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Unterschlupf

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14.03.2002
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Unterschlupf

Zittrigen Schrittes stolpern wir über knirschenden Kies bis zu einer schweren, niedrigen Holztür. Es ist bereits stockdunkel. Wir zögern beide, instinktiv, dann treten wir ein. Die Gaststätte empfängt uns mit einer abgestandenen, holzigen Wärme. Wir sehen uns um, und ich will reflexhaft meine Hand in Christians Jackentasche stecken, nach Unterschlupf suchen bei ihm. Gerade noch rechtzeitig ziehe ich meine Hand zurück. Er hat zum Glück nichts bemerkt.

Es ist auffällig still hier. Von irgendwoher klingt das stete Ticken einer Uhr. Beruhigend auf eine Art und Weise, von der ich nicht sicher sagen kann, ob ich sie kenne. Der Raum ist spärlich beleuchtet, beinahe dunkel. Kerzen brennen auf den Tischen, und in der linken hinteren Ecke flackert das Feuer eines offenen Kamins. Hinter dem Tresen am anderen Ende der Stube poliert ein dürrer, bärtiger, großgewachsener Mann, den ich auf etwa siebzig schätze, bedächtig Gläser. Einige Gäste sitzen an den Tischen, ausschließlich Männer, alle einzeln. Sie trinken Bier und sehen nicht auf, als wir hereinkommen. In die rechte Wand ist eine Tür eingelassen, durch die torbogenartige Öffnung fällt Licht, eine Treppe führt von dort hinunter. Ich bemerke erst, daß sich mein Blick verfangen hat, als mich Christian am Arm packt und an einen Tisch nahe dem Kamin zieht.

Wir setzen uns und schweigen. Vielleicht, weil das eben Erlebte noch zu frisch ist. Rückfahrt von Italien. Noch etwa vier Stunden von Düsseldorf entfernt. Seit dem Morgen durchgefahren. Mit dem festen Vorsatz aufgebrochen, heute nacht wieder im eigenen Bett schlafen zu dürfen.

Irgendwo hinter Freiburg dann unser Streit, an irgendeiner Nichtigkeit entzündet, Christian fährt von der Autobahn ab. Wir streiten auch noch auf der Bundesstraße, sogar noch auf irgendwelchen Landstraßen. Wir sind so vertieft in Anschuldigungen und Rechtfertigungen, Beleidigungen und Beleidigtsein, daß wir nicht mehr darauf achten, wohin uns die Straße führt. Irgendwann durch den Wald, irgendwie plötzlich ein Reh auf der Straße, Vollbremsung. Das Reh erschrickt sich, bleibt dennoch stehen. Glotzt mit großen unbedarften Augen in das grelle Licht der Scheinwerfer, rührt sich nicht. Steht minutenlang dämlich glotzend da, bis Christian endlich Licht und Motor abschaltet. Wir sagen nichts. Warten nur, vor Schreck selbst ganz starr.

Nachdem Christian den Motor wieder angelassen hat, die Scheinwerfer aufleuchten, ist die Straße frei, das Reh verschwunden. Als wäre es nie dagewesen. Wir fahren weiter, noch immer unfähig, etwas zu sagen. Wenige Minuten in schleichender Bewegung, schweigender Behutsamkeit. Die Gaststätte taucht unerwartet auf. Gleich einem gestrandeten Rettungsschiff am Ufer einer einsamen Insel liegt sie in der Mitte einer kleinen Lichtung, umringt von dichtem, dunklem Wald. Wir parken, steigen aus, sind hier.

Mit schlurfenden Schritten kommt der Wirt an unseren Tisch. Er hat ein Tuch über den linken Arm geworfen, zwei neue Kerzen in der rechten Hand, die er entzündet und in die beinahe niedergebrannten Stümpfe drückt. Dann fragt er mit einem knappen 'Bitte?' nach unseren Wünschen. Christian bestellt Bier und Schnaps. Ich entscheide mich für Tee und schließe mich dem Schnaps an, ein wenig enttäuscht darüber, daß es keinen Rum gibt. Keinen heißen Tee mit Rum. Das Vermächtnis aus der Tiefebene, wie Christian es spöttisch nennt, und meist fügt er mit übertriebenem Pathos hinzu: Wie schon deine Mutter, und wie ihre Mutter schon vor ihr.

Etwas Linkisches ist an diesem Wirt. Während er an unserem Tisch steht, betrachte ich ihn verstohlen. Sein ergrauter Bart und die vielen Falten, die dünnen Arme und die hohe Stirn, sein gebückter Gang und seine Gemächlichkeit bestätigen meine Schätzung. Um die siebzig müßte er sein. Vielleicht sogar älter. Nur seine Augen - klein, warm und braun - wollen nicht dazu passen. Gerade, als meine unverhohlenene Neugierde durchbricht, geht er zurück zu seinem Tresen, und enttäuscht lasse ich meinen Blick durch die Stube schweifen.

Das Mobiliar sieht alt aus, uralt. Von einer klobigen, unbeholfenen Form, die niemals einen Weg in einen Antiquitätenhandel finden wird. Die niedrige Holzdecke mit ihren riesigen Balken ist dunkel, in der Nähe des Kamins schwarz und glänzend. Die Fenster sind vorhanglos, bleigefaßt und so klein, daß ich Mühe hätte, durch sie nach draußen zu klettern.

Merkwürdig, wie manche Gedanken sich ins Bewußtsein schleichen. So scheinbar ohne eigenes Zutun, so ganz ohne Anlaß. Ich lausche dem Ticken der Uhr, kann sie nirgendwo entdecken. Der ganze Raum, außergewöhnlich rustikal und karg, ist so unspektakulär, daß ich dazu übergehe, die übrigen Gäste zu beobachten.

Zwei Tische weiter sitzt ein Greis, der gerade mit einem unachtsamen Blick den Rest seines Glases hinunterspült. Die Tür zum Keller steht noch immer offen, ich erwarte irgendwelche Geräusche: das Klirren von Getränkekisten, die die Treppe heraufgetragen werden, Schnaufen und Schritte. Ich lausche und starre, doch da ist nichts.

Ein leises Grunzen schreckt mich auf. Ich wende den Kopf. Auf dem Gesicht des Alten breitet sich ein obszönes Grinsen aus, macht eine Zahnlücke sichtbar und wirkt bedrohlich und debil zugleich. Doch nicht er hat das Geräusch verursacht. Es kam aus der Ecke neben der Kellertür, in der ich eine zusammengesunkene Figur auszumachen glaube, mir abgewandt, vielleicht mit einer Kapuze über dem Kopf.

Ich kann mich erinnern, vor langer Zeit einmal aus der Beobachtung von Menschen in Cafés und Kneipen ein Vergnügen gezogen zu haben. Bevor ich Christian geheiratet habe, lange bevor ich ihn überhaupt kannte. Eine Beschäftigung, von der ich wünsche, sie zumindest jetzt mit ihm teilen zu können. Um ein wenig das Gefühl zu vertreiben, hier am falschen Ort zu sein. Doch ich ahne, nein: glaube sicher, daß er nicht darauf eingehen wird. Daß er mir zu verstehen geben, mich anzischen wird, mein Verhalten sei peinlich. Da zudem die einzigen Geräusche von dieser Uhr rühren, die irgendwo in der Dunkelheit verborgen sein muß, ist seine Reaktion vorhersagbar: er würde sich meiner schämen, und ich bekäme ein schlechtes Gewissen.

"Mein Gott, was habe ich mich vorhin erschrocken", wende ich mich flüsternd an Christian, der nur nickt und mit der Kerze spielt. Ich warte auf eine Antwort, doch es folgt nichts. Ich weiß nicht genau, was seine Wortkargheit bedeuten mag. Unser Streit war heftig, sicher. Aber Christian gehört nicht zu den Menschen, die sich in Schweigen zurückziehen. Seine Unnachgiebigkeit ist mehr beredter Natur. Was zugegebenermaßen manchmal, besser: oftmals, anstrengend sein kann, nein: ist.

Ich erschrecke vor meiner eigenen nachdrücklichen Offenheit. Habe ich diesen Umstand jemals wirklich vor mir selbst zugegeben? Ich wiederhole und variiere die Aussage in Gedanken: Christians eloquenter Starrsinn ist ermüdend. Nein, das habe ich nicht. Dabei ist es die Wahrheit. Und es ist doch nur eine Kleinigkeit. Eine Kleinigkeit, im Vergleich zu unseren Schwierigkeiten, vielmehr: zu seinen Unzulänglichkeiten, im Bett.

Wieder erschrecke ich, doch wird die Empfindung von etwas ganz anderem begleitet. Ja, denke ich, mit den Lippen die Worte formend, Unzulänglichkeiten im Bett. Etwas bemächtigt sich meiner und verschafft mir das berauschende Gefühl eines Triumphs.

Der Wirt serviert dem Greis im Vorbeigehen ein weiteres Bier, auf dem Tablett unsere Bestellung.
"Roßler, den hemmer selber brennd", sagt er in einem schwer verständlichen, kehligen Dialekt, der mich an die Schweiz erinnert, und doch anders klingt. Es fehlt ihm das, was ich bei Schweizern als lustig empfinde. Sein auffordender Blick nötigt uns, den Schnaps in seiner Gegenwart zu trinken. Unsicher proste ich ihm zu. Die klare Flüssigkeit ist stark, scharf und ekelhaft. Und sie tut gut. Der Wirt grinst, ich lächle Christian an, dieser hat keine Miene verzogen. Schon schüttet er einen großen Schluck Bier nach.

"Können wir noch etwas zu essen bekommen?" frage ich.
"Wenn dFrau usem Keller kunnd, konn se schu no was riechde; ich kennd Ihne so e kaldi Bladd onbiede."
Ich schaue ihn an, verständnislos. Ungeachtet meiner Verwirrung fährt er fort:
"Mir hen au erschd vor zwei Daag e Sau gschlaachded. 's git au frischi Blued- un Laeberwurschd in de Bfonn. Mid Braegele wenn Se welle."
Ich bin es von starken Dialektsprechern gewohnt, daß sie sich um eine Art Hochdeutsch bemühen. Zugegebenermaßen klingt das zwar meist recht lächerlich, aber der Versuch hat etwas Rührendes. Nicht jedoch dieser Kerl. Selbstbewußt steht er vor uns, sieht abwechselnd von Christian zu mir und erwartet eine Antwort. Ich habe kaum etwas davon verstanden. Da meldet sich Christian, wie aus einem Schlaf erwachend, und doch sofort präsent:
"Nein, meine Frau mag leider weder Blut- noch Leberwurst. Aber Bratkartoffeln klingt gut. Und dazu ein wenig Wurst und Speck."

Der Wirt grunzt zufrieden, dann zieht er ab. Ich raune Christian, der sofort wieder in seine lethargische Haltung zurückgefallen ist, völlig entgeistert zu:
"Du hast ihn doch nicht etwa verstanden, oder?"
Christian sieht in die Kerze. Nach einer Weile antwortet er tonlos:
"Meine Eltern kommen ursprünglich aus dieser Region. Ich bin hier aufgewachsen."

Sofort versinkt er wieder in sich. Nimmt einen weiteren Schluck Bier, richtet seinen Blick auf die Flamme, entzieht sich. Ohne eine Erklärung, weshalb er mir noch nie davon erzählt hat. Doch ich bin nicht bereit, das einmal begonnene Gespräch so einfach wieder abbrechen zu lassen:
"Was hat er denn noch gesagt?"
"Er sagte, daß seine Frau im Keller sei, und daß diese dann etwas zu essen bereiten könne, wenn sie wieder nach oben kommen wird. Er hat uns eine kalte Platte angeboten, oder frische Blut- und Leberwurst mit Bratkartoffeln."
Die Frau ist im Keller. Deswegen steht die Tür offen. Ich wende meinen Blick, erwarte jeden Moment eine weibliche Kopie unseres hageren Wirts die Treppen heraufsteigen, doch nichts geschieht.

Ich nippe an meinem Tee, der noch immer recht heiß ist, Christian leert sein Bier. Mit einer kurzen Kopfbewegung, die der Wirt sofort registriert, signalisiert er seinen Wunsch nach einem weiteren Glas.
"Hältst du es für eine gute Idee, jetzt so viel zu trinken?" sorge ich mich, doch Christian winkt ab:
"Laß man."
Ein ungewohntes Gefühl baut sich in mir auf: Wut. Wut auf Christian, der ganz darauf aus scheint, sich hemmungslos zu betrinken. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er mich fahren lassen wird. Und Lust auf eine weitere Auseinandersetzung habe ich eigentlich auch nicht mehr. Zumal er mir mit seinen ständigen Mäkeleien dieses Thema gründlich vermiest hat.

Erstaunen erfaßt mich. Was denke ich da gerade? Stimmt das etwa? Meine aufwallende Wut flaut ab. Ja, wenn ich es recht bedenke, so scheint es zu stimmen. Christian nutzt jede sich bietende Gelegenheit, mir klarzumachen, daß ich gar nicht Auto fahren kann. Läßt er mich doch einmal ans Steuer, macht er mich mit seinen Kommentaren halb verrückt. Beim Einparken greift er mir ins Lenkrad. Über den Witz mit dem Frauenparkplatz kann er sich immer wieder totlachen. Und lese ich eine Karte, so prüft er mißtrauisch nach, ob sich nicht doch eine bessere Route findet.

Die Wut, die sich jetzt aufbaut, unterscheidet sich von der ersten erheblich. Was ihr an Hitze fehlt, wiegt sie durch Unnachgiebigkeit zehnfach auf. Ich kann spüren, wie sie stärker wird in mir. Sie gebietet mir, mich auf die Suche zu machen. Wie Wind, der Segel strafft. Und ähnlich einem Kapitän, der auch bei Wetter seinen Schoner sicher zu navigieren versteht, weiß ich in dieser Wut meine Gedanken zu steuern.

Ich führe sie zurück nach Italien, zu einem Nachtspaziergang in San Gimignano, der mich die letzten Tage über unentwegt beschäftigte. Die Türme, für die das Städtchen in der Toskana berühmt ist, am Tage kitschig, erhielten durch die Beleuchtung eine Eleganz und Macht, die mich faszinierte. Wir gingen umher, meine Freude überschwenglich, ich erzählte Christian, was ich im Reiseführer gelesen hatte: daß heute nur noch wenige der beinahe hundert Türme erhalten seien, weshalb sie erbaut worden waren und wann. Christians einzige Sorge galt unserem Auto, unseren Sachen, ob wir nicht Gefahr liefen, bestohlen zu werden.

Er konnte meine Begeisterung nicht teilen, aus Sorge, dachte ich. Jetzt sehe ich es anders. Ich blicke zur Kellertreppe und weiß: Christians Profiliersucht, seine Gier nach Darstellung, die ich so lange glücklich durch Bewunderung befriedigt habe, konnte es nicht ertragen, sich von mir belehren zu lassen. Er hatte mir meine Freude absichtlich madig gemacht.

Ich wende mich ihm zu. Er kratzt sich am Kopf, stiert in die kleiner werdende Kerze, sein Daumen tippt ans Glas, synchron mit dem Ticken der Uhr. Auf einmal kommt es mir so vor, als würde er schrumpfen, versinken. Ich betrachte sein volles, kurzrasiertes Haar. Begutachte die Brille, die ihn so intellektuell aussehen läßt und sehe ihn mit einem Mal ganz anders.

"Wieviel Uhr ist es eigentlich?" will Christian plötzlich wissen. Und ohne den Blick von der Kerze zu lassen fährt er fort: "Ich bin so müde, es kommt mir ungeheuer spät vor."
Vorsichtig antworte ich: "Ich weiß es nicht, ich muß meine Uhr im Auto liegengelassen haben. Sieh doch auf deinem Handy nach."
"Habe ich bereits. Die Anzeige funktioniert nicht."
Ich bemerke Unsicherheit in seiner Stimme und seiner Körperhaltung, erkenne auch, daß er sie zu verstecken versucht.
Der Wirt kommt an unseren Tisch, stellt ein weiteres Bier ab, Christian wendet sich an ihn:
"Entschuldigen Sie, wie spät ist es denn inzwischen?"
"Ha do mieße Se uffd Uhr gugge", lautet dessen kryptische Antwort.
"Kann man bei Ihnen auch übernachten?" fragt Christian unbeirrt weiter, ein deutliches Schwanken in seiner Stimme.
Der Wirt lacht nur und geht davon. Ein feines Grinsen zwingt sich in die Kühle meines Blicks. Wie es wohl für ihn sein mag, ausgelacht zu werden? Sicher eine ganz neue Erfahrung.
"Dann kommen wir eben sehr spät zu Hause an", bestimmt Christian, und ich widerspreche in normaler Lautstärke:
"Du wirst heute nicht mehr fahren."
"Gut, dann schlafen wir im Wagen."

Ich trinke von meinem Tee und lasse meine Augen umherwandern. Ganz ohne Absicht bleiben sie auf der Kellertür ruhen. Etwas zieht mich dorthin, seit wir die Stube betreten haben. Von dort geht es aus; mein Aufbegehren, mein neues Ich, es macht mich trunken.

Kopfschüttelnd, mit geschlossenen Augen atme ich tief ein und aus. An was für einen Ort sind wir hier nur geraten, frage ich mich, er verändert mich. Zwischen Unsicherheit und Rausch hin- und hergerissen, werfe ich einen kurzen Blick auf Christian. Auch auf ihn übt die Gaststätte eine Wirkung aus, auch er wird von ihr verändert. Ich frage mich, wie das möglich ist. Frage mich, ob unser Auto wohl noch draußen stehen wird. Und wird die Straße noch da sein, der Wald? Wäre es nicht so, stelle ich aufgeregt fest, würde es mich nicht verwundern. Mir ist nach Lachen. Die Vorstellung hat etwas unglaublich Komisches.

Mit einigem Kraftaufwand versuche ich, meine Gedanken an einen anderen Ort zu zwingen, meinen Blick weg von der Kellertür. Italien? Nein. Schulferien auf Usedom? Nein. Das Meer im Herbst vor meinem Wechsel nach Düsseldorf? Meine Arbeitskollegin Rita an der Kaffeemaschine, die Avancen meines Vorgesetzten im Büro? Nein, nein, nein, Christian. Christian am Abend, Besuch von Freunden. Ich sehe ihn reden, immer wieder ihn, ab und an Lara, selten Marcus, niemals mich. Ich habe es so gewollt, vielleicht. Bleibt mir nun noch eine Wahl? Ich glaube nicht. Es ist entschieden, ich ergebe mich.

Die Uhr tickt, die Kerze brennt, ein leises Grunzen aus der dunklen Ecke neben der Kellertür. Es beunruhigt mich nicht mehr. Ich habe mich darüber erhoben.

Meinen Blick auf die Kellertür geheftet, stehe ich langsam auf. Aus dem Augenwinkel sehe ich Christian einen großen Schluck nehmen. Langsam gehe ich quer durch den Raum, kein Blick, der mir folgt, meine Schritte im Takt der Uhr, vorbei an der Gestalt, deren Kopf ich für eine Kapuze gehalten hatte. Ich habe keine Angst. Wie ich unter dem Tor hindurchschlüpfe und die Stufen langsam hinabsteige, befällt mich ein wildes Gefühl von Freiheit.

 

umringt von dichtem, dunklem Wald
oder
umringt von dichtem dunklen Wald
:)

 

Hallo cbrucher!

Was zugegebenermaßen manchmal, besser: oftmals, anstrengend sein kann, nein: ist.
Die zwei Korrekturen in diesem einen Satz waren mir zu viel.

"Meine Eltern kommen ursprünglich aus dieser Region. Ich bin hier aufgewachsen."
Und die eigene Frau weiß nicht, aus welcher Gegend ihr Mann kommt? Niemals!!

"Laß man."
Laß mal: Oder redet er jetzt plötzlich Dialekt?


Was ich sehr wirr finde, ist, dass die Frau scheinbar nicht weiß, woher ihr Mann stammt. Das ist dann schon merkwürdig.
Und inwiefern ist das eigentlich für die Geschichte wichtig? Warum muss denn der Mann aus dieser Region stammen? Hat das eine Bedeutung? (Außer natürlich, dass er den Dialekt versteht...)

Von diesem Fehler (nenne ich jetzt einfach mal so), hat mir die Geschichte gut gefallen, weil du mit deinen Sätzen mehr erzählst, als es den Anschein hat.

Vielleicht ist noch zu sagen, dass ich den Charakter des Christian etwas einfach gestrickt finde. Ein trinkender, nach einem Streit schweigender Ehemann, der seine Frau nicht für voll nimmt (Einparken, Infos über Italien) - das finde ich dann dich etwas mager.

Die Figur der Frau hast du hingegen sehr gut beschrieben und hast durch ihren inneren Monolog ihren Charakter deutlich herausgearbeitet.

Das Ende - ich weiß nicht recht...
Irgendwie finde ich es etwas merkwürdig, dass sie aufsteht und somit gleichsam die Ehe beendet - oder verstehe ich das falsch?
Bitte, wo geht sie den hin? In den Keller zur Wirtin? Und dann? Was will sie da unten? Oder habe ich da was überlesen?
Es ist mir schon klar, dass du in der Geschichte auch das Ende der Beziehung beschreiben willst? Aber warum der Keller?
Da hätte ich gerne noch deine Gedanken gehört...

Ansonsten: eine gute Geschichte.

In diesem Sinne
c

 

@chazar:
Vielen Dank fürs Lesen und die kritischen Anmerkungen. Dazu im Einzelnen:

Was zugegebenermaßen manchmal, besser: oftmals, anstrengend sein kann, nein: ist.
Die zwei Korrekturen in diesem Satz waren mir zu viel.

Die bleiben aber. Vorerst zumindest. Ich weiß, daß man über sie stolpert, es waren ursprünglich sogar noch drei oder vier solche Stolpersteine mehr im Text (vgl. Juschi). Sie sind beabsichtigt. Und sie sind nicht die glücklichste Lösung. Doch solange mir nichts Besseres einfällt oder präsentiert wird, sind sie notwendig.

Und die eigene Frau weiß nicht, aus welcher Gegend ihr Mann kommt?

Weshalb denn nicht? Das "ursprünglich" zeigt ja, daß die Eltern die Region irgendwann verlassen haben. Mit ihrem Sohn. Sie können sich doch Jahre später kennengelernt haben. Ich kann mir gut vorstellen, daß man seine Herkunft verschweigt, wenn man sich ihrer schämt.

Laß man.

Ist eine Phrase. Findet sich auch bei Theodor Fontane. Und ist nicht Niederalemannisch.

Vielleicht ist noch zu sagen, dass ich den Charakter des Christian etwas einfach gestrickt finde.

Ist die Sicht der Protagonistin. Vermutlich ungerecht und simpel.

Auch auf die Gefahr hin, daß ich damit vollkommen mißverstanden werde: Zum Ende will ich mich nicht äußern. Wenn ich etwas Explizites dazu hätte sagen wollen, stünde es im Text. So überlasse ich es der Phantasie des Lesers. Der Text endet, wo die äußere Handlung abgeschlossen ist.

 

Ich gestehe ein, dass meine Kritik relativ oberflächlich ist. Hättest Du in einem anderen Tonfall nachgefragt, hätte ich sie spezifiziert. Unter den gegebenen Umständen habe ich aber keine mehr Lust dazu. Macht keinen Spaß. Ich stelle Dir frei, meine Kritik durch die Moderation als überflüssiges Posting löschen zu lassen.

Zum Thema "Challenge-Vorgabe erfüllt": Wie ich schon im Info-Thread geschrieben habe, ist es Sache der Jury (der ich nicht angehöre), die Geschichten zu beurteilen. Zusätzlich zu meinem sprachlichen und inhaltlichen Fazit, mit dem ich meine Kritiken gewohnheitsmäßig abschließe, schreibe ich jeweils dazu, in welcher Beziehung die Geschichte zur Challenge-Vorgabe steht, da ich das in diesem Fall für relevant halte.

Eine Geschichte, die *meiner Ansicht nach* auch an einem anderen Ort als in einer Gaststätte spielen könnte, erfüllt die Vorgabe. Mehr aber auch nicht. Ich fasse es als besondere Herausforderung des Challenge auf, dass die Autoren dieser Vorgabe etwas besonderes abgewinnen (wie z.B. Kristins Beitrag). Ob sowas in die Bewertung einfließt, ist wie gesagt nicht meine Sache und meine entsprechenden Aussagen haben nichts damit zu tun.

 

@Uwe Post:

Werde ich akzeptieren. Sogar, daß ich selbst die Schuld daran trage, keine Spezifizierung zu erhalten. Dir mit meinem Ton die Lust an einer Diskussion verdorben habe. Vermutlich hätte ich in meiner pn nicht ausdrücken sollen, daß ich eine Stellungnahme erwarte. Wie Du mir auch geantwortet hast: Der Ton macht die Musik. Sollte ich mir von Zeit zu Zeit in Erinnerung rufen.

 

Ein merkwürdiger Unterschlupf...

Hallo Claus

Jetzt geb ich also auch noch meinen Senf zu diesem Mahl ( das ja eigentlich gar nicht stattfindet ).

Die Atmosphäre hat mir ganz gut gefallen. Ich finde auch, daß die vielen Adjektive - zu dieser Geschichte- ganz gut passen.
Was die >und< angeht: da hätte ich auch gerne ein paar mehr gesehen, wäre etwas angenehmer zu lesen ( da stimme ich mit Peterchen überein ); obwohl ich ja dieses Abgehakte für manch Atmosphäre auch selbst sehr liebe :cool:

Du merkst selbst an:

Meine Texte haben selten viel äußere Handlung. Das Innen interessiert mich mehr. Gepaart mit meinem Ideal von absoluter Figurensicht.
Außerdem:
daß der wirkliche Handlungsort der Kopf der Protagonistin ist

Irgendwie hätte ich mir gerne etwas mehr/etwas deutlicher die Verbundenheit dieser "Entwicklung", die deine Prot im Kopf durchmacht mit der Wirtshausatmosphäre gewünscht ( in dieser Hinsicht würde ich auch Uwe Post zustimmen, denn die Konzentration auf das Innere, die du ja auch einräumst, wird so mächtig, daß sie mir die Umgebung, zu sehr zu vereinnahmen scheint ).

Die Frage, die sich mir stellt, ist: inwieweit hängt die innere Entwicklung deiner Prot. eigentlich wirklich mit dem Witshaus zusammen?
Oder ist dieses Wirtshaus ein Surrogat/eine Art Abbild der innerpsychischen Zustände deiner Prot? Hmm...

Und wenn ich jetzt schon mal am Fragen und Ruminterpretieren bin: :shy:

Du nennst die Geschichte Unterschlupf...hmm...schon ein eigenartiger Unterschlupf; der wirkt ja schon fast beängstigend...
und Unterschlupf findet sie ja nun gerade (erstmal zumindest nicht), ja - Unterschlupf finden hier beide nicht ( das finde ich übrigens gut; diese Idee hätte ich gerne mehr betont gesehen ).
Oder ist der Keller ein Unterschlupf/eine Lösung? Will sie sich da unten verkriechen ( wie die Frau vom Wirt / ihr Gegenstück in dieser Situation)?
Das wäre ja dann schon wieder ein fast beängstigender Fortgang (von ihr)... :hmm:

lg und bb,
rock

 

@Kristin:

Vielen Dank fürs Lesen und die konstruktive Kritik, auf die ich im einzelnen eingehen will.

  • Die Zahl der Adjektive ist groß, ich weiß. Ich werde in ein paar Tagen den Text daraufhin noch einmal genau lesen, vielleicht läßt sich das eine oder andere ja einsparen. Bisher hatte ich selbst den Eindruck, daß sie das erlaubte Maß nicht überschritten hätten.
  • "Zittrigen Schrittes tapsen" - vielleicht ersetze ich "tapsen" durch 'stolpern'. Muß ich mir aber noch überlegen.
  • Sowieso sehe ich nicht so recht ein, warum das Reh jetzt einen derartigen Schock ausgelöst haben soll. - Sie hätten das arme, niedliche, unschuldige Tier beinahe überfahren. Gerade waren sie noch im Streit, dann dieses Ereignis. Finde ich einen kleinen Schock gerechtfertigt.
  • "klingt das stete Ticken" - vgl. Häferl
  • "torbogenartige Tür" - Ob die Form wichtig ist? Ja.
  • Das klingt so, als hätten die beiden während des Anlassens nicht auf die Straße gesehen - komisch. - Naja, es ist dunkel. Sie sind im Wald.
  • "zwei neue Kerzen in der rechten Hand, die er an unserem Tisch entzündet" - Stimmt, das kann man so lesen, als würde der Tisch brennen. Muß ich ändern.
  • "unverhohlene Neugierde" - steht in Bezug zu "betrachte ich ihn verstohlen"
  • Die Form wird niemals einen Weg dahin finden? Doch eher das Mobiliar, oder? Also "das"? Die Beschreibung gefällt mir übrigens! - Vielen Dank. Und ja, ich dachte tatsächlich an die Form, und halte die Formulierung für legitim. Die "Idee" dieser Möbel wird sich dort nicht finden.
  • "Decke aus Balken und Dielen" - Uuups. Werde den Satz ändern.
  • Woher ist plötzlich klar, dass sie in den Keller führt? - Daß Stufen hinunterführen, wird vorher erwähnt. Und was sollte unten anderes sein, als ein Keller?
  • "macht eine Zahnlücke sichtbar und wirkt bedrohlich und debil zugleich" - Bleibt.
  • Naja, wenn sie die Kapuze sogar erkennt, wieso "glaubt" sie dann nur, die Figur auszumachen? - Wo steht, daß sie die Kapuze erkennt? Was sie zu erkennen glaubt, sieht so aus. Es könnte auch eine Lampe sein.
  • Das klingt irgendwie gestelzt, "ein Vergnügen gezogen zu haben" ... - Es ist ja auch schon lange her.
  • "Seine Unnachgiebigkeit ist mehr von beredter Natur." - Das "von" stirbt. Danke.
  • Also bis hierher hast Du mich mitgenommen, aber jetzt schnalle ich ab. Wieso kommt sie plötzlich auf's Bett zu sprechen? - Dazu drei Anmerkungen
    • Ich glaube, die Frage könnte Dir die Protagonistin auch nicht beantworten. Der Gedanke ist plötzlich da. Deine Reaktion ist geradezu vorbildlich (zumindest für meine Vorstellung, wie es ankommen sollte).
    • 'aufs Bett'
    • Schreibst Du Deine Kommentare während des Lesens? Gerade diese Anmerkung und auch die folgende lassen darauf schließen.
  • Huch? Kann ich auch nicht mehr nachvollziehen. Woher, warum, wie? - vgl. Vorgänger
  • "Topinambur" - hängt davon ab, wie man es ausspricht. Natürlich hätte ich auch "Roßler" schreiben können. Mache ich vielleicht noch.
  • "Wenn dFrau" - Ich habe da lange überlegt, verschiedene Schreibweisen ausprobiert. Die Apostrophvariante halte ich für unschön, weil nicht einfach ein 'e' ausgelassen wird. Hm.
  • "Dialektsprechern gewohnt, daß sie sich bemühen, Hochdeutsch zu sprechen" - Werde ich ändern
  • Wie, sie ist mit ihm verheiratet und weiß das nicht? - Ja. Vgl. Antwort auf chazars Kommentar
  • "und daß diese dann etwas zu essen bereiten könne" - Er übersetzt. Ganz monoton. Wie ein bezahlter Dolmetscher. Deshalb dieser Stil
  • Naja, "Wetter" gibt es aber immer, oder? - vgl. Antwort auf Kommentar von Häferl
  • "Frage mich, ob unser Auto wohl noch draußen stehen wird. Oder die Straße und der Wald." - Tatsächlich nicht gut. Muß ich ändern.
  • "Kaffemaschine" - Huch!
  • "Ich ergebe mich" nimmt der Entscheidung mE die Kraft. Und klingt so resignativ. - Was ist denn daran so falsch? Ist es denn wirklich ihre Entscheidung?
  • Komma nach "hinuntergehe" - Wird korrigiert.

@rockz:

Auch an Dich vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Du bist tatsächlich der erste, der sich Gedanken über den Titel macht. Aber ich weiß ja aus Erfahrung, daß Du immer wieder für Überraschungen gut bist.

Deine Interpretationsansätze halte ich für interessant, mach mal weiter, ich will auch endlich wissen, was ich mit dieser Geschichte eigentlich sagen will!

 

Hey Claus

ad I) Was heißt hier Überraschung ;)

ad II) Genug gesagt ... ein bißchen was, will ich ja auch noch offen lassen :D

rockz

 

Lieber Claus!

Wie ich unter dem Tor hindurchschlüpfe
Wenn Du den Satz ohne "Wie" beginnst, kommt der Titel meiner Meinung nach deutlicher hervor: Ich schlüpfe unter dem Tor hindurch ... ;)

Alles Liebe,
Susi :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich habe den Text noch einmal überarbeitet, Formulierungen verändert, einige Ergänzungen hinzugefügt, hauptsächlich Kleinkram, bis auf den letzten Absatz.

@Kristin:

  • "Topinambur" mußte "Roßler" weichen
  • Die Adjektive bleiben, sind mir hier wichtig

@Häferl:
  • "Kraftaufwand" habe ich beibehalten
  • "hindurchschlüpfe" - Das bleibt so. Möglich, daß in Deinem Vorschlag das Wiederaufgreifen des Titels deutlicher wird, aber der Satz gefällt mir, und Du hast es ja auch so gefunden, oder? Zudem mag ich nicht gerne auf dem Silbertablett servieren.

 

Hallo Cbrucher,
die innere Welt der Frau hast du sehr eindrucksvoll beschrieben, das ist ja schon mehrfach gelobt worden. Dafür, dass sehr wenig passiert, ist die Geschichte sehr gut zu lesen, alle Achtung! Mich hat allerdings gestört, dass deine Prot Vermutungen über ihren Mann anstellt, sie vermutet, dass er nicht die anderen Gäste beobachten will, sie interpretiert sein Verhalten im Urlaub plötzlich anders, sie fällt Urteile wie "Christians eloquenter Starrsinn ist ermüdend.", die ich als Leser nicht nachvollziehen kann, weil du mir das Verhalten des Mannes nicht zeigst. Das mag ja alles richtig sein, aber das ist für mich das Gegenteil von "show, statt tell". Eine Beziehung in ein paar Minuten in einem Selbstgespräch umzukrempeln, das ist schon heftig. Ich wäre ja schon eher zufrieden, wenn sie ab und zu erwähnt, dass das nur ein Beispiel von vielen ähnlichen ist oder dass ihre Freundin ihr das schon gesagt hat etc. Oder wenn sie von sich selber redet, z. B., dass sie sich nicht mehr so viel von ihm vorschreiben will, das passt zum Schluss der Geschichte. Im Moment sind alle beide wohl einfach übermüdet und unter Schock. Hier sehe ich einfach die Gefahr, vorschnelle Urteile zu fällen.

Zur Sprache: Adjektive für lebendige Beschreibungen zu verwenden, finde ich in Ordnung, aber hier: "Nur seine Augen, klein, flink, warm und braun", hätte man das flink viel anschaulicher dadurch beschreiben können, dass er die Augen wirklich bewegt und vier hintereinander sind wirklich etwas viel.
"daß sie sich um eine Hochdeutsch bemühen": ein
Gruß tamara

 

@tamara:

Vielen Dank fürs Lesen, für das Lob und vor allem für die kritischen Anmerkungen.

sie fällt Urteile [...] die ich als Leser nicht nachvollziehen kann, weil du mir das Verhalten des Mannes nicht zeigst
Verzeih bitte, wenn ich hierzu ein wenig aushole: Ich schreibe radikale Figurensicht. Was bedeutet, daß man nur Einblick in die Realität der Figur erhält. Nur die Wahrheit dieser, keine absolute. Das heißt in diesem Text, daß es keine Rolle spielt, wie ihr Mann wirklich ist. Man kann ihn nur mit ihrer Wahrnehmung und Interpretation von Realität sehen. Es ging mir nicht darum, das Verhalten der Protagonistin zu rechtfertigen, eine Botschaft zu senden oder einen schlechten Ehemann darzustellen.

Eine Beziehung in ein paar Minuten in einem Selbstgespräch umzukrempeln, das ist schon heftig. [...] Hier sehe ich einfach die Gefahr, vorschnelle Urteile zu fällen.
Diese Meinung teilst Du mit der Protagonistin.

Das "flink", das Dich gestört hat, werde ich streichen. Deine Argumentation hat mich überzeugt. Und den Fehler, den Du gefunden hast, natürlich sofort entfernen.

 

Hallo Cbrucher,
freut mich, dass du das als konstuktive Kritik siehst, immerhin habe ich mehr auszusetzen als die meisten anderen! Aber dann habe ich mal in dein Profil geschaut, gut! Also ist "radikale Figurensicht" wohl nicht mein Geschmack, ok, habe ich was gelernt! Danke!

Diese Meinung teilst Du mit der Protagonistin.
Habe ich da was überlesen, oder meinst du diesen Satz:
An was für einen Ort sind wir hier nur geraten, frage ich mich, er verändert mich.
Hast du seit gestern abend den letzten Teil eingefügt?
Schade, dass die flinken Augen weg sind, sie waren ein toller Kontrast zu seinem langsamen Gang!
Gruß
tamara

 

@tamara:

Hast du seit gestern abend den letzten Teil eingefügt?
Nein, den Teil habe ich nicht eingefügt, der war zumindest seit der ersten Überarbeitung da, habe mich gerade noch einmal davon überzeugt. Hast Du vielleicht überlesen.

Über die flinken Augen denke ich noch einmal nach, die waren mir eigentlich auch nicht ganz unwichtig. Aber Deine Argumentation war so überzeugend, meine Lösung nicht schön. Vielleicht füge ich sie noch ein, anders.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo cbrucher,
Ich habe diese Geschichte eben zum zweiten Mal gelesen. Beim ersten Mal hörte sich das Geschehen wie ein Klagelied der Ehefrau an, dass die Schuld am Zerbrechen der Ehe nur an dem Mann liegt. Jetzt beim zweiten Mal Lesen sind mir die feinsinnigen Bedeutungen mancher Worte aufgefallen. Hauptsächlich das Wort Unterschlupf hat für mich eine Bedeutung gewonnen.
Die Episode in der Gaststätte macht deutlich: Die Ehefrau erkennt zum ersten Mal, den wahren Grund ihrer ambivalenten Gefühle. Sie hat ihren Mann geheiratet, ohne sein Wesen richtig zu kennen. Normalerweise weiß eine Ehefrau, welchen Dialekt der Mann kennt, wo er aufgewachsen ist. Sicherlich hat es am Anfang ihrer Beziehung eine Art Bewunderung für ihn gegeben. Seine (vermeintliche )Stärke hat sie gereizt, besser gesagt, hat sie sich einen Schutz gesucht. Da er ihr diesen wohl im Laufe der Ehe nicht gewährte ( wozu auch, das ist nicht Sinn einer Liebesbeziehung ) ist sie entäuscht, fühlt sein Verhalten ihr gegenüber als verletzend. Da sie aber Angst hat vor dem was kommt, harrt sie der Dinge, lässt vieles von dem, was ihr lieb ist sein ( z. B. das Beobachten von fremden Leuten) und wird immer und immer wieder entäuscht, weil ihre Bemühungen nicht von ihm gewürdigt werden und er immer noch ihre Freuden, die sie im Urlaub empfindet, ihr madig macht, indem er sie abwertet. In der Gaststätte ist sie plötzlich ehrlich zu sich: Spürt ihre Wut, sieht, erkennt dass nicht Gemeinsamkeiten sie an den Mann fesseln. Die Krönung ist: Sie nimmt zum ersten Mal auch wahr: er ist nicht stark. So ist ihr plötzlich auch klar, dass ihre Suche nach Schutz bei ihm, auch die letzte Gemeinsamkeit gewesen ist, die sie noch gehalten hat. Und dass ihre Angst, von dem was kommt ( hier der Keller) sie bislang aufgehalten hat, sich zu trennen.

Da diese Geschichte eine Ich-erzählung ist, lebt sie hauptsächlich von den Reflektionen der Ehefrau. Der Ehemann ist in der Wahrnehmung der Frau, schlecht weggekommen. Seine Beweggründe für sein Verhalten ihr gegenüber, ob er alleine für das Scheitern der Ehe verantwortlich ist, können nur spekuliert werden, weil seine Gefühle, wie sie mit ihm umgeht nicht dargestellt werden. Als Leser frage ich mich: Wie muss er sich fühlen, nie von ihr geliebt worden zu sein. Wie war es für ihn, als er erkannte, nur da zu sein um ihr Defizit ( Geborgenheit und Schutz zu geben) erfüllen.
Sein Verhalten ihr gegenüber: Wie hoch war ihr Anteil, weil er ihre Erwartungen nicht erfüllen konnte. In meinen augen auch nicht brauchte.

Gerne gelesen
Goldene Dame

PS: Ich habe eben gelesen, dass es nur die radikale Ansicht einer Figur sein soll, die du darstellen wolltest. Das ist dir auch gut gelungen. Nur ist es für den Leser wenig produktiv, sie zu verstehen. Dann hättest du auch mehr von ihr erzählen müssen. Ihr noch mehr Hintergrund geben müssen: Noch mehr aufkären muss, was ihre Erwartungen an die Ehe waren. Ihre Wahrnehmung muss dann auch so dargestellt werden, dass sie in gewisser Weise eingeschränkt ist, dass sie nur so und nicht anders sehen kann.

 

@Goldene Dame:

Es freut mich, daß Du die Geschichte gerne gelesen hast, sogar zweimal. Und vielen Dank für die ausführliche Interpretation.

Daß Du Dir aufgrund des Titels, der im Text an zwei Stellen wieder aufgegriffen wird, solche Gedanken machst, ermutigt mich. Ja, es ist richtig, was vielfach in den Antworten kritisiert wurde, daß hier ein einseitiges Bild gezeichnet würde, stimmt nicht so ganz. Es liegt nahe, daß die Protagonistin die Situation selbst gefördert hat, selbst gewollt hat.

Ich muß allerdings noch dazu anmerken (vgl. auch die Kommentare von tamara), daß es sich um Figurensicht handelt. Die Realität die dargestellt wird, kann der Leser nur durch die Augen der Protagonistin sehen, was letztlich keine Garantie für Wahrheit gibt.

Deine Interpretation, die Protagonistin löse sich von ihrem Mann, nachdem sie entdeckt, daß er ihr keinen Schutz mehr geben kann und wendet sich dann ihrer Angst zu, gefällt mir ziemlich gut. Und ich halte sie für legitim. Auch, weil sie die bisherige Opfer-Täter-Verteilung Antworten umdreht. Und da (wenn ich mich jetzt einmal verraten darf) sehe ich auch die Wahrheit: sie ist ein Geflecht, und jeder trägt seinen Teil an Schuld, jeder hat seine Verletzungen. Es gibt keine klaren Urteile.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo nochmal,
Ich hatte gerade ein PS angehängt, als du mir geantwortet hast.

Und da (wenn ich mich jetzt einmal verraten darf) sehe ich auch die Wahrheit: sie ist ein Geflecht, und jeder trägt seinen Teil an Schuld, jeder hat seine Verletzungen. Es gibt keine klaren Urteile.
Diese Wahrheit kann der Leser aus der Geschichte nicht lesen. Das ist mein hauptsächlicher Kritikpunkt, daher noch ein PS im Beitrag 36. Das ich eine Interpretation gefunden habe liegt auch daran, dass ich meine Erfahrungswerte mit einbringe. Andere Leser besonders Jüngere werden diese nicht haben. Wer kennt sich schon mit dem Dilemma der unterschiedlichen Wahrnehmung aus, weiß dass jeder Mensch in seiner Beobachtung und Interpretation des Beobachten geschlossen ist. Du hast zwar angedeutet, dass sich die Perspektiven der Wahrnehmung verschieben, aber dass ist eine psychologische Feinsinnigkeit, wie vieles in dem Text.

 
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@Goldene Dame:

Über diesen Punkt werde ich wohl etwas länger nachdenken müssen, im Moment nur, was mir gerade durch den Kopf geht: ich habe kein Interesse daran, so zu schreiben, daß es wirklich jeder versteht. Wenn ich mich selbst für diejenigen zu schräg ausdrücke, die sich wirklich Gedanken über die Geschichte machen (wollen), dann muß ich natürlich etwas ändern. Hier im Forum (wie ich das auch an mir selbst bemerke), liest man durchaus auch mal weniger aufmerksam.

Zu Deiner Interpretation: sicher hast Du Deine Erfahrungen mit eingebracht, aber Deine Erfahrung (eine gewisse Sensibilisierung für Zusammenhänge) sprang auch auf Passagen, Einzelstellen im Text an, oder liege ich da falsch?

Goldene Dame schrieb:
Diese Wahrheit kann der Leser aus der Geschichte nicht lesen.

Ja. Gebe ich zu. Muß man auch nicht unbedingt, sie von sich aus in Frage zu stellen, hat vermutlich etwas mit einer bestimmte Variante von Weltsicht zu tun. Wenn ich (innerhalb des challenge) die Möglichkeit hätte, würde ich die Sicht der Protagonistin relativieren: mit einer Geschichte, die aus der Sicht Christians geschrieben ist. Das empfände ich als optimal. So bleibt sie etwas für sich alleine stehen. Und vielleicht werde ich doch noch ein wenig Material einfließen lassen, das diese Lücke schließt. Wie gesagt, ich mache mir Gedanken darüber. Vielen Dank für die kritische Anmerkung.

 
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Hallo Cbrucher,

also deine Geschichte war nichts für mich. Zu bemängeln habe ich mehrere Dinge:

1) Kein steter Wechsel zwischen äußerer und innerer Handlung. Ich weiß, dass ist von dir voll beachsichtigt, dennoch springt auf diese Weise der Motor nicht an. Spannung entsteht - meines Erachtens - dadurch, dass man die innere und die äußere Welt gegenüberstellt. Mit anderen Worten: Die innere Handlung dient dazu, zu begründen, WARUM der Protagonist schließlich etwas TUT, um die Glaubhaftigkeit/den Realitätsgehalt einer Geschichte zu erhöhen. Aber es muss(!) etwas passieren. Äußere Handlung ohne innere funktioniert in der Regel, innere ohne äußere nicht:

Eine Frau hasst ihren Mann, tötet ihn aber - nach langem Überlegen - nicht. Wenn da keine äußere Handlung die Geschichte trägt, lässt sie den Leser unbefriedigt zurück. Sie kann nicht einfach im Sessel sitzen und seitenlang nachdenken, das ist zu fad.

Gut, weiter: Wichtig ist, dass eine emotionale Entwicklung zu etwas FÜHRT und dadurch Handlung ausgelöst wird. Und zwar zeitnah. Bei deiner Geschichte überwiegt die innere Handlung, wenige "banale" Dialoge, Zeitstillstand. Spannung kommt, man wartet und wartet, erwartet die Explosion - und dann steht deine Protagonistin nach langem Denken auf und geht in den Keller, warum ist ebenso unklar wie auch, was sie da unten eigentlich finden WILL. Warum verlässt sie nicht wortlos das Lokal und fährt einfach weg?

Was ist mit dem Gasthaus? Warum verändert es die Menschen? Das ist wie bei "Shining" von King, lange wird gerätselt, schließlich wird es aufgelöst. Bei dir bleibt da eine Lücke, die gefüllt werden sollte.

2) Stil.

Du bist sehr sorgfältig (so wie ich ;)), aber gelegentlich werden deine Konstruktionen brüchig. Ich vergleiche Sätze gerne mit Schienen, auf denen der Leser entlang"fährt". Nimm mal das Bild und schau dir diesen Satz an:

Was zugegebenermaßen manchmal, besser: oftmals, anstrengend sein kann, nein: ist.

Da liegt die Lok im Graben ;)

Auch hier sind zu viele Brüche drin:

Irgendwann durch den Wald, irgendwie plötzlich ein Reh mitten auf der Straße, Vollbremsung. Das Reh erschrickt sich, bleibt dennoch stehen. Glotzt mit großen unbedarften Augen in das grelle Licht der Scheinwerfer, rührt sich nicht. Steht minutenlang dämlich glotzend da, bis Christian endlich Licht und Motor abschaltet. Wir sagen nichts. Warten nur, vor Schreck selbst ganz starr.

Da würde ich dir raten, deine Experimentierfreudigkeit ein wenig zugunsten einer flüssigen Lesbarkeit zu opfern. (Es gibt übrigens noch mehrere solcher Stellen)

Versuch es mal mit Semikolons, um kurze Pausen zu setzen. Und lass Satzteile ganz, die zusammengehören. ;)

In dem Sinne. :)

Dante_1

 

cbrucher schrieb:
Wenn ich (innerhalb des challenge) die Möglichkeit hätte, würde ich die Sicht der Protagonistin relativieren: mit einer Geschichte, die aus der Sicht Christians geschrieben ist. Das empfände ich als optimal.
Hier im Challenge hast du die Möglichkeit die Sicht der Dinge zu relativieren, ohne dass es eine zweite Geschichte sein muss. Du kannst die Erzählperspektive ändern, kannst beschreiben, was der eine oder andere fühlt, wenn er dies oder jenes tut. So kann der Leser aus dem Verhalten die Charaktere und das Beziehungsgeflecht herleiten. Wenn du zwei Ich-Erzählungen schreibst, ist dass nur eine Krücke, die dem Leser das Geflecht auch nicht besser darlegt. Das Resultat wäre höchstens: Man ergreift Partei für den einen, oder den anderen. Da aber der Kernpunkt der Geschichte sein soll, welche Wahrheit steckt dahinter, welche Erkenntnisse kann ich ableiten, ist eine Distanziertheit über die Erzählperspektive m.E. viel effektiver. Gleichzeitig kannst du, da du ein Freund von Adjektiven bist, auch diese sparsamer und gezielter einsetzen um gefühlvolle Dichte hinein zu bringen.

 

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