Äffchen
Wo bist du mein Äffchen. Ich suche dich
Ich habe dich von klein auf Äffchen genannt. Mutter hielt dich am Tag deiner Geburt im Arm und du hattest überall Haare. Du warst ein Äffchen. Ein Wunderschönes.
Ich habe dich sofort in mein Herz geschlossen. Mein kleiner Bruder. Vom ersten Augenblick liebte ich dich und war mächtig stolz auf dich. Mutter und ich hatten nun dich. Ich weiß nicht, ob Mutter mich lieb hatte. Aber nun warst du ja da und es genügte Mutter und mir, dich zusammen zu lieben.
Deine großen braunen Augen schauten mich am ersten Tag fest, voller Zuneigung an und ich wusste auch du hast mich lieb.
Mutter ging arbeiten und ich war für dich da. So ist das wohl mit großen Geschwistern. Ich besorgte alles im Haushalt und versorgte dich. Ich erzog dich zu meinem Bruder, mein Äffchen. Mutter war das recht, denn mit ihrer Arbeit musste sie uns versorgen. Vater ist gefallen, sagte sie. Im Krieg. Ob er da noch liegt und warum er vielleicht liegen geblieben ist, war mir unvorstellbar. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Aber ich war ja da.
Ich brauchte keinen Vater mehr, auch wenn ich einsam war und Mutter wusste nichts mit meiner Einsamkeit an zu fangen. Ich wollte meine Einsamkeit nur mit dir, meinem Äffchen, teilen. Du konntest ja nicht einsam sein, denn ich war ja immer für dich da.
Du wurdest größer und deine braunen Augen schauten immer zu mir auf und du eifertest mir nach. Du hast Bälle immer sehr geliebt. Kaum konntest du laufen, bist du allem Runden hinter her gegangen.
„Äffchen, Äffchen, wo ist der Ball? Bring ihn mir!“
Du gluckstest fröhlich und liefst zu mir.
Und du liefst weiter.
Bald wolltest du meine Hilfe nicht mehr.
„Äffchen alleine!“ sagtest Du bestimmt. Und ich lies es zu.
Du liefst weiter und wurdest größer. Selbstbestimmter. Du liest meine Hand los und gingst ohne mich weiter.
Mein Äffchen wurde erwachsen. Kein Äffchen mehr, sondern ein junger hübscher Mann mit einem eigenen Leben, vielleicht mit einem eigenen Äffchen… .
In meinem Herzen bleibst du immer das Äffchen …
… und ich auf der Strecke.