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Der Gesang der Goldammer

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18.06.2015
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Der Gesang der Goldammer

Die Felder waren bestellt, silberne Jauchewagen glänzten in der Sonne, verkuppelt mit Traktoren, an deren Reifen Brocken lehmiger Erde klebten. Über den Wipfeln des angrenzenden Waldstreifens schwebte ein Heißluftballon, der Passagierkorb voll mit Touristen, die ihre Blicke über die Garanten der Schweizer Ernährungssicherheit schweifen ließen, über die moosbewachsenen Hangare des Militärflughafens, oder, falls es sie nach Erhabenheit dürstete, über den Gerschensee, dessen Oberfläche an windstillen Junitagen gebürstetem Aluminium gleicht.
Ich saß am offenen Fenster und trank Kaffee. Vor mir auf dem Tisch lag die Berner Zeitung und daneben eine Broschüre zur Ü50-Darmkrebsvorsorge, deren Kosten der Kanton zu übernehmen versprach, ein verlockendes Angebot angesichts meiner finanziellen Lage. Die unentgeltliche Einführung eines Koloskops, was mehr konnte man vom Staat erwarten? Im Wissen, dass Darmkarzinome zwei meiner Onkel ins Grab gebracht hatten, erwog ich, der Empfehlung nachzukommen, auch wenn ich mir damit ein für alle Mal eingestanden hätte, die fünfzig überschritten zu haben. Die eigentliche Frage war allerdings eine andere: War ich bereit, den seligen Zustand der Unwissenheit aufs Spiel zu setzen, nur um im Fall der Fälle das eine oder andere zusätzliche Jahr den bereits hinter mich gebrachten anzuhängen? Ich hätte Linda anrufen können oder meinen Bruder oder irgendwen sonst. Jeder Mensch mit einem gewissen Sinn für Chancen und Notwendigkeiten wäre in der Lage, mir einen Rat zu geben, doch wie so oft verspürte ich kein Bedürfnis, einem Dilemma zusätzliches Gewicht zu verleihen, indem ich mit anderen darüber sprach. Laut schlürfend nahm ich einen Schluck Kaffee, presste die Zungenspitze gegen die Schneidezähne, um mich von der Last der Entscheidung zu befreien. Schließlich platzierte ich den Prospekt mittig auf die Zeitung, die ich zusammenfaltete und in wenig elegantem Bogen auf den Stapel Altpapier hinter dem Küchentisch warf. Prompt lugte die Broschüre zwischen den Seiten hervor, verharrte für eine Sekunde, bevor sie zu Boden glitt und zwischen verstreuten Cornflakes und Flaschendeckeln zu liegen kam.
Die Theophanie im Licht der Abendsonne setzte sich fort, der Ballon war noch etwas höher gestiegen. Ich atmete kräftig ein – der Geruch von Gülle entfaltet eine eigentümlich angenehme Wirkung, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat – und beschloss, meinen morgendlichen Vorsatz endlich in die Tat umzusetzen und die Wohnung für einen Spaziergang zu verlassen. Als ich das Fenster zuzog und nach unten blickte, bemerkte ich zwei Gestalten, die ums Haus schlichen. Die eine hielt etwas in den Händen, das aussah wie ein armlanges Stück Abflussrohr.

Zwei Monate zuvor war ich eingezogen. Nach der Trennung von Linda – sechzehn glückliche und zwei unglückliche Jahre lagen hinter uns – hatte ich es für eine gute Idee gehalten, den Verlockungen der Stadt ein Schnippchen zu schlagen und aufs Land zu ziehen, wo die Mieten bezahlbar sind und sich der Fluss meines Lebens zu einem ruhigen, aber mächtigen Strom ausweiten sollte. Ich prüfte die Angebote und nach einigem Zögern wählte ich als neue Bleibe den Dachstock eines Bauernhauses aus dem achtzehnten Jahrhundert, semilegal ausgebaut, wie ich vermutete, viel Holz und wenig Charme auf zweiundzwanzig Quadratmetern, die Hälfte davon unter einer Dachschräge, an der ich mir bereits bei der Besichtigung den Kopf gestoßen hatte. Trotz der lächerlich geringen Miete verfügte die Wohnung über ein eigenes Bad und einen separaten Eingang, was letztlich den Ausschlag gab. Die Distanz zu Bern war groß, doch da sich mein Unterrichtspensum weiterhin auf wenige Lektionen beschränkte – es tut mir leid, aber da lässt sich nichts machen – brauchte ich die eineinhalbstündige Fahrt zur Wirtschaftsschule bloß zweimal die Woche auf mich zu nehmen, vorbei an Schildern, die vor Wildwechsel warnen, und Wahlplakaten, auf denen sich SVP-Politiker präsentieren, die Gesichter blass und feist, die Krawatten so eng um die Hälse gezogen, dass man ihnen zu Hilfe eilen möchte.
Am Tag meines Umzugs lag auf dem Fußweg, der zum Bauernhaus führt, ein blutiger Klumpen Fleisch. Ich befürchtete, dass es sich dabei um einen grotesken Willkommensgruß handelte, doch Roland, dem das Anwesen gehört, beruhigte mich. Gelegentlich biete er den hiesigen Greifvögeln ein Rinderherz dar, und ab und zu lasse ein Milan oder ein Bussard ein Stück seiner Mahlzeit fallen. In der Wohnung angelangt, blickte ich aus dem Fenster und sah drei Schwarzmilane in den Fichten hinter dem Haus hocken und auf einen Baumstumpf starren, der offenbar als Futterstelle diente. Danach beobachtete ich sie jeden Tag. Ich mochte die dunklen Gesellen mit ihren stechenden Augen, sie wurden meine ersten Freunde in der neuen Heimat und blieben die einzigen.
Ich war eine Woche hier, als ich auf einem abendlichen Spaziergang durch den Wald auf mehrere Müllsäcke stieß. Daneben lagen zwei blaue Ölkanister, ein Luftbefeuchter, Mehrfachsteckdosen und meterweise Kabel. Am folgenden Tag ging ich aufs Gemeindeamt und meldete den Fund.
«Haben Sie vielen Dank. Wir kümmern uns um die Sache», sagte die Frau am Schalter und bat mich, die Stelle auf der Wanderkarte zu markieren, die sie mir zuschob.
«Wie geht es weiter?», fragte ich.
«Wir lassen es wegräumen.»
«Bestimmt lässt sich herausfinden, wem das Zeug gehört.»
«Mit einer DNA-Analyse?» Sie lächelte, ich war mir nicht sicher, wie ernst ihre Frage gemeint war.
«Etiketten, Adresskleber, irgendwas», sagte ich und erwähnte, dass mir kurz vor meiner Entdeckung ein weißer Toyota entgegengekommen war.
«Ein weißer Toyota», wiederholte sie.
Am nächsten Morgen fand ich meinen Wagen mit zerstochenen Reifen vor. Roland hörte mich fluchen und trat vor die Tür. Nachdem ich ihm die Geschichte vom illegal deponierten Müll und dem verdächtigen Auto erzählt hatte, bat er mich in seine Stube, füllte zwei Gläser mit Zwetschgenschnaps.
«Es ist nicht gut, dass einer seinen Abfall im Wald ablädt», sagte er. «Das sehe ich wie du.» Wir stießen an und er leerte sein Glas auf Ex. «Aber hier hält man zusammen. Man verpetzt sich nicht.»
«Verpetzt?»
«Du hast schon verstanden.»
«Was weißt du über die Sache?»
«Nichts. Könnte auch einer von auswärts gewesen sein.»
«Davon bin ich eigentlich ausgegangen. Bis vor fünf Minuten.»
Roland nickte. «Es gibt viele weiße Autos. Ein Toyota, sagst du? Bist du dir auch sicher?»
Ich winkte ab, trank mein Glas ebenfalls leer. «Wie hoch wäre die Buße? Zweihundert Franken? Wegen so was schlitzt man mir die Reifen auf?»
«Es geht wohl ums Prinzip», sagte Roland, räumte die Gläser weg und riet mir, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
«Mache ich», sagte ich, ging nach oben, rief die Rektorin an, um ihr mitzuteilen, dass ich es nicht zum Unterricht schaffen würde, und danach die Polizei, um Anzeige zu erstatten. Am frühen Abend kam ein Beamter vorbei, sah sich den Schaden an und prüfte, ob der Wagen ansonsten in Ordnung war. Ich sagte ihm, er solle die Frau auf dem Gemeindeamt fragen, wem sie von der Sache mit dem Müll erzählt habe. Er nickte, kniete sich noch einmal hin und strich mit den Fingern über einen der Reifen.
«Scharfe Klinge», sagte er und stieß einen leisen Pfiff aus.
Ich wartete zehn Tage, dann meldete ich mich bei der Dienststelle Gerschen, wollte wissen, ob sie den Abfall durchsucht hätten, wies darauf hin, dass man weder Hercule Poirot noch Sherlock Holmes heißen müsse, um zu begreifen, dass die Person, die sich an meinem Auto zu schaffen gemacht hatte, dieselbe war, die Wälder als Mülldeponien betrachtete. Der Mann am anderen Ende der Leitung blieb gefasst und gab mir zu verstehen, dass er sich dazu nicht äußern könne. Auch ich blieb gefasst, insgeheim war ich sogar froh darüber, dass die Spannung erhalten blieb, denn zu jenem Zeitpunkt war der Fluss meines Lebens gerade dabei, sich zu einem Rinnsal auszudünnen. Abgesehen von den Spaziergängen, die immer kürzer wurden, verbrachte ich meine freien Tage vor dem Fernseher. In der Kochnische stapelte sich das Geschirr, der Handstaubsauger, den ich mir zum Einzug gekauft hatte, verstaubte auf dem obersten Brett des Bücherregals. Ich spielte mit dem Gedanken, Linda anzurufen und sie zu fragen, wie es ihr ging. Stattdessen unterhielt ich mich mit meinen Freunden. Sankofas Schnabelansatz wies ein kräftigeres Gelb auf als das der anderen. Phönix plagte eine Verletzung, wie mir schien, seiner Handschwinge fehlte ein Finger. Er verhielt sich zurückhaltend, während sich Turul stets als erster auf das Fleisch stürzte, das Roland auf den Baumstrunk legte. Nach dem Gespräch mit der Dienststelle fragte ich die drei, ob ich auf eigene Faust ermitteln sollte. Sie drehten die Köpfe zu mir.
Bereits vorher hatte ich Ausschau nach dem weißen Toyota gehalten, nun aber ging ich systematisch vor, notierte mir die Kennzeichen von Wagen, die ich morgens vor der Bäckerei und abends vor einer der drei Dorfkneipen stehen sah, und machte deren Besitzer mithilfe einer SMS-Abfrage ausfindig. Nach kurzer Zeit umfasste meine Liste dreiundzwanzig Einträge, denn ich war mir tatsächlich nicht sicher, ob ich einen Toyota gesehen hatte.
«Man redet über dich», sagte Roland.
«Warum?»
«Weil du mit einem Notizblock in der Hand auf Parkplätzen herumstehst.»
«Ist nicht verboten, oder?»
«Lass es sein.»
Auch wenn mich Rolands Worte nicht zu ängstigen vermochten, verlagerte ich daraufhin meine abendlichen Spaziergänge auf den späten Nachmittag, inspizierte meinen inzwischen reparierten Wagen, bevor ich zur Arbeit fuhr, und wäre – falls es geklingelt hätte – vorsichtig genug gewesen, niemandem einfach so die Tür zu öffnen. Vor allem aber brachten mich seine Worte dazu, das Projekt abzubrechen. Inzwischen standen auf meiner Liste achtunddreißig Namen, mit denen ich nichts anzufangen wusste. Es hätte jeder sein können. Ich dachte darüber nach, zum Zeichen meiner Aufgabe eine weiße Fahne ins Fenster zu hängen, fand die Idee schließlich aber doch zu albern. Also verabschiedete ich mich still und leise aus dem Krimi, in den ich geraten war, und kehrte zum plätschernden Bächlein zurück, das ich mein Leben nannte und das keinen Anlass bot, eine Darmspiegelung als zwingend zu erachten.

«Kann ich helfen?», fragte ich.
Die beiden Gestalten blieben stehen und blickten erschrocken nach oben.
«Oh! Bitte entschuldigen Sie!», sagte die Frau. «Wir wollten bloß … Da hinten ist ein Schwarzmilan.» Sie trug eine dunkelgrüne Bluse, um ihren Hals baumelte ein Fernglas. Der Mann, der neben ihr stand, hob das Ding in die Höhe, das ich für ein Abflussrohr gehalten hatte und an dessen Ende eine massige Kamera geschraubt war.
«Wir möchten etwas näher», sagte er. «Wenn Sie erlauben.»
«Machen Sie nur», sagte ich im Wissen, dass Roland nicht zu Hause war, schloss das Fenster und öffnete vorsichtig das andere. Turul hockte auf einem Ast, Sankofa und Phönix waren unterwegs. Ich lehnte mich aus dem Fenster und schaute zu, wie der Mann unten an der Ecke stehen blieb und das Objektiv in die Höhe stemmte. Es sah verflucht anstrengend aus.
«Wollen Sie nach oben kommen?», fragte ich. «Da hätten Sie einen besseren Winkel.»
Das Licht der untergehenden Sonne färbte das Grün der Fichten zu Gold. Turul war unruhig geworden, aber sitzen geblieben. Er reckte den Kopf, drehte ihn hin und her. Nach einer Weile flog er auf und präsentierte sich auf einem anderen Ast.
«Noch besser», flüsterte der Mann. «Jetzt ist er ganz freigestellt.» Er hatte das Objektiv auf die Fensterbank abgestützt, das Auge gegen den Sucher der Kamera gepresst.
«Ist ein ziemlicher Knüppel, den Sie da haben», sagte ich.
«Sechshundert Millimeter, Blende vier. Hab dafür eine Niere verkauft.»
Ich lachte. «Braucht es kein Stativ?»
«Nicht unbedingt. Die Stabilisatoren sind sehr viel besser geworden.»
Die Frau hatte sich neben ihren Mann gekniet und den Milan durch das Fernglas betrachtet. Nun stand sie auf und blickte sich in der Wohnung um.
«Entschuldigen Sie die Unordnung», sagte ich. «Ich habe gerade viel um die Ohren.»
«Wenn Sie wüssten, wie es bei uns aussieht», sagte sie und lächelte. Ihre Wangen waren rot, Schweißperlen glänzten auf der Stirn. Ich schätzte sie auf fünfundsechzig, vielleicht siebzig.
«Möchten Sie sich setzen?», fragte ich. «Es hat Kaffee.»
«Das ist sehr freundlich. Danke.»
Ich wusch eine Tasse aus. «Kommen Sie aus der Gegend?»
«Wir wohnen in Birkried», sagte sie und auf mein Stirnrunzeln hin: «Eine halbe Stunde von hier.»
«Vögel sind Ihre Leidenschaft?»
«Oh ja.»
«Aber Sie fotografieren nicht?»
«Mir genügt es, sie zu beobachten. Meistens erspähe ich die Tiere, Armin hat da nicht so ein gutes Auge.»
«Da hat sie Recht.» Der Mann zog das Objektiv zurück, schraubte die Gegenlichtblende ab und setzte den Deckel auf die Frontlinse. «Das war toll, vielen Dank.»
«Turul gibt ein gutes Modell ab, nicht wahr?»
«Er hat einen Namen? Das bringt mich in Verlegenheit, ich fotografiere keine zahmen Tiere.» Er lachte und setzte sich zu uns, nachdem ich die Sitzfläche eines Hockers von einer leeren Müsli-Packung befreit hatte. Ich brühte noch mehr Kaffee auf und Armin zeigte uns auf dem Display seiner Kamera die Bilder, die er geschossen hatte. Die Sonne war hinter den Hügeln verschwunden, Grillen zirpten und es sang eine Goldammer, wie mir Verena erklärte.
«Man kann es sich ganz einfach merken. Wie, wie, wie hab ich dich lieb. Hören Sie?»
«Stimmt», sagte ich. Das Fenster ließ ich offen, obwohl ich wusste, dass mich zur nächtlichen Strafe die Mücken aussaugen würden. Wir schwiegen und lauschten und meine Augen wurden feucht. Ich wollte, dass die beiden noch etwas bleiben, doch mir fiel nichts ein, worüber wir sprechen konnten. Mein Blick fiel auf die Broschüre, die am Boden lag. Ich hob sie hoch und legte sie auf den Stapel Altpapier.
«Hab’s mir überlegt», sagte ich. «Aber ist wohl nichts für mich.»
«Was überlegt?»
«Eine Darmspiegelung», gab ich zur Antwort und erst jetzt wurde mir klar, wie unangemessen es war, das Gespräch auf dieses Thema zu lenken.
«Ja, das ist unangenehm», sagte Armin. «Aber nicht so unangenehm, wie man zunächst denkt.»
Verena legte die Hand auf seinen Arm. «Ich musste dich ganz schön bearbeiten.»
«Ja.» Er lachte.
Eine Stunde später brachen sie auf. Ich schrieb Armin meine Mail-Adresse auf einen Zettel, damit er mir die Bilder von Turul schicken konnte, und sagte, dass meine Wohnung zur Verfügung stünde, falls er Lust auf ein Gruppenfoto von Turul, Phönix und Sankofa habe. Nachdem sie weggefahren waren, setzte ich mich an den Tisch und wollte mir ein Glas Wein gönnen. Doch mich erfasste eine Unruhe und so begann ich die Wohnung aufzuräumen, kratzte Krusten von Tellern, spülte Gläser, wischte den Boden. Dabei bemerkte ich, dass Verena ihr Fernglas auf der Fensterbank hatte liegen lassen. Es sah edel aus, auf dem einen Tubus war ein weißer Adler eingraviert. Ich nahm es in die Hand, blickte nach draußen, doch es war bereits zu dunkel, um mehr zu erkennen als die Silhouetten von Bäumen und Hügeln. Ich stellte den Feldstecher auf den Tisch, dann griff ich nach dem Smartphone und wählte Lindas Nummer. Sie nahm nicht ab. Fünf Minuten später versuchte ich es erneut und in jenem Augenblick klingelte es an der Tür. Armin und Verena! Ich schnappte mir das Fernglas, rannte die Treppe hinunter, öffnete die Tür und blickte ins Gesicht von Micky Maus.

Das war vor zwei Tagen. Roland meint, dass, wer immer es auch gewesen sei, mich wohl ein bisschen härter als geplant erwischt habe. Ich gehe davon aus, dass er nichts mit der Sache zu tun hat, ansonsten zöge ich angesichts der Chuzpe, hier mit einer Schachtel Pralinen in der Hand aufzukreuzen, meinen Hut. Er steht am Fenster und fragt, ob er etwas für mich tun könne.
«Ich werde bestens versorgt», sage ich.
«Gut. Ich muss dann mal wieder.»
Hartes Licht fällt auf die weißen Betten. Meine Nase und das rechte Jochbein tun weh, den Zimmergenossen plagt ein schlimmer Husten. Ansonsten ist es ganz okay hier. Gestern hat mich Linda besucht, für einen Augenblick hat sie meine Hand gehalten. Bestimmt hat sie gedacht, dass ich wegen der Schmerzen weine. Armin hat mir eine Mail geschickt, in der er fragt, wann sie das Fernglas abholen könnten. Die Bilder von Turul, die er angehängt hat, sind wahrhaft schön. Mich versorgen zwei Krankenpfleger, der eine ist besonders nett. Ich habe ihn gefragt, ob man eine Darmspiegelung durchführen könne, wenn ich doch schon mal hier sei, aber in dieser Angelegenheit zeigen sie sich wenig flexibel.

 
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„Es sind die kleinen Dinge, die die Welt vergrößern.“
Gottfried Keller​

Die unentgeltliche Einführung eines Koloskops, was mehr konnte man vom Staat erwarten?
Kann ein gluteninduzierter Enteropath wie ich an einem solchen Zitat vorbei, um allsogleich zu einem neueren Seldwyla (eigentlich ein „seliger Weiler“, den ich kurzerhand entwässer zu einer „seligen Weile“) entführt zu werden,

lieber @Peeperkorn,

wohl eher nicht. An sich gibt’s da nix zu mosern und selbst der gewagte Vergleich

Über den Wipfeln des angrenzenden Waldstreifens schwebte ein Heißluftballon, gleich einem Gott, der Passagierkorb voll mit Touristen, …
das erste Komma weg (im Deutschen haben wir einige Striche – mir fällt da der Gedankenstrich ein) - werd ich bei (in alfabetischer Reihenfolge) Calvin und Zwingli um Mäßigung bitten, auf dass sie nicht murren mögen, aber ein Kängurubeutel böte sicherlich zu wenig Raum und selbst eine gemäßigte Bagage wäre dem Tier zu viel und zu schwer … wenn sie sich nicht gleich selbst vorm Beuteltier erschreckten.

… die ihre Blicke über die Garanten der Schweizer Ernährungssicherheit schweifen ließen, über die moosbewachsenen Hangare des Militärflughafens oder[...], falls es sie nach Erhabenheit dürstete, über den Gerschensee, dessen Oberfläche an windstillen Junitagen gebürstetes Aluminium ist.

Es ist keineswegs „Alu“, sondern bestenfalls „wie … Alu“ (naja, als gelernter Chemielaborant müsst ich es wohl hinkriegen ...)

Warum hier das „Gewese“

Jeder Mensch mit einem gewissen Sinn für Chancen und Notwendigkeiten wäre in der Lage gewesen, mir einen Rat zu geben, …
wenn der Konjunktiv II als Konj. irrealis selbst unwahrscheinliches aufzählen könnte ...

«Ist nicht verboten, oder?»
«Lass es sein.»
Ah, auch hier ist der Feldzug wider dem bedrohten (hier: Ausrufe)-Zeichen angesagt … Die Frage oben klingt wie eine – aber der Folgesatz klingt nach mehr als einer Aussage...

Doch mich erfasste eine Unruhe und so begann ich, die Wohnung aufzuräumen, kratzte Krusten von Tellern, spülte Gläser, wischte den Boden.
Warum zitier ich diesen Satz?
Das erste Komma zerstört das komplexe Prädikat „aufräumen beginnen“,

aber wie dem auch sei,

herzlichen Glückwunsch zur verdienten Empfehlung!,

vom Dante windje

 

Liebe @bernadette

Danke dir sehr fürs Reinschauen, das war eine nette Überraschung!

Lieber Peeperkorn, ich finde, du solltest unbedingt eine Parallelgeschichte schreiben: Aus der Sicht des weißen Toyotafahrers. Das kriegst du sicher wunderbar hin und hast auch garantiert deinen Spaß dabei - und wir auch, weil wir dann endlich erfahren, wie denn alles so gekommen ist, wie es dann war.
Tatsächlich habe ich mich inzwischen am Text festgebissen und bin daran, ihn deutlich auszubauen. Sehr deutlich. Es wird also keine Parallelgeschichte geben, aber man wird tatsächlich erfahren, wie denn alles so gekommen ist. Eines kann ich jetzt schon verraten: Der illegal entsorgte Abfall wird nicht das einzige Problem bleiben. Damit habe ich jetzt zwei (potentiell) lange Texte auf dem Tisch, mit dem einen gehe ich bald ins Lektorat, diesen hier gilt es zu entwickeln. Das bedeutet, dass ich mich hier in nächster Zeit wohl eher selten blicken lassen werde.
Kann ein gluteninduzierter Enteropath wie ich an einem solchen Zitat vorbei, um allsogleich zu einem neueren Seldwyla (eigentlich ein „seliger Weiler“, den ich kurzerhand entwässer zu einer „seligen Weile“) entführt zu werden
Es freut mich, lieber @Friedrichard, dass ich dich eine Weile in den Weiler entführen konnte. Das Ausrufezeichen ist gesetzt, die Kommata entfernt, das gewesen verwest. Danke dir sehr für die entsprechenden Hinweise!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

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