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Über das Schreiben
Über das Schreiben
Mann, es fällt mir heute echt nichts ein. Irgendetwas muss es doch geben, worüber ich schreiben kann.
Ich saß an meinem Schreibtisch, die Beine übereinander geschlagen und versuchte wieder einmal eine Kurzgeschichte zu schreiben. Ich merkte nicht, dass es heute schon der dritte Bleistift war, dessen Ende ich anknabberte; so tief war ich in Gedanken versunken, ohne dass ich bisher etwas Produktives ausgedacht hätte.
Mensch, auf noch eine Fantasiegeschichte habe ich heute keine Lust, die hatte ich schon die letzten Wochen... Elfen… nein, davon hab ich schon mehrere Geschichten. Drachen? Oh Mann, dazu braucht man auch paar Kriegercharaktere; und ich will heut noch fertig werden. Wenn, dann müsste ich mir da ganz was Neues ausdenken. Was noch nicht da war.
Frustriert ließ ich den Bleistift auf den Tisch fallen und stützte den Kopf in meine Hände. Ich schrieb öfter mal eine Kurzgeschichte. Oder besser gesagt, ich versuchte es. Neben meinem Studium war das leider nicht oft möglich, doch hatte ich den Traum irgendwann einmal ein richtiges Buch zu verfassen und zu veröffentlichen. Die Kurzgeschichten waren für mich eine Art Übung, die mir meistens total Spaß machte. Irgendwo hatte ich gelesen, dass man nur besser werden würde im Schreiben, wenn man es auch täte. Dies versuchte ich so oft es ging. Aber manchmal…
Wie macht ihr Super-Autoren das? Wo kriegt ihr bloß eure genialen Ideen her?
Ich stand vom Schreibtisch auf, schlenderte zu meinem großen Bücherregal und besah mir einige Buchrücken.
Stephen King… Ken Follett… Andreas Eschbach…Joanne K. Rowling… Verdammt sind die alle gut. Wo lernt man so gut schreiben? Ich schaffe es nie soweit. Mir fällt ja heute nicht mal genug ein, um 'ne kurze Geschichte zu schreiben. Ich wette, die haben alle bergeweise Notizbücher voller Ideen. Vielleicht sollte ich mir auch mal eines anschaffen?! Und einfach jeden guten Gedankengang aufschreiben, der mir mal kommt? Aber das wäre mir, glaub ich, irgendwann zu lästig.
Ich seufzte auf, ging zu meinem Bett rüber und legte mich mit verschränkten Armen unterm Kopf hin.
Nein. Eine Fantasiegeschichte will ich heute nicht schreiben. Lieber etwas anderes. Science-Fiction vielleicht?
Mir fielen plötzlich die Sci-Fi-Geschichten von Stanislaw Lem ein. Auch wenn sie schon alt waren, die hatten es echt in sich.
Ich wette, Lem hätte noch viel mehr seiner Reisegeschichten durchs Weltall schreiben können. Jede war anders. Echt kreativ der Mann. Aber nein… mir fällt nichts ein, was ich mal eben in eine Story packen könnte. Nichts, was nicht schon vor mir jemand geschrieben hätte. Ich glaub, mir ist auch gar nicht nach Sci-Fi. Hm, eine Geschichte aus dem normalen Leben vielleicht?
Ich stand wieder vom Bett auf und ging in meinem Zimmer grübelnd auf und ab, wie ich es immer tat, wenn ich über's Schreiben nachdachte.
Machen meine Kurzgeschichten überhaupt Sinn? Ja, ich will besser schreiben lernen, aber bringt es wirklich die erhoffte Wirkung? Eine Geschichte pro Woche ist nun echt nicht viel. Da kann ich ja noch Jahre warten, bis ich was Ordentliches hinkriege. Na ja, gut, an einem Buch versuche ich mich momentan auch grad, aber dafür brauche ich auch noch Ewigkeiten. Wer weiß, ob ich überhaupt gut genug bin, was Gescheites auf's Papier zu bringen. Und die Fantasie verlässt mich mittlerweile auch schon. Mir fällt nix ein.
Ich ging wieder zum Schreibtisch und klappte meinen Laptop auf. Ich wartete, bis er hochgefahren war, klickte dann auf ‚winamp’, suchte meine Lieblings-Playlist raus und hörte ein bisschen Musik. Normalerweise konnte Musik auf wunderliche Weise meine Stimmung heben. Der erste Song war direkt einer meiner liebsten Songs: „Never Ending Story“ von Limahl.
Die unendliche Geschichte… auch so ein Meisterwerk. Wenn ich mich nicht irre, dann ist das das einzige Buch auf der ganzen Welt, das auf Geheiß von Michael Ende immer zweifarbig, rot und grün, gedruckt wird. Echt coole Idee von ihm. Überhaupt hat er mit seinen Charakteren die Welt beeindruckt. Wer auf der Welt liebt nicht Atréju oder den Drachen Fuchur? Oder wichtiger: Wie kriege ich so etwas hin? Da muss man ja n Genie sein! Oder hat Ende auch nur so drauflos geschrieben? Was ihm gerade in den Sinn kam? Einfach so? Vielleicht auch ohne vorher ein richtiges Konzept zu haben? Wie er wohl angefangen hat zu schreiben? Hat er auch mit Kurzgeschichten angefangen?
„Reach the stars, fly a fantasy”, tönte das Lied aus den Lautsprechern. “Dream a dream, and what you see will be.”
Wenn das nur so einfach wäre! Sich was erträumen und dann auf Papier festzuhalten.
„There upon the rainbow is the answer to a never ending story.” Gleich würde das Lied enden. Ich beschloss ‚Toggle Playlist Shuffling’ einzuschalten, um das Programm den nächsten Song durch Zufall auswählen zu lassen.
Ich könnte es ja mal mit einer Piratengeschichte probieren. Wollte ich schon immer. Habe früher Berge von Abenteuerbüchern verschlungen. Wieso nicht selbst einfach versuchen, so etwas zu schreiben?
Winamp fand den nächsten Song und ließ ein Lied von Boyzone ertönen.
Nein. Lieber nicht. Piratengeschichten würden bei mir ausarten. Wenn schon Piraten, dann auch Inseln, Schätze, Fallen. Nein, das lässt sich nicht in eine Kurzgeschichte packen. Das würde eher ein Abenteuerbuch werden, und ich mache lieber erst mein momentanes fertig.
Ich drückte „B“ auf meiner Tastatur, was bedeutete, dass Winamp den nächsten Song suchen sollte. Sogleich hörte ich Russell Watsons Stimme: „It´s been a long road, getting from there to here. It´s been a long time, but my time is finally near.”
Das ist n klasse Song. Kein Wunder, dass ‚Enterprise’ dieses als Vorspannmusik ausgewählt hat. Ich liebe diese Musik... echt.
Ich lehnte mich auf meinem Schreibtischstuhl zurück und ließ die Musik auf mich wirken. „And I will see my dream come alive at last. I will touch the sky.
And they´re not gonna hold me down no more, no they´re not gonna change my mind.”
Unglaublich, wie motivierend ein bisschen Musik sein kann. Ich fühl mich sofort belebter. Ich schreibe heut bestimmt noch eine Geschichte. Wäre doch gelacht, wenn nicht.
“Cause I´ve got faith of the heart. I´m going where my heart will take me. I´ve got faith to believe. I can do anything.”
Ich wünschte, die Musik würde viel mehr Leute ansprechen und motivieren.
Nun musste ich an Felix denken. Ich hatte ihn irgendwann mal per Internet kennen gelernt. Auch jemand, der ab und zu Geschichten schrieb. Doch war er meist unmotiviert und beendete kaum etwas.
Mann, Felix, du hast soviel Talent, kannst so wunderbar Dinge beschreiben. Warum schreibst du nicht viel mehr? Du weißt selbst, dass du auch viel besser bist als ich. Was lässt dich immer wieder zögern? Weißt du überhaupt, dass ich erst durch dich wieder daran erinnert wurde, dass ich früher Geschichten geschrieben habe? Dass du mit ein Grund bist, warum ich wieder anfange mit Schreiben? Ich hab' manchmal sogar Gewissensbisse, dass ich so viel momentan probiere und du hinterher hinkst. Weißt du, wie schade es ist, wenn jemand wie du es nicht einmal richtig probiert mit dem Schreiben?
Mir fiel auch plötzlich wieder ein, dass ich von ganz vielen im Internet gelesen hatte, die zwar gerne schreiben würden, es aber aus den und den Gründen nicht taten. Manche, weil sie es sich einfach nicht zutrauten, manche weil sie aus unerfindlichen Gründen Schreibblockaden hatten.
Ich kann euch gut verstehen. Mir fällt heute selbst nicht viel ein, was ich schreiben könnte. Auch wenn ich es gerne möchte. Ich würd euch ja gern motivieren… die Welt kann nie genug interessante und spannende Geschichten und Bücher haben.
Ein Gedanke durchzuckte mich nun wie ein Blitz.
Hey, wieso schreibe ich nicht irgendetwas, um andere zum Schreiben zu motivieren? Eine kleine Geschichte, die anderen womöglich hilft zu einem Blatt Papier und einem Stift zu greifen und drauf los zu schreiben? Ja… da hätte ich echt Lust drauf… eine Geschichte, die andere zum Schreiben motiviert.
Ich nahm ein Blatt Papier und schrieb ganz oben ‚Über das Schreiben’ hin. So schnell mir aber der Gedanke mit der Motivationsgeschichte gekommen ist, so schnell war ich aber auch wieder dabei, ihn zu verwerfen.
Ach herrje, ich träume mich da in etwas rein. Mal ehrlich, wer würde sich denn ausgerechnet von mir motivieren lassen? Ich habe selbst noch kein Buch veröffentlicht, bin unbekannt, ein Niemand. Ich kann keine Leistung vorweisen. Wieso sollte sich also irgendwer von mir motivieren lassen? Hab' heute schließlich selbst schon ne Stunde darüber nachgedacht, was ich schreiben soll. Was kann ich anderen schon mit auf den Weg geben? Wie kann ich da anderen helfen? Ich habe nichts, was nicht andere Anfänger-Autoren auch haben.
Schon wollte ich den Zettel zusammenknüllen und in den Papierkorb werfen, als ich mich selbst in Gedanken korrigierte.
Nein, das stimmt nicht. Ich habe sehr wohl etwas, was andere noch nicht haben. Ich bin motiviert! Ich schreibe! Ich versuche, zu schreiben! Ich gebe mir Mühe! Auch wenn es schwer ist, ich versuche es immer wieder von neuem! Ich gebe nicht auf! Also wenn das mal nichts ist, was man versuchen könnte, anderen weiterzugeben, dann weiß ich auch nicht.
Aber da war noch ein Gedanke, der mein Vorhaben ins Wanken brachte.
Wie soll meine Geschichte, wenn sie denn fertig ist, andere überhaupt erreichen? Wer würde sie lesen? Wo sollten die Leute die Geschichte denn finden, damit sie überhaupt etwas davon haben? Eine Zeitung würde sie wohl kaum abdrucken. Ein Verlag hätte noch weniger Gründe dazu… verdammt, muss das denn alles so kompliziert sein?
Leicht verärgert schaltete ich den Laptop wieder aus und starrte auf das Blatt Papier vor mir. Ich las, was ich als Überschrift geschrieben hatte: ‚Über das Schreiben’. Ich grübelte weiter.
Ist es überhaupt momentan so wichtig, ob und wie ich die Geschichte anderen mal zugänglich mache? Ich weiß ja nicht, ob sich nicht vielleicht irgendwann eine Gelegenheit bietet, das zu tun, von der ich jetzt womöglich noch nicht einmal etwas ahnen kann. Ich könnte die Geschichte doch erst einmal schreiben. Vielleicht bekomme ich ja später eine Gelegenheit dazu, es anderen zugänglich zu machen. Auch wenn vielleicht nur eine einzige Person die Geschichte lesen wird und sich hoffentlich motiviert fühlt, so wäre damit mein Ziel doch erreicht. Und vielleicht würde diese einzige Person immer weiter schreiben. Geschichte für Geschichte. Buch für Buch. Und vielleicht hat sie Erfolg damit.
Ich lächelte.
Ja, so mache ich das. Ich schreibe die Geschichte erst einmal. Wegen dem anderen Problem kann ich mir ja später noch immer den Kopf zerbrechen.
So von meinen Gedanken beruhigt, griff ich nach einem Bleistift, spitzte ihn an und machte mich an die Arbeit. Ich wusste noch nicht genau, womit die Geschichte beginnen sollte; doch wusste ich, wie die Geschichte enden sollte. Nämlich mit den Worten: Gebt niemals auf!