.“
„Es macht mich nervös.“
„Gut.“
Endlich kommen Rike und Udo aus der Hütte. Nina atmet auf.

Am nächsten Tag durchkreuzt ab und an ein Wölkchen das Blau am Himmel. Kleine Schäfchen, die ihre Herde verloren haben. Der Tag verläuft wie all die anderen zuvor. Nina übernimmt die erste Schicht, dann, alle halbe Stunde Wechsel auf dem Steg. Rike und Udo knutschen. Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser.
Abends türmen sich Wolken auf. Nina schwimmt auf den See hinaus. Zug um Zug spürt sie mehr ihren Körper, der das Wasser pflügt. Es donnert. Sie sollte umkehren. Sie weiß es. Aber sie will nicht. Noch nicht. Ihre Gedanken kreisen um Max und Käsekuchen. Der erste Blitz drüben bei der Fischerhütte. Nina kehrt um, sie muss.
Max sitzt auf dem Steg, er ist klitschnass vom Regen. Nina wartet auf seine Vorwürfe; aber Max schweigt, sieht ihr stumm zu, wie sie sich trocken reibt. Eine völlig sinnlose Aktion bei dem Wetter.
„Hab Tee gekocht. In der Station“, sagt er schließlich und geht. Sie schaut ihm nach, wie er sich Schritt für Schritt von ihr entfernt und schließlich in der Baracke verschwindet. Jetzt wünscht Nina sich eine Zigarette. Die letzte hatte sie vor mehr als drei Jahren geraucht. Mit Nico. Als Nico sie verließ, hat sie das Rauchen aufgegeben. Ihn hat sie lange vermisst im Gegensatz zu den Zigaretten.
Ganz langsam, wie in Zeitlupe, nähert sie sich der Station. Max hat Hose und Trainingsjacke zum Trocknen aufgehängt, rubbelt sich die Haare trocken. Nina legt sich einfach nur eine Decke um. Gemeinsam stehen sie mit ihren Teetassen am Fenster, lassen den Dampf ihre Gesichter wärmen, zerstören das Wetterspiel nicht mit Worten, bis nur noch stetig Regen fällt.

Max schläft auf der Liege für die Verletzten und Kranken. Nina beobachtet ihn im Schein der Laterne. Wäre sie doch nur ein bisschen mehr wie Ivos Layla, eine Nachtkönigin, es wäre bestimmt sehr schön mit Max gewesen. Aber sie ist Nina. Wie sie es schon bei Nico war. Bei Linus. Bei Ivo. Keine Ameisenarmee, kein Wirbelsturm, kein Himmel und keine Hölle. Nicht für sie. Nicht, wenn man asexuell ist.
Nina atmet Max‘ Duft ein und schließt die Augen. Das Gewitter ist abgezogen. Sie zieht die Decke über seinem Körper zurecht, schlüpft in ihren Badeanzug, und kaum, dass sie draußen ist, läuft sie auf den See zu.

Rike und Udo haben sich gestritten. Max und Nina knutschen nicht. Nur ab und an, wenn sie allein sind, berührt Max sie sacht. Nina lächelt dann für ihn. Es ist ihr letzter Tag. Morgen ist ihre Zeit am Waldsee abgelaufen. Abends grillen sie vor den Bungalows. Rikes Laune bessert sich stetig, während Udo sinnlos Bier in sich hineinkippt. Max hält es kaum noch auf seinem Stuhl. Nina spürt es. Sie wird mit ihm runter zur Station gehen. Sie mag ihn gern. Für ihn wird sie ein letztes Mal diese Leere spüren.

Am nächsten Vormittag packt sie ihre Sachen, hält Max‘ Sweatshirt in den Händen. Sie atmet seinen Duft ein, streicht mit der Hand drüber, legt es zusammen und in ihren Koffer. „Ich weiß, das gehört sich nicht“, flüstert sie. Anschließend kauft sie zwei Stück Käsekuchen für Rike. Unten, in der Station, umarmt sie alle, Max ein wenig enger.
„Du fehlst mir jetzt schon“, flüstert er.
„Du mir auch“, flüstert sie.
Max‘ Silhouette wird im Rückspiegel kleiner, bis eine Kurve ihn ganz verschwinden lässt. Kurz vor der Autobahn stoppt Nina den Wagen. Sie schaut hoch zum Himmel, es ist Badewetter. Keine Auszeit für die Rettungsschwimmer.
Auf Dauer geht es nicht gut. Ist es nie gut gegangen, entschuldigt sich Nina bei Max, und löscht seine Nummer aus dem Handy.

 

Hallo Hell, hallo Fliege

Habe Ricks Text gelesen. Möglich ist viel. Das ist auch gut so.

In einem sind wir uns jedenfalls einig: Die Punkte, um die es geht, verstossen gegen die Regeln. Mit dem Vorschlag, Satzzeichen künstlerisch auszulegen, ist wohl kaum etwas anderes gemeint als der bewusste Verstoss gegen Regeln. Wenn einer so muss, weil es nicht anders geht, dann heisse ich das gut. Was Fliege ausdrückt, könnte allerdings auch ohne Zwischenpunkt ausgesagt werden.

Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo.

Wie schon bei Nico,Linus und Ivo
Wie schon bei Nico, bei Linus, bei Ivo …
Wie schon bei Nico und Linus und Ivo
Wei schon bei Nico, bei Linus und bei vielen mehr

Bei der Überschrift würde dann auch der letzte Punkt wegfallen. So, weil:

Der Punkt steht nicht nach frei stehenden (vom übrigen Text deutlich abgehobenen) Zeilen <§ 68>. Das gilt z. B. für:

1. Überschriften, Buch- und Zeitungstitel <§ 68 (1)>


Die letzte hatte sie vor mehr als drei Jahren geraucht. Mit Nico.

Die letzte hatte sie mit Nico vor mehr als drei Jahren geraucht.
Die letzte hatte sie vor mehr als drei Jahren geraucht mit Nico.
Die letzte hatte sie vor mehr als drei Jahren geraucht – mit Nico.

Sicher könnte man noch andere, bessere Sätze bauen, die dasselbe aussagen, und zwar ohne Künstler-Grammatik. Was man oft auch kann, ist einen Satz ausbauen.

Aber sie ist Nina. Wie sie es schon bei Nico war. Bei Linus. Bei Ivo.

Aber sie ist Nina. Sie war noch nie Kayla. Sie war nicht Kayla, als Nico sie verlies, sie war auch nicht Kayla, als sie von Linus sitzen gelassen wurde, und sie war auch damals nicht Kayla, als Ivo fragte, ob mit ihr etwas nicht stimme, bevor er seine Kayla fand. Sie war schon immer Nina und wird auch nie Kayla werden.

Würde Fliege den Satz ausbauen, wären Stilfiguren möglich, die wir hier nur selten sehen. Ich hätte nichts dagegen einzuwenden. Willkür-Punkte öden auf die Dauer nämlich an. Je öfter ich sie lese, desto billiger kommen sie mir vor.

[…]sie tragen auch maßgeblich zur Sprachmelodie bei; Tonfall, Atempausen.

Ich meine, dass es - zumindest in meinen Augen - durchaus legitim ist, ja, wünschenswert zuweilen, den Sinn der Interpunktionszeichen auch künstlerisch auslegen, verwenden zu dürfen, wenn dahinter eine klare Absicht erkennbar ist.

Ich meine, dass Satzzeichen ein untergeordneter Teil eines übergeordneten Ganzen sind. Manchmal werden sie vernachlässigt und manchmal überschätzt. Sie künstlerisch auszulegen ist heikel. Sie sind vor allem ein Hilfsmittel. Sie erleichtern das Lesen und helfen zweideutige Sätze zu vermeiden. Auch dann, wenn sie als künstlerisches Mittel benutzt werden, wäre doch zu beachten, dass es zwei Gruppen gibt.

Zu unterscheiden sind Satzzeichen

  • zur Kennzeichnung des Schlusses von Ganzsätzen: Punkt, Aus- rufezeichen, Fragezeichen
  • zur Gliederung innerhalb von Ganzsätzen: Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Gedankenstrich, Klammern


Wer etwa innerhalb eines ganzen Satzes eine Pause anzeigen will, der kann das. Er wähle ein Zeichen der zweiten Gruppe.

Die letzte hatte sie vor mehr als drei Jahren geraucht – mit Nico.

Die künstlerische Freiheit könnte Fliege also gestohlen werden. Sie braucht sie nicht. Kunstvoll schreibt sie auch ohne. Lies den Satz genau. Ist dir aufgefallen, wie sie die Wörter umgestellt hat? Dass dieses "mit Nico" aus dem Mittelfeld an den Schluss des Satzes verschoben wurde, macht aus ihrem Satz bereits einen besonderen Satz. Wozu da noch einen Willkür-Punkt schreiben? Lautet das Gedicht vielleicht:

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not,
In seinen Armen das Kind. War tot.​

Nein, lautet es nicht. Im letzten Satz sind nur die Wörter umgestellt. Aber wo Goethe nur die Syntax kunstgerecht auslegte, legen wir auch noch die Grammatik "künstlerisch" aus.

Danke hell, dass du bestätigt hast, dass die Zwischenpunkte grammatikalisch unsauber sind. Sind wir uns auch einig, wenn ich sage: Erstens nutze die künstlerische Freiheit, wenn nötig, und zweitens wahre den Nutzen der grammatikalischen Regeln, solange wie möglich.

Gruss teoma

 

Hallo teoma,


ich bin mir nicht sicher, ob die Diskussion nicht in einem gesonderten Thread besser aufgehoben wäre.

Ich halte Flieges Vorgehensweise nach wie vor für legitim. Einfach deswegen, da ich sie als rhetorisches Stilmittel erkenne und akzeptiere - also die Absicht dahinter - und dadurch ein gewisser Effekt erzielt wird.
Das ungewöhnliche Bild erregt einfach meine Aufmerksamkeit, und gerade deswegen ...

Bei der Überschrift würde dann auch der letzte Punkt wegfallen.
... erst recht, denn ich unterstelle einer Autorin wie Fliege, dass sie sich der Regeln hinsichtlich Interpunktion in Überschriften bewusst war und ist.

Klar, sie hätte es auch anders lösen können, Hyberbatone, Paranthesen, whatever verwenden können, aber sie hat sich nun mal hierzu entschlossen und erzielt dadurch sogar mehr Wirkung, als nur die Worte zwischen den Punkten hervorzuheben oder uminterpretieren lassen zu können.
Ich wiederhole mich, der jeweilige Punkt nach den Namen enthält sogar als solcher Aussagekraft für mich. Setze ich den "Punkt" mit "Ende" gleich (Punkt=Ende) und betrachte das im Kontext der Geschichte - deren Inhalt und Aussage - finde ich es eben ziemlich clever und geschickt angestellt von ihr.
Das mag ungewöhnlich sein, ja, aber Sprache erfindet sich doch auch durch Auslegung bestehender Regeln ständig neu. Hat sie immer. Einen groben Regelverstoß erkenne ich hier nicht.
Wenn es bei Punkten unbedingt um Beendigung einer Aussage gehen soll, dann akzeptiere ich hier die Aussage "Bei Linus", "Bei Ivo". Ich füge automatisch ein (endete es, endete es) ein.
Ich bin jetzt kein Experte, nur ein Leser, auf den (wie oben beschrieben) eben Wirkung erzielt wird, deshalb meinte ich:

... weshalb mir grammatikalische Unsauberkeiten herzlich am A... vorbeigehen.

Ich meine, dass Satzzeichen ein untergeordneter Teil eines übergeordneten Ganzen sind.
Na klar, dem stimme ich zu, allerdings eben auch "ein" Teil des Ganzen.

Sie künstlerisch auszulegen ist heikel.
Mag sein, aber ist das deswegen falsch?

... (Satzzeichen) helfen zweideutige Sätze zu vermeiden.
Aber man kann auch damit spielen. Z.B (Epiphrase): Ich liebe dich - nicht.
(Ähnlich erginge es mir übrigens mit: Ich liebe dich. Nicht. :))

Die künstlerische Freiheit könnte Fliege also gestohlen werden.
Könnte man auch bei obigen Beispiel, oder?

Die letzte hatte sie vor mehr als drei Jahren geraucht – mit Nico.
Ja, hätte sie hier machen können. Ich will mich jetzt nicht so weit aus dem Fenster lehnen, und behaupten, dass sie grammatikalisch astrein vorgegangen ist. Dazu können andere sicherlich mehr beitragen. Aber der Effekt hier, den sie bei mir als Leser erzielt, ist eben der selbe.

Danke hell, dass du bestätigt hast, dass die Zwischenpunkte grammatikalisch unsauber sind.
Nein, teoma, ich habe das nicht bestätigt - dazu bin ich gar nicht qualifiziert genug -, ich habe sagen wollen, dass es mir egal wäre, ob das hundertprozentig mit den Regeln übereinstimmte, was Fliege gemacht hat, denn - wie oben aufgeführt - hat sie gerade mit ihrer Überschrift doch einiges in mir auslösen können, was ich erstaunlich finde.

Erstens nutze die künstlerische Freiheit, wenn nötig, und zweitens wahre den Nutzen der grammatikalischen Regeln, solange wie möglich.
Das kann ich leider auch nicht hundertprozentig abnicken, teoma :). Aber ... sagen wir ... zu 90 %.
Denn, ist künstlerische Freiheit überhaupt nötig?
Was ist mit der Epiphrase oben? Braucht man das als Autor? Nein, aber man kann sich doch trotzdem dazu entschließen, um mit wenig Aufwand einen interessanten Effekt zu erzielen, ohne groß umschreiben zu müssen, finde ich.


Danke, teoma, für den spannenden Diskurs. Vielleicht magst du ja einen Thread eröffnen, der Themen wie diese diskutieren lässt.

Sorry Fliege, dass ich hier wieder meinen Senf abgebe, aber auch ich wurde nun mal angesprochen ;).


Gruß an euch


hell

 

teoma

Sind wir uns auch einig, wenn ich sage: Erstens nutze die künstlerische Freiheit, wenn nötig, und zweitens wahre den Nutzen der grammatikalischen Regeln, solange wie möglich.
Und drittens kann man auch alles totreiten.
Du stellst da Prinzipien auf, die für dich gelten mögen, und die man bedenken kann und sollte, aber es sind keine Gesetze.
Deine Faustregel kann man übrigens gerade so gut umdrehen.


Sinngemäß zitiert aus Roy Peter Clark:
Kommaregeln helfen Autor und Leser, solange beide begreifen, dass diese Regeln willkürlich und durch Inhaltsverständnis, Tradition und Kultur bedingt sind. ... Ziel ist es, Regeln in nützliche Werkzeuge zu verwandeln ... Auch in der Interpunktion entwickelt jeder Autor ganz eigene Angewohnheiten, um seinem Stil.


Was Fliege ausdrückt, könnte allerdings auch ohne Zwischenpunkt ausgesagt werden.

Wie schon bei Nico. Bei Linus. Bei Ivo.
Wie schon bei Nico,Linus und Ivo
Wie schon bei Nico, bei Linus, bei Ivo …
Wie schon bei Nico und Linus und Ivo
Wei schon bei Nico, bei Linus und bei vielen mehr
Was Fliege da ausdrückt, könnte eben nicht durch Kommas ausgedrückt werden.
Was du vergisst, Teoma, ist die unmittelbare Wirkung eines Punktes. Er ist ein Stoppschild. Er bremst nicht nur das Lesetempo, sondern unterbricht es viel härter. Er sagt "Halt an!" Mach dir klar, Leser, was in dem einen Wort steckt, was das bedeutet, was es heißt, wenn hinter einem einzigen Namen ein Punkt steht. Punkte so gesetzt lenken Aufmerksamkeit und Emotion.
Man mag das nicht mögen, aber es ist völlig legitim. Und vor allem - die Entschdung des Autoren.

Und hier vielleicht noch ein Satz aus einem Buch von James McBride:
"Wir ... [Still] ... wissen ... heute ... ähhh ... hmm ... Ich sagte WIIIIR ... wissen ... DASS [Schweigen] ... ähh ... JESUS [Kirche: "Amen!"] ... ähm, KAM ... ["Ja! Amen!"] Ich sagte KAM HERAAAAAB ["Weiter!"] Er KAM-HERAB-FÜHRTE - DAS VOLK-VON - JERU-SALEM-AMEN!"

Einfach nur mal, um zu sehen, wie weit die Auslegung der Regeln gehen kann und darf.


Ich denke, es ist bei allen, die in diesem Faden mitlesen, angekommen, dass du, was die Gestaltung von Absätzen und Texten betrifft, eine andere Sicht der Dinge hast als Fliege es tw in diesem Text getan hat. Ich meine man sollte aber auch darauf Acht geben, dass man neben allem Handwerklichen, nicht seinen eigenen Geschmack und Stil zum Maßstab macht. Und dass man die Entscheidungen des Autors akzeptiert, wenn er etwas anderes will.
Das ist es nämlich, die Entscheidung des Autoren, wie er Text, Absätze im Sinne seines Bedürfnisses gestaltet, solange erkennbar bleibt, und das tut es hier, dass die Gestaltung in künstlerischer Absicht geschehen ist.


Ansonsten lade ich dich gerne dazu ein, im Bereich "Autoren" einen neuen Faden aufzumachen, in dem du und andere, die es interessiert, weitergehende Fragen der Zeichensetzung im Spannungsfeld zwischen Grammatik und künstlerischer Freiheit diskutiert werden können. Aber hier ist es denke ich ausgereizt.

Viele Grüße von Novak

 

Hey teoma,

ich hatte gleich nach deinem Komm zur Antwort angesetzt, und alles wieder gelöscht, weil es viel zu emotional, und deshalb "drüber schlafen" angebracht war. Daher danke ich hell und Novak, dies für mich übernommen zu haben. Sie schreiben (viel sachlicher), was auch ich zu sagen gehabt hatte.

Für mich ist es eben ein Unterschied, ob ich Lebensphase. Lebensphase. Lebensphase. ausdrücken will, oder mich der gleichen Interpunktion bediene, wie an der Käsetheke: Ich hätte gern vom Ziegenkäse, Emmenthaler, Parmesan.
Damit ist diese Diskussion für mich hier auch abgeschlossen.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag und ein schönes Wochenende,
beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fliege,

dem Copy-Spiel ist es zu verdanken, dass du diesen Komm von mir doch noch kriegst. Er stammt nämlich aus der Zeit, als du noch eine Maske trugst. Und das ist ja schon recht lustig, allein aus dem Grund möchte ich ihn nicht versenken.
Originalfassung aus einer anderen Zeit:

"Liebe Maske,

was sich wie eine heitere Urlaubsgeschichte anlässt, mündet für mich in den zentralen Satz:

Ich werde nie genug für dich sein.
Und bringt mich in Verbindung mit dem Titel zu der Erkenntnis, dass die Protagonistin auch den anderen Jungs nicht genug war, nicht gut genug war.
Ich schließe daraus, deiner Nina fehlt es an Eigenliebe, der möglicherweise ein falsches Selbstbild zugrunde liegt.
Das macht mich nachdenklich, sogar ein wenig traurig und ich möchte Nina bei den Schultern packen, sie durchschütteln, damit sie aufwacht und erkennt, dass sie wertvoll ist. "

Hier wäre der erste Lacher angebracht. Allerdings hast du meinen Schlüsselsatz auch schnell ausgetauscht.
Dass der Text asexuelle Verhaltensweisen zeigt, ist mir nicht klar gewesen. Obwohl du mehrere deutliche Hinweise gegeben hast. Alles, was um Nina herum geschieht, ist mit sexuellen Anspielungen aufgeladen. Ich spüre auch, wie unangenehm ihr die Beobachtungen sind, sie fühlt sich im höchsten Maße belästigt.

Max in der rechten, Nina in der linken Ecke des Stegs, der in U-Form den bewachten Badebereich umschließt. Neben ihr knutschen Teenager. Sie geht ein paar Schritte weiter. Ein älteres Pärchen kommt ihr entgegen, Hand in Hand. Ein Bierbauchpapa tobt mit seinen Kindern auf einer Luftmatratze. Zwei Frauen sitzen auf dem Steg und lästern über schwarze Kondome. Drei Jungen mit Taucherbrille und Schnorchel suchen nach Gold im aufgewühlten Grund. Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser und glotzt den Frauen hinterher.
„Hast du heute Abend schon was vor?“, wird Nina gefragt.
Trotzdem hat mir meine eigene Wertung die Sicht auf deine Intention versperrt, bin ich mit meiner Interpretationsakrobatik auf die Nase gefallen.

Willst du wissen, was im Spoiler gestanden hätte? Klar, willst du.

Schwierig, sich hier festzulegen. Ich tippe auf ein Gemeinschaftsprojekt von Fliege und Kerkyra. Fliege hat ihren Humor eingebracht, der in den locker-lässigen Formulierungen aufblitzt, Kerkyra ihre Affinität zum Wasser und allem, was damit zusammenhängt.

Ein paar Zeilen aus der überarbeiteten KG, nur als Stellvertreter:

kleine Narbe am linken Knie, Stupsnase, Körbchengröße C.
Geschworen hätte ich, dass da früher Körbchengröße D gestanden hatte - Erinnerungen können so schelmische Streiche spielen -, trotzdem die Assoziation zu Baywatch bleibt.

Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser und glotzt den Frauen hinterher.
Weiß nicht, ob du das vor deinem geistigen Auge so gesehen hast, der Typ stand immer vor mir wie ein einziges, riesiges Phallussymbol.

Am nächsten Tag durchkreuzt ab und an ein Wölkchen das Blau am Himmel. Kleine Schäfchen, die ihre Herde verloren haben.
Gefällt mir, die Schafe müssen sich so verloren wie Nina fühlen.

Du wiederholst eindringlich, wie Nina ihre Umwelt als übersexualisiert (das Wort ist Eigenkreation) wahrnimmt.

Rike und Udo knutschen. Zwei Männer stehen Hand in Hand in der Schlange vor dem Eisstand. Eine Frau massiert ihren Mann, ein Mann cremt seine Frau ein. Ein Typ steht wie eine Insel im Wasser. Ein Junge will seiner Puppe das Schwimmen beibringen.

Abends türmen sich Wolken auf. Nina schwimmt auf den See hinaus. Zug um Zug spürt sie mehr ihren Körper, der das Wasser pflügt. Nur noch sie mit genügend Abstand zur Feriensiedlung, zu allem. Es donnert. Sie sollte umkehren. Sie weiß es. Aber sie will nicht. Noch nicht. Ihre Gedanken kreisen um Max und Käsekuchen. Der erste Blitz drüben bei der Fischerhütte. Nina kehrt um, sie muss.

Sie atmet Max‘ Duft ein und schließt die Augen. Das Gewitter ist abgezogen. Nina küsst seine Stirn, zieht die Decke über seinem Körper zurecht, schlüpft in ihren Badeanzug, und kaum, dass sie draußen ist, läuft sie auf den See zu.
Dass sie die Einsamkeit das Wassers bevorzugt, dass sie sich dort aufgehoben und in Sicherheit fühlt, hast du schön als wiederkehrendes Motiv gewählt. Ja, da kann ich Ninas Verhalten sehr gut nachvollziehen. Kanji hat mir in ihrer KG Wo der Himmel anfängt eine tolle Info gegeben:
Zitat von Kanji
Wasser ist natürlich eine starke Metapher in dieser Geschichte. Steht es doch, gerade in Asien für eine Kraft, die spirituell gesehen den Weg zu suchen hilft. Es ist entweder als Widerstand oder als Verschmelzung zu betrachten. Aber auch Symbol des menschlichen Bewusstseins. Ein spiegelglattes Gewässer steht für Emotionslosigkeit ...
Trifft auch auf deine Geschichte zu :D

Ich mochte/mag den Text (auch wenn meine Schlussfolgerungen in eine falsche Richtung zielten). Ist halt eine „Mädchengeschichte“, gel?
Die Frage bleibt, ob ich die asexuelle Person erkannt hätte, wäre mein persönlicher Schlüsselsatz nicht gewesen.
Aber braucht man auf alle Fragen eine Antwort?

Ein sonniges und hoffentlich nicht zu wasserreiches Wochenende wünscht peregrina

 

Liebe peregrina,

da bin ich aber froh, dass das CW Dich doch noch zu mir gebracht hat. Also, dass dein schöner Kommentar doch noch gelesen werden darf.

... dass du diesen Komm von mir doch noch kriegst. Er stammt nämlich aus der Zeit, als du noch eine Maske trugst.

Es wäre so schade drum gewesen!

... mündet für mich in den zentralen Satz:
Ich werde nie genug für dich sein.

Und bringt mich in Verbindung mit dem Titel zu der Erkenntnis, dass die Protagonistin auch den anderen Jungs nicht genug war, nicht gut genug war.

Und da steht sie, meine Prämisse! Weißt Du eigentlich, wie dolle gut es sich angefühlt hätte, es so zu lesen, damals, vor gefühlt 100 Jahren. Na gut, freue ich mich eben jetzt. Mach ich auch. Ich freue mich ganz doll.

Ich schließe daraus, deiner Nina fehlt es an Eigenliebe, der möglicherweise ein falsches Selbstbild zugrunde liegt.
Das macht mich nachdenklich, sogar ein wenig traurig und ich möchte Nina bei den Schultern packen, sie durchschütteln, damit sie aufwacht und erkennt, dass sie wertvoll ist.

Ja. Da kommen dann die persönlichen Erfahrungen als Interpretationshilfe. Kann man nix gegen machen und dieses Fazit, dass gibt der Text schon her. Eine sehr wichtige Erfahrung, die ich hier gemacht habe.

Dass der Text asexuelle Verhaltensweisen zeigt, ist mir nicht klar gewesen. Obwohl du mehrere deutliche Hinweise gegeben hast. Alles, was um Nina herum geschieht, ist mit sexuellen Anspielungen aufgeladen. Ich spüre auch, wie unangenehm ihr die Beobachtungen sind, sie fühlt sich im höchsten Maße belästigt.
...
Trotzdem hat mir meine eigene Wertung die Sicht auf deine Intention versperrt, bin ich mit meiner Interpretationsakrobatik auf die Nase gefallen.

Ich finde gar nicht, dass Du auf die Nase gefallen bist. Ich finde sie sogar sehr naheliegend. Alles andere, liegt am Text, und wenn ich vom Leser will, dass er wirklich die Asexualität raus liest, braucht er mehr Futter. Begegnet einem eben nicht aller Tage. Spricht kaum wer drüber. Ist praktisch nicht präsent in unseren Köpfen. Genau das will ich ankreiden und eine Lanze dafür brechen, und wie tue ich das? Indem auch ich nicht drüber rede :D.
Auf der anderen Seite finde ich all die "Erklärungen", wieso das nun so ist mit der Nina aber auch nicht unspannend. Wichtig ist, es ist was mit ihr. Und das sie sich deshalb nicht verlieben darf/will, ihre Sehnsüchte nicht auslebt, geradezu vor ihnen davonschwimmt.

Willst du wissen, was im Spoiler gestanden hätte? Klar, willst du.

Hey hey. Sehr schön!

Geschworen hätte ich, dass da früher Körbchengröße D gestanden hatte - Erinnerungen können so schelmische Streiche spielen -, trotzdem die Assoziation zu Baywatch bleibt.

:D Da weiß man, dass Körbchengröße viel gewichteter ist, als der Buchstabe hinten dran. Wäre spannend, wenn da ein A gestanden hätte, ob das dann auch noch so wäre.

Weiß nicht, ob du das vor deinem geistigen Auge so gesehen hast, der Typ stand immer vor mir wie ein einziges, riesiges Phallussymbol.

:D Sehr, sehr schön!

Du wiederholst eindringlich, wie Nina ihre Umwelt als übersexualisiert (das Wort ist Eigenkreation) wahrnimmt.

Ja. Schön, dass Du das so liest.

Kanji hat mir in ihrer KG Wo der Himmel anfängt eine tolle Info gegeben:

Danke dafür! Und ja, es trifft zu.

Trifft auch auf deine Geschichte zu :D

Die Frage bleibt, ob ich die asexuelle Person erkannt hätte, wäre mein persönlicher Schlüsselsatz nicht gewesen.
Aber braucht man auf alle Fragen eine Antwort?

Nein, braucht es nicht. Jedenfalls aus meiner Sicht und für diese konkrete Frage. Ich bin dennoch am überlegen, ob ich sie nicht doch geben will. Das arbeitet seit dem Sommer in mir und will sich nicht beruhigen. Aber das muss ich ganz allein mit mir ausmachen.

hab so lieben Dank! Ich habe das sehr gern und aufmerksam und mehrfach gelesen alles. Und es bringt mich auch wieder zurück an den Text.

Herzlichste und herbstliche Grüße!
Fliege

 

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