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Da brennt Licht

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10.02.2000
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Anmerkungen zum Text

War für eine Ausschreibung 'Leben in NRW im Jahr 2100'. Begrenzt auf 12.000 Zeichen. Wollten sie aber nicht. Sie dachten eher an was Positives ... nicht so ein Dystopie-Dingen ...

Da brennt Licht

Lorena zieht das linke Bein nach. Deswegen sind ihre Schritte so kurz. Wir reden nicht darüber, sind jedoch deutlich langsamer geworden, seit wir vor, ich weiß nicht mehr wie vielen Tagen, in Lennestadt aufgebrochen sind. Das ein paar Kilometer hinter uns liegende Autobahnschild war umgestürzt, auf die beschriftete Seite gefallen, viel zu schwer, um es anzuheben und die Kilometerangaben abzulesen. »Lorena … was meinst du, wie weit ist es noch bis Köln?« Unbeirrt marschiert sie auf dem gerissenen, nur noch teilweise vorhandenen Asphalt, weicht tiefen Löchern aus. Die linke Schulter sinkt bei jedem Schritt ein Stück ab, das Bein folgt, dann hebt sich ihr Körper wieder. Es muss sie eine Menge Kraft kosten.
»Weiß nicht. Ich glaube, wir sind in der Nähe von Gummersbach. Vorhin sind wir an einem Parkplatz vorbeigekommen … weißt du noch, was auf dem Schild stand?«
»Was für ein Parkplatz?«
Sie seufzt, bleibt stehen, drückt beide Hände in die Hüften, macht ein Hohlkreuz. Ich schließe auf, stoppe neben ihr und nehme den Rucksack von der Schulter. »Es ist ziemlich warm«, stelle ich fest. Nur, um etwas zu sagen, nicht an ihr Hinken zu denken.
»Ist schon seit paar Wochen zu warm. Gib mir bitte vom Wasser!« Ich nicke, hole die Flasche aus dem Rucksack und reiche sie ihr. Lorena sieht sich um, schraubt den Verschluss ab und trinkt zwei Schluck.
»Zu wenig. Du musst mehr trinken. Denk an …«
»An was?«
Niemand da, der mir beisteht, sich auskennt mit einem Hundebiss. Die Wade ist deutlich angeschwollen. Das Hosenbein ist gespannt. Lorena muss Schmerzen haben. Sie nimmt noch einen Schluck und blickt mich vorwurfsvoll an. »Ich liebe dich, Lorena und mache mir Sorgen. Vielleicht sollten wir von der Straße runter. Irgendwo wird es ja einen Arzt geben …«
»Wo sollte es hier einen Arzt geben? Mitten im Niemandsland!«
Was kann ich antworten? Ich weiß es nicht. Mein Schweigen nimmt sie als Bestätigung. Lorena dreht sich und deutet auf einen liegengebliebenen Lastwagen. »Dort werden wir übernachten. Für heute sind wir genug marschiert. In zwei Stunden ist es dunkel.«

Nickend packe ich die Flasche in den Rucksack und will weitergehen. Sie greift meinen Oberarm, dreht mich zu sich, dicht vors Gesicht. Lorenas Augen, ein klares Hellbraun, aber matt. Ohne Glanz. Ich küsse sie, öffne den Mund, suche ihre Zunge mit meiner. Aber sie ist ohne jegliches Feuer, nicht mehr die Frau, die mit ihrem unbändigen Lebenswillen meine Gefühle von einem Augenblick zum anderen völlig umgekrempelt, mitgerissen hat; fort aus Lennestadt. Kein Gedanke mehr an Tod, nein, hin zu etwas, das ich seit meiner Kindheit nicht mehr gespürt habe: Neugier auf ein Leben mit einem Menschen, den ich liebe. Lorena will mich küssen, wie ich sie, will das Feuer finden, aber da sind nur Müdigkeit und der Geschmack von kalter Krankheit. Sie weicht zurück, nimmt den hinkenden Gang wieder auf. Ich schaue ihr nach. Über ihre Schulter zum Lastwagen.
»Lorena! Der Lastwagen steht auf einer großen Brücke! Meinst du nicht, wir sollten uns auf so einer alten Brücke nur kurz aufhalten? Wer weiß, wie stabil die noch ist?« Sie hört nicht oder will es nicht hören. Schulterzucken. Weiter geht es.

Die Kabine ist einigermaßen intakt. Selbst ein schmales Bett ist im hinteren Teil eingebaut. Dreckig, aber mit Decke und passabler Matratze. Lorena liegt bereits, während ich versuche die beiden Türen zu verriegeln, aber die Mechanik ist nicht mehr in Ordnung. Also binde ich eine Schnur von Türgriff zu Türgriff, so dass sich keine von beiden öffnen lässt. Dann ein Stöhnen. Lorenas Hose ist halb heruntergezogen, bis zu den Knien. Das rechte Bein bekommt sie raus, dann gibt sie auf.
»Lass es mich aufschneiden«, bitte ich sie.
»Und dann? Ist eine von meinen zwei Hosen kaputt. Und in die andere werde ich nicht reinkommen.«
»Ich kann deine Wunde versorgen. Etwas Wasser kochen …«
Sie legt einen Zeigefinger auf meinen Mund. »Kein Wasser verschwenden. Drei Flaschen bleiben uns noch. Ich schätze, bis Köln sind es noch vierzig oder fünfzig Kilometer. Da brauchen wir jeden Tropfen.« Ich packe ihre Hand, klemme den Finger in meine Faust und kann nichts gegen die Tränen tun. Ich kann mir vorstellen, wie rot mein Gesicht ist. Lorena zieht mich an ihre Brust. So gut es geht, lege ich meine Beine neben sie, achte darauf, ihre geschwollene Wade nicht zu berühren. Dann sind wir wie eins. Nebeneinander, halb ausgezogen, das Salz klebt auf meinen Backen. Im Rucksack ist die Waffe. Warum kommt sie mir in den Sinn? Die beiden Hunde habe ich damit erschossen, als wir in Olpe nach Wasser gesucht haben und sie aus einem Haus auf Lorena zustürmten. Die Erinnerung treibt meinen Puls nach oben. Schießen und die Hunde treffen? Oder vielleicht doch Lorena? Zu spät. Ich habe gezögert und vielleicht …
»Ich weiß, an was du denkst«, flüstert sie. »Tu das nicht. Du hast keine Schuld. Wir wussten, dass so etwas passieren kann. Ohne dich wäre ich jetzt Hundefutter.«
Die Tränen sind weg. Kommen vielleicht nie wieder. Dafür ist da Lorenas Hitze; und die Hitze in meinem Schoß, mein Begehren, wenn ich mir ihren Körper vorstelle und die Zärtlichkeiten, die wir erlebt haben. Bilder von kühlem Wasser, ein Bad im See, der Sprung vom Anleger und danach liebkosten wir einander; dann begreife ich, dass Lorena Fieber hat. Es sind nicht ihre Gedanken und Gefühle für mich, die uns Hitze geben, es ist die Infektion. Ich löse mich von ihr. Gerade noch hat sie geredet, jetzt liegt sie da wie tot, atmet flach, ist eingeschlafen vor Erschöpfung. Ich muss etwas tun.

Mit Mühe habe ich die rechte Scheibe in den Rahmen gedrückt. Gerade so viel, dass ich rausklettern kann, Hände voraus, auf das Trittbrett, einige Verrenkungen, dann stehe ich auf einem Brocken Asphalt, keine drei Meter von der Brückenkante entfernt. Vorsichtig gehe ich näher heran. Die Kanten der alten Autobahnbrücken sind nicht stabil. Vier oder fünf Schritte vor dem dunklen Abgrund bleibe ich stehen. Gegen den dunkelblauen Himmel zeichnet sich ein kleines Dorf ab, wenige Dächer, teilweise eingestürzt und neben einem vertrockneten Baum eine Kirche. Der Wetterhahn ist abgeknickt. Die Welt ist totenstill. Mein Vater fällt mir ein, der eines Abends erzählte, dass draußen im Weltraum der schweigsamste Ort des ganzen Universums sei. Nichts ist so still wie die Schwärze des Alls, sagte er und ich konnte es mir nicht vorstellen. Jetzt ist das Schweigen hier unten angekommen. Ich hasse es und vermisse Lorenas Stimme. Immer kraftvoll, die weiß, wie man Probleme löst. Dann sehe ich das Licht. Da brennt Licht! Tatsächlich! In der Kirche, an ihrem hinteren Ende, das nach Osten zeigt. Vielleicht gibt es dort Hilfe. Für Lorena. Unsicher, ob ich ihr diese Entdeckung mitteilen soll, trete ich von einem Fuß auf den anderen, dann will ich nicht warten und gehe los, zum ostseitigen Brückenende, den Hang hinauf und stehe gleich darauf neben dunklen Häusern, eines kaputter als das andere. Geplündert. Ohne Zweifel.

Der steil abfallenden Straße folgend, stehe ich nach knapp hundert Metern am Pfeiler einer Mauer, die Kirche keinen Steinwurf vor mir. Im Fenster des Erkers ist das Licht jetzt deutlicher zu sehen. Es flackert nicht, also weder Kerze noch offenes Feuer. Eine Camping-Laterne oder gar elektrisch. Dann ist dort vielleicht ein Mensch, den ich um Hilfe bitten kann. Ein Gewicht im Rucksack lässt mich kurz Luft holen. Die Waffe! Ich hole sie raus, kontrolliere das Magazin, Patrone ist im Lauf, entsichere und gehe geduckt an der Mauer entlang bis auf Höhe des Erkers, wechsle die Wegseite und schleiche langsam entlang des Kirchenschiffs. Vorne muss es einen Eingang geben. An der Ecke spähe ich nach allen Seiten. Kein Hund, nichts und niemand. Stille. Die Flügeltüren existieren nicht mehr. Sind sicher Brennholz geworden. Drinnen ist alles leergeräumt, keine Bänke, die Kanzel heruntergerissen, alles Brennbare fehlt. Dafür fällt Licht durch den hinteren Türspalt. Sicher der ehemalige Raum des Predigers. Jeder Schritt ist wie ein Schlag mit dem Hammer. Jedes Knirschen von Staub unter meinen Sohlen ein Schrei. Der Hall lässt mich frieren und meine Schritte beschleunigen. Die letzten Meter renne ich, stoße die Tür auf und ziele in den Raum hinein. Nichts. Niemand. Nur eine Camping-Laterne, grelles Licht, ein kaum hörbares Zischen. Instinktiv drehe ich mich und ziele ins dunkle Kirchenschiff, vermute einen Hinterhalt. Aber niemand. Kein Leben. Nur das Licht.

Eine Weile überlege ich, die Laterne mitzunehmen, lasse es aber bleiben. Sie ist nur Gewicht und Gaskartuschen wird es nirgendwo mehr geben. Ich sehe meinen Schatten an der zerschundenen Wand, bewege die rechte Hand, ein paar Finger, entdecke eine Figur darin. Dann taucht Lorenas Gesicht aus den tanzenden Schatten auf. Ihr Mund sagt etwas, formt Worte. Das Licht greift nach mir mit kalter Hand. Ich renne. Aus der Kirche, die Straße hinauf, an den geplünderten Häusern vorbei. Im Nu bin ich auf der Autobahn und lege die restlichen Meter zum Lastwagen in Windeseile zurück. Durst übermannt mich auf dem Trittbrett, die Sehnsucht nach der Wasserflasche. Stattdessen hole ich das Messer aus der Hosentasche und schneide die Schnur durch, öffne die Tür.
»Lorena, schläfst du noch?« Über den Beifahrersitz krabble ich nach hinten. Die Matratze ist leer. Lorena weg. Wie in der Kirche. Nichts und niemand da. Ihr Rucksack liegt auf dem Lenkrad, die Hose ist zerschnitten im Fußraum. Was ist passiert? Rückwärts lasse ich mich aus der Kabine gleiten, stehe auf der Straße und drehe mich nach beiden Seiten, aber wie kann ich etwas erkennen, wo es schon so dunkel ist?
»Lorena!« Die Welt antwortet nicht. Das Schweigen des Alls ist das Schweigen hier unten. »Lorena! Wo bist du?!« Ich will losrennen, den westlichen Teil der Brücke entlang, aber ich habe kein Licht und schlage mir auf die Backe, weil ich die verfluchte Lampe dort gelassen habe. Noch einmal auf die andere. Es brennt! Ich brenne! Nach Osten, den Weg zurück! »Lorena!« Nach vielleicht hundert Metern gebe ich auf. Wenn ich Pech habe, breche ich mir einen Knöchel auf dieser kaputten Straße und werde Hundefutter. Also zurück in den Lastwagen, auf den Fahrersitz. Vor mir Lorenas Rucksack, aus dem Fußraum nehme ich die Hose und rieche daran. Ihr Duft ist weg. Der Geruch von Infektion, mehr ist da nicht. Erschöpft trinke ich Wasser, lehne mich an und schlafe ein.

Die Sonne brennt durch die Scheibe. Direkt auf die Stellen, die vom Salz der Tränen aufgeraut und rissig sind. Etwas pocht im Kopf. Mit den letzten Schlucken Wasser aus dieser Flasche löse ich die Zunge von der Mundhöhle, schmatze den Staub und schlucke ihn hinunter. Dann fällt mein Blick auf die Hose, das zerschnittene Bein und die Flecken darin. Sie stinkt. Angewidert werfe ich sie aus dem Fenster. Wieder taucht Lorenas Gesicht vor mir auf. Weiter weg als gestern Abend in der Kirche. Mühselig krieche ich nach draußen, kontrolliere die Umgebung, suche nach Hunden. Die Welt ist immer noch still. Zitternd gehe ich zum nördlichen Rand der Brücke. Etwas Weißes flattert auf den Resten der Brüstung. Ein Blatt Papier, beschwert mit einem Stein. Aus meiner Mitte kommt stechender Schmerz, kriecht durch den Hals nach oben und will raus. Ich schreie. Weil das Lorenas Papier ist. Ein Blatt aus ihrem Notizbuch. Als ich an der Kante bin, erkenne ich die schlechte Schrift. Große Buchstaben. ‚Irgendwann im Juni 2100. Liebe Klara! Vergiss mich! Geh nach Köln! Dort gibt es Leben!‘, steht da. Und ‚Ich liebe dich!‘ Auf der Rückseite nur Abdrücke von dreckigen Fingern. Lorenas Finger. ‚Ich liebe dich!‘ hat sie geschrieben, bevor …
Langsam beuge ich den Oberkörper über die Brüstung. Unter mir trockenes Gras, wenige Büsche, ausgedorrte Bäume. Da liegt sie. Verrenkt. Vorsichtig gehe ich einen Schritt zurück. Vierzig oder fünfzig Kilometer nach Köln. Dort gibt es Leben.

 

Moin @Morphin,

danke für Deine Geschichte.

Der Hinweis im Infofeld ließ mich schmunzeln, auch ich hatte mal vor, an dieser Ausschreibung teilzunehmen. Doch dann ließ mich die Kreativität im Stich (und ich hab’ den Hintern nicht hochgekriegt, um etwas dagegen zu unternehmen :sick:).

Sosehr es mir gefällt, dass Du die Lupe auf die Ausgangssituation der beiden legst, hätte ich mir doch ein wenig mehr Hintergrund zur Welt im NRW des Jahres 2100 gewünscht.
Was genau hat zum Kollaps geführt? Ich glaube, durch die Hinweise auf den stetigen Wunsch nach Wasser und das wiederkehrende Motiv der Hitze, Vibes in Richtung Klimawandel als Menschheits-Killer erkannt zu haben?
Doch wenn dem so sein soll und die Einwohner von Nordrhein-Westfalen verdurstet sind, müssten dann die Hunde nicht ebenso von der Hitze dezimiert worden sein?
Ich frage das, da ich als größte Gefahrenquelle für den Prota und Lorena "Hitze & Hunde" herausgelesen habe.

Dass ein Hundebiss in dieser Zukunft fatale Folgen hat, fand ich schlüssig, gerne hätte die Verletzung sogar noch minimalistischer ausfallen dürfen: Ein winziger Splitter im Nagelbett infiziert sich, keine medizinische Versorgung am Start, es kommt zur Blutvergiftung … Peng.
Klar, so konntest Du u. a. die Waffe einbauen, etc.

Die Szene mit dem Licht in der Kirche habe ich rein logisch nicht verstanden. Wieso brennt da eine Campinglaterne, ohne Hinweise jeglicher Art auf menschliches Leben? Oder übersehe ich etwas Entscheidendes?

Der Schluss, mit seinem bedrückenden Ende, passte ausgezeichnet. Die letzte Frage, die sich mir stellte, war jedoch: Warum gibt es in Köln noch Leben? Womit wir wieder beim Wunsch nach einem Schnuff mehr Worldbuilding wären. Was natürlich beim gesetzten Limit von 12.000 Wörtern nicht leichter wird. :bla:


Mit Mühe habe ich die rechte Scheibe in die Tür gedrückt.
Die Formulierung ließ mich straucheln. Er drückt die Scheibe in die Tür?
Müsste es nicht aus der Tür lauten? Oder aus dem Rahmen?

Gerne gelesen,
beste Grüße
Seth

 

Hallo @Morphin,

was mir beim Lesen so auffiel:

Lorena zieht das linke Bein nach. Deswegen sind ihre Schritte so kurz. Sie weiß, dass ich es weiß.
Das Nachziehen eines Beins ist ja kein unscheinbares Humpeln. Daher ist doch klar, dass er es weiß, oder?
Wir reden nicht darüber, sind jedoch deutlich langsamer geworden, seit wir vor, ich weiß nicht mehr wie vielen Tagen, in Lennestadt aufgebrochen sind. Das ein paar Kilometer hinter uns liegende Autobahnschild war umgestürzt, auf die beschriftete Seite gefallen, viel zu schwer, um es anzuheben und die Kilometerangaben abzulesen.
Das finde ich gut gelöst: Laufen verletzte Menschen auf einer „defekten“ deutschen Autobahn, braucht es nicht mehr Worte um das Setting grob zu zeichnen.
Die linke Schulter sinkt bei jedem Schritt ein Stück ab, das Bein folgt, dann hebt sich ihr Körper wieder. Es muss sie eine Menge Kraft kosten, so zu gehen.
kosten, sich so voranzuschleppen. Zu viel?
Sie seufzt, bleibt stehen, drückt beide Hände in die Hüften, macht ein Hohlkreuz.
stemmt?
Gib mir bitte vom Wasser.« Ich nicke, hole die Flasche aus dem Rucksack und reiche sie weiter.
und reiche sie ihr. Weiter klingt für mich als hätte er sie bekommen und reicht sie dann weiter.
Niemand da, der mir beisteht, sich auskennt mit einem Hundebiss. Die Wade ist deutlich angeschwollen, sicher von oben bis unten rot.
Soll vermutlich verdeutlichen, dass er sich mit Verletzungen nicht auskennt. Dennoch scheint mir rot zu harmlos.
Ich küsse sie, öffne den Mund, suche ihre Zunge mit meiner.
Mit was sonst?
Wer weiß, wie stabil die noch ist?« Sie hört nicht oder will es nicht hören. Schulterzucken. Weiter geht es.
Passt igednwie nicht dazu. Vielleicht: Schulterzuckend geht sie weiter. Oder einfach weglassen.
So gut es geht, lege ich meine Beine neben sie, achte darauf, ihre geschwollene Wade nicht zu berühren. Dann sind wir wie eins.
Das kriege ich bildlich nicht ganz zusammmen: zuerst so gut es geht daneben und schwupps: wie eins.
Ohne dich wäre ich jetzt Hundefutter.
Passt für mich wegen dem jetzt nicht. Jetzt wäre si vieleicht schon verdaut und Hundeschei...
Die Tränen sind weg. Kommen vielleicht nie wieder. Dafür ist da Lorenas Hitze; und die Hitze in meinem Schoß,
Gerade denkt er noch Tragödie pur und schwupps wird er geil ...
Weiß nicht
Die Kanten der alten Autobahnbrücken sind nicht stabil.
Woran macht er das fest? Schwanken oder so kann sie ja nicht, wenn wenig hinter ihm ein ganzer LKW draufsteht.
Gegen den dunkelblauen Himmel zeichnet sich ein kleines Dorf ab, wenige Dächer, teilweise eingestürzt und neben einem vertrockneten Baum eine Kirche. Der Wetterhahn ist abgeknickt.
Da braucht er aber sehr gute Augen um solche Details zu erkennen.
Unsicher, ob ich ihr diese Entdeckung mitteilen soll, hopse ich von einem Fuß auf den anderen, dann will ich nicht warten und gehe los, zum ostseitigen Brückenende, den Hang hinauf und stehe gleich darauf neben dunklen Häusern, eines kaputter als das andere. Geplündert. Ohne Zweifel.
hopsen klingt mMn eine wenig zu fröhlich
Ein Gewicht im Rucksack lässt mich kurz Luft holen. Die Waffe!
Wieso ein Gewicht? Ist es eines von mehreren und er spührt es heraus? Liest sich selsam.
Nur eine Camping-Laterne, grelles Licht, ein kaum hörbares Zischen.
Geht für mich nicht ganz zusammen. So ein Gaslicht ist nicht soders hell. Zudem kommt er ja nicht aus absoluter Finsterniss, dass seine Augen das so empfinden könnten.
Ich will losrennen, den westlichen Teil der Brücke entlang, aber ich habe kein Licht und schlage mir auf die Backe, weil ich die verfluchte Lampe dort gelassen habe.
das klingt (vielleicht ja nur für meine Ohren) sehr eigenartig
Nach vielleicht hundert Metern gebe ich auf. Wenn ich Pech habe, breche ich mir einen Knöchel auf dieser kaputten Straße und werde Hundefutter. Also zurück in den Lastwagen, auf den Fahrersitz. Vor mir Lorenas Rucksack, aus dem Fußraum nehme ich die Hose und rieche daran. Ihr Duft ist weg. Der Geruch von Infektion, mehr ist da nicht. Erschöpft trinke ich Wasser, lehne mich an und schlafe ein.
Ganz allein auf der Welt mit der Frau, die er liebt und nach 100 Meter gibt er auf, geht zurück und pennt ein. Okay.
Direkt auf die Stellen, die vom Salz der Tränen aufgeraut und rissig sind.
Was weint der? Säure?
Dann fällt mein Blick auf die Hose, das zerschnittene Bein und die Flecken darin.
das zerschnittene (Hosen)Bein und die Flecken darauf.

Beim ersten Mal lesen dachte ich noch, das ist okay, gut geschrieben, passt.
Beim zweiten Mal stolpperte ich jedoch über einige Unstimmigkeiten, dass der Text für mich nun nicht mehr funtioniert hat.

Beste Grüße,
Sammis

 

Nabend @Seth Gecko,

danke fürs Lesen und Kommentieren. Mir ist grad aufgefallen, dass ich den Namen der zweiten Person rausgelöscht habe, warum auch immer. Steht eigentlich am Ende in der Nachricht. Muss ich wieder einfügen.

Das mit den 12.000 Zeichen war ne ziemliche Herausforderung. Meist schreibe ich wesentlich länger. Aber 2100 ... da habe ich gedacht: Ist ja klar, dass das nur Klimawandel sein kann. Und Wasser gibt es ja, aber eben nicht mehr überall. Zwangsweise, ist in der Sachlogik des Klimawandels. Ist man unterwegs, muss man sich was einpacken. Hunde haben mit dem Auffinden von Wasser wesentlich weniger Probleme als wir Menschen.

Das mit der Tür ... schreib ich mal Rahmen. Scheibe in den Rahmen drücken. Wenn der Kurbel- bzw. der elektrische Mechanismus im Eimer ist, dann geht das ganz gut.

Ja, gute Frage, das mit der Campinglaterne. Keine Ahnung, warum die brennt. Wer die da hingestellt hat. In Spanien bin ich mal mit dem Motorrad über einen Pass und oben auf dem Pass stand ein Fernseher auf einem Tisch. In beide Richtungen waren es mindestens 15 Kilometer bis zu nem Kaff. Das war auch kein alter Fernseher. Telefunken. Weiß. Sah gut aus. Der Tisch auch. Keine Batterie, nix. Tisch und Fernseher. Hab dann in ner Kneipe einen gefragt nach dem Fernseher. Er wusste gar nicht, was ich meinte.

So ist das mit der Lampe. Da ist etwas, aber dir fehlt jegliche Information, um es einzuordnen. Normale Gegenstände in einer völlig unnormalen Situation, weitab alles Normativen. Licht = Hilfe. Aber 2100 im Klimawandel gibt es keine Hilfe mehr. Deswegen steht da

Kein Leben. Nur das Licht.
Dass es in Köln noch Leben gibt, ist ebenfalls eine Annahme. Wir wissen es nicht. Sagt Lorena. Aber in Lennestadt im Jahr 2100 kann man das nicht wissen. Keine Kommunikation. Kein Telefon. Keine Medien. Wir müssen die 120 km laufen. Und hoffen.

Griasle
Morphin

 

Nabend @Sammis,

besten Dank fürs Lesen und Kommentieren. Beim Überarbeiten ist in der Tat der Name der zweiten Person verloren gegangen. Ich hab den Text vom Präteritum ins Präsens geholt. Jetzt ist der Name drin, da wo er hingehört. Am Ende.

Dann sind wir wie eins.
Das ist kein physisches 'wir sind eins'. Jemand ist eins mit einem anderen. Können auch 100 km dazwischen sein.

Ohne dich wäre ich jetzt Hundefutter.
Wenn Wild gerissen wird, bleibt es eine Zeitlang Futter. Einen Menschen zu essen, schaffen zwei Hunde nicht in kurzer Zeit. Der liegt dann durchaus noch ein paar Tage. Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist in diesem Fall, dass Lorena es so sagt, wie Lorena es sagt. Dialoge richten sich nach Umgangssprachlichem.
Schwanken oder so kann sie ja nicht
Wenn Brücken aus Stahlbeton sich auflösen (Erosion), dann beginnt es an den äußeren Kanten. Beton blättert ab, wird abgesprengt durch Frost/Hitze, Armierung tritt zutage, Wasser dringt ein, Rost. Deswegen sieht man Schadensbegrenzungen meist zuerst an den Kanten der Brücken, egal welche.
Da braucht er aber sehr gute Augen um solche Details zu erkennen
Nee, besagte Stelle ist gut einsehbar. Man kann alles gut erkennen. Diese Stelle gibt es in der realen Welt. Autobahnbrücke Hunstig auf der A4, Blickrichtung Wiehl-Oberbantenberg.
Wieso ein Gewicht? Ist es eines von mehreren und er spührt es heraus? Liest sich selsam.
Du hast es aber fett gedruckt. Und genau so würdest du es auch lesen. Es ist wie wenn du sagst: EINE Sache aber vergesse ich nicht. Es ist nämlich genau diese eine Sache, die du spürst, WEIL du weißt, sie ist dort drin.
So ein Gaslicht ist nicht soders hell.
Also meine Camping-Laterne ist ziemlich hell. Und es ist 2100. Klimawandel. Sonst gibt es da kein Licht. Klar, sieht man einen Stern nicht unter tausenden, aber wenn da nur einer ist, dann sieht man ihn deutlich.
das klingt (vielleicht ja nur für meine Ohren) sehr eigenartig
Ja, für das Eigenartige der Charaktere kann man ja nix. Ich kenne zwei Menschen, die sich in Stresssituationen auf die Wangen schlagen.
Ganz allein auf der Welt mit der Frau, die er liebt und nach 100 Meter gibt er auf, geht zurück und pennt ein. Okay.
Du stehst in einer Welt ohne Licht auf einer Autobahnbrücke, die lädiert ist, die Löcher hat, du weißt, es gibt keine Ärzte mehr, keine Hilfe und jede Verstauchung kann dein Tod sein. Nun, da siegt die Vernunft.
Was weint der? Säure?
Nein, aber Klimawandel heißt auch extreme Sonne. UV-C Strahlung. Haut wird rissig. Weißt du, wenn du schon mal in der Wüste warst, wie sehr Tränen brennen können. Oder wenn es draußen -20 Grad hat und deine Haut so friert, dass Tränen brennen könne. Salz kann das Aufreißen unterstützen.
das zerschnittene (Hosen)Bein und die Flecken darauf.
Wenn du eine eiternde, blutende Wunde hast, die Hose drüber, dann sind die Flecken in der Hose, auf dem inneren Stoff. Erst nach und nach dringt der Mist nach außen. Und da wir den Wundzustand nicht kennen, ist das okay, wenn Wundwasser/Eiter/Blut erst mal drin sind.

Also, nochmals vielen Dank fürs Lesen. Name der zweiten Person ist auch wieder drin. Und noch ein paar andere Sachen überarbeitet. Einige deiner Anmerkungen habe ich auch eingearbeitet.

Griasle
Morphin

 

Hallo @Morphin,

mal was Dystopisches, immer her damit. :D

Ein guter Text, tolle Beschreibungen, durchgehend spannend. Im Grunde aber auch sehr „bekannt“. Gibt ja zahlreiche postapokalyptische Texte und ich weiß jetzt nicht, ob sich dein Text da sonderlich hervorhebt. Man kennt das alles halt schon irgendwie. Ich denke, das hat auch viel mit dem Zeichenlimit zu tun, dass du die Welt nur grob zeigst. Zerfallene Häuser und Straßen, klar, aber auch die Charaktere scheinen mir nicht sonderlich markant. Mal blöd formuliert: Anders als dein Schlong-Text zu Weihnachten wird mir dieser wohl nicht im Gedächtnis bleiben. :D Aber es ist sowieso schwer, in diesem Genre was Neues zu finden, muss man ja auch nicht, sprachlich hat mir der Text sehr gefallen und ich habe mich gut unterhalten gefühlt, und das ist ja oft die Hauptsache. ;)

»Ist schon seit paar Wochen zu warm. Gib mir bitte vom Wasser.«
Würde sie das wirklich so sagen? Vom Wasser? Klingt sehr förmlich, irgendwie. Vor allem in ihrer Situation. Gib mal einen Schluck oder so.

Mein Vater fällt mir ein, der eines Abends erzählte, dass draußen im Weltraum der schweigsamste Ort des ganzen Universums sei. Nichts ist so still wie die Schwärze des Alls, sagte er und ich konnte es mir nicht vorstellen. Jetzt ist das Schweigen hier unten angekommen.
Beste Stelle für mich, ich finde, das ist ein tolles Bild, sehr eindrücklich auch. Und verleiht dem Ganzen etwas allumspannendes und hoffnungsloses. Super!

Nichts und niemand da. Ihr Rucksack liegt auf dem Lenkrad, die Hose ist zerschnitten im Fußraum. Was ist passiert?
So einen Satz brauchst du doch nicht, die Spannung ist doch schon da. :D Würde ich eiskalt rausnehmen.

Vierzig oder fünfzig Kilometer nach Köln. Dort gibt es Leben.
Wie kommen die beiden eigentlich zu dem Schluss, dass es in Köln Leben gäbe? Gibt es dafür Anhaltspunkte? Oder einfach, weil da eine Million Leute lebten, da muss zwangsläufig noch wer übrigbleiben?

Dass der Prota eine Frau ist, das kam für mich sehr überraschend. Daran habe ich gar nicht gedacht, aber ja, das ist natürlich super legitim, war für mich aber dennoch ein „Achso?“-Moment. :D

Gut geschrieben, gerne gelesen. Ich persönlich würde den Text noch etwas ausbauen, der Welt mehr Farbe verpassen (oder weitere Graustufen :D) und noch ein bisschen mehr mit den Charakteren machen, aber im Kern ein sehr solider Text.

Liebe Grüße
gibberish

 

Moin @gibberish ... *aufUhrguck*
Guten Tag.

Ja, ich bin ja grad am radikalen Ausmisten. Winterschlussverkauf. :D Wirklich. Ich habe ALLE Kurzgeschichten im Zuge der Umstellung von Windows > Linux und Office 365 > Libre Office durchgeackert. Und das sind einige. Was früher Präteritum war, ist jetzt Präsens. Und dann fiel mir diese Geschichte in die Hände. Hatte ich total vergessen, diesen Wettbewerb schon verdrängt. Jo, poste ich sie mal mit diesen 12.000 Zeichen, dachte ich. Mal sehen, was kommt. Bisher also die begrenzte Welt. Und da werde ich auch ausbauen, hab isch mir überlecht. Also die Welt mal aufpumpen. Das ist eine sinnvolle Überarbeitung. WENN ich den gerade in Bearbeitung befindlichen Roman hinter mir habe. Hab deine Anmerkungen im Hinterkopf. Besten Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Griasle
Morphin

 

»Was für ein Parkplatz?«

In der momentanen (und wahrscheinlich länger andauernden, mutmaß ich mal) Phase der Weltgeschichte können bald wieder Kristbäume wie seinerzeit gesetzte „leuchten“ (warum also „SF“?), dass es der Titel schön beschreibt,

bestes, pardon, bester Morphin weit & breit,

und mich ein bisschen (und eher übertrieben, aber die schöne Literatur darf & muss übertreiben) an den Mehrteiler „so weit die Füße tragen“ erinnert – wenn auch auf rheinische Verhältnisse und hierorts angepasst und zusammengedampft (könnte man auch getrost „soweit die Füße“ tragen und die körperliche Kondition des Erzählers hält). Aber: Für mich eine seltsam anmutende Vorstellung -

Wenn ich Pech habe, breche ich mir einen Knöchel auf dieser kaputten Straße und werde Hundefutter.
wohingegen bei der Namenswahl - „Lorena“, „die Lorbeerbekränzte“, „die Siegerin“ (neben der wohl ursprünglichste Bedeutung „die Frau aus Laurentum“) mitschwingt.

Gut die Wahl des einleitenden Pronomens

Deswegen sind ihre Schritte ...
bei einer kleinen Galerie von Konkurrenten -

aber ich bin immer noch auf dem „Kreuzzug“ rettet das Ausrufezeichen!, das nicht nur hierorts inzwischen zu den bedrohten Arten zählt. Selbst wenn Du’s i. d. R. beachtest, hier kann es sogar gleich doppelt eingesetzt werden

»Ist schon seit paar Wochen zu warm. Gib mir bitte vom Wasser.«
aber zumindest nach der Bitte ...
Aber wie kommt der Strichpunkt

»Ich liebe dich, Lorena; und mache mir Sorgen.
vors „und“?
Weg mit ihm (und nicht durch ein Komma ersetzen …!)

Keine Gedanken mehr an Tod, nein, …
Hoppela, wenn mich einer fragt (idR in Verwaltungen), ob ich „Kinder“ habe, muss ich glatt bei der bejahenden „ehrlichen“ Beantwortung gleich Enkel einbeziehen. -

Ich weiß, so spricht man nicht nur beim FA, aber denkt „man“ auch im Plural?, wo ein Gedanke sich plural aufblähen kann bis er platzt?

Lorena liegt bereits, während ich versuche, die beiden Türen zu verriegeln, aber die Mechanik ist nicht mehr in Ordnung.
Komma weg!,
es zerschlägt das komplexe Prädikat „Türen zu verriegeln versuchen“

& wieder

An der Ecke spähe ich nach allen Seiten. Keine Hunde, nichts und niemand.
Ja, so „sacht“ wohl nicht nur das „Amt“, wo doch keine Hunde die Lücke offenhält, dass da doch einer sei ...

»Lorena!«
Ja, der Name hat’s mir angetan, laut Namenslexikon „die Frau aus Laurentum“ - aber vor allem „die Lorbeerbekränzte“, aber auch „die Siegerin“

Große Buchstaben. ‚Irgendwann im Juni 2100. Liebe Klara! Vergiss mich! Geh nach Köln! Dort gibt es Leben!‘ *steht da. Und ‚Ich liebe dich!‘.**
* Komma -
** Punkt weg!

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @Morphin,

"Da brennt Licht", ein guter Titel, da er das Wesentliche dieser dystopischen Szenerie hervorhebt: Die unerschütterliche Sturheit des Menschen zu Hoffen.

Gefallen haben mir die Beschreibungen dieser Welt, deine Beobachtungen und das Einbeziehen verschiedener Sinne in die Schilderung:

Die linke Schulter sinkt bei jedem Schritt ein Stück ab, das Bein folgt, dann hebt sich ihr Körper wieder.

Lorena zieht das linke Bein nach. Deswegen sind ihre Schritte so kurz.
Das ist gut beobachtet, gutes 'Show don't tell' für die Konsequenz eines qualvollen, langsamen Vorankommens.
Das ein paar Kilometer hinter uns liegende Autobahnschild war umgestürzt, auf die beschriftete Seite gefallen, viel zu schwer, um es anzuheben und die Kilometerangaben abzulesen.
Ebenfalls: Gelungenes SDT.
Das Hosenbein ist gespannt. Lorena muss Schmerzen haben.
Hier eine negative Art der Berührung ...
Sie greift meinen Oberarm, dreht mich zu sich, dicht vors Gesicht. Lorenas Augen, ein klares Hellbraun, aber matt. Ohne Glanz. Ich küsse sie, öffne den Mund, suche ihre Zunge mit meiner
... dort die angenehme(re) Variante.

aus dem Fußraum nehme ich die Hose und rieche daran. Ihr Duft ist weg. Der Geruch von Infektion, mehr ist da nicht.
Da steckt viel Erinnerungskontrast drin!
Die Sonne brennt durch die Scheibe. Direkt auf die Stellen, die vom Salz der Tränen aufgeraut und rissig sind.
Sehr plastische Beschreibung ...

kann nichts gegen die Tränen tun. Sie brennen auf der Haut.
... auch wenn Tränen auf der Haut brennen können - es ist eine etwas verbrauchte Wortwahl.
Mit Mühe habe ich die rechte Scheibe in die Tür gedrückt.
Da bin ich erst mal stecken geblieben: Ich dachte, er drückt die Scheibe in die Fensteröffnung der Tür, damit die Tür komplett ist.

Rückwärts lasse ich mich aus der Kabine gleiten, stehe auf der Straße und drehe mich nach beiden Seiten, aber wie kann ich etwas erkennen, wo es schon so dunkel ist.
Kein Fragezeichen?

Der Text ist gut geschrieben, hat mir stilistisch zugesagt, die relative Kürze hat dem Werk gut getan. Bei der Erwähnung der Brücke hatte ich schon so meine Befürchtungen, dass das Ganze auf einen Suizid hinausläuft. Ein wenig Hoffnung auf einen anderen Verlauf gab es dann in der Kirchenruine, die Dramaturgie der Schrittakustik verlor sich aber im Rauschen der bekannten Geschehnisse.

LG,

Woltochinon

 

Guten frühen Morgen @Friedrichard,

noch nicht mal die Kaffeemaschine läuft hier. Danke fürs Lesen und Kommentieren. Das passiert ja in deiner Nähe. Oberbergischer Kreis. Auf der A4, nach der Abfahrt Gummersbach Richtung Westen. Hab da mal gewohnt und stand schon auf der Brücke als Kind, als sie noch im Bau war. Konnte ich gut die Kirche sehen, den Gockel obenauf. Aber ohne diese Ausschreibung wäre die Brücke wohl nicht zu Ehren gekommen. Alles in allem jedoch mein Thema: Klimawandel. Eher Klimakatastrophe. Hab neulich einen Bericht der Rückversicherer gelesen, die sich ja nicht durch hippiesken Lebenswandel hervortun. Deren Zahlen sind eindeutig und sie warnen vehement vor den enormen Kosten die schon existieren und noch kommen. Ich werde also noch viele Geschichten und Bücher zum Thema schreiben.

Hab alles verbessert und hoffe, dein Tag wird gut. Bis bald.
Gruß
Morphin

 

Guten Morgen @Woltochinon,

du bist wieder öfter hier? Das freut mich. Der heimatliche Hafen ... :anstoss:
Besten Dank fürs Lesen und Kommentieren.
Wenn ich den Text nicht beim Ausmisten gefunden hätte, wäre er im digitalen Nichts verloren gegangen. In der Tat denke ich schon daran, ihn noch zu erweitern. Entweder zum Ausgangspunkt Lennestadt oder in die andere Richtung. Hab aber erst noch andere Arbeit.
Ausgangspunkt war ja 'Leben in NRW im Jahr 2100', was ich mir gar nicht vorstellen möchte. Von heute aus betrachtet, befürchte ich behaupten zu müssen, dass es in weiten Teilen so aussehen wird wie im Text. Das zu Verteilende wird extrem rar und die 2024 viel haben und fürs zu Verteilende aufwenden können, werden 2100 noch ganz gut dastehen; wenn man ihnen nicht den Garaus gemacht hat. Regeln und Normen werden passé sein. Viele Staaten werden sich aufgelöst haben oder sich in Auflösung befinden. Wenn überhaupt, lassen sich Strukturen nur noch mit Gewalt aufrechterhalten. Lokale Fürsten/Clans werden Aufwind bekommen. Die Firnis der Zivilisation ist dünn. Zivilisiert sind wir, wenn Teller und Brunnen voll sind.

'Tränen brennen' hab ich gekillt. Nun ja, ich setz' mich mal an den Roman. Kaffee holen und weiter. Bis bald.
Gruß
Morphin

 

Hallo Morphin, die Szenerie mit dem Truck auf der Brücke erinnert mich stark an The Road. Müsste ich mal schauen, ob die Ähnlichkeit zu stark ist, d.h. ob man das als geklaut kritisieren könnte. Ich schau mal im Roman nach und sag da später noch was dazu.

Die Story hat mir gut gefallen. Die Sprache ist schlicht, aber passend zum Thema. Mein einziger Kritikpunkt an dem Ganzen betrifft das titelgebende Licht. Ich glaube, viele Leser werden es als unbefriedigend empfinden, dass nun ausgerechnet diese Sache ein ungeklärtes Rätsel bleibt. Wenn da in dieser Einöde ein Licht brennt, wollen die meisten Leser sicher wissen, was dahintersteckt.

Von der Konstruktion her wirkt es aber nun so, dass auch der Autor es nicht weiß, sondern das Licht lediglich braucht, um den Protagonisten vom Truck wegzulocken. Und während er dem Licht folgt, bringt sich seine Gefährtin um.

Ich denke, das ist ein Konstruktionsproblem, weil es die Aufmerksamkeit des Lesers in die (für Dich als Autor) falsche Richtung lenkt. Schreiben kann man als einen Prozess der Aufmerksamkeitslenkung betrachten. Du willst als Autor vermeiden, dass sich der Leser Fragen stellt, die die Wirkung Deiner Geschichte schmälern. Im Fall dieser Geschichte findet aber genau das statt, denke ich.

Ich werde mir Deinen Text noch mal anschauen, vielleicht fällt mir noch etwas mehr dazu ein.

Gern gelesen, Morphin.

Gruß Achillus

 

Moin @Achillus,

besten Dank fürs Lesen und Kommentieren, aber seltsamerweise habe ich über all das, was du angeführt hast, nie nachgedacht. Ich hab mal neben dieser Autobahnbrücke gewohnt. Deswegen habe ich sie genommen. Das war's auch schon mit literarischen Gedanken. Mein Ziel waren nur die 12.000 Zeichen und 'Leben in NRW im Jahr 2100'. Auch dass da ein Licht brennt, war aus der Erinne1rung, weil damals immer ein Licht brannte in der Kirche und man es von der Einfassung der Brücke aus gesehen hat. Und die einzige Frage an die ich dachte für den Leser, ist die, ob die Leute sich nicht ein bisschen zusammenreißen wollen, um die Auswirkungen des Klimawandels ein wenig abzudämpfen. Das genügt mir als Frage. Aber wenn ich da einem noch nicht gesehenen Film auf den Schlips trete, soll das natürlich nicht sein. Vielleicht kann ein Mod den Text ja rausnehmen, falls es da Übereinstimmungen gibt.

Also, bis die Tage und Grüße
Morphin

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Morphin,

meine Geschichte wurde auch nicht genommen ... die Ausschreibenden scheinen ja laut Interview überrascht zu sein, dass Leute für einen SF-Text recherchieren und Rhein = Wüste sowie Niederländer = Klimaflüchtlinge dann häufig verarbeitet wurde. Genau das sind ja reale Prognosen. Zu den 80% gehöre ich also auch, allerdings noch mit Elektronik und was Paranormalem dabei. Jemand anderes als das NRW-LitBüro war aber sehr glücklich mit dem Text, d.h. er erscheint demnäxt und das wünsche ich dir mit deinem auch! :)

Ein paar Anmerkungen:

Aber wenn ich da einem noch nicht gesehenen Film auf den Schlips trete, soll das natürlich nicht sein. Vielleicht kann ein Mod den Text ja rausnehmen, falls es da Übereinstimmungen gibt.
Da würde ich mir - zumindest, was dieses Forum angeht - keine Sorgen machen. McCarthy kam mir auch in den Kopf, der ist aber selbst nur - wenig innovativ - auf einen Zug aufgesprungen: Das Motiv ist ja längst ein Sub-Genre der dystopischen SF. Letztlich lohnt sich aber grundsätzlich eine gründliche Recherche, was bereits wie wann behandelt wurde, wenn man in einem Genre schreibt, mit dem man sich nicht auskennt.

Aus dem Ärmel geschüttelt denke ich, dass Harlan Ellison 1969 mit der wunderbaren, provokanten Novelette "A Boy and His Dog" damit begann. Nach dem durchschlagenden Erfolg als Blood's a Rover aus-/weitergeführt, auch als Graphic Novel und 1975 als Film. (Dort wird die Konstellation Mann / Frau / Hund jedenfalls völlig anders als bei dir gelöst. ;-) )
Mary Shelley hat in ihrem letzten Kapitel von The Last Man (1926) nicht nur die Dystopie als Genre erfunden, sondern auch ebendieses Bild: Im Jahr 2100 wandern ein Mann und ein Hund durch eine von Pandemie entvölkerte Welt. Aber das Werk war seiner Zeit zu weit voraus, um in der SF - wie später geschehen - eine ungebrochene Narrativlinie / Motivik zu schaffen. Was Ellison beeinflusst haben mag: The Last Man wurde 1960 das erste Mal verfilmt.

Ende der 70er kam Mad Max (inzw. ein Franchise) und auch Carpenters exzellent gealtertes Escape From New York (1981) lässt sich darunter zählen. In den 80ern wurde das Road-Thema oft vor dem Hintergrund eines Atomkrieges weitergeführt - exemplarisch sei hier der wunderbar subtile Malevil (1981) genannt -, und das ging direkt in die teils deutlich gesellschaftskritischen Zombie-/Zombie-Epidemiefilme über: 28 Days Later (2002) & 28 Weeks Later (2007), Resident Evil III: Extinction (2007). Teils ohne Untote setzte sich das Motiv weiter fort: Neil Marshalls frech-punkiger Doomsday (2008), in der Literatur Dmitry Glukhovskys innovativer Geniestreich Metro 2033 (publiziert 2002, aber bereits 10 Jahre zuvor in Internetforen zur kritischen Besprechung eingestellt) und dann McCarthys The Road (2006). Roland Emmerich brachte 2006 mit The Day After Tomorrow den Klimawandel mit rein und versetzte das Motiv in eine nordamerikanische Eiszeit der nahen Zukunft. Dann gibt es ein wunderbares britisches Sequel zur Time Machine (1990er; im London der Zukunft ist Dschungel), Ronald Wright: A Scientific Romance - das übrigens alles andere als romantisch ist.
Das 'Motiv Straße/Dystopie' ist in der SF teils verknüpft mit dem der spekulativen 'Zone' (womit ich mich - auch Non-Fiction schreibend - seit langem beschäftige), dem der Zeitreise oder der 'Last Frontier' auf fremden Planeten bzw. im Parallel Universe.

Zu den aktuellsten Bearbeitungen gehört Emily St. John Mandels mega-schnarchiges Station Eleven (2014, dt. Das Licht der letzten Tage, auch als TV-Serie) und der polnische Low Budget-Film The Road to Nowhere (in prod.), der sehr, sehr gut aussieht und durch die mitwirkenden realen Stalker sowie einen Drehort in Tschornobyl auch wieder mit der 'Zone' verbunden ist.

Das sind nur ein paar Beispiele aus der unübersehbar umfangreichen Timeline dieses Subgenres, die mir ganz spontan einfallen, und damit das Umfeld, in das du diese Geschichte stellst. Auch, wenn du dieses Wissen ggfs. nicht hattest (danach klingt deine Antwort und auch der Text selbst), haben es SF-Leser - und zwar mMn sämtlichst -, also deine Zielgruppe.

Eine Geschichte mit dieser Motivik zu schreiben, ist daher an sich gar kein Problem - wenn man neue Aspekte reinbrächte. In diesem Fall sehe ich das - wie @Achillus - nicht, und rate dir ganz wohlmeinend und konstruktiv, den Text tatsächlich auszubauen (gute Idee!), und dabei den SF-Aspekt zu kicken.
Grund:
Deine Geschichte ist keine SF, und daran ändern die wenigen, offenbar drangeklebten Sätze zu 'menschenverlassen' etc. nichts. SF ist ein Genre der spekulativen Literatur und diese benötigt einen spekulativen Konflikt - also einen, der so in einer sozialrealistischen Geschichte nicht vorliegen könnte. Dein Konflikt könnte aber - minus vier, fünf isolierte Infosätze zum Setting - genauso gut in Afrika um 2100 B.C.E., im kommunistischen China oder in einer beliebigen Wildnis irgendwo heute auf der Welt spielen.

Wählst du eine spekulative - in diesem Fall zukünftige - Welt, kannst du nicht nur aus deinen eigenen Erfahrungen schöpfen, sondern es ist etwas Überlegung zum Weltenbau nötig:

Ich hab mal neben dieser Autobahnbrücke gewohnt. Deswegen habe ich sie genommen. Das war's auch schon mit literarischen Gedanken. Mein Ziel waren nur die 12.000 Zeichen und 'Leben in NRW im Jahr 2100'. Auch dass da ein Licht brennt, war aus der Erinne1rung, weil damals immer ein Licht brannte in der Kirche und man es von der Einfassung der Brücke aus gesehen hat.
Das Motiv des Lichts in der Kirche ist erstens wie bereits erwähnt wurde eine Krücke, um den Erzähler kurz vom Setting zu entfernen. Zudem ist das Bild stark veraltet (2100 wird es das Christentum in der heutigen Form vermutl. nicht mehr geben, sondern höchstens als Theokratie wie angestrebt unter Trump oder jetzt schon Putin); dann steht die Kirche nicht unbedingt für Hoffnung, sondern auch jahrhundertelangen Massenmord / Verfolgung / Zensur, was bis heute virulent ist. Grad in der SF würde ich damit kritischer umgehen, denn dein Setting ist ja nicht die Nachkriegszeit, als man die Ratlines gern vergessen hat und nach Halt im Spießertum suchte.

Dann ist die Kirche mit dem Licht plötzlich etwas, das sich - gestützt durch die Halluzination des Protas - als paranormal lesen lässt, was mich zumindest irritiert, denn dafür gibt es sonst im Text keine Anhaltspunkte. Real gesehen kommt das in-Kirchen-Licht-brennen-lassen aus einer Zeit des Energieüberschusses und wird heute schon immer seltener gemacht. Das beißt sich als Motiv mit deinem Setting. Auch machst du hier ein Fass auf (Wer hat das Licht dort angezündet und für wen?), das du dann nicht mehr aufgreifst.

Ich denke, die Geschichte würde - in etwas längerer KG-Form - davon profitieren, den sozialrealistischen Konflikt des Erzählers in ein sozialrealisitisches Setting zu verlegen. Gründe auch unten bei den Details.

Das ein paar Kilometer hinter uns liegende Autobahnschild war umgestürzt, auf die beschriftete Seite gefallen, viel zu schwer, um es anzuheben und die Kilometerangaben abzulesen.
Info Blau beisst sich mit Info Rot, da du alles in der selben Zeitform erzählst. Klar kann man kein Schild aufheben, das einige Kilometer hinter einem liegt. Warum so? Lass die beiden doch beim Schild ankommen (dann aber das 2. Schild kicken) und versuchen, es aufzuheben. (Sind die so schwer? Oder vllt. die Protas zu geschwächt? Dann hast du gleich bissl Spannung.)
Wenn du bei der Ausarbeitung keinem Zeichenlimit mehr unterliegst, auch ruhig weg von diesem Stakkatostil. Ich hab das selbst früher so gemacht und weiß, dass man sich damit quasi selbst gut 'hypnotisieren' kann: alles klingt gewichtig und man verliert keine Zeit. Falls das (hat mir damals eine Lektorin auch gesagt) aber so viel gemacht wird, kann es lieblos, nervig wirken und auch auf Kosten der Sensorik = Unmittelbarkeit gehen.

Lorena zieht das linke Bein nach. Deswegen sind ihre Schritte so kurz. Wir reden nicht darüber, sind jedoch deutlich langsamer geworden, seit wir vor, ich weiß nicht mehr wie vielen Tagen, in Lennestadt aufgebrochen sind.
Das ist an sich ein super Start in medias res - aber ich lasse mir sowas ungern erklären. Lass dir doch etwas Zeit, dass sich die Szenen und Emotionen, auch Informationen, entwickeln.
Sie seufzt, bleibt stehen, drückt beide Hände in die Hüften, macht ein Hohlkreuz.
Fettes: Das kannst du besser.
Sie seufzt und streckt / reckt sich ins Hohlkreuz (oder so) vermittelt imA ein identisches Bild beim Leser ohne Verlust von Info / Atmo / Stil.
Mein Tipp wäre: Anstatt wegen eines Zeichenlimits ins Stakkato zu gehen, dann aber immer noch extrem kleinteilig zu beschreiben, lieber redundante Infos = Satzteile streichen.

Niemand da, der mir beisteht, sich auskennt mit einem Hundebiss.
und
Irgendwo wird es ja einen Arzt geben …«
»Wo sollte es hier einen Arzt geben? Mitten im Niemandsland!«
Die beiden Protas wirken auf mich, als wären sie - mit einer Zeitmaschine - aus 2023 in 2100 transportiert worden. Als hätten sie 3 Flaschen Wasser noch aus dem Supermarkt im Gepäck und keine Ahnung, sich in der Wildnis zu helfen.

ImA ergibt das so keinen Sinn. Selbst, wenn die beiden 50+ Jahre alt wären, wurden sie ja in diese Welt reingeboren. Indien während der Covid-Pandemie allein hat gezeigt, dass man hundertausende Leichen nicht einfach so eingeäschert bekommt. Deine Protas leben in einer Zeit, in der ca. 90% der Menschen entweder ausgestorben oder migriert sind - wohin, wann; warum sind die Eltern/Großeltern deiner Protas nicht mit? Das Aussterben muss Jahrzehnte zurückliegen, denn du beschreibst nur Natur: Keine Leichen, keine Kadaver, keine Verseuchung durch Chemiefabriken, Atomkraftwerke, Laboratorien, Kühlschränke ... Also sind sie zwangsläufig darin ausgebildet, wie man ohne ausgebildete Fachkräfte Verletzungen versorgt. Der Ruf nach einem Arzt erscheint mir hier absurd.

Genau die beiden Punkte hat übrigens auch Mandel in ihrem Station Eleven ebenfalls völlig missachtet, wofür sie auch auf den Deckel bekam, und was ihr Buch unter dem SF-Label zu einer Mogelpackung macht.
Das Ganze ergäbe mehr Sinn, wenn die beiden aus einer aktuellen Zivilisation kämen und - z.B. als Hiker, die sich verlaufen haben - in der Wildnis gestrandet sind. Dann hast du genau das Drama, das du hier entwickeln möchtest.

»Lorena! Der Lastwagen steht auf einer großen Brücke! Meinst du nicht, wir sollten uns auf so einer alten Brücke nur kurz aufhalten? Wer weiß, wie stabil die noch ist?«
Kapiere ich doch, und Lorena sicher auch - her wäre eine bessere Stelle, elliptisch zu werden.
Lorena liegt bereits, während ich versuche die beiden Türen zu verriegeln, aber die Mechanik ist nicht mehr in Ordnung. Also binde ich eine Schnur von Türgriff zu Türgriff,
Das ist ein ganz tolles Detail - vllt. auch aus dem Alltag entnommen, aber hier passt es wunderbar. Ruhig mehr davon. Das ist auch ein Moment der Ruhe (selbst, wenn er Gefahr indirekt vermittelt) und das tut imA der Geschichte sehr gut.
»Kein Wasser verschwenden. Drei Flaschen bleiben uns noch. Ich schätze, bis Köln sind es noch vierzig oder fünfzig Kilometer. Da brauchen wir jeden Tropfen.«
Woher ist denn das Wasser in den Flaschen? Warum sind die beiden - und woher - aufgebrochen, wenn es am Ausgangsort Wasser gab und weiter weg nicht mehr? Was war die Notwendigkeit, nach Köln zu gehen, v.a. wenn sie verletzt ist?
Ich brauche echt nicht für alles eine Herleitung und persönliche Backstories sowie Rückblenden gehen mir mega auf den Keks, aber hier wäre eine Gelgenheit, nebenher etwas vom Zwang, von A nach B (Köln) zu wandern, zu erzählen.
dass draußen im Weltraum der schweigsamste Ort des ganzen Universums sei. Nichts ist so still wie die Schwärze des Alls, sagte er und ich konnte es mir nicht vorstellen. Jetzt ist das Schweigen hier unten angekommen.
Das gefällt mir gut, würde ich aber nicht wiederholen, weil du den Effekt nicht beliebig erneuern kannst.
Dann sehe ich das Licht. Da brennt Licht! Tatsächlich! In der Kirche, an ihrem hinteren Ende, das nach Osten zeigt. Vielleicht gibt es dort Hilfe. Für Lorena. Unsicher, ob ich ihr diese Entdeckung mitteilen soll, trete ich von einem Fuß auf den anderen, dann will ich nicht warten und gehe los, zum ostseitigen Brückenende, den Hang hinauf und stehe gleich darauf neben dunklen Häusern, eines kaputter als das andere. Geplündert. Ohne Zweifel.
Das Bild mit dem Licht und der Kirche funktioniert imA unter keinem Aspekt. Wenn die Häuser drum rum geplündert aussehen und der Erzähler nicht weiß, ob die Gegend so menschenleer ist, wie er meint, können ebendiese Plünderer ja in die Kirche gezogen sein: stabile Struktur aus einer Zeit, in der dafür Geld ohne Ende war. Gerade mit diesen Gedanken sollte er vielleicht mehr Zweifel haben, zögern, auskundschaften - denn ich nehme an, jemand, der in diese Welt geboren wurde, hat nicht die gleiche Naivität wie eine Filmfigur heutzutage.

Kein Hund, nichts und niemand.
Warum erwartet er nur Hunde? Vllt. checken, ob das nicht überstrapaziert wird. Was ist mit entlaufenen Nutztieren (Schweine fressen auch Fleisch), mit anderen Wildtieren? Zoos vllt. noch?
Nur eine Camping-Laterne, grelles Licht, ein kaum hörbares Zischen. Instinktiv drehe ich mich und ziele ins dunkle Kirchenschiff, vermute einen Hinterhalt. Aber niemand. Kein Leben. Nur das Licht. Eine Weile überlege ich, die Laterne mitzunehmen, lasse es aber bleiben. Sie ist nur Gewicht und Gaskartuschen wird es nirgendwo mehr geben. Ich sehe meinen Schatten an der zerschundenen Wand, bewege die rechte Hand, ein paar Finger, entdecke eine Figur darin. Dann taucht Lorenas Gesicht aus den tanzenden Schatten auf. Ihr Mund sagt etwas, formt Worte. Das Licht greift nach mir mit kalter Hand.
Ich finde, die Halluzination / das ggfs. Paranormale sticht aus dem Text unpassend raus. Wie wäre es, wenn er was jagen / sammeln gehen würde, oder einfach Wasser suchen? Ohne Kirche / Licht? Das wäre eine Notwendigkeit, die Verletzte zu verlassen, die geradezu auf der Hand läge.
Die Matratze ist leer. Lorena weg. Wie in der Kirche. Nichts und niemand da. Ihr Rucksack liegt auf dem Lenkrad, die Hose ist zerschnitten im Fußraum.
Auch hier würde ich weg vom Stakkatostil, selbst, wenn du Schock vermitteln willst. Dafür sind die Gedanken wieder zu geordnet, Info für den Leser.
Die Welt antwortet nicht. Das Schweigen des Alls ist das Schweigen hier unten.
Wie gesagt: Das verliert durch die Wiederholung seine Kraft und entwertet es oben.
Hundefutter
Hm, schon wieder Hunde ...

Morphin, ich finde es sehr, sehr gut, wenn du den Text ausbauen willst. Du hast mal sehr heftig auf einen meiner Komms reagiert und eigentlich wollte ich nix mehr zu deinen Geschichten schreiben (weil ich sowas nicht will, weder das auszulösen noch als Antwort an mich) - aber hier geht es um ein Motiv, das mich seit Ewigkeiten beschäftigt, das sehr ergiebig ist und durch deine Antwort, du hättest dich damit nicht weiter beschäftigt bzw. aus deinem Alltag gezogen, wollte ich dir ein paar Tipps an die Hand geben. Nimm einfach, was du gebrauchen kannst.

Herzlichst,
Katla

 

Moin @Katla,

hm, ans heftige Reagieren kann ich mich nur dunkel erinnern. So was vergesse ich i.d.R. fix wieder. Gib mir mal einen Erinnerungsschub, per PN, falls du magst. Besten Dank fürs Lesen und Kommentieren. Ja, die 12.000 Zeichen-Grenze ist ja jetzt weg, die mich eh gestört hat. Ich bin eher der umfangreiche Texter.

Momentan baue ich meine Website komplett um, alle Texte kommen da rein (und das sind viel > enormer Zeitaufwand). Den Text hier habe ich mir vorgemerkt zum Totalumbau. Denn das Thema Klimakatastrophe muss auf dem Tisch bleiben. Also kopiere ich alle Beiträge raus, hinter den aktuellen Text, damit ich die Anmerkungen im Blick habe.

Da wird ja noch einiges kommen, nehme ich an. Also besten Dank. Und bis die Tage.

Grüße
Morphin

 

Tag @Henry K.,

besten Dank für die Info. Den Film kenne ich nicht, weiß aber, dass es ihn gibt. Von McCarthy habe ich bisher nur Die Abendröte im Westen gelesen. Egal, die Szene kann dann bei der Überarbeitung rausfliegen. Die ist mir jetzt nicht so wichtig. Hier war der Fokus wirklich nur auf dem Thema 'Leben in NRW im Jahr 2100'. Und als ich drauflos tippte, war ich ruckzuck bei 12.000 Zeichen und noch lange nicht fertig. Also wieder gekürzt. Grundsätzlich werde ich aber bei der A4 bleiben. Die wird Protagonist sein. Aber momentan habe ich immens viel Arbeit mit dem Umbau, dass ich noch einige Wochen brauche, bis ich mich dem hier zuwende.

Grüße
Morphin

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Morphin,

neenee, vergessene Kommunikation müssen wir nicht aufwärmen.

Denn das Thema Klimakatastrophe muss auf dem Tisch bleiben.
Jede mir bekannte Fiktion zum Thema wird in die Zukunft verlagert, entweder als Dystopie oder, weil das schon langweilig wurde, neuerdings als Utopie. Was aber - dazu gibt es inzw. massig Sekundärliteratur, ganze LitSachbücher - als Warnung nicht funzt, weil das für Leser zu abstrakt, zu weit weg ist und sie ihre eigene Rolle heute nicht dazu ins Verhältnis setzen können.
Zudem ist unser Anteil daran sehr komplex, und Klimawandel erstreckt sich teils unmerklich über Jahrhunderte - und das beißt sich mit der Praxis von Narrativen, die vollständig und nötigerweise auf Akutes, akzentuiert Dramatisches, Persönliches = Einzelfiguren (vs Generationen ganzer Völker), kurze Zeitspannen und begrenzte Settings abgestellt sind. Uns - als Kulturwesen Mensch - fehlen die narrativen Mittel, adäquate Klimafiktionen zu entwerfen. Das ist auch keine Frage von Verdrängung, Faulheit oder Unwillen, sondern hängt damit zusammen, wie unser Hirn, unser Denken strukturiert ist. Wir sind ein Tier im Hier & Jetzt und viele reproduzieren sich, um die erkannten Probleme eine Generation weiter zu verschieben, und der Nachwuchs steht vor dem Salat und macht dann nur dasselbe weiter ...

Es wäre aus all den Gründen sinnvoller, das Heute & Jetzt zu betonen, denn da können Leute andocken und ggfs. jetzt was ändern. *) Und ich meine ändern, nicht nur protestieren.

CliFi muss also aus der SF raus. Rein ins lokale, regionale Jetzt - es ist keine Zukunft mehr und sollte daher nicht als solche geschrieben werden. Das ist schwerer als Zukunftsszenarien zu entwerfen, in denen eh schon alles kaputt ist (die Katastrophe ist geschehen, man kann nur noch damit umgehen = genau so verhalten sich Menschen ja jetzt bereits), denn so muss man auf das gucken, was man selbst macht und was die Billionen anderen Menschen (falsch) machen. Anstatt also den 1.000 Text Road-CliFi zu schreiben, nimm doch das Bestehende, das Momentane als Startpunkt und entwickle daraus etwas Konkretes.

*) Naja, Literatur funktioniert so eh nicht, bei all den kritischen SF-Werken hätten wir jetzt nicht die Probleme, vor denen so bereits seit den 60ern gewarnt wurde ...

Und als ich drauflos tippte
Hey! Bei SF?! :sconf:

 

Nabend @Katla,

schon seit 45 Jahren tippe ich drauflos. War noch nie anders. Egal. Alle meine hier liegenden EXODUS-Geschichten handeln vom Jetzt in der Klimakatastrophe und dem, was den Menschen so passiert. Wie gesagt: Das Thema war ja vorgegeben, plus Jahreszahl: 2100. Von daher musste das Ding ja so weit weg spielen.

Als ehemaliger Landwirt kann ich dazu sagen, dass die Klimaveränderungen zwar große Zeiträume umfassen, aber die Wetterveränderungen schnell passieren können. Und selbst während meiner Landwirtjahre waren wir betroffen von diesen Veränderungen, und das war in den 1980ern. Schon zu dieser Zeit sagten einige der helleren Landwirte, dass es diese Veränderungen gibt und sie unmittelbar Einfluss nehmen auf Frühjahrs-Aussaat, herbstliche Ernte, Fruchtart, Grundwasserabsenkung etc. Sogar die Gegenmaßnahmen waren im umlaufenden Wissen und in Schulbüchern der Landwirte notiert und begründet.

Grundsätzlich habe ich zwei Arten von Landwirten kennengelernt und um mich gehabt. Reflektierte und LmaA-Typen; etwa in der Größenordnung 1/3 zu 2/3. Alle naturfeindlichen Maßnahmen kamen von den 2/3 der Bauern, die über den Bauernverband Druck auf die Landwirtschaftsämter machten, damit die Flurbereinigungen (nettes Wort) durchgezogen wurden. Diese Flurbereinigungen sind eine der Hauptursachen für den Schwund von Krume und Bodenlockerheit.

Den Roman, der diese Jahre beschreibt, habe ich auch schon so gut wie fertig. Falls du die Exodus-Geschichten hier nicht lesen möchtest, kann ich dir das Buch schicken. Ich brauche nur eine Adresse.

Griasle
Morphin

 
Zuletzt bearbeitet:

Als ehemaliger Landwirt kann ich dazu sagen, dass die Klimaveränderungen zwar große Zeiträume umfassen, aber die Wetterveränderungen schnell passieren können. Und selbst während meiner Landwirtjahre waren wir betroffen von diesen Veränderungen, und das war in den 1980ern. Schon zu dieser Zeit sagten einige der helleren Landwirte, dass es diese Veränderungen gibt und sie unmittelbar Einfluss nehmen auf Frühjahrs-Aussaat, herbstliche Ernte, Fruchtart, Grundwasserabsenkung etc. Sogar die Gegenmaßnahmen waren im umlaufenden Wissen und in Schulbüchern der Landwirte notiert und begründet.
Das halte ich - mit dem Hintergrund - auch für eine wesentlich bessere Grundlage, wenn du Fiktion als politisches Lehrmaterial nimmst. In die Richtung - und nicht SF - würde ich mit deinem Projekt gehen. (Nicht mein cup of tea, von der persönlichen Vorlieben her gesehen, aber wenn man Fiktion als Sozialpolitik schreiben wollte.)
Bei SciFi und CliFi (neuer Begriff für mich) will ich auch noch mal an Waterworld erinnern. Spielt zwar nicht auf der Strasse, aber nur, weil es ja keine mehr gibt
*gn* Mir reichte schon derTrailer ... ich vermeide aber eh alles, was Costners Fresse zeigt.

Es gibt hier im Kaffeekranz einen Klima-Lit-Faden, der ausnahmesweise - sage ich bewusst entgegen den Eindrücken der inzw. inaktiven Erstellerin - mal tatsächlich an keinem Punkt entgleiste und sehr interessante Eindrücke gibt.
Allein da zeigt sich, dass die literarische Bearbeitung, oder auch nur individuelle Verabeitung, des Themas schwierig ist.

Und dann gibt es von und mit Kevin Costner auch noch den Flopp, der ihn aus der ersten Reihe in Hollywood geschmissen hat: Postman.
Ja, wobei das theoretisch Road-SF, aber praktisch Marty Stu + thematisch, wenn vielleicht auch nicht ideologisch, Birth of a Nation sein wird (nicht gesehen). Wie gesagt, es gibt unzählige weitere Beispiele und wenn man das Road-Motiv noch rausnimmt, explodiert die Liste eh.

 

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