Hallo @Michael W und alle anderen,
gewiss wird auf deinen Post noch so die eine oder der andere antworten wollen, aber ich nutze ihn mal, um anzuknüpfen und meine Ansichten dazu zu schreiben, denn immerhin darf ich mich hier zu denjenigen Usern zählen, die schon recht viele Kritiken geschrieben haben.
Wir leben hier von der Vielfalt all derjenigen, die sich um die Geschichten bemühen, um ihre eigenen und die der anderen. Und da ist es völlig normal, dass jeder seine eigenen Schwerpunkte, z.B. an No-Gos, aber eben auch Lieblingsstellen, bevorzugten Plotideen etc. hat.
Und gerade, weil wir alle unterschiedlich empfinden, reagieren wir auch unterschiedlich, mal akribisch, mal eher mit sehr viel Milde, mal fast schon angefressen, mal sogar verärgert und das alles spiegelt sich in unseren Feedbacks.
Für mich macht diese Vielfalt gerade uns Wortkrieger aus.
Ich habe hier von all diesen Kritikern viel gelernt.
Gelernt, dass es DEN EINEN Leser gar nicht geben kann, dass jeder ein anderes Humorverständnis hat, sich einer mehr gruselt als ein anderer bei Horrorgeschichten, jemand etwas spannend findet, was mich nicht hinterm Ofen hervorlocken könnte, jemand etwas kitschig findet, was ich als romantisch empfinde und ich könnte hier jetzt ellenlange Beispiele geben.
Dein Wunsch nach mehr Einfühlsamkeit ist ganz gewiss hehr und nachvollziehbar, aber er wird von jedem von uns anders interpretiert. Und mit Sicherheit werden dir hier viele User mitteilen, dass sie einfühlsam kritisieren.
Wenn sich ein Kritiker hinsetzt und seine Zeit einem anderen widmet, dann doch nicht, weil er sich genüsslich an einem Verriss gütlich tun möchte, sich danach mit geschwellter Brust davon macht und denkt: "Ha, dem Loser hab ich es aber mal gegeben."
Schon die Tatsache, dass jemand sich der Mühe unterzieht und einem anderen eine Kritik schreibt, ist für mich eine Form von Geschenk an den anderen. Nungut, manche Geschenke gehen gehörig daneben, manch einer erwartet was ganz anderes. Das gehört aber zum Schenken dazu.
So sehr ich deinen Wunsch nach mehr Einfühlsamkeit verstehe, so wenig sehe ich die Möglichkeit, dass wir uns alle auf einen Einfühlsamkeitsbegriff werden einigen können.
Ich würde es auch gar nicht wollen, denn das würde mich in eine Art Schablone pressen, um der Einheitlichkeit willen.
Das wollte ich damit aufzeigen.
Verstehe ich dich richtig: Auch an einem Kommentar, in dem man nur Grundlegendes anmerkt, kann man zwei Stunden sitzen? Dann ist das wohl ein Thema mit einem Konflikt, der sich nicht so einfach lösen lässt, wie ich ursprünglich angenommen hatte.
Verstehst du richtig. Ich kenne etliche Geschichten, für die ich mehrere Stunden benötigt habe, um all das aufzuschreiben, was mir an ihr aufgefallen ist und damit meine ich selbstredend positive und verbesserungswürdige Teile.
Ich sehe es so: Selbst, wenn mir jemand über den Weg läuft, der aus meiner Sicht abscheuliche Kunst produziert, sage ich das der Person nicht unaufgefordert ins Gesicht.
Das halte ich für einen Irrtum, denn jeder, der sich hier anmeldet und mit ein wenig Aufmerksamkeit vorher ! verfolgt hat, was bei den Wortkriegern passiert, weiß, dass er mehr oder weniger deutlich lesen kann, wie seine Geschichte ankommt.
Und er weiß auch, dass er erfahren wird, wenn seine Geschichte misslungen ist.
Aber er wird auch erfahren, warum das der jeweilige Kritiker so sieht.
Und genau das ist für mich das Geschenk, dass sich jeder hier abholen kann: dass jemand, der sich mit dem Text des anderen nicht recht anfreunden kann, dem anderen dennoch detailliert darlegt, wieso es so ist. Für mich ist das durchaus auch eine Form von Einfühlsamkeit.
Ein bisschen Flexibilität, ein bisschen Einfühlsamkeit kann aber nicht schaden.
Zur Einfühlsamkeit habe ich ja soeben schon geschrieben. Aber das Wort Flexibilität stört mich noch. Was soll das sein? Erwartest bzw. hoffst du, dass ein Kritiker einem Neuling eine schonendere, gar vielleicht sogar geschönte Kritik schreibt?
Ist nicht Ehrlichkeit hier diejenige Tugend, die an erster Stelle stehen sollte?
Nützt es einem Autoren, wenn er ob seines in den Augen des Kritikers deutlich verbesserungswürdigen Textes, geschont wird, indem man ihm vieles verschweigt, man einem sog. alten Hasen aber voll einschenken kann?