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Eine unaufregende Reise
So lange war das noch gar nicht her, da krachte Jonathan Voltaire in einem fliegenden Zug durch das Dach des Courthavener Bahnhofs und direkt auf den zweiten Platz der Ereignisse in seinem Leben, auf die er gern hätte verzichten können. Der erste Platz, eine unbeabsichtigte Reise ins realistische Mittelalter, war nicht anfechtbar, da man Zeitmaschinen nicht hinterher geschmissen bekam wie fliegende Irgendwasse, die es inzwischen an jeder Ecke gab. Für Zeitreisen musste man sich noch ein klein wenig anstrengen, den richtigen Alkohol finden und zufällig in unmittelbarer Umgebung der notwendigen Materialien sein und das war eine Kunst, die nicht jeder beherrschte. Flugmaschinen hingegen … die hatten sich zu einem neuen Trend entwickelt. Ganz gleich, um welches bodenständige Objekt es sich handelte, aus irgendeiner Ecke kam ein Wissenschaftler gekrochen und pappte Propeller dran. Das führte zu einigen Schwierigkeiten in der Gastronomie, da die Leute immer noch daran gewöhnt waren, dass ihre Lebensmittel für die Zeit des Verzehrs an Ort und Stelle blieben. Fliegende Teller, Tassen und Steaks erschwerten diese Gewohnheiten jedoch auf eine derart empfindliche Art und Weise, dass sich einige Leute ein wenig darüber echauffierten, was die Menschen in High Moon mitbekamen, die daraufhin endlich wieder einen Grund gefunden hatten, um zu demonstrieren. Innerhalb weniger Tage versanken das komplette Northwoods in Protesten. Viele Protestanten wussten nicht mal, worum es ging und warum alle am herumschreien waren, aber die Menschentrauben riefen laute Sätze, die sich reimten, und sie hatten bunte Schilder dabei, also mussten sie ja recht haben. Da stimmte man einfach mal mit ein und verabscheute die, die etwas anderes riefen. Das waren Tiere! Barbaren!
Jonathan, der mit dem Verkauf seiner letzten Zeitmaschine ein kleines Vermögen gemacht hatte, war über diese Entwicklung besorgt, also beschloss er, dass er für die Dauer dieses Aufstands raus war. Einfach mal Urlaub machen. Wo? Wusste er nicht. Möglichst weit weg von den Leuten, die sich wegen jeder Kleinigkeit viel zu leicht gekränkt fühlten. Wie? Klassisch. Ein Pferd mieten und durch die Landschaft traben. Mit wem? Alleine. Das war ganz wichtig. Wenn jemand an seiner Seite wäre, bestünde eine nicht geringe Chance, das diese Person sich für irgendetwas verantwortlich fühlen und ihn mit hineinziehen würde. Gerade als Protestanten das Hotel anzündeten, in dem er residierte, zog er den Reißverschluss seiner Tasche zu. Er wanderte durchs Treppenhaus, wich Fackelträgern aus, die brüllend durch die Gänge rannten und Gardinen anzündeten und steuerte die Treppe an, die aus dem Hotel führte. Er musste sich beeilen, denn Demonstranten sammelten sich in einer Reihe darauf und versuchten, durch Vor- und zurückbewegungen das gesamte Konstrukt zum Einsturz zu bringen.
»Entschuldigung, Achtung, Vorsicht, darf ich mal vorbei, bitte?«
»Wie kannst du es wagen?«, rief eine junge Frau mit blauen Haaren.
»Wie kann ich was wagen?«
»Ich identifiziere mich als jemand, der niemandem vorbei lässt. Deine Äußerungen, dass du hier einfach vorbei spazieren möchtest, kränken mich! Du unsensibler Hassverbrecher!«
Jonathan nickte mehrfach, hob die junge Frau hoch und schuf sich einem Weg, indem er sie neben ihre Mitprotestanten stellte. »Ja, nein, ist gut, von mir aus. Ich habe nur keine Lust, hier drin zu verbrennen.«
»Das ist beleidigend denen gegenüber, die Lust haben, hier drin zu verbrennen!«, rief ein anderer Demonstrant, schwenkte eine Fahne und zeigte auf Jonathan.
»Er hat mich ohne meine Zustimmung berührt! Ich bin belästigt worden! Haltet ihn! Haltet ihn!«, rief die Blauhaarige schrill, warf sich in Fötushaltung auf den Treppenboden und hielt sich den Bauch.
Jonathan marschierte unbeirrt auf den Ausgang zu, während sich um ihn herum eine Traube aus Leuten sammelte, die hastig mit Schreibblöcken Zeichnungen von ihm anfertigten, um sie an den Diskussionswänden der Städte anzuheften.
Bevor Jonathan das Hotel verließ, wandte er sich noch einmal den Protestanten zu: »Tut mir einen Gefallen und bleibt hier drin, während das Hotel verbrennt.«
Nachdem die Eingangstür zugefallen war, stolzierte ein Mann in einem grauen Anzug die Treppen hinab, der von den anwesenden Protestanten ignoriert wurde.
»Jonathan Voltaire!«, sagte er und lehnte sich auf seinen Gehstock. »In dir spüre ich nicht die gewöhnliche Unzufriedenheit eines Aufständischen. Was in dir tobt, ist fortgeschrittene Desillusion. Wie köstlich du bist! Sei bereit, Jonathan Voltaire, denn ich, der Seelenfresser, werde mich an deinem Leid laben wie die Made im Speck! Ich werde dich nicht einfach verzehren, nein, das wäre zu einfach. Während deiner Reise werde ich dir kleine und große Fallen stellen, um deinen Gemütszustand noch weiter anzufachen, damit du reifst wie ein guter Wein. Und dann, wenn der richtige Moment gekommen ist …« Der Graue hob eine Hand und ballte sie zur Faust, woraufhin alles zum Stillstand kam. Die Protestanten kippten der Reihe nach um und ihre Seelen, die vom Seelenfresser als rosa Gummibärchen dargestellt wurden, wanderten in seine Richtung, während die dazugehörigen Leichen zerfielen. »Boom.«
Wo wir gerade bei Quatsch waren … mitten auf der Straße stand eine Kiste, die von einem Stock aufrecht gehalten wurde. Darunter hatte jemand einen Geldsack platziert und ein von Hand geschriebenes Schild daneben gestellt, auf dem „Kostenloses Geld“ stand. Ein dickes Seil, das man gar nicht übersehen konnte, war um den Stock gebunden und führte in einen Busch neben der Straße. Aus diesem Busch schaute ein grauer Filzhut.
»Ähm.« Jonathan räusperte sich. »Ich … ich kann dich sehen. Du bist dort im Busch.«
»Nein, bin ich nicht.«
»Doch, das bist du. Du hast mir gerade geantwortet.«
»Ich bin ein komplizierter Windzug und der Klang, der sich wie eine Stimme anhört, sind die Blätter, die ich mit meinem Hauch in Bewegung setze.«
»Wenn es dich glücklich macht.«
Jonathan ritt an der Kiste vorbei. Der Seelenfresser, der geduldig abgewartet hatte, kam aus seinem Versteck, als Jonathan am Horizont nicht mehr zu sehen war.
»Jonathan Voltaire! Es scheint, ich habe dich unterschätzt!« Der Seelenfresser rieb sich das Kinn. »Sei dir jedoch nicht zu sicher, mein überheblicher Freund, denn dies war nur ein Test! Meine nächste Falle für dich wird weitaus komplizierter, man könnte sogar sagen, dass sie derart ausgeklügelt ist, dass man dafür sterben könnte. Meine Kiste magst du durchschaut haben, Jonathan Voltaire, aber wir werden sehen, ob und wie weit dir deine Spitzzüngigkeit hilft, wenn du dich im Wald der Geister von Tatamahendron verläufst! Ich kann deine Verzweiflung bereits schmecken, Jonathan Voltaire, denn sie ist die große Schwester der Unzufriedenheit. Oh, wie köstlich du wirst.«
»Uh, kostenloses Geld«, sagte ein Bauer und griff nach dem Münzsack.
»Wirklich jetzt?«
»Na, wenn es hier so herumliegt?«
Der Seelenfresser zog an seinem Seil. Die Kiste fiel dem armen Bauer auf die Hand, wobei sie ein wenig zufriedenstellendes Pfump machte.
»Aua. Das … das zwiebelt. Ich glaube, ich habe mir einen Schiefer eingefangen und das gibt bestimmt einen blauen Fleck. Fffft, das macht mich schon ein wenig unzufrieden.«
»Geschieht dir ganz recht, wenn du anderer Leute Monologe unterbrichst.«
War das Landleben wirklich so romantisch, wie man immer sagte? Bisher konnte Jonathan dazu entschieden „Nein“ sagen, denn es stank überall nach Mist und er war sich sicher, dass das nicht nur an den Tieren lag. Die Schweine waren dreckig und mit Matsch eingekleistert und diese Tatsache traf auch auf den Gastwirt der örtlichen Gaststätte zu. Jonathan war manchmal höflich, also sprach er den guten Mann nicht darauf an. Seine Frau, die sich um die Küche kümmerte, machte einen ordentlichen Eindruck, also war nicht zu befürchten, dass der Kerl mit seinen Griffeln in die Nähe des Essens ging.
»Ein Zimmer bitte!«, sang Jonathan fröhlich und legte einige Münzen auf den Tresen.
»Du hast Glück. Wir haben noch ein Zimmer frei«, sagte der Wirt und strich die Bezahlung ein.
»Wir haben schließlich nur eins!«, rief seine Frau.
»Verdammt, Gretchen, so wie ich das sage, klingt. Es. Einfach. Besser!«, rief der Gastwirt in die Küche. »Hör zu, Bursche: Bei uns gibt es ganz einfache Regeln: Zu Abend wird nach dem sechsten Glockenschlag gegessen, zum zehnten Glockenschlag in Ruhe und was auch immer du tust … Geh niemals bei Nacht in den Wald! Hörst du? Niemals bei Nacht in den Wald gehen. Der ist nämlich gleich da hinten, der Wald, in den du nie bei Nacht gehen sollst. Hast du das verstanden? Niemals!«
»Okay«, sagte Jonathan, nahm sich den Zimmerschlüssel und zog sich ins Gästezimmer zurück.
Der Hausbesitzer sah ihm nach und reinigte einen Teller.
Gretchen, die einen grauen Filzhut trug, kam zu ihrem Mann in den Empfangsbereich. »Wie ist es gelaufen, Martin?«
»Sehr gut, Meister. Der Funke ist geschlagen, das Feuer ist entfacht. Niemand kann dem Sog des Grauens widerstehen, wenn die Geister von Tatamahendron ihr Lied anstimmen, um ihre Opfer in den Forst zu locken wie einst die Sirenen den mächtigen Odynasus!«
Der Gaststättenbesitzer eilte mit einer Öllampe in der Hand von der Taverne nach Hause. Ein ergiebiger Regen war über das Dorf eingebrochen, der an die Fenster trommelte und den Trampelpfad in eine saugende Falle verwandelte. Die Pferde im Stall waren unruhig geworden und trabten in ihren Ställen umher. Eine Frau, die zwei Kinder auf ihren Armen trug, rannte durch die Nacht und weinte, da sie offenbar Schwierigkeiten dabei hatte, ihr Haus wiederzufinden. In der Ferne sangen tiefe Männerstimmen ein unheimliches Lied. Der Wald, der sich abseits des Dorfes befand, schimmerte grün. Schemen, die wie Pfeile aussahen, schwirrten um die Baumkronen und trugen geisterhaften Lampen bei sich, die ein fahles Licht absonderten.
»Gretchen! Der Sturm ist schlimmer geworden!«, rief Martin und warf die Tür mit Mühe zu. Der Wind schmiss sich dagegen und drang durch die Öffnung in die Räumlichkeiten, um leichte Gegenstände von den Oberflächen zu wehen. »Ich kann nur hoffen, dass unser Gast meinen Rat befolgt hat! In Nächten wie diesen sind die Ungeheuer des Waldes besonders aggressiv!«
Martin riss die Tür zum Gastzimmer auf und starrte in den Raum. Das Fenster war gekippt und der ihm folgende Windstoß brachte die Kerzenflammen erst zum tanzen und schließlich zum erlöschen.
»Dieser Narr! Ich habe doch gesagt, dass er nicht …«
»Was brüllst du denn so herum? Ich versuche zu schlafen«, sagte Jonathan mit kratziger Stimme.
Schweigen.
»Oh. Du bist ja da.«
»Natürlich. Du hast gesagt, ich soll bei Dunkelheit nicht in den Wald und bei dem Wetter kriegt mich keiner vor die Tür.«
»Ah. Ach so.« Martin und Jonathan sahen einander an. »Willst du wirklich nicht nachsehen, was da draußen los ist? Das ist ganz schön beeindruckend.«
»Nö.«
Das Wetter besserte sich schlagartig. Der Wind ließ nach und der strömende Regen wandelte sich in ein bedauernswertes nieseln. Der Gastwirt räusperte sich und verweilte noch ein Weilchen stumm, bis ihm das Schweigen zu unangenehm wurde, woraufhin er das Zimmer verließ.
Jonathan seufzte und drehte sich wieder um.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Gretchen, als sie mit ihrem Mann zusammen in der Wohnstube saß. »Normalerweise können sich die Geister von Tatamahendron vor Helden nicht retten. Wir haben sie sogar abseits ihrer Öffnungszeiten aus den Gräbern geholt, damit sie eine Show hinlegen, und dann so ein Reinfall.«
»Lasst Euch von diesem Rückschlag nicht entmutigen, Meister!«
»Das sagst du so einfach. Du musst es den Geistern nicht erklären, warum heute keiner kommt.«
»Weil sie meinen Körper unaussprechlicher Pein aussetzen würden, Meister. Ich bin leider normalsterblich, sonst hätte ich das übernommen.«
»Unaussprechliche Pein ist deine Ausrede für alles. Na ja, es nützt nichts. Diese Etappe war ein Reinfall, Martin. Jonathan Voltaire ist gerissen wie ein Fuchs. Ich werde ihn nicht länger unterschätzen oder schonen. Als nächstes werde ich ihn in die Hände der Bruderschaft von Belial führen. Mit kleinen Zügen an seinen Strippen werde ich die Geschicke seiner Reise beeinflussen. Oh, Martin, Jonathan Voltaire weiß nicht, dass seine Reise bisher genauso verläuft, wie ich es geplant habe.«
»Das ist überhaupt nicht wahr, Meister.«
»Martin, unterbrich mich bitte nicht. Das sind meine Monologe, hörst du? Meine! Jeder Stopp, den er machen muss, gehört zu einem elaborierten Ganzen, um seinen Geist zu brechen. Die Fehlschläge? Natürlich einkalkuliert. Ein Schnitzel muss man erst klopfen, bevor man es paniert.«
Martin nickte und ließ den selbsternannten Meister reden. Der Seelenfresser konnte sich einfach nie eingestehen, dass etwas nicht funktioniert hatte und Widerworte sorgten nur dafür, dass seine Monologe länger wurden, weil sie Dinge hinzufügten, die er erklären wollte. Vielleicht, dachte Martin, bekomme ich meine Frau wieder, wenn ich einfach nur den Rand halte?
»Nur auf der Durchreise, ja?«, fragte der Mann in einem derartig seltsam singenden Ton, dass sich bei Jonathan die Nackenhaare aufstellten.
»Ja. Durchreise. Je schneller ich hier weg komme, desto besser.«
»Das kann ich verstehen. Du möchtest nicht hier sein, wenn die Dunkelheit einbricht.«
»Glaube ich. Ich nehme eine Tüte von den Bonbons da.«
Der Mann grinste und füllte einige der bunten Kugeln in eine Tüte. »Wenn es dunkel wird, gehts nämlich los.«
»Ist mir egal.«
»Wir treffen uns alle auf dem Marktplatz, ziehen Kutten an und dann …«
»Ich möchte gern noch ein paar von den Trockenfleischstreifen.«
»Du wärst ein geeigneter Kandidat für unsere Spiele.« Der Mann verpackte einige Streifen des Pökelfleischs, bevor er innehielt und Jonathan gründlich musterte. »Oder gehörst du zur Opposition?«
»Ist mir alles Latte. Willst du mir nun was verkaufen oder nicht?«
»Wir brauchen das Geld, um die korrupten Wachen zu bezahlen, die über die schrecklichen Vorgänge hinwegsehen, die …«
»… nach Einbruch der Dunkelheit hier stattfinden, ich hab es kapiert. Mir bums. Was kostet das?«
»Alles zusammen? Zwölf Crowns.«
»Na siehst du. Es geht doch.«
Als Jonathan seine Einkaufstüte nahm, packte der Händler ihn am Arm und grinste besorgniserregend.
»Wir sehen uns heute Abend auf dem Marktplatz, Frischfleisch!«
»Ich glaube eher nicht.«
Der Verkäufer präsentierte seine scharfen Zähne. »Oh, ich bin mir sicher, dass dich die Neugier zu uns treiben wird.«
Die Dorfbewohner versammelten sich auf dem Marktplatz. Sie waren in dunkle Roben gehüllt, mit Sicheln und Sensen ausgestattet und sangen ein Lied in einer Sprache, die die Ohren Normalsterblicher nicht ertragen hätten und ruderten mit den Armen in der Luft herum, bis sich das Wasser des Springbrunnens in der Dorfmitte blutrot färbte.
Stunden zogen ins Land.
Die Stimmen der Sänger waren schon kratzig geworden, aber sie versuchten, den Singsang aufrecht zu erhalten, bis einer von ihnen husten musste.
»Verdammt, Brad, jetzt hast du‘s ja geschafft. Das ganze Gesinge umsonst.«
»Sei einfach still, mein Hals ist trocken und ich habe Durst! Wir singen jetzt schon seit einer Ewigkeit und der Typ, von dem du erzählt hast, ist nicht aufgekreuzt. Ich komme mir langsam blöd vor, weißt du das? Hier in diesen Lumpen rumstehen und diesen Quatsch singen, wofür eigentlich? Bisher ist das einzige Ergebnis, dass wir unser eigenes Wasser nicht mehr saufen können, weil alles nach Blut schmeckt!« Brad zog sich die Robe über den Kopf und warf sie auf den Boden.
»Na, aber wo doch der Neue gleich kommt.«
»Na, aber wo doch der Neue gleich kommt«, imitierte Brad den Händler, der eine rote Robe trug und einen Ziegenschädel auf dem Kopf hatte. »Hier ist weit und breit niemand zu sehen! Wir schmeißen unser Geld für irgendwelche Wächter raus und machen andauernd so einen Unsinn. Die lachen uns doch aus im Wachhaus!«
»Wirst du etwa pessimistisch? Das ist eine Form der Unzufriedenheit.« Der Händler leckte sich über die spitzen Zähne.
»Wir verschwenden jede Nacht unsere Zeit! Kommt, verschreiben wir unsere Seelen dem Teufel, hast du gesagt. Das wird superlustig! Lustig ist da gar nichts mehr! Weißt du, wenn ich ein Reisender wäre und ich käme hier durch, mir wäre das auch suspekt. Stehen fünf Hänsel am Brunnen und singen Mist, während Blut sprudelt. Da will doch keiner bleiben! Seit wir dich zum Bürgermeister gewählt haben, gehts bergab mit unserer Wirtschaft und ich bin nicht der einzige, der das so sieht. Frag Porcia!«
»Porcia? Sagt er die Wahrheit?«
»Wir denken alle so. Teufelsanbetung ist halt nichts für uns. Tut mir leid.«
»Ich, für meinen Teil, gehe jetzt nach Hause. Singt doch alleine weiter. Es wird einfach Zeit, dass ich mal wieder Ruhe kriege. Den ganzen Tag bin ich müde und schlaf bei der Farmarbeit ein, weil wir uns mit diesem Blödsinn die Nächte um die Ohren hauen!«
»Aber …«
»Nichts aber, Frank! Das wars. Bete deinen Teufel alleine an!«
Franks Jünger zogen sich in ihre Hütten zurück und ließen den Anführer alleine mit seinem Blutbrunnen. Der Seelenfresser musste sich eingestehen, dass er erneut geschlagen worden war. Er sah nach links, sah nach rechts und hob die Mundwinkel, als er feststellte, dass er alleine war.
»Jonathan Voltaire! Deine List ist grenzenlos wie die des Teufels Belial. Du durchschaust meine Fassaden und spielst mit meinen Plänen, als seien sie nichts anderes als Holzklötze. Ich frage mich, welch meisterhafte Ideen sich in deinem Kopf sammeln? Planst du bereits meinen Niedergang? Oh, wie aufregend du bist. Es ist mir eine Ehre, gegen dich antreten zu dürfen! Ich habe Jahrzehnte darauf gewartet, einem würdigen Gegner gegenübertreten zu dürfen und jetzt habe ich einen gefunden. Nicht mehr lange, Jonathan Voltaire, dann wirst du verstehen, dass jeder Zug auf dem Spielbrett, den ich bis jetzt getan habe, zu meiner Strategie gehörte. Wenn dein König fällt, wirst du sehen, dass man manchmal Opfer bringen muss, um …«
»Halt die Fresse da draußen! Es ist nicht nur der Blutbrunnen, der mich so aufregt, auch diese ganzen Monologe von dir! Das geht die ganze Zeit, bla bla bla! Was kann man denn alles zu sagen haben? Meine Güte! So wichtig bist du nicht!«
Jonathan hatte sich dazu entschieden, den Heimweg anzutreten. Die Dorfbevölkerung war nicht mehr ganz sauber und ihr Modegeschmack fragwürdig, was man ihnen jedoch nicht vorwerfen konnte. Auf dem Land sprach es sich nicht so schnell herum, dass etwas nicht funktionierte und die Mittel waren ohnehin sehr begrenzt, also sah Jonathan ihnen nicht nach, dass sie herumliefen wie Bandenmitglieder, die sich bei der Wahl ihrer Uniform lediglich auf den Hut hatten einigen können. Diese Plage schien weiter um sich greifen, denn selbst auf den Baustellenschildern waren Arbeiter abgebildet, die einen grauen Filzhut trugen und optimistisch vor sich hin grinsten, als ob eine gesperrte Straße das schönste Ereignis auf der ganzen Welt wäre. „Wir bauen für Sie“, verlauteten die Schilder und schickten Reisende auf umständlich angelegte Umleitungen, die meist nochmal umgeleitet wurden. Jonathan hatte die Orientierung bereits verloren, da es unmöglich geworden war, gezielt in eine Richtung zu reiten. Es mochte nur ein Gedanke sein, aber er bekam den Eindruck, dass irgendjemand diese Baustellen gezielt platzierte, um seinen Pfad zu beeinflussen.
Nicht fern von Jonathans aktueller Position stand ein Bauwagen am Rand einer zu sperrenden Straße. Der Vorarbeiter, der seinen Helm gegen einen grauen Filzhut getauscht hatte, stand über eine Landkarte gebeugt und platzierte Stecknadeln.
»Die machen wir zu. Die machen wir zu. Die hier auch. Die sowieso. Allmählich engt sich dein Pfad ein, Jonathan Voltaire. Bald sind alle Straßen gesperrt und dann musst du an Ort und Stelle stehen bleiben, weil du nirgendwo mehr hin kannst. Das wird dich dann schon ein bisschen aufregen und dann schlage ich zu.«
Ein Mitarbeiter der öffentlichen Straßenregulation betrat den Bauwagen und hielt seinen Filzhut an seine Brust. »Chef? Ich komme im Namen der Belegschaft, um mit Ihnen zu sprechen. Wir machen uns ernsthaft Sorgen um Ihren Geisteszustand.«
»Was stimmt nicht mit meinem Geisteszustand?«
»Nun … Wir halten es schon für bedenklich, dass wir 87 Straßen an einem Tag sperren. Keiner versteht, warum wir unsere Helme für diese Hüte eintauschen mussten. Niemand von uns weiß, wer Jonathan Voltaire ist und wieso Sie so besessen von ihm sind.«
»Das geht euch nichts an. Geht wieder an die Arbeit!«
»Ihr Projekt heißt „Dem Jonathan Voltaire werden wir es schon zeigen“, Chef. Außerdem haben sich Ihre Hüte als echtes Risiko erwiesen und der Sicherheitsbeauftragte …«
»Der Sicherheitsbeauftragte ist mir egal! Ich bin der Chef hier, nicht dieser Mistkerl! Mit dem Schnipsen eines Fingers könnte ich ihn und alles, was ihm wichtig ist, vernichten! Meine Macht reicht so tief in die Erde wie die Wurzeln des ältesten Baumes! Sie nestelt sich an den Kern dieses Planeten, ist eins mit ihm geworden und legt die Arme schützend um ihn. Ohne mich könnte diese ganze Welt …«
»Sehen Sie, das ist auch so eine Sache. Diese ständigen Monologe und der besorgniserregende Inhalt, den Sie äußern …«
»Ich bin ein Seelenfresser! Wir hören uns gerne selbst reden. Ich habe den Körper eures Chefs übernommen und manipuliere euer Tun durch subtile Veränderungen, die bewirken, dass …«
»Ach sooo. Sagen Sie das doch gleich.« Der Arbeiter drehte sich zur Tür um und rief nach draußen: »Jungs! Das ist gar nicht der Chef. Das ist ein Seelenfresser, der seinen Körper übernommen hat und uns jetzt manipuliert!«
»Und ich habe mir schon ernsthaft Sorgen um den Alten gemacht!«
»Hab ich's nicht gesagt? Ich hab's doch gesagt! Jungs, habe ich gesagt, das ist ein Seelenfresser. So was ist mir nämlich schon mal passiert. Damals in der Gartenanlage.«
»Das erklärt immer noch nicht, was mit diesem Jonathan Voltaire ist.«
»Warte, ich frage ihn mal. Ich habe da nämlich so eine Idee.« Der Arbeiter wandte seine Aufmerksamkeit dem Seelenfresser zu, der regungslos im Chefsessel saß und die Hände auf den Tisch legte. »Sind Sie zufällig homosexuell, Herr Seelenfresser?«
»Nein. Nein, ich bin nicht homosexuell.«
»Ah. Dann möchte ich Sie nicht weiter stören. Wir gehen zurück an die Arbeit. Frohes Schaffen, Herr Seelenfresser.«
Das Monster im Körper des Vorarbeiters ließ den Kopf auf seine Hände sinken und seufzte. Es war heutzutage nicht besonders einfach, eine paranormale Kreatur zu sein. Die Leute wollten nicht mehr zuhören und setzten seine brillanten Pläne nicht richtig um, was bedeutete, dass seine großartigen Einfälle von Anfang an unter einem schlechten Stern standen. Als er den Kopf hob und durchs Fenster blickte, sah er Jonathan Voltaire vorbeireiten. Der Seelenfresser ließ seinen Kopf erneut auf seine Hände sinken und schluchzte. Die Arbeiter hätten ruhig mal fragen können, wie sein Konkurrent aussah. An alles konnte er schließlich nicht denken.
Inzwischen hatte der Seelenfresser weitere Versuche aufgegeben, seinem Konkurrenten ausgeklügelte Fallen zu stellen. Die Leute, die er dafür übernahm, erwiesen sich in allen Fällen als inkompetent und ruinierten seine ausgetüftelten Meisterwerke, bei denen es nicht selten um sekundengenaue Ausführung ging. Der Gaststättenbesitzer war nicht überzeugend genug gewesen, den Bürgermeister mochte niemand und für den Chef des Bauunternehmens würde ihm auch schon noch was einfallen, wenn man ihm genug Zeit dafür ließ. Für seinen letzten großen Plan verließ sich der Seelenfresser nur noch auf sein eigenes Können, seine Expertise und die Erfahrung aus Jahrhunderten von Manipulation. Wenn er alleine unterwegs war, konnte er so viele Monologe von sich geben wie er wollte und niemand würde ihm übers Maul fahren. Er würde Jonathan Voltaire in einem Netz aus Worten einweben wie eine Spinne, die ihre Beute einsponn. Mehr war er nicht, der kleine Wicht. Beute, die es ihm schwerer machte, als er geahnt haben könnte. Natürlich lag die Schuld dabei nicht bei ihm, sondern bei der gesamten Menschheit, die es ihm in den letzten Jahren zu einfach gemacht hatte. Nun stand er jemandem gegenüber, der ihm auf Augenhöhe entgegentrat und das führte zu den kleineren Fehlschlägen. Diese betrachtete der Seelenfresser jedoch nicht als solche, sondern besah sie als eine Art Lernprozess, die seinen Charakter formten und ihn stärker machten. Er machte sich eine gedankliche Notiz, dass er Jonathan Voltaire danken wollte, bevor er sich seiner Seele bemächtigte. Oh, du, mein größter Feind und Freund, dachte er, als er in seiner Nebelgestalt durch die Wälder brauste. Wir beenden es da, wo es angefangen hat.
Zusammen mit seinem Freund Jim von der Stadtwache saß Jonathan in einem Restaurant und genoss eine Mahlzeit. Die Aufstände hatten sich beruhigt und es war etwas eingezogen, das man als instabile Normalität bezeichnen konnte. Die Läden hatten wieder geöffnet und die meisten Schäden waren beseitigt worden. In Snowbrooks passierte so etwas ohne großen Popanz, da man regelmäßige Zerstörungen gewohnt war.
»Du sagst also, dass die Leute auf dem Land nicht mehr ganz glatt sind?«, fragte Jim, der Jonathan mal wieder einladen durfte. Sein Freund hatte all sein Geld auf den Kopf gehauen, um herumzureisen oder in teuren Hotels zu wohnen.
»Ohne Frage!«, antwortete Jonathan. »Du weißt ja gar nicht, wie es da zugeht. Die haben einen fürchterlichen Modegeschmack.«
Jim zog den Mundwinkel lang und wickelte ein paar Nudeln auf seine Gabel. »Also bist du froh, dass du wieder am Stadtleben teilnehmen darfst?«
»Ja«, sagte Jonathan und saugte am Strohhalm seines Getränks. »Es war mal ganz schön, etwas anderes zu sehen als Mauern, aber hier fühle ich mich wohler.«
»Hier passiert einfach mehr, oder?«, fragte Jim.
»Das würde ich so nicht unterschreiben. Die Landleute haben auch so ihre Problemchen.« Jonathan legte die Füße hoch und öffnete den Mund.
Jim schob ihm direkt die Nudeln in den Mund, die er zuvor aufgewickelt hatte. »Was beschäftigt die so?«
Jonathan kaute und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Dieses Mal wollte ich mich raus halten und bin der Meinung, dass mir das ganz gut geglückt ist.«
»Jetzt hatte ich wieder nichts von meinem Mittag«, sagte Jim und musterte seinen leeren Teller. Jonathan schmierte ihm etwas Sauce auf die Stirn.
»Jammer nicht. Ich musste einfach was essen, nachdem ich die letzten Tage nur von Trockenfleisch und Bonbons gelebt habe.«
»Du führst das Leben eines enthaltsamen Mönches.« Jim seufzte. Er schob sich einen Kaugummi in den Mund, das war besser als nichts, und machte sich auf zur Kasse.
»Ach, heul nicht, Hübscher. Du darfst immerhin mit mir das ausgebrannte Hotel erkunden und schauen, ob es da was zu holen gibt. Ich brauch Asche! Nicht … im wörtlichen Sinne.«
Jonathan packte Jims Hand und sauste los. Als Stadtwächter hatte Jim den Generalschlüssel und konnte Gebäude betreten, die der Öffentlichkeit versperrt blieben. Eine Tatsache, die sich Jonathan mehr als einmal zu Nutzen gemacht hatte. Die Eingangshalle des Hotels war komplett ausgebrannt. Skelette hingen über dem Treppengeländer und lagen auf dem Boden verstreut wie ein besonders geschmackloser Teppich. Überall lagen Koffer verteilt, die alle das Potenzial hatten, etwas Verwertbares zu enthalten.
»Hier liegen aber viele Skelette«, sagte Jim feststellend. Er war noch nie besonders helle gewesen, aber was ihm im Kopf fehlte, machte er mit gutem Aussehen und Loyalität wieder wett.
»Ach!« Jonathan blieb erstaunt stehen und stemmte die Arme in die Hüfte. »So schlecht sind sie dann doch nicht, die Protestanten. Wenn man sie um einen Gefallen bittet, kommen sie dem gerne mal nach, solange er ihm Bereich des Machbaren liegt.«
»Sie sind nicht durch das Feuer gestorben, Jonathan Voltaire!«, sagte ein Mann im grauen Anzug, der die Treppen hinab stieg und sich elegant auf einen Gehstock stützte.
»Hä?«
»Ich folge dir seit sieben Tagen. Jede einzelne meiner Fallen hast du …«
»Nein, ich hab noch Urlaub. Das machen wir dieses Mal nicht. Kommst du bitte zum Punkt?«
»Ich bin nämlich ein Seelenfresser und ich ernähre mich von …«
»Pu-hunkt!«
»ERNÄHRE MICH VON UNZUFRIEDENHEIT! MANN! Kannst du mal jemanden aussprechen lassen? Was ist in deiner Erziehung nur schief gelaufen?«
»O-ho-ho. So einiges. Frag meinen Vater. Ein Schatz von einem Mann. Du klingst gerade selbst ganz schön unzufrieden. Du solltest vielleicht mal ein paar Tage Urlaub machen, sonst musst du dich selbst fressen.«
Der Seelenfresser hob einen Finger, um Jonathan zu widersprechen. Auf Anhieb fiel ihm nichts ein, also hob er den Finger höher und zog Luft durch die Nase ein. Als er bemerkte, dass das ebenfalls nicht half, nahm er eine elegante Pose ein und schritt die Treppen weiter hinab.
»Ich bin dir die letzten Tage gefolgt und habe deine Wege gelenkt, um deine Unzufriedenheit zu schüren, auf dass mich nun ein großartiges Mahl erwartet.«
»Das ist nicht besonders gut gelaufen, findest du nicht?«
Der Seelenfresser atmete tief ein und schwenkte seinen Gehstock in Jonathans Richtung. »Jetzt sei halt mal still und lass mir meinen Monolog, damit alles einen Sinn ergibt. Also. Die erste meiner Fallen war … kaut dein Freund Kaugummi?«
»Jimmy? Immer.«
»Tut mir leid …«
Der Seelenfresser schritt nach vorne und hielt die Hand auf. Jim nahm den Kaugummi aus dem Mund und gab ihm dem Wesen.
»Den nehme ich solange an mich. Also. Erinnerst du dich an meine Gestalten?« Während die Kreatur sprach, wechselte sie ihre Form in verschiedene Personen. Jonathan fuhr sich übers Kinn und betrachtete sie.
»Nein. Nnnnein. Nein. Eh-eh. Nh-nh. Da klingelt nichts.«
Der Seelenfresser schwieg und überlegte. Was konnte er dem vergesslichsten Reisenden aller Zeiten sagen, ohne blöd dazustehen? Er wandte den zwei Jungs den Rücken zu und faltete die Hände. »Es hätte mich auch gewundert. In diesen Gestalten habe ich deine Geschicke gelenkt. Die Kiste. Das Dorf am Wald! Das Dorf mit …«
Der Antagonist horchte auf. Hinter ihm klang es so, als würde jemand Luft in einen Ballon blasen. Er wandte sich um und sah Jim, der eine Kaugummiblase machte und ihn treudoof ansah.
»Jetzt reichts mir endgültig mit euch! Haltet still, während ich ich die Seelen aus euren unzufriedenen Leibern reiße!«
Die Kreatur streckte eine Hand in die Luft und öffnete das Maul, um drei Reihen scharfer Reißzähne zu präsentieren. Jim stolperte zurück, während Jonathan wie angewurzelt stehen blieb.
Nichts passierte.
Jonathan blinzelte und sah seinem Widersacher ins Gesicht. Als das Schweigen unerträglich wurde, stand Jim auf und stellte sich neben seinen Freund.
»Weißt du, wir hatten mal einen Monsterclown in der Stadt, der hat etwas Ähnliches gemacht«, sagte Jim zu Jonathan. »Den haben sie dann mit Silber vollgepumpt und in einen Brunnen geschmissen. Jetzt kommt er da nicht mehr raus und ruft ständig um Hilfe, wenn jemand vorbei geht.«
»Ja, davon hast du mal erzählt. Der hat sich von Angst ernährt, wenn ich mich nicht irre, oder?«
»Genau, genau! Du hörst mir ja doch zu!«
Der Seelenfresser warf die Hände in die Luft und ließ sich auf die Stufen fallen. Er vergrub sein Gesicht hinter seine Hände und schluchzte.
»Oh, sieh nur. Jetzt haben wir ihn traurig gemacht. Gib ihm doch was von deiner Seele. Es muss ja nicht viel sein.« Jim meinte das nicht sarkastisch. Der Stadtwächter war dafür bekannt, ein viel zu großes Herz zu haben.
»Eigentlich kann ich dir nichts abschlagen, aber wir reden hier von meiner Seele, Jimmy.«
»Was macht ihr denn mit mir?«, rief der Seelenfresser und wischte sich die Augen trocken. »Ich gebe wirklich mein Bestes, um euch ein unvergessliches Abenteuer zu präsentieren und ihr … habt Urlaub und nehmt mich nicht ernst! Ich bin gefährlich, wirklich! Hättest du dich auf eine meiner Fallen eingelassen, wärst du voll überzeugt davon gewesen! Guck dir hier mal um, die hab ich alle umgebracht. Mit einem Schnipsen! Warum funktioniert das bei euch nicht?«
Jim und Jonathan sahen einander an und tauschen mit Blicken ihre Gedanken aus. Dann antworteten sie zeitgleich: »Wir haben uns dran gewöhnt.«
»Ich habe mal einen Drachen bekämpft«, sagte Jim.
»Und ich musste mich mit einer sprechenden Krone rumärgern«, sagte Jonathan.
»Erinnerst du dich an das aggressive Unterholz?«
»Wie könnte ich das vergessen? Du wolltest immer tiefer rein und ich wollte weg.«
»Du bist eben ein Angsthase.«
»Nh, nicht mehr so. Wusstest du, dass ich neulich im Mittelalter war?«
»Du gehst mir damit ständig auf die Nerven.«
Der Seelenfresser sah zwischen den beiden hin und her. Es half nichts. Die waren nicht normal. Wie sollte man als vernünftiges Monster für Schrecken sorgen, wenn man nicht ernst genommen wurde? Das reichte ihm. Er stand auf, ging auf die zwei zu und streckte die Arme in Jims Richtung.
»Nimmst du mich bitte fest? Ich habe all das hier angerichtet. Ich möchte auch in einen Brunnen bitte. Legt einen Stein drauf, damit ich nicht raus fliegen kann und lasst mich in Frieden.«
Oberkreuzschlüsselmanufaktor Smitts, Kommandant der Stadtwache, dessen tatsächlichen Titel sich niemals jemand merken könnte, hob einen großen Stein auf einen neu angelegten Brunnen, in dem ein Monster jubelte. Dem Urteil nach wurde die Kreatur für die Verunreinigung eines Hotels zu mehreren tausend Jahren Haft verurteilt, zusätzlich dazu brummte ihm der zuständige Richter fünf Jahre auf Bewährung wegen 278fachen Totschlags auf. Es gab Dinge, die machte man einfach nicht.
»Vorsichtig, Jungs«, sagte Smitts, als er das Warnschild aufstellte. »Ich habe mit den Arbeitern gesprochen, die für ihn gearbeitet haben. Es kann sein, dass er euch schöne Augen macht, um raus zu kommen. Der Seelenfresser ist homosexuell.«
Aus dem Brunnen war ein wutentbranntes Brüllen zu vernehmen.