Rumgeheule bei Kritik
In grauer Vorzeit, als ich das Internet noch nicht entdeckt hatte, gab es beim Schreiben ein substantielles Problem: Ich hatte kein Publikum. Meine Familie fand das meiste sowieso "gut" und auf die Bühne eines Poetry-Slams hätte ich mich als kleiner Neuntklässler auch nicht getraut. Zu dem Zeitpunkt kam kurzgeschichten.de wie eine Offenbarung: Leute aus allen Altersschichten und Professionen lesen meine Texte und nehmen sich die Zeit, sie zu beurteilen.
Und Beurteilung bedeutete für meine frühen Texte: vernichtende Kritik. Meine selbstmitleidige Nirvana-Schreibphase wurde mir von den Kritikern um die Ohren gehauen und ich war froh darüber, denn ich konnte mich verbessern und an meinen Stilproblemen arbeiten.
Heutzutage gibt es für viele Autoren auf kurzgeschichten.de genau zwei Reaktionen auf Kritik: Entweder man ignoriert sie beleidigt oder man fühlt sich persönlich angegriffen und postet sowas Infantiles wie "Tja, du hättest sie ja nicht lesen müssen - Tut mir Leid, dass ich deinen HOHEN Ansprüchen nicht gerecht werden konnte".
Bidde? Wo ist die Kritikfähigkeit geblieben? Ich plädiere für einen Mentalitätswandel - Überarbeiten statt Rumheulen, Rechtschreibfehler und ungeschickte Metaphern entfernen statt seine sensible Künstlerseele zu streicheln.
Gruß und so,
Spectator